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Aktenzeichen
9 L 34/13
Datum
30. Mai 2013
Gericht
Verwaltungsgericht Potsdam
Gesetz
Akteneinsichts- und Informationszugangsgesetz Brandenburg (AIG)
Akteneinsichts- und Informationszugangsgesetz Brandenburg (AIG)

Beschluss: Verwaltungsgericht Potsdam am 30. Mai 2013

9 L 34/13

Das Verwaltungsgericht lehnt einen Antrag auf einstweilige Anordnung über den Zugang zu Informationen ab, die den Ministerpräsidenten in seiner Funktion als Mitglied des Aufsichtsrats einer Gesellschaft, an der das Land beteiligt ist, vorliegen. Als Mitglied des Aufsichtsrats gehört der Antragsgegner nicht zu den genannten auskunftsverpflichteten Stellen. Außerdem dürften die dem Ministerpräsidenten in dieser Funktion zugegangenen Unterlagen auch nicht unter den Aktenbegriff des Akteneinsichts- und Informationszugangsgesetzes fallen, der nur Unterlagen umfasst, soweit diese ausschließlich amtlichen oder dienstlichen Zwecken dienen. Die Informationen fallen zudem unter den Schutz unternehmensbezogener Daten, der über den in anderen Informationsfreiheitsgesetzen geregelten Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen hinausgeht. (Quelle: LDA Brandenburg)

Anwendungsbereich/ Zuständigkeit Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse (Gesetzliche) Geheimhaltungspflichten Konkurrierende Rechtsvorschriften Begriffsbestimmung

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VERWALTUNGSGERICHT POTSDAM BESCHLUSS VG 9 L 34/13 In dem verwaltungsgerichtlichen Verfahren wegen Akteneinsicht hat die 9. Kammer des Verwaltungsgerichts Potsdam am 30. Mai 2013 durch den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgericht Kaufhold, die Richterin am Verwaltungsgericht Stüker-Fenski und den Richter am Verwaltungsgericht Weißmann beschlossen: 1. Der Antrag wird abgelehnt. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
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-2- 2. Der Streitwert wird auf 5.000 Euro festgesetzt. Gründe: Der Antrag des als Reporter bei einer Tageszeitung tätigen Antragstellers, den Antragsgegner in Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihm Einsicht in Form der Überlassung von Kopien in Unterlagen zu erteilen, die den Ministerpräsidenten in seiner Funktion als Mitglied des Aufsichtsrats der Flughafen ... seit dem 1. Januar 2011 erreicht haben und die schriftliche Informationen    enthalten,   die   mit   dem  Ausbau   und   der   geplanten Inbetriebnahme des ...        in Zusammenhang stehen, insbesondere die mangelnde Baufortschritte aufzeigen, die Hinweise auf Verzögerungen der zunächst geplanten Inbetriebnahme des Flughafens zum Inhalt haben, einschließlich damit zusammenhängender Kosten des Projekts und mit Ausnahme        von     Schreiben       von   Bürgern,    Unterlagen     zum Asylbewerberverfahren oder ähnlich gelagerten Vorgängen, hat keinen Erfolg. Gemäß § 123 Abs. 1 Satz 2 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) kann das Gericht, auch schon vor Klageerhebung, zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis eine einstweilige Anordnung treffen, wenn die Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile, zur Verhinderung drohender Gewalt oder aus anderen Gründen nötig erscheint. Voraussetzung hierfür ist gemäß § 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2 der Zivilprozessordnung (ZPO), dass     der   Antragsteller    einen    Anspruch    auf  die   begehrte    Leistung (Anordnungsanspruch) sowie die besondere Dringlichkeit seines Begehrens (Anordnungsgrund) glaubhaft macht. Nimmt die begehrte einstweilige Anordnung – wie hier – die Hauptsache vorweg, setzt dies überdies voraus, dass die Regelung schlechterdings notwendig ist, weil die sonst zu erwartenden Nachteile für den Antragsteller unzumutbar wären und zudem ein hoher Grad an Wahrscheinlichkeit für einen Erfolg auch in der Hauptsache spricht; -3-
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-3- vgl. Kopp/Schenke, Verwaltungsgerichtsordnung, 18. Auflage 2012, § 123 Rn. 14 m.w.N. An einem hohen Grad an Wahrscheinlichkeit für einen Erfolg des Antragstellers in der Hauptsache fehlt es. Soweit der Antragsteller sich auf das Akteneinsichts- und Informationszugangsgesetz (AIG) stützt, hält der Antragsgegner ihm der Sache nach zu Recht entgegen, dass er im Rahmen der Ausübung seines Amtes als Ministerpräsident von vornherein nicht auf Gewährung von Einsicht in Unterlagen in Anspruch genommen werden kann, die ihn in seiner Funktion als Mitglied des Aufsichtsrats der Flughafen ... (... ) erreicht haben. Gemäß § 1 AIG hat jeder nach Maßgabe dieses Gesetzes das Recht auf Einsicht in Akten, soweit nicht überwiegende öffentliche oder private Interessen nach §§ 4 und 5 AIG entgegenstehen oder andere Rechtsvorschriften bereichsspezifische Regelungen für einen unbeschränkten Personenkreis enthalten. Dabei besteht das Akteneinsichtsrecht gemäß § 2 Abs. 1 AIG gegenüber Behörden und Einrichtungen des Landes im Sinne des Dritten Abschnitts des Landesorganisationsgesetzes sowie gegenüber Gemeinden und Gemeindeverbänden. Als Mitglied des Aufsichtsrats gemäß § 52 Abs. 1 des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung i.V.m. § 111 Abs. 1 des Aktiengesetzes gehört der Antragsgegner zu einem Überwachungsorgan einer juristischen Person des Privatrechts und nicht zu den genannten auskunftsverpflichteten Stellen. Auch handelt es sich bei der ... bzw. dem Aufsichtsrat nicht um einen Privaten, dessen sich eine Behörde im Sinne von § 2 Abs. 4 AIG zur Erledigung hoheitlicher Aufgaben bedient. Der Umstand, dass der Antragsgegner der Ministerpräsident ist und in dieser Funktion gemäß § 2 Abs. 1 AIG i.V.m. § 8 Abs. 1 des Gesetzes über die Organisation der Landesverwaltung (Landesorganisationsgesetz) in den Anwendungsbereich des AIG fällt, ändert hieran nichts. Anderes könnte allenfalls dann zu erwägen sein, wenn sich eine an sich dem Anwendungsbereiches des AIG unterliegende Stelle in den Bereich des Privatrechts mit dem      Ziel begibt,   sich  dem AIG oder sonstigen         öffentlich-rechtlichen Verpflichtungen zu entziehen. Hierfür spricht nichts. Hinzu kommt, dass die dem Antragsgegner in seiner Funktion als Mitglied des Aufsichtsrats zugegangenen Unterlagen auch nicht unter den Aktenbegriff des § 3 Satz 1 AIG fallen dürften; -4-
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-4- dieser umfasst Unterlagen nämlich nur, soweit diese ausschließlich amtlichen oder dienstlichen Zwecken dienen. Ungeachtet dessen wäre ein Erfolg des Antragstellers in der Hauptsache auch deshalb nicht in hohem Maße wahrscheinlich, weil der begehrten Akteneinsicht in Unterlagen, die den Antragsgegner in seiner Funktion als Mitglied des Aufsichtsrats der ...   erreicht haben und die schriftliche Informationen enthalten, die mit dem Ausbau und der geplanten Inbetriebnahme des Flughafens Berlin Brandenburg in Zusammenhang         stehen,   wohl  der   von    dem     Antragsgegner    angeführte Ablehnungsgrund des § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AIG entgegenstünde. Danach ist der Antrag auf Akteneinsicht vorbehaltlich der Absätze 2 und 3 abzulehnen, soweit dadurch ein Antragsteller oder ein Dritter von einer Tatsache Kenntnis erlangen würde, die nur einem eng begrenzten Personenkreis bekannt ist, zu einem bestimmten Geschäftsbetrieb in Beziehung steht und die nach dem Willen des Unternehmens geheimzuhalten ist oder an deren Geheimhaltung das Unternehmen ein    schutzwürdiges     Interesse  hat.    Der   Ablehnungsgrund       enthält  als Tatbestandsmerkmal nicht den Begriff der Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse, sondern insoweit eine eigene Definition. Sind die betroffenen Daten nach dem Willen des Unternehmens geheimzuhalten, erfordert der Ablehnungsgrund des § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AIG nach der Rechtsprechung der Kammer weder ein schützenswertes Interesse des Unternehmens an der Geheimhaltung noch eine Abwägung seines Geheimhaltungsinteresses mit dem Informationsinteresse; der Geheimhaltungswille geht    generell   vor  und   genügt  für  eine   Versagung.    Insoweit  reicht  der Ablehnungsgrund weiter als der Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen in anderen Informationsfreiheitsgesetzen; vgl. hierzu ausführlicher Urteile der Kammer vom 24. Oktober 2012 – VG 9 K 445/10 –, juris Rn. 27 [Zulassung der Berufung beantragt]; vom 19. Juni 2012 – VG 9 K 2079/11 – [Berufung anhängig]; Beschlüsse vom 14. Dezember 2012 – VG 9 L 911/12 – [Beschwerde anhängig], vom 10. Februar 2012 – VG 9 L 713/11 – u. vom 9. Juni 2011 – VG 9 L 246/11 –. Auf andere Rechtsgrundlagen kann das Einsichtsbegehren des Antragstellers auch nicht gestützt werden. Dies gilt insbesondere für das Pressegesetz des Landes -5-
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-5- Brandenburg (BbgPG), das gemäß § 5 Abs. 1 BbgPG ohnehin grundsätzlich nur einen Anspruch auf Auskunft begründet. Zwar wird vertreten, dass die Bestimmung auch einen Anspruch auf Akteneinsicht bzw. Herausgabe von Unterlagen vermitteln kann, wenn der Anspruch auf Auskunft für sich genommen nicht geeignet wäre, das Informationsinteresse   der    Presse   zu    befriedigen.  Voraussetzung    für den presserechtlichen Auskunftsanspruch ist aber jedenfalls zunächst die Benennung eines konkreten Sachkomplexes, hinsichtlich dessen bestimmte Informationen gewünscht werden; das heißt, der Anspruch ist auf die Beantwortung bestimmter Fragen ausgerichtet; vgl. Beschlüsse der Kammer vom 14. Dezember 2012 – VG 9 L 911/12 – [Beschwerde anhängig] und vom 24. Januar 2011 – VG 9 L 635/10 –; ferner Burkhardt, in: Löffler, Presserecht, 5. Auflage 2006, § 4 LPG Rn. 2, 78 m.w.N. An einem auf die Erteilung bestimmter Informationen gerichteten Auskunftsbegehren in Form konkreter Fragen fehlt es jedenfalls. Der Antragsteller macht einen pauschalen, nicht auf einen bestimmten Tatsachenkomplex bezogenen Anspruch auf Akteneinsicht geltend. Auch ein unmittelbarer Anspruch aus Art. 21 Abs. 4 LV besteht nicht. Da die landesrechtlichen Regelungen – jedenfalls soweit hier von Bedeutung – dessen Anforderungen genügen dürften, ist für einen Rückgriff auf Art. 21 Abs. 4 LV kein Raum; vgl. m.w.N. Beschlüsse der Kammer vom 14. Dezember 2012 – VG 9 L 911/12 – [Beschwerde anhängig] und vom 24. Januar 2011 – VG 9 L 635/10 –; ferner Breidenbach/Palenda, LKV 1999, 1307 (1308); a.A. Partsch, NJW 1998, 2559 (2560). Ebenso wenig begründet das von dem Antragsteller angeführte Grundrecht aus Art. 5 Abs. 1 Satz 1 des Grundgesetzes (GG), sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten (Informationsfreiheit), einen Anspruch auf Akteneinsicht. Der Antragsgegner bzw. die hier in Rede stehenden Unterlagen sind keine allgemein zugängliche Informationsquelle. Auch aus der Grundrechtsbestimmung des Art. 19 -6-
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-6- Abs. 1 Satz 1 LV folgt im Ergebnis nichts anderes. Zwar bezieht sich die Informationsfreiheit danach auch auf andere, rechtmäßig erschließbare Quellen. Ungeachtet der Frage, welche Quellen hierunter zu verstehen sein sollen bzw. in welchem Verhältnis die Bestimmung zu Art. 21 Abs. 4 LV steht, ist bei dem hier anzuwendenden       Prüfungsmaßstab     jedenfalls davon    auszugehen,    dass  die Regelungen des AIG und des BbgPG hierzu nicht in Widerspruch stehen und das Grundrecht dem Antragsteller keine weitergehenden Ansprüche vermittelt. Zu Art. 5 GG vgl. Bethge, in: Sachs, Grundgesetz, 4. Auflage 2007, Art. 5 Rn. 60; zu Art. 19 LV Iwers, in: Lieber u.a., Verfassung des Landes Brandenburg, 2012, Art. 19 Ziff. 2.3. Auch aus der Pressefreiheit gemäß Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG und Art. 19 Abs. 2 Satz 1 LV folgt nichts anderes. Soweit hieraus ein Anspruch auf Informationsbeschaffung folgt, sind die Regelungen des AIG und des BbgPG Ausdruck der zulässigen Schranken des Grundrechts. Schließlich vermittelt auch die von dem Antragsteller angeführte Bestimmung des Art. 10   der  Europäischen     Menschenrechtskonvention     keine   weitergehenden Ansprüche. Die Entscheidung über die Kosten folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf §§ 53 Abs. 2 Nr. 1, 52 Abs. 2 des Gerichtskostengesetzes; von einer Reduzierung des Streitwerts ist angesichts der begehrten Vorwegnahme der Hauptsache abzusehen. Rechtsmittelbelehrung: Gegen den Beschluss zu 1. steht den Beteiligten die Beschwerde an das Oberverwaltungsgericht zu. Die Beschwerde ist bei dem Verwaltungsgericht Potsdam, Friedrich-Ebert-Straße 32, 14469 Potsdam, innerhalb von zwei Wochen nach Bekanntgabe der Entscheidung schriftlich einzulegen. Sie kann stattdessen auch in elektronischer Form bei der elektronischen Poststelle des Verwaltungsgerichts Potsdam eingereicht werden, wenn das elektronische Dokument mit einer qualifizierten elektronischen Signatur im Sinne des -7-
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-7- Signaturgesetzes versehen ist (s. zu diesem Einreichungsverfahren die Erläuterungen unter www.erv.brandenburg.de). Die Beschwerde ist innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe der Entscheidung zu begründen. Die Begründung ist, sofern sie nicht bereits mit der Beschwerde vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg, Hardenbergstraße 31, 10623 Berlin, schriftlich oder in elektronischer Form mit einer qualifizierten elektronischen Signatur im Sinne des Signaturgesetzes auf dem unter www.berlin.de/erv veröffentlichten Kommunikationsweg einzureichen. Sie muss einen bestimmten Antrag enthalten, die Gründe darlegen, aus denen die Entscheidung abzuändern oder aufzuheben ist, und sich mit der angefochtenen Entscheidung auseinander setzen. Das Oberverwaltungsgericht prüft nur die dargelegten Gründe. Vor dem Oberverwaltungsgericht müssen sich die Beteiligten durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für die Einlegung der Beschwerde. Als Bevollmächtigte sind Rechtsanwälte und Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz, die die Befähigung zum Richteramt besitzen, zugelassen. Darüber hinaus können auch die in § 67 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 bis 7 der Verwaltungsgerichtsordnung bezeichneten Personen und Organisationen auftreten. Ein als Bevollmächtigter zugelassener Beteiligter kann sich selbst vertreten. Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse können sich durch Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt vertreten lassen; das Beschäftigungsverhältnis kann auch zu einer anderen Behörde, juristischen Person des öffentlichen Rechts oder einem der genannten Zusammenschlüsse bestehen. Richter dürfen nicht vor dem Gericht, ehrenamtliche Richter nicht vor einem Spruchkörper auftreten, dem sie angehören. Gegen den Beschluss zu 2. ist die Beschwerde zulässig, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200 Euro übersteigt oder die Beschwerde wegen grundsätzlicher Bedeutung der zur Entscheidung stehenden Frage zugelassen wird. Die Beschwerde ist bei dem Verwaltungsgericht Potsdam in der genannten Form oder zu Protokoll der Geschäftsstelle innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, einzulegen; der Vertretung durch einen Prozessbevollmächtigten bedarf es nicht. Kaufhold                              Stüker-Fenski                        Weißmann
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