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Information

Aktenzeichen
1 L 140/10
Datum
24. April 2013
Gericht
Oberverwaltungsgericht Mecklenburg-Vorpommern
Gesetz
Informationsfreiheitsgesetz Mecklenburg-Vorpommern (IFG M-V)
Informationsfreiheitsgesetz Mecklenburg-Vorpommern (IFG M-V)

Urteil: Oberverwaltungsgericht Mecklenburg-Vorpommern am 24. April 2013

1 L 140/10

Kein Anspruch auf Einsicht in Berichtshefte der Generalstaatsanwaltschaft nach IFG M-V. Der Anwendungsbereich des IFG M-V ist nicht eröffnet, denn die Staatsanwaltschaft handelt bei Anfertigung der Berichtshefte für die Landesjustizverwaltung nicht als Behörde i.S.d. IFG M-V, sondern als Strafverfolgungsbehörde ("Strafrechtspflege") und damit als Organ der Rechtspflege. Im Übrigen schließen die §§ 147, 475 StPO als vorrangige besondere gerichtliche Verfahrensvorschriften die Anwendung des IFG M-V aus. (Quelle: LDA Brandenburg)

Anwendungsbereich/ Zuständigkeit Konkurrierende Rechtsvorschriften Strafverfolgung

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Ablichtuf

OBERVERWALTUNGSGERICHT
MECKLENBURG-VORPOMMERN

Aktenzeichen:
1L 140/10
4 A 2059/07 (VG Greifswald)

 

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL

In dem Verwaltungsstreitverfahren

ls MA;
A-Straße, A-Stadt

2. A,.,
A-Straße, A-Stadt

Proz.-Bev.:
zu 1-2: Rechtsanwälte A.,
B-Straße, A-Stadt

- Kläger und Berufungskläger -

gegen

Generalstaatsanwalt des Landes Mecklenburg-Vorpommern,
Patriotischer Weg 120a, 18057 Rostock

- Beklagter und Berufungsbeklagter -
1

-2- 1 L 140/10

wegen

Verfahren nach dem Informationsfreiheitsgesetz

hat der 1. Senat des Oberverwaltungsgerichts Mecklenburg-Vorpommern aufgrund der
mündlichen Verhandlung vom

24. April 2013

durch
HH

für Recht erkannt:

Die Berufung der Kläger gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Greifswald vom
04. Mai 2010 (4 A 2059/07) wird zurückgewiesen.

Die Kläger tragen die Kosten des Berufungsverfahrens jeweils zur Hälfte.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Den Klägern wird
nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der vollstreck-
baren Kosten abzuwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicher-
heit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Gegen den Kläger wurden im Jahre 2004 von der Sparkassenaufsicht des Finanzministe-
riums M-V veranlasste staatsanwaltschaftliche Ermittlungen wegen des Verdachtes der

Untreue durchgeführt.

Die Staatsanwaltschaft Stralsund teilte dem Finanzministerium M-V mit Schreiben vom
06. April 2004 mit, dass das Verhalten des Klägers nicht unter ein Strafgesetz falle, insbe-
sondere keine zureichenden tatsächlichen Anhaltspunkte für den Verdacht einer Untreue
2

-3- 4 L 140/10

nach $ 266 StGB bestünden. Es sei daher beabsichtigt, das Vorermittlungsverfahren nach
8 170 Abs. 2 StPO i.V.m. 8 152 StPO einzustellen.

Der Generalstaatsanwalt beauftragte daraufhin den Leitenden Oberstaatsanwalt der
Staatsanwaltschaft Neubrandenburg, in dem gegen den Kläger geführten Ermittlungsver-

fahren wegen Untreue die Amtsverrichtungen der Staatsanwaltschaft wahrzunehmen.

Die Staatsanwaltschaft Neubrandenburg teilte dem Verteidiger des Klägers sodann mit
Schreiben vom 30. Juni 2006 mit, dass das gegen diesen geführte Ermittlungsverfahren
749 Js 23521/05 (Staatsanwaltschaft Neubrandenburg) eingestellt worden sei. Dieses
Verfahren war ursprünglich gegen weitere Personen gerichtet, u.a. gegen den früheren
Vorstandsvorsitzenden der Sparkasse A-Stadt B., der später ### vom Vorwurf der Un-
treue freigesprochen wurde. Im Zusammenhang mit dem u. a. gegen den Kläger und
Herrn B. geführten Ermittlungsverfahren sind auch Berichtsvorgänge mit dem Aktenzei-
chen 143 E - ### entstanden.

Die Kläger beantragten mit am 18. April 2007 bei der Generalstaatsanwaltschaft des Lan-
des M-V eingegangenem Schreiben, ihnen im Zusammenhang mit einem Antrag auf Leis-
tung von Schadensersatz wegen der ihnen aufgrund der Durchführung des Ermittlungs-

verfahrens 749 Js 23521/05 (Staatsanwaltschaft Neubrandenburg) entstandenen Nachtei-
le Akteneinsicht in die internen Aktenvorgänge der Staatsanwaltschaft nach den Vorschrif-

ten des Informationsfreiheitsgesetzes ZU gewähren.

Der Generalstaatsanwalt lehnte den Antrag der Kläger mit Bescheid vom 01. Juni 2007
ab. Erteilte darin u.a. mit, dass im Zusammenhang mit dem gegen den Kläger geführten
Ermittlungsverfahren 749 Js 23521/05 (StA Neubrandenburg) ein Berichtsvorgang ange-
legt worden sei, der seine Grundlage in der „Anordnung über Berichtspflichten in Strafsa-
chen“ habe. Die Behandlung von Berichtssachen stehe in unmittelbarem Zusammenhang
mit dem zugrundeliegenden Ermittlungsverfahren und sei Bestandteil der von der Staats-
anwaltschaft gemeinsam mit dem Gericht zu erfüllenden Aufgabe der Justizgewährung.
Die Gerichte und die Staatsanwaltschaften seien, soweit sie in dieser Weise tätig würden,

vom Anwendungsbereich des Informationsfreiheitsgesetzes M-V ausgenommen.
3

-A- 4 L 140/10

Den dagegen erhobenen Widerspruch der Kläger wies der Generalstaatsanwalt mit Be-
scheid vom 25. September 2007, dem Bevollmächtigten der Kläger zugestellt am 10. Ok-
tober 2007, zurück. Es werde daran festgehalten, dass die Tätigkeit der Staatsanwalt-
schaften nur insoweit in den Anwendungsbereich des Informationsfreiheitsgesetzes M-V
fiele, wie sie Aufgaben der Verwaltung wahrnähmen, was etwa bei Haushalts- und Perso-
nalangelegenheiten oder der Verwaltung von Dienstgebäuden der Fall sei. Stelle sich die
Tätigkeit der Staatsanwaltschaften demgegenüber als Bestandteil der von ihr zu erfüllen-
den Aufgabe der Justizgewährung dar, würden sie als Organ der Rechtspflege tätig. Dies
sei bei der Behandlung von Berichtssachen aufgrund des unmittelbaren Zusammenhangs
mit dem zugrundeliegenden Ermittlungs- bzw. Strafverfahren der Fall. Unabhängig davon
stehe dem Anspruch entgegen, dass die Anwendung des Informationsfreiheitsgesetzes
nach 8 1 Abs. 3 IFG M-V an der Vorrangigkeit der Strafprozessordnung scheitere, deren

Vorschriften zur Akteneinsicht abschließend seien.

Die Kläger haben dagegen am Montag, den 12. November 2007, Klage erhoben mit dem
Antrag,

den Beklagten zu verpflichten, ihnen Einsichtnahme in alle Aktenvorgänge des
Generalstaatsanwaltes und der befassten Staatsanwaltschaften zu gewähren, die
im Zusammenhang mit dem Ermittlungsverfahren gegen den Oberbürgermeister
der Hansestadt A-Stadt, A., wegen des Verdachts der Untreue bzw. der Teilnahme
an einer Untreuehandlung angelegt worden seien und die nicht körperlicher Be-
standteil der später dem Amtsgericht Stralsund in dem Strafverfahren gegen B.
(Aktenzeichen der Staatsanwaltschaft Neubrandenburg 749 Js 23521/05) über-

sandten Ermittlungsakten geworden sind.

Das Verwaltungsgericht hat die Klage mit Urteil vom 04. Mai 2010, zugestellt am 09. Juni
2010, abgewiesen und die Berufung wegen der Frage, ob ein Akteneinsichtsrecht in Be-
richtshefte der Staatsanwaltschaft nach dem Informationsfreiheitsgesetz besteht, zuge-

lassen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt:

Der Beklagte sei nicht verpflichtet, den Klägern das Berichtsheft 143 E ## zugänglich zu
machen, denn er habe insoweit nach $ 3 Abs. 4 IFG M-V in seiner Eigenschaft als Organ
4

-5- 1 L 140/10

der Rechtspflege gehandelt. Es sei die Doppelnatur der Staatsanwaltschaft in den Blick

zu nehmen. Die Staatsanwaltschaft handele nicht nur als Organ der Rechtspflege wie un-
zweifelhaft bei der Strafverfolgung, sondern auch als Verwaltungsbehörde. Die Anlage
von Berichtsheften liege im Grenzbereich zwischen der Tätigkeit als Strafverfolgungsor-
gan und verwaltender Tätigkeit im Rahmen der Behördenhierarchie. Die Berichtstätigkeit
gegenüber dem aufsichtsführenden Ministerium sei vom Schwerpunkt her aber der Straf-
verfolgung zuzurechnen. Sie diene dazu, die Aufsichtspflicht des Ministeriums auszuüben.
Die Ausübung des Aufsichtsrechts könne Auswirkungen auf das staatsanwaltschaftliche
Ermittlungsverfahren haben. Eine solche Entscheidung zum Gang des Verfahrens sei die
Entscheidung des Beklagten, das Ermittlungsverfahren gegen den Kläger durch eine an-
dere Staatsanwaltschaft führen zu lassen. Die Anlage der Berichtshefte und die Auswir-
kungen, die die Berichte haben könnten, stünden in einem solch engen unmittelbaren Zu-
sammenhang zur Strafverfolgung und zur Anlage der Strafverfolgungsakten, dass es nicht
gerechtfertigt wäre, diese von dem Bereich der Rechtspflege auszunehmen. Dass die Be-
richtshefte den Strafgerichten nicht nach den Vorschriften der Strafprozessordnung VOTZU-
legen seien, führe nicht dazu, dass sie dann zwingend nach dem Informationsfreiheitsge-

setz M-V zugänglich sein müssten.

Darüber hinaus sei dieses Gesetz im vorliegenden Fall nicht anwendbar, weil ihm nach $
1 Abs. 3 IFG M-V die abschließenden Regelungen der Strafprozessordnung vorgingen.
Die Strafprozessordnung enthalte sowohl für Beschuldigte wie für dritte Personen mit $
147 Abs. 1,8 406 e und 8 475 Vorschriften, die die Einsichtnahme in die Akten regelten.
Danach gingen die Einsichtnahmemöjglichkeiten nicht über die eigentlichen Ermittlungs-
/Strafverfahrensakten hinaus und es müsse, anders als beim Informationsfreiheitsgesetz
M-V, ein berechtigtes Interesse dargetan werden. Daneben könne es Akten geben, die
weder nach der Strafprozessordnung einsehbar noch nach dem Informationsfreiheitsge-
setz M-V vorzulegen seien, etwa Senatsakten der Oberlandesgerichte oder des Bundes-
gerichtshofes. Nichts anderes gelte für die Berichtshefte der Staatsanwaltschaften.

Die Kläger haben mit am 07. Juli 2010 bei dem Verwaltungsgericht Greifswald eingegan-
genem Schriftsatz Berufung eingelegt und diese mit am 09. August 2010 bei dem Ober-

verwaltungsgericht eingegangenem Schriftsatz begründet.
5

-6- 41 L 140/10

Sie vertreten den Standpunkt, dass das angefochtene Urteil einer rechtlichen Überprüfung
nicht standhalte. Die Staatsanwaltschaft führe die Berichtshefte nicht als Organ der
Rechtspflege. Die Berichterstattung einer nachgeordneten Behörde an ihre vorgesetzte
Behörde sei interne Verwaltungstätigkeit und keine Maßnahme im Rahmen der Strafver-
folgung. Dies werde durch Ziffer 1 der Anordnung über Berichtspflichten in Strafsachen
(BeStra) bestätigt, wonach die Landesjustizverwaltung in die Lage versetzt werden solle,
die ihr obliegende Aufsicht auszuüben und auf Nachfragen von Dritter Seite Auskunft er-
teilen zu können. Beides sei keine Tätigkeit im Rahmen der Rechtspflege, sondern reine
Verwaltungstätigkeit. Dies gelte auch für die in dem Berichtsheft möglicherweise enthalte-
nen Weisungen. Sie griffen zwar in das Ermittlungsverfahren ein, doch geschehe dies
durch typisches Verwaltungshandeln. Es gehe nicht um die vom zuständigen Organ der
Rechtspflege für erforderlich gehaltene Tätigkeit, sondern allein um die Durchsetzung der

sich aus der Verwaltungsstruktur ergebenden stärkeren Machtposition.

Wenn das Verwaltungsgericht meine, dass sich eine Aufteilung der Berichtstätigkeit in
verwaltende und der Rechtspflege zuzuordnende Elemente verbiete, SO verkenne es,
dass das Informationsfreiheitsgesetz M-V selbst von einer solchen Aufsplittung ausgehe.
Anders mache $ 5 Ziff. 2 IFG M-V keinen Sinn. Danach sei der Zugang ZU Informationen
soweit und solange abzulehnen, wie durch die Bekanntgabe der Informationen der Erfolg
eines strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens oder Strafvollstreckungsverfahrens gefährdet
oder der Verfahrensablauf eines anhängigen Gerichts-, Ordnungswidrigkeiten- oder Dis-
ziplinarverfahrens erheblich beeinträchtigt würde. Der Gesetzgeber habe also gesehen,
dass es auch im Rahmen von Gerichtsverfahren Verwaltungsvorgänge geben könne, die
einen Informationsanspruch nach dem Informationsfreiheitsgesetz M-V gewährten. Der
Hinweis des Verwaltungsgerichts auf die Entscheidung des Bundesgerichtshofes zur Ein-
sicht in die Senatshefte verfange nicht, weil & 1 Abs. 3 IFG Bund mit $ 3 Abs. 4 Ziff. 1 IFG
M-V nicht vergleichbar sei. Eine Differenzierung danach, ob die Strafverfolgungsbehörde
als Organ der Rechtspflege oder als Verwaltungsbehörde tätig werde, kenne das Bun-

desgesetz an dieser Stelle nicht.

Die Kläger stellen den Antrag,
6

-7- 1 L 140/10

unter Aufhebung des Urteils des Verwaltungsgericht Greifswald vom 04. Mai 2010
den Beklagten zu verpflichten, ihnen Einsicht in alle Aktenvorgänge des Beklagten
und der befassten Staatsanwaltschaften zu gewähren, die im Zusammenhang mit
dem Ermittlungsverfahren gegen ####, den Kläger zu 2., wegen des Verdachts
der Untreue bzw. der Teilnahme an einer Untreuehandlung angelegt worden sind
und die nicht körperlicher Bestandteil der später dem Amtsgericht ## in dem
Strafverfahren gegen B. (Az. Staatsanwaltschaft Neubrandenburg 749 Js
23521/05) übersandten Ermittlungsakten geworden sind.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er vertritt den Standpunkt, das Verwaltungsgericht nehme zu Recht an, dass das Informa-
tionsfreiheitsgesetz M-V nicht anwendbar sei, weil ihm die abschließenden Regelungen
der Strafprozessordnung zur Akteneinsicht vorgingen. Dass die Einsichtnahme in Hand-
akten und Berichtshefte der Staatsanwaltschaft nicht vorgesehen sei, führe zu keiner an-
deren Bewertung, denn die Staatsanwaltschaft als Strafverfolgungsbehörde unterfalle
nicht dem Anwendungsbereich des Informationsfreiheitsgesetzes M-V. Das Verwaltungs-
gericht verweise zutreffend auf die das Weisungsrecht regelnden Vorschriften der 88
146f. GVG. Begründung und Begrenzung des Weisungsrechts ergäben sich aus dem Le-
galitätsprinzip sowie allgemein aus Gesetz und Recht. Kraft Leitungsrechts ($ 147 StPO)
stehe den übergeordneten Zentralbehörden ein Substitutionsrecht zu. Auf das einzelne
Ermittlungsverfahren bezogen handele es sich hierbei um Strafverfolgungstätigkeit durch
Organe der Rechtspflege. Die Ausübung der Aufsicht sei auf in jeder Weise sachgerechte
Erledigung dienstlicher Aufgaben gerichtet und berechtige in dem jeweiligen Verfahren
daher auch zur Anforderung von Berichten. Denn ohne Berichte könnten die Vorgesetzten
von ihrem Leitungsrecht nicht in dem gebotenen Umfange Gebrauch machen. Soweit das
Verwaltungsgericht in dem Anlegen der Berichtshefte Elemente des Verwaltungshandelns
erkenne, berühre auch eine solche Einschätzung jedenfalls nicht den Charakter der Tätig-
keit an sich. Der Umstand, dass bestimmte Vorgänge der Akteneinsicht nicht unterfielen,
lasse nicht den Schluss der Kläger zu, es handele sich um Missbrauch ermöglichende

„Geheimakten“.
7

-8- 1 L 140/10

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte
und den beigezogenen Verwaltungsvorgang verwiesen, der Gegenstand der mündlichen
Verhandlung gewesen ist.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Kläger ist zulässig, bleibt jedoch ohne Erfolg. Das Verwaltungsgericht
hat die Verpflichtungsklage (vgl. $ 12 Abs. 1 Satz 2 IFG M-V) der Kläger zu Recht abge-
wiesen. Der Ablehnungsbescheid des Beklagten vom 01. Juni 2007 und der dazu ergan-
gene Widerspruchsbescheid vom 25. September 2007 sind rechtmäßig und verletzen die
Kläger nicht in ihren Rechten (8 113 Abs. 5 Satz 4 VwGO). Sie haben keinen Anspruch

auf Einsicht in die von ihnen genannten Aktenvorgänge der Staatsanwaltschaft.

Der Anspruch folgt nicht aus den Vorschriften des Informationsfreiheitsgesetzes M-V. Es
ist auf den hier streitigen Anspruch auf Einsicht in Berichtshefte der Generalstaatsanwalt-
schaft sowie der weiteren befassten Staatsanwaltschaften nicht anwendbar. Nach $ 3
Abs. 1 IFG M-V gelten die Vorschriften über den Zugang Zu Informationen für die Behör-
den des Landes, der Landkreise, der Ämter und Gemeinden, für die sonstigen Körper-
schaften, rechtsfähigen Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts sowie für den
Landtag, soweit er Verwaltungsaufgaben wahrnimmt. Nach $ 3 Abs. 4 IFG M-V sind keine
Behörden im Sinne des Gesetzes die Gerichte sowie die Strafverfolgungs- und Strafvoll-
streckungsbehörden, soweit sie als Organe der Rechtspflege tätig werden. Letzteres ist
hier der Fall. Die Generalstaatsanwaltschaft ist als Organ der Rechtspflege tätig gewor-
den, als sie im Zusammenhang mit dem gegen mehrere Personen, u. a. den Kläger und
Herrn B. geführten Ermittlungsverfahren 749 Js 23521/05 (Staatsanwaltschaft Neubran-
denburg) Berichte an die Landesjustizverwaltung erstellt und Berichtshefte (143 E - HH)
angelegt hat.

Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG, Urt. v. 14.04.1988 -
3 C 65/85 -, juris) gehören zum Gebiet der "Strafrechtspflege" außer der Strafverfolgung
selbst, d.h. der Durchführung von Strafverfahren sowie der Vollstreckung gerichtlicher
Entscheidungen, auch die damit im Zusammenhang stehenden Maßnahmen zur Ermögli-
chung und geordneten Durchführung der Strafverfolgungs- und Strafvollstreckungstätig-
keit. Ein "Justizverwaltungsakt" im Sinne des $& 23 Abs. 1 EGGVG, d. h. eine Anordnung,

Verfügung oder sonstige Maßnahme der Justizbehörden zur Regelung einzelner Angele-
8

-9- 1 L 140/10

genheiten etwa auf dem Gebiet der Strafrechtspflege liegt danach vor, wenn "die jeweils
in Rede stehende Amtshandlung in Wahrnehmung einer Aufgabe vorgenommen wird", die
der jeweiligen Behörde "als ihre spezifische Aufgabe auf einem in der genannten Vor-
schrift aufgeführten Rechtsgebiet - hier: der Strafrechtspflege - zugewiesen ist. Damit
steht die obergerichtliche Rechtsprechung im Einklang. Danach ist die Tätigkeit der
Staatsanwaltschaft im Rahmen der Strafrechtspflege nicht auf die eigentliche Strafverfol-
gung beschränkt. Sie umfasst alle Tätigkeiten, die geeignet sein können, die Entschlie-
Rung, ob ein die Strafverfolgung rechtfertigender Sachverhalt gegeben ist und ob von
dem Strafverfolgungsanspruch des Staates Gebrauch gemacht werden soll, erst zu er-
möglichen (OVG Münster, Beschl. v. 21 ‚04.1977 - XII B 87/77, NJW 1977, 1790; OVG
Lüneburg, Beschl. v. 25.08.1983 - 11 B 928/83 -, NJW 1984, 940).

Die Erfüllung der Berichtspflichten obliegt den Leitenden Oberstaatsanwälten und dem
Generalstaatsanwalt nach Ziffer 2.1 BeStra zur Unterrichtung des Justizministeriums in
Strafsachen von bestimmter, dort näher beschriebener Bedeutung. Betroffen sind etwa
solche Sachen, die in die Zuständigkeit der Staatsschutzkammer fallen (8 74a GVG), in
denen sich die Zuständigkeit des Generalbundesanwaltes aus 8 142a GVG ergibt, in de-
nen es um Haftbefehlsaufnebungen im Rahmen der Haftprüfung nach 88 121, 122 StPO
geht oder von denen anzunehmen ist, dass sie auf ein besonderes Medieninteresse sto-
ßen werden. Nach Ziffer 3.4 BeStra enthält der Bericht alle wichtigen Maßnahmen, die die
Einleitung, den wesentlichen Gang oder den endgültigen oder einstweiligen Abschluss
des Verfahrens betreffen. Durch die Berichte soll die Landesjustizverwaltung in die Lage
versetzt werden, den wesentlichen Gegenstand der Berichtssachen zu beurteilen, die ihr
von Gesetzes wegen obliegende Aufsicht auszuüben und auf Nachfragen von dritter Seite

Auskunft geben zu können (Ziffer 1. BeStra).

Danach dienen die Berichte materiell der Strafrechtspflege, nicht dem Personal- oder
Haushaltswesen oder anderen allgemeinen und nicht strafverfolgungsspezifischen Ver-
waltungsangelegenheiten. Gegenstand der Berichtspflicht sind Strafsachen von der Ein-
leitung des Verfahrens bis zu seinem Abschluss. Die Fertigung von Berichten über diese
Strafsachen ist eine der Staatsanwaltschaft zugewiesene Aufgabe, die diese allein auf
Grundlage ihrer als Einrichtung der Strafrechtspflege gewonnenen Informationen wahr-
nehmen kann, die der Information der Landesjustizverwaltung dient und diese in die Lage
versetzen soll, ihre Aufgaben der Aufsicht und Information anderer Stellen und Dritter im

Rahmen der Strafrechtspflege zu erfüllen und ihr Leitungs- und Aufsichtsrecht (8 147 Nr.
9

-10- 1 L 140/10

2 und 3, 8 146 GVG) auszuüben. In diesem Zusammenhang zu erteilende Weisungen
des Justizministeriums können allgemeiner Art sein und auch Einzelfälle betreffen sowie
die rechtliche und tatsächliche Sachbehandlung durch die Staatsanwaltschaft zum Ge-
genstand haben (vgl. Meyer-Goßner, StPO, 55. Aufl., 8 146, Rn. 1, vgl. zur Berichtspflicht
sowie Weisungsmöglichkeiten auch Maier, Wie unabhängig sind Staatsanwälte in
Deutschland?, ZRP 2003, 387ff). Weisungen und Berichte dienen mithin materiell der
Strafrechtspflege.

In der Sache geht es den Klägern bei zutreffendem Verständnis ihres gesamten Vorbrin-
gens (vgl. insbesondere Klageschrift S. 7) insbesondere um in den Berichtsakten vermu-
tete Hinweise auf eine Einflussnahme der Sparkassenaufsicht auf die geführten staats-
anwaltschaftlichen Ermittlungen sowie auf die Umstände, die zu der Beauftragung der
Staatsanwaltschaft Neubrandenburg durch den Generalstaatsanwalt geführt haben,
nachdem die Staatsanwaltschaft Stralsund beabsichtigt hatte, das Ermittlungsverfahren
gegen den Kläger einzustellen. Insbesondere soweit in den fraglichen Berichtsheften die
Tätigkeit des Generalstaatsanwaltes im Zusammenhang mit der Anweisung des Leiten-
den Oberstaatsanwaltes der Staatsanwaltschaft Neubrandenburg, die Amtsverrichtungen
der Staatsanwaltschaft wahrzunehmen, dokumentiert ist, handelt es sich um Maßnahmen
auf dem Gebiet der Strafrechtspflege. Die Beauftragung einer anderen Staatsanwaltschaft
nach & 145 Abs. 1 GVG ist eine spezielle Ermächtigung an den Ersten Beamten der
Staatsanwaltschaft, die diesem allein im Interesse einer sachgerechten und ordnungsge-
mäßen Durchführung der Aufgaben der Staatsanwaltschaft zusteht (Kissel/Mayer, GVG,
7. Aufl., & 145, Rn. 4).

Aus 8 5 Ziff. 2 IFG M-V können die Kläger nichts zu ihren Gunsten herleiten. Diese Vor-
schrift bezieht sich ganz allgemein auf alle Arten von behördlichen Informationen, nicht

nur auf solche in einem strafrechtlichen Verfahren.

Ist danach für das von den Klägern geltend gemachte Begehren bereits der Anwen-

dungsbereich des Informationsfreiheitsgesetzes ($ 3 IFG M-V) nicht eröffnet, so stellt sich
die weitere zwischen den Beteiligten umstrittene Frage nach einer die Anwendbarkeit des
Informationsfreiheitsgesetzes M-V verdrängenden Vorrangigkeit besonderer gerichtlicher

Verfahrensvorschriften schon nicht. Solche Vorschriften stünden dem Anspruch der Klä-
10

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