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Information

Aktenzeichen
3 Bf 236/10
Datum
17. Dezember 2013
Gericht
Oberverwaltungsgericht Hamburg
Gesetz
Hamburgisches Transparenzgesetz (HmbTG)
Hamburgisches Transparenzgesetz (HmbTG)

Urteil: Oberverwaltungsgericht Hamburg am 17. Dezember 2013

3 Bf 236/10

Das Oberverwaltungsgericht bestätigt die vorinstanzliche Entscheidung, nach der dem Kläger - einem Insolvenzverwalter - kein Anspruch auf Einsichtnahme in die den Insolvenzschuldner betreffende finanzbehördliche Vollstreckungsakte zusteht. Es begründet dies mit dem Ausschlusstatbestand des Hamburgischen Transparenzgesetzes für Vorgänge der Steuerfestsetzung und Steuererhebung. Damit sind alle Vorgänge der Steuerverwaltung umfasst, die mit der Steuerforderung im konkreten Einzelfall zusammenhängen, also auch Vollstreckungsvorgänge. Das Oberverwaltungsgericht begründet ausführlich, weshalb es einem weiten Verständnis dieser Regelung den Vorzug vor einer engen Auslegung gibt. Der in Rede stehende Ausnahmetatbestand war in dem zum Zeitpunkt der Antragstellung noch geltenden Hamburgischen Informationsfreiheitsgesetz als Ausnahme vom Anwendungsbereich formuliert, doch wurde die Begründung wortgleich in die Begründung zum inzwischen in Kraft getretenen Transparenzgesetz übernommen, so dass es sich im Ergebnis um eine unveränderte Regelungsintention handelt. (Quelle: LDA Brandenburg)

Interessenabwägung Konkurrierende Rechtsvorschriften

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HAMBURGISCHES OBERVERWALTUNGSGERICHT 3 Bf 236/10 7 K 429/09 3. Senat Urteil vom 17. Dezember 2013 Normen: Hamburgisches Transparenzgesetz (HmbTG) § 1 Abs. 2, § 5 Nr. 4 1.      Ein Insolvenzverwalter hat nach den Vorschriften des Hamburgischen Transparenzgesetzes keinen Anspruch auf Einsichtnahme in die den Insolvenzschuldner betreffende finanzbehördliche Vollstreckungsakte. 2.      Die grundsätzlich gemäß § 1 Abs. 2 HmbTG bestehende Informationspflicht der nach dem Gesetz auskunftspflichtigen Stellen gegenüber jeder Person ist gemäß § 5 Nr. 4 HmbTG für Vorgänge der Steuerfestsetzung und Steuererhebung ausgeschlossen. Der Ausschluss umfasst alle Vorgänge der Steuerverwaltung, die unmittelbar die Bestimmung und Durchsetzung der Steuerforderung im konkreten Einzelfall betreffen. 3.      § 5 Nr. 4 HmbTG eröffnet der Steuerbehörde keine Möglichkeit über den Zugang zu den Vorgängen der Steuerfestsetzung und Steuererhebung im Ermessenswege zu entscheiden.
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Hamburgisches Oberverwaltungsgericht 3 Bf 236/10 7 K 429/09 Urteil Im Namen des Volkes In der Verwaltungsrechtssache Verkündet am 17.12.2013 Richter Justizangestellte Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle hat das Hamburgische Oberverwaltungsgericht, 3. Senat, durch die Richter Schulz, Jahnke und Dr. Delfs sowie den ehrenamtlichen Richter Röckendorf und die ehrenamtliche Richterin Tegeler für Recht und erkannt: /Gre.
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-2- Die Berufung des Klägers gegen das aufgrund mündlicher Verhandlung vom 27. August 2010 ergangene Urteil des Verwaltungsgerichts Hamburg wird zurückgewiesen. Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens. Hinsichtlich der Kosten des gesamten Verfahrens ist das Urteil vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der auf Grund des Urteils vollstreckbaren Kosten abwenden, falls nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe der jeweils zu vollstreckenden Kosten leistet. Die Revision wird nicht zugelassen. ______________________________________________________________________ Rechtsmittelbelehrung: Die Nichtzulassung der Revision kann durch Beschwerde angefochten werden (§ 133 Abs. 1 VwGO). Die Beschwerde ist innerhalb eines Monats nach Zustellung dieses Urteils durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt oder Rechtslehrer an einer der in § 67 Abs. 2 Satz 1 VwGO genannten Hochschulen mit Befähigung zum Richteramt oder durch eine der in § 3 RDGEG bezeichneten Personen bei dem Hamburgischen Oberverwaltungsgericht, Lübeckertordamm 4, 20099 Hamburg, einzulegen. Juristische Personen des öffentlichen Rechts und Behörden können sich durch die in § 67 Abs. 4 Satz 4 VwGO genannten Beschäftigten mit Befähigung zum Richteramt oder als Diplomjuristen im höheren Dienst vertreten lassen. In Rechtssachen im Sinne des § 52 Nr. 4 VwGO, in Personalvertretungs-angelegenheiten und in Rechtssachen, die im Zusammenhang mit einem Arbeitsverhältnis stehen, einschließlich Prüfungsangelegenheiten, sind auch die in § 67 Abs. 2 Satz 2 Nr. 5, 7 VwGO bezeichneten Organisationen bzw. juristischen Personen als Bevollmächtigte zugelassen. Sie müssen durch Personen mit Befähigung zum Richteramt handeln. Die Beschwerde muss das angefochtene Urteil bezeichnen (§ 133 Abs. 2 VwGO).
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-3- Die Beschwerde ist innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung dieses Urteils durch einen Vertreter, wie in Absatz 2 angegeben, zu begründen. Die Begründung ist beim Hamburgischen Oberverwaltungsgericht einzureichen. In der Begründung muss die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache dargelegt oder die Entscheidung, von der das Urteil abweicht, oder der Verfahrensmangel bezeichnet werden (§§ 133 Abs. 3, 132 Abs. 2 Nr. 1-3 VwGO). _______________________________________________________________________ Tatbestand Der zum Insolvenzverwalter über das Vermögen der Frau T                    (handelnd unter ehemals:             ) bestellte Kläger begehrt Zugang zu den Informationen in der die Insolvenzschuldnerin betreffenden finanzbehördlichen Vollstreckungsakte. Mit Schreiben vom 1. Oktober 2008 beantragte der Kläger in seiner Eigenschaft als Insolvenzverwalter bei der Beklagten unter Bezugnahme auf das damals geltende Hamburgische Informationsfreiheitsgesetz Einsicht in die Vollstreckungsakte des Finanzamtes bezüglich der Insolvenzschuldnerin. Unter dem 7. Oktober 2008 teilte die Beklagte dem Kläger mit, ein Akteneinsichtsrecht sei im Bereich der Steuerverwaltung nicht vorgesehen. Allenfalls könnten die zur Erfüllung steuerlicher Pflichten notwendigen Unterlagen zur Verfügung gestellt werden. Mit Schreiben vom 13. Oktober 2008 begründete die Beklagte ihre ablehnende Haltung zusätzlich damit, dass sie das Steuergeheimnis zu wahren habe. Der Kläger erwiderte, das Steuergeheimnis könne ihm gegenüber nicht eingewandt werden, da dieses vor der Preisgabe von Steuerdaten an unbefugte Dritte schütze, er aber als Insolvenzverwalter als Partei kraft Amtes an die Stelle   der    steuerpflichtigen    Schuldnerin  getreten    sei.   Das     Hamburgische Informationsfreiheitsgesetz verlange auch nicht die Darlegung einer steuerlichen Notwendigkeit für die Akteneinsicht. Daraufhin lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 21. November 2008 den Antrag des Klägers ab und führte zur Begründung aus, das Informationsfreiheitsgesetz      des     Bundes,    auf    das      das      Hamburgische Informationsfreiheitsgesetz    von    2006  verweise,   schließe   in   §3    Nr. 4  einen Informationszugang aus, wenn die Information einem besonderen Amtsgeheimnis unterliege. Dies sei hier wegen des Schutzes des Steuergeheimnisses nach § 30
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-4- Abgabenordnung (AO) der Fall. In der Rechtsmittelbelehrung wies die Beklagte darauf hin, dass der Bescheid mit dem Einspruch angefochten werden könne. Daraufhin legte der   Kläger    am   27.  November     2008   Einspruch   ein,   den  die  Beklagte    mit Einspruchsentscheidung vom 12. Februar 2009 als unbegründet zurückwies. Ergänzend zu den bereits gemachten Ausführungen stützte sich die Beklagte auf § 1 Abs. 3 IFG (Bund). Zu den hiernach dem Informationsfreiheitsgesetz vorgehenden Regelungen in anderen Rechtsvorschriften gehöre die Abgabenordnung. Unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (Beschl. v. 4.6.2003, BFHE 202, 231) meinte die Beklagte, der Bundesgesetzgeber habe es ausdrücklich abgelehnt, den Steuerpflichtigen in   der   Abgabenordnung       ein   allgemeines   Akteneinsichtsrecht   während     des Verwaltungsverfahrens einzuräumen. Damit liege ein absichtsvoller Regelungsverzicht vor, mit dem der Gesetzgeber eine abschließende Regelung für Akteneinsichtsrechte im Bereich der Abgabenordnung getroffen habe. Somit träten die Regelungen des Informationsfreiheitsgesetzes hinter die Negativregelung der Abgabenordnung zurück. Das Finanzamt könne zwar nach Ermessen in Einzelfällen Einsicht in Steuerakten gewähren, hierfür müsse jedoch ein berechtigtes Interesse bestehen, welches der Kläger nicht vorgetragen habe. Der Kläger hat am 24. Februar 2009 Klage beim Verwaltungsgericht Hamburg erhoben. Er hielt daran fest, ein Akteneinsichtsrecht aus § 1 Abs. 1 HmbIFG von 2006 i.V.m. § 1 Abs. 1 Satz 1 IFG (Bund) zu haben. Selbst wenn das neu erlassene Hamburgische Informationsfreiheitsgesetz von 2009 anzuwenden sein sollte, sei sein Akteneinsichtsrecht nicht durch § 3 Abs. 2 Nr. 5 dieses Gesetzes ausgeschlossen. Der dort geregelte Ausschluss    eines   Informationszugangs    für  Vorgänge     der  Steuererhebung   und Steuerfestsetzung erfasse nicht die Vorgänge der Vollstreckung, in die er Einsicht begehre. Dies ergebe sich aus der Abgabenordnung, in der die Vollstreckung eigenständig im 6. Teil (§§ 249 ff. AO) geregelt sei, während die Steuererhebung im 5. Teil (§§ 218 ff. AO) und die Steuerfestsetzung im 4. Teil, 3. Abschnitt (§§ 155 ff. AO), geregelt sei. Nachdem die Beklagte Bedenken gegen die Eröffnung des Verwaltungsrechtswegs geäußert hatte, entschied das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 17. Mai 2010, dass
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-5- der Verwaltungsrechtsweg der zulässige Rechtsweg sei. Hiergegen wurde kein Rechtsmittel eingelegt. Im Termin zur mündlichen Verhandlung am 27. August 2010 hat der Kläger beantragt, die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 21. November 2008 und des Einspruchsbescheides vom 12. Februar 2009 zu verpflichten, dem Kläger Zugang zu den über Frau T          vorhandenen Informationen zu gewähren und diesen Zugang in Form von Akteneinsicht zu gewähren. Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie meint, einem Anspruch auf Informationszugang nach dem Hamburgischen Informationsfreiheitsgesetz stehe nach dem nunmehr neu erlassenen Gesetz von 2009 der Ausschlusstatbestand von § 3 Abs. 2 Nr. 5 HmbIFG entgegen. Unter diesen Ausschlusstatbestand für Vorgänge der Steuererhebung und Steuerfestsetzung seien auch die Vollstreckungsvorgänge zu fassen. Eine Orientierung am Inhaltsverzeichnis der Abgabenordnung, wie sie der Kläger vornehme, würde zu dem widersinnigen Ergebnis führen, dass kein Informationszugang zu den Vorgängen des Festsetzungsverfahrens bestünde, sehr wohl aber zu den Vorgängen des Betriebsprüfungs- und des Feststellungsverfahrens. Mit Urteil aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 27. August 2010 hat das Verwaltungsgericht die Klage abgewiesen. Soweit der Kläger Informationszugang zu den über die Insolvenzschuldnerin vorhandenen Informationen begehre, die sich nicht in der Vollstreckungsakte befänden, sei die Klage mangels eines durchgeführten Vorverfahrens nach §§ 68 ff. VwGO unzulässig. Denn der Kläger habe im Verwaltungsverfahren lediglich einen Antrag auf Akteneinsicht in die Vollstreckungsakte gestellt. Hinsichtlich derjenigen Informationen, die sich in der Vollstreckungsakte befänden, sei die Klage unbegründet. Die begehrten Informationen seien nach § 3 Abs. 2 Nr. 5 HmbIFG (in der Fassung von
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-6- 2009) von dem nach dem Gesetz eröffneten Informationsanspruch nicht umfasst. Dies ergebe sich aus einer verfassungskonformen Auslegung. Denn die gemäß Art. 31 GG höherrangige Abgabenordnung regele den Informationszugang abschließend. Unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (Beschl. v. 4.6.2003, BFHE 202, 231) meint das Verwaltungsgericht, das Fehlen der Regelung eines allgemeinen Anspruchs    auf   Akteneinsicht    in  der    Abgabenordnung      sei   als    absichtsvoller Regelungsverzicht des Bundesgesetzgebers zu sehen. Für eine weite Auslegung von § 3 Abs. 2 Nr. 5 HmbIFG spreche auch die Gesetzessystematik, da es sich gerade nicht um eine – eng auszulegende – Ausnahmevorschrift handle. Auch die Entstehungsgeschichte deute auf ein weites Verständnis der Norm hin, weil sich in der Gesetzesbegründung für das Hamburgische Informationsfreiheitsgesetz kein Verweis auf eine systematische Angliederung an einzelne Teile der Abgabenordnung finde. Vielmehr spreche der in der Begründung verwendete Begriff der „Steuerakten“ für einen umfassend erstrebten Schutz der Steuerdaten. Auf den fristgerecht vom Kläger gestellten Antrag auf Zulassung der Berufung hat das Oberverwaltungsgericht Hamburg mit Beschluss vom 14. Dezember 2011 die Berufung wegen ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des Urteils des Verwaltungsgerichts zugelassen, soweit es um Informationen aus der steuerlichen Vollstreckungsakte der Insolvenzschuldnerin     geht.   Die    auf    die   höchstrichterliche    finanzgerichtliche Rechtsprechung gestützte Auffassung des Verwaltungsgerichts über den absichtsvollen Regelungsverzicht     des    Bundesgesetzgebers      hinsichtlich   von    Auskunfts-     und Einsichtsrechten nach der Abgabenordnung sei vor dem Hintergrund der neueren Regelungen der Informationsfreiheitsgesetze überprüfungsbedürftig. Der Kläger stützte sich in seiner rechtzeitig begründeten Berufung zunächst noch auf das Hamburgische       Informationsfreiheitsgesetz     von     2009       und      führte    zum Ausschlusstatbestand des § 3 Abs. 2 Nr. 5 aus, der Wortlaut stelle eindeutig nicht auf das Vollstreckungsverfahren ab. Zudem differenziere § 3 Abs. 2 HmbIFG im Unterschied zur Regelung des Bundes zwischen Ausnahmen nach Bereichen (Nr. 1 - 4) und Ausnahmen nach Unterlagen (Nr. 5). Verfassungsrechtlich sei eine Ausweitung des § 3 Abs. 2 Nr. 5 HmbIFG nicht geboten. Der Bundesgesetzgeber habe sich im Gesetzgebungsverfahren
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-7- zur Abgabenordnung mit den Bezügen des § 30 AO zu § 29 VwVfG auseinandergesetzt, nicht aber mit dem auf dem demokratischen Transparenzgebot beruhenden allgemeinen Informationszugangsrecht. Verfassungsrechtlich sei vielmehr zu beachten, dass hinter dem Informationsanspruch Art. 12 Abs. 1 GG stehe. Die Vorenthaltung der notwendigen Auskunft stelle einen Eingriff in die Berufsausübung dar. Nach Inkrafttreten des Hamburgischen Transparenzgesetzes vom 19. Juni 2012 (HmbGVBl. S. 271 – HmbTG), das das Hamburgische Informationsfreiheitsgesetz vom 2009 abgelöst hat, beruft sich der Kläger nunmehr auf das neue Gesetz. Hierzu ergänzt er, dass § 5 Nr. 4 HmbTG, wonach keine Informationspflicht für Vorgänge der Steuerfestsetzung und Steuererhebung bestehe, dahin zu verstehen sei, dass die Behörde für den Fall, dass die Informationspflicht ausgeschlossen sei, nach Ermessen über den Informationszugang entscheiden müsse. Angesichts der dem Kläger als Insolvenzverwalter zukommenden Verantwortlichkeit als Organ der Rechtspflege sei das Ermessen zu seinen Gunsten zu reduzieren. Zudem sei diese Vorschrift nunmehr als Ausnahmevorschrift ausgestaltet mit der Folge, dass sie eng auszulegen sei. Schließlich beruft sich der Kläger auf einen Anspruch aufgrund des im Bereich des Steuerrechts richterrechtlich entwickelten Auskunftsanspruchs nach Ermessen der Behörde. Der Kläger beantragt, die Beklagte unter Abänderung der Entscheidung des Verwaltungsgerichts vom 27. August 2010 und unter Aufhebung der Bescheide vom 21. November 2008 und 12. Februar 2009 zu verpflichten, dem Kläger in seiner Eigenschaft als Insolvenzverwalter uneingeschränkt Zugang zu den in der finanzbehördlichen Vollstreckungsakte enthaltenen Informationen zu gewähren. Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
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-8- Die Beklagte führt ergänzend zu ihrer bisherigen Argumentation zum gesetzlichen Ausschluss des Informationszugangs betreffend Vorgänge der Steuererhebung und Steuerfestsetzung aus, dass zwar in der Abgabenordnung zwischen Erhebungs- und Vollstreckungsverfahren differenziert werde, allerdings in anderen Bereichen des Steuerrechts,  wie in    Art. 27 OECD-Musterabkommen und den entsprechenden Regelungen der einzelnen Doppelbesteuerungsabkommen, Erhebung auch Vollstreckung umfasse.    Selbst   wenn     die  Differenzierung   der    Abgabenordnung      zwischen Steuererhebung und Steuervollstreckung dem Hamburgischen Informationsfreiheitsgesetz zugrunde gelegt werden würde, könne die enge, unauflösbare Verbindung zwischen diesen Bereichen nicht ignoriert werden. Dieser Zusammenhang bestehe vor allem dann, wenn der Kläger – wie hier – ganz allgemein Einsicht in die Vollstreckungsakte und damit in alle dort dokumentierten Vorgänge und enthaltenen Schriftstücke begehre. Diese Dokumente umfassten nicht bloß das Vollstreckungsverfahren als solches, sondern auch die Vorgänge der Steuererhebung, auf die sich das Vollstreckungsverfahren beziehe. Die Vorgänge der Steuererhebung seien aber ausdrücklich vom Informationszugang ausgeschlossen. Der Kläger könne sich auch nicht auf den in der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs entwickelten Ermessensanspruch des Steuerpflichtigen auf Auskunft berufen, weil er als Insolvenzverwalter nicht zur Wahrnehmung von Rechten in einem bestehenden Steuerrechtsverhältnis tätig werde.
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-9- Entscheidungsgründe Die zulässige Berufung des Klägers hat in der Sache keinen Erfolg. I. Die Klage ist als Verpflichtungsklage statthaft. Der Zulässigkeit der Klage steht nicht das Fehlen der Durchführung eines Vorverfahrens nach § 68 Abs. 1 Satz 1 VwGO entgegen, auch wenn der Kläger seinen außergerichtlichen Rechtsbehelf mit „Einspruch“ betitelt und die Beklagte dementsprechend ein Einspruchsverfahren nach §§ 347 ff. AO und kein Widerspruchsverfahren im eigentlichen Sinne der §§ 68 ff. VwGO durchgeführt hat. Dabei kann dahinstehen, ob dies schon deshalb unschädlich ist, weil das Einspruchsverfahren vorliegend den gleichen Zweck wie ein Widerspruchsverfahren erfüllt hat (vgl. VG Berlin, Urt. v. 30.8.2012, 2 K 147/11, juris Rn. 14; FG Mecklenburg-Vorpommern Urt. v. 8.11.1995,    1K   61/95,    juris  1.   Leitsatz) und   zudem     die  Beklagte    in  der Rechtsbehelfsbelehrung auf das Einspruchsverfahren verwiesen hat (vgl. VGH Baden- Württemberg, Beschl. v. 11.1.1991, NVwZ-RR 1992, 354). Denn die Beklagte hat sich sachlich vollumfänglich und ohne das Fehlen des (richtigen) Vorverfahrens zu rügen auf die Klage eingelassen, was nach ständiger Rechtsprechung dazu führt, dass die Klage dann auch ohne Vorverfahren zulässig ist (BVerwG, Urt. v. 19.2.2009, NVwZ 2009, 924, 925; Urt. v. 20.4.1994, NVwZ-RR 1995, 90; Urt. v. 2.9.1983, NVwZ 1984, 507 m.w.N.; OVG Münster, Urt. v. 7.2.2011, 1 A 833/08, juris Rn. 68; VGH Baden-Württemberg, Urt. v. 23.7.1998, NVwZ-RR 1999, 431, 432). II. Die    Klage   ist jedoch     unbegründet.     Der  Kläger   hat   keinen   Anspruch    auf Informationszugang zu der die Insolvenzschuldnerin betreffenden finanzbehördlichen Vollstreckungsakte. 1.      Der    Anspruch      auf    Informationszugang     nach     dem    Hamburgischen Transparenzgesetz ist nach § 5 Nr. 4 HmbTG für Vorgänge der Steuerfestsetzung und Steuererhebung ausgeschlossen. Hierunter fallen auch die Vollstreckungsvorgänge. Der
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