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Aktenzeichen
2 K 4346/12
Datum
9. Januar 2013
Gericht
Verwaltungsgericht Sigmaringen
Gesetz
Lebensmittel-, Bedarfsgegenstände- und Futtermittelgesetzbuch
Lebensmittel-, Bedarfsgegenstände- und Futtermittelgesetzbuch

Beschluss: Verwaltungsgericht Sigmaringen am 9. Januar 2013

2 K 4346/12

Im Wege der einstweiligen Anordnung untersagte das Gericht die Veröffentlichung von Informationen über bei einer amtlichen Kontrolle in einer Gaststätte festgestellte lebensmittelrechtliche Verstöße auf einer Internetseite der Behörde. Es bestehen Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der Veröffentlichungsregelung des Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuchs im Hinblick auf die Vereinbarkeit mit der höherrangigen EG-Verordnung 178/2002. Im Fall einer abschließenden Regelung durch die EG-Verordnung wäre eine Information der Öffentlichkeit nur bei hinreichendem Verdacht eines Risikos für die Gesundheit von Mensch und Tier zulässig. (Quelle: LDA Brandenburg)

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2 K 4346/12 Abschrift

 

VERWALTUNGSGERICHT SIGMARINGEN

Beschluss

In der Verwaltungsrechtssache

- Antragsteller -
prozessbevollmächtigt:

gegen

Land Baden-Württemberg,
vertreten durch Landratsamt Bodenseekreis,
4 / Veterinäramt
vertreten durch den Landrat,
Albrechtstraße 67, 88041 Friedrichshafen,
- Antragsgegner -

wegen lebensmittelrechtlicher Beanstandungen,
hier: Antrag gem. & 123 VwGO

hat das Verwaltungsgericht Sigmaringen - 2. Kammer - durch den Präsidenten des
Verwaltungsgerichts Dr. Mattes, die Richterin am Verwaltungsgericht Fritsch und die
Richterin Dr. Schmidt

am 09. Januar 2013

beschlossen:
Dem Antragsgegner wird im Wege der einstweiligen Anordnung vorläufig un-
tersagt, die im Rahmen der amtlichen Kontrolle vom XX festgestellten le-
bensmittelrechtlichen Verstöße in der Gaststätte des Antragstellers zu veröf-

fentlichen.

Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens.
Der Streitwert wird auf 5.000,- Euro festgesetzt.
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Gründe

Der Antrag, dem Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung vorläufig zu
untersagen, die im Rahmen der Kontrolle vom XX festgestellten lebensmittelrechtli-
chen Verstöße in der Gaststätte des Antragstellers wie in den Schreiben vom XX und
vom XX angekündigt auf der Internetseite des Landkreises Bodenseekreis zu veröf-

fentlichen, ist zulässig und begründet.

Gemäß 8 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO kann das Gericht auf Antrag, auch schon vor
Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand tref-
fen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zu-
stands die Verwirklichung eines Rechtes eines Antragstellers vereitelt oder wesent-
lich erschwert werden könnte (sog. Sicherungsanordnung). Nach 8 123 Abs. 1 Satz 2
VwGö sind einstweilige Anordnungen auch zur Regelung eines vorläufigen Zustan-
des in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung vor
allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden
oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint
(sog. Regelungsanordnung). Eine einstweilige Anordnung ist demnach zu erlassen,
wenn der jeweilige Antragsteller einen Anordnungsanspruch und einen Anordnungs-
grund glaubhaft macht (88 123 Abs. 3 VwGO, 920 Abs. 2, 294 ZPO).

Ausgehend hiervon hat der Antrag auf Erlass einer Sicherungsanordnung Erfolg. Der
Antragsteller hat sowohl einen Anordnungsgrund als auch einen Anordnungsan-

spruch glaubhaft gemacht.

1. Der Antragsgegner beabsichtigt eine für den Antragsteller belastende Internetver-
öffentlichung, die einen erheblichen Ansehensverlust für die betroffene Gaststätte
bedeuten und unter Umständen zu erheblichen wirtschaftlichen Nachteilen führen
würde. Diese könnten auch bei einem Obsiegen in einem etwaigen Hauptsachever-
fahren nicht mehr rückgängig gemacht werden. Ein Anordnungsgrund ist damit hin-

reichend glaubhaft gemacht.

2. Ebenfalls glaubhaft gemacht sind die Voraussetzungen eines Anordnungsan-

spruchs in Form eines öffentlich-rechtlichen Unterlassungsanspruchs. Dieser wird
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entweder auf eine analoge Anwendung des 8 1004 Abs. 1 BGB gestützt oder aus der
Abwehrfunktion der Grundrechte - hier Art. 12 und Art. 2 Abs. 1 GG in der Ausprä-
gung des informationellen Selbstbestimmungsrechts - abgeleitet (vgl. BVerwG, Urteil
vom 29.04.1988 - 7 C 33/87-, BVerwGE 79, 254). Er setzt unabhängig von seiner
dogmatischen Herleitung voraus, dass ein rechtswidriger hoheitlicher Eingriff in ein
subjektiv-Öffentliches Recht bevorsteht oder noch andauert. Nach dem Ergebnis der
gebotenen summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage hat die Kammer derzeit
Zweifel daran, ob die geplante Veröffentlichung rechtmäßig auf 8 40 Abs. 1a Nr. 2
LFGB gestützt werden kann. Es bestehen Anhaltspunkte dafür, dass sie einen
rechtswidrigen Eingriff in die Berufsfreiheit bzw. das informationelle Selbstbestim-
mungsrecht des Antragstellers darstellt. Zwar dürften die Tatbestandsvoraussetzun-
gen des 8 40 Abs. 1a Nr. 2 LFGB vorliegend erfüllt sein (a)). Allerdings ist derzeit
offen, ob die Norm mit Art. 10 der Verordnung (EG) 178/2002 des Europäischen Par-
laments und des Rates vom 28.01.2002 zur Festlegung der allgemeinen Grundsätze
und Anforderungen des Lebensmittelrechts, zur Errichtung der Europäischen Behör-
de für Lebensmittelsicherheit und zur Festlegung von Verfahren zur Lebensmittelsi-
cherheit (ABl. L 31 vom 1.2.2002, S. 1 ff.) vereinbar ist (b)). Angesichts dieser Be-
denken überwiegt das Rechtsschutzinteresse des Antragstellers das Informationsin-

teresse der Öffentlichkeit.

a) Nach 8 40 Abs. 1a Nr. 2 LFGB informiert die zuständige Behörde die Öffentlichkeit
unter Nennung der Bezeichnung des Lebensmittels oder Futtermittels sowie unter
Nennung des Lebensmittel- oder Futtermittelunternehmens, unter dessen Namen
oder Firma das Lebensmittel oder Futtermittel hergestellt oder behandelt oder in den
Verkehr gelangt ist, wenn u.a. der durch Tatsachen hinreichend begründete Verdacht
besteht, dass gegen sonstige Vorschriften im Anwendungsbereich dieses Gesetzes,
die dem Schutz der Verbraucherinnen und Verbraucher vor Gesundheitsgefährdun-
gen oder vor Täuschung oder der Einhaltung hygienischer Anforderungen dienen, in
nicht nur unerheblichem Ausmaß oder wiederholt verstoßen worden ist und die Ver-
hängung eines Bußgeldes von mindestens 350,- EUR zu erwarten ist. Gemäß 8 40
Abs. 2 LFGB ist eine Information der Öffentlichkeit nach Abs. 1 durch die Behörde u.
a. nur zulässig, wenn andere ebenso wirksame Maßnahmen, insbesondere eine In-

formation der Öffentlichkeit durch den Lebensmittel- oder Futtermittelunternehmer
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nicht oder nicht rechtzeitig getroffen werden oder die Verbraucherinnen und Ver-

braucher nicht erreichen. 8 40 Abs. 3 LFGB schreibt eine hier erfolgte Anhörung vor.

aa) Der Antragsteller ist Inhaber der Gaststätte „Z.“ in M. und damit verantwortlicher
Lebensmittelunternehmer im Sinne des Art. 17 Abs. 1 i.V.m. Art. 3 Nr. 2 und 3 der
Verordnung (EG) 178/2002.

bb) Anlässlich der Kontrolle am XX wurde in der Gaststätte des Antragstellers zahl-
reiche Verstöße gegen Vorschriften festgestellt, die auf die Einhaltung hygienischer
Anforderungen im Umgang im Lebensmitteln abzielen. So wurden insbesondere er-
hebliche Verschmutzungen dokumentiert und zum Teil verdorbene bzw. verunreinig-
te Lebensmittel (Sahne, Majoran, Butter, Soßen, gefüllte Eierhälften) aufgefunden.
Im Einzelnen wird insoweit auf die Ausführungen des Landratsamts im Anhörungs-
schreiben und in der lebensmittelrechtlichen Anordnung, beide jeweils vom XX, ver-
wiesen. Damit hat der Antragsteller gegen Art. 4 Abs. 2 der Verordnung (EG)
852/2004 i.V.m. Anhang Il Kapitel I Nr. 1, Kapitel II Nr. 1 a), b) und f), Kapitel V Nr. 1
a) und b), Kapitel IX Nr. 2, 3, 4 und Kapitel X Nr. 2 sowie gegen 8 3 Satz 1 LMHV
und Art. 14 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 b), Abs. 5 der Verordnung (EG) 178/2002 verstoßen.

Hierbei dürfte es sich nach Auffassung der Kammer auch nicht um Verstöße nur un-
erheblichen Ausmaßes gehandelt haben. Zwar ist dem Antragsteller darin zuzustim-
men, dass der Tatbestand des $ 40 Abs. 1a Nr. 2 LFGB im Hinblick auf die Grund-
rechtsrelevanz der geplanten Veröffentlichung bis hin zu einer möglichen Existenz-
vernichtung restriktiv auszulegen ist. Daraus folgt jedoch nicht, dass die Vorschrift
nach ihrem Wortlaut und dem Willen des Gesetzgebers lediglich solche Hygienever-
stöße erfasst, die eine Gesundheitsgefahr für Verbraucher begründen. $ 40 Abs. 1a
Nr. 2 LFGB nennt Vorschriften aus dem Anwendungsbereich des Lebensmittel- und
Futtermittelgesetzbuchs, die der Einhaltung hygienischer Anforderungen dienen,
ausdrücklich neben solchen, die auf den Schutz der Verbraucherinnen und Verbrau-
cher vor Gesundheitsgefährdungen abzielen. Auch aus der Gesetzesbegründung
lässt sich nichts Gegenteiliges ableiten. So soll bei Täuschungs- und Hygieneverstö-
ßen zwar eine höhere Eingriffsschwelle vorgesehen werden als bei Grenzwertüber-
schreitungen, bei denen regelmäßig der vorsorgende Gesundheitsschutz stärker im

Vordergrund steht. Daher müssen nur solche Verstöße zwingend veröffentlicht wer-
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den, bei denen im Fall eines einmaligen Verstoßes die Erheblichkeitsschwelle über-
schritten ist. Dabei sieht der Gesetzgeber ein zu erwartendes Bußgeld in Höhe von
mindestens 350,- Euro als geeignete Schwelle zu Abgrenzung veröffentlichungs-
pflichtiger Verstöße an, ohne eine weitere Einschränkung im Hinblick auf mögliche
Gesundheitsgefährdungen vorzunehmen (vgl. BT-Drucksache 17/7374, S. 20). Damit
dürfte ein Hygieneverstoß nicht nur unerheblichem Ausmaßes nicht erst dann vorlie-
gen, wenn von den in der geplanten Veröffentlichung aufgeführten Lebensmitteln
selbst bereits eine Gesundheitsgefährdung ausging. Vielmehr kann ein erheblicher
Verstoß aller Voraussicht nach auch schon angenommen werden, wenn - wie vorlie-
gend - aufgrund zahlreicher Verstöße in Gestalt einer erheblichen Unsauberkeit (u.a.
starke Verschmutzung des Bodens unterhalb von Kücheneinrichtungsgegenständen,
der Dunstabzugshaube, des Herds, der Ablageflächen und Küchenmöbel sowie der
Arbeitsmaterialien in der Küche, Schimmelbildung, tote Insekten an Bedarfsgegen-
ständen und Ablageflächen) die Herstellung und das Inverkehrbringen einwandfreier
Lebensmittel nicht mehr hinreichend sichergestellt war. In diesem Fall ist von einer
latenten Gefahr der Beeinträchtigung auch der Lebensmittel auszugehen, auch wenn
eine unmittelbare Gesundheitsgefährdung noch nicht bestand (vgl. ebenso OVG
Saarlouis, Beschluss vom 03.02.2011 - 3 A 270/10 -, NVwZ 2011, 632 zu Veröffentli-
chungen auf der Grundlage des $ 5 Abs. 1 VIG).

Im Übrigen ist im Rahmen der Prüfung der Erheblichkeit der Verstöße auch zu be-
rücksichtigen, dass die dokumentierten Hygienemängel angesichts von Art und
Ausmaß der Verschmutzungen entgegen der Darstellung des Antragstellers kaum
auf das einmalige Unterbleiben der wöchentlichen Intensivreinigung zurückzuführen
sein dürften. Die vorgelegte Lichtbildmappe spricht vielmehr in hohem Maße dafür,
dass es sich um strukturelle Mängel in der Gaststätte des Antragstellers handelt.
Dieser Eindruck wird auch durch die in der Vergangenheit - wenn auch nur in größe-
ren Zeitabständen - durchgeführten Kontrollen und die dort festgestellten Mängel
gestützt. Damit dürfte ebenfalls der Tatbestand eines wiederholten Verstoßes erfüllt
sein, zumal entgegen dem Vortrag des Antragstellers auch in den Jahren 2006 bis

2010 einzelne Beanstandungen erfolgt sind.

cc) Der Veröffentlichung steht jedenfalls angesichts des Vorliegens wiederholter er-

heblicher Verstöße voraussichtlich auch nicht entgegen, dass die beanstandeten
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Mängel nach Darstellung des Antragstellers zwischenzeitlich (teilweise) behoben
worden sind. Eine Veröffentlichung kann die gewünschte Wirkung auf das Verhalten
von Lebensmittelunternehmern nur dann entfalten, wenn eine Veröffentlichung fest-
gestellter erheblicher Mängel grundsätzlich auch nach deren Beseitigung noch mög-
lich bleibt. Ansonsten liefe das Instrument der (Internet-)Veröffentlichung als ein we-
sentlicher Bestandteil des Informationsauftrags der Behörde angesichts der nach $
40 Abs. 3 LFGB erforderlichen Anhörung des Betroffenen und eventueller Rechtsmit-
telfristen faktisch vielfach leer (vgl. OVG Saarlouis, Beschluss vom 03.02.2011,
a.a.O.). Da in der geplanten Veröffentlichung zudem der jeweilige Feststellungstag
genannt wird, ist für die Verbraucher hinreichend deutlich, dass die Mitteilung ledig-

lich die Sachlage am Tag der jeweiligen Kontrolle widergibt.

d) Des Weiteren dürfte auch die Voraussetzung eines voraussichtlichen Bußgeldes
in Höhe von mindestens 350,- Euro erfüllt sein. Das Landratsamt hat aufgrund der
dokumentierten Verstöße eine Strafanzeige bei der Staatsanwaltschaft gestellt. Auch
wurden vergleichbare Verstöße in den Jahren 2005 und 2006 mit einem Bußgeld in
Höhe von 375,60 Euro bzw. einer strafgerichtlichen Verurteilung des Antragstellers

zu einer Geldstrafe von 50 Tagessätzen ä 60,- Euro geahndet.

b) Allerdings hat die Kammer Bedenken, ob $ 40 Abs. 1a LFGB mit Art. 10 der
höherrangigen Verordnung (EG) 178/2002 vereinbar ist.

Gemäß Art. 10 der Verordnung (EG) 178/2002 unternehmen, wenn ein hinreichender
Verdacht besteht, dass ein Lebensmittel oder Futtermittel ein Risiko für die Gesund-
heit von Mensch und Tier mit sich bringen kann, die Behörden, unbeschadet der gel-
tenden nationalen oder Gemeinschaftsbestimmungen über den Zugang von Doku-
menten, je nach Art, Schwere und Ausmaß des Risikos geeignete Schritte, um die
Öffentlichkeit über die Art des Gesundheitsrisikos aufzuklären; dabei sind möglichst
umfassend das Lebensmittel oder Futtermittel oder die Art des Lebensmittels oder
Futtermittels, das möglicherweise damit verbundene Risiko und die Maßnahmen an-
zugeben, die getroffen wurden oder werden, um dem Risiko vorzubeugen, es zu be-
grenzen oder auszuschalten.

In Literatur und Rechtsprechung ist umstritten, ob Art. Art. 10 der Verordnung (EG)

178/2002 eine abschließende Regelung im Sinne einer Vollharmonisierung der Re-
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gelungen zur Information der Öffentlichkeit über Beanstandungen von Lebens- und
Futtermitteln darstellt, über die nationales Recht nicht hinausgehen darf (vgl. Voit,
Die Befugnis zur Information der Öffentlichkeit bei täuschenden, aber die Gesundheit
nicht gefährdenden Lebensmitteln, LMuR 2012, 9; Becker/Ambrock, Anm. zum Vor-
lagebeschluss des LG München |, LMuR 2012, 35) oder ob nur Mindestvorgaben für
die Information der Öffentlichkeit gemacht werden, die durch nationale Regelungen
auch erweitert werden können (so VG Regensburg, Beschluss vom 23.10.2012 - RO
5 E 12.1580 -, Juris unter Verweis auf die Entscheidung des VG München, Be-
schluss vom 13.09.2012 -M 22 E 12.4275 -, Juris).

Im Fall einer abschließenden Regelung durch Art. 10 der Verordnung (EG) 178/2002
wäre eine Information der Öffentlichkeit nur bei hinreichendem Verdacht eines Risi-
kos für die Gesundheit von Mensch und Tier zulässig. 8 40 Abs. 1a LFGB sieht je-
doch - wie bereits ausgeführt - eine Information der Öffentlichkeit auch unterhalb die-
ser Schwelle, nämlich auch beim Verdacht einer Täuschung oder eines „bloßen“ Hy-
gieneverstoßes in nicht unerheblichem Ausmaß ohne gleichzeitige Gesundheitsge-

fährdung vor.

Zwar spricht nach Auffassung des Gerichts viel dafür, dass die Verordnung (EG) Nr.
178/2002 nur allgemeine Ziele und Grundsätze vorgibt und Spielraum für nationale
Regelungen belässt. Jedoch ist zu berücksichtigen, dass das Landgericht München
dem Europäischen Gerichtshof die Frage zur Vorabentscheidung gemäß Art. 267
des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) vorgelegt hat,
ob Art. 10 VO (EG) Nr. 178/2002 einer nationalen Regelung entgegensteht, durch die
eine Information der Öffentlichkeit über ein Lebens- bzw. Futtermittel und das Le-
bens- bzw. Futtermittelunternehmen, unter dessen Namen oder Firma das Lebens-
bzw. Futtermittel hergestellt, behandelt oder in den Verkehr gelangt ist, ermöglicht
wird, wenn die Information nicht ein gesundheitsschädliches, sondern lediglich ein
zum Verzehr ungeeignetes, insbesondere ekelerregendes Lebensmittel betrifft. Das
Vorabentscheidungsersuchen betrifft zwar nicht Regelung des $ 40 Abs. 1a LFGB,
sondern bezieht sich auf $ 40 Abs. 1 Nr. 4 LFGB. Die Problematik der Information
der Öffentlichkeit ohne Vorliegen eines Gesundheitsrisikos stellt sich im vorliegenden

Verfahren aber gleichermaßen (vgl. ebenso VG München, Beschluss vom
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= Bir

03.12.2012 - M 18 E 12.5736 -, Juris). Eine Entscheidung des Europäischen Ge-

richtshofs ist - soweit ersichtlich - bislang nicht ergangen.

Angesichts dieser komplexen, noch offenen Rechtsfragen überwiegt derzeit das
Rechtsschutzinteresse des Antragstellers das Informationsinteresse der Öffentlich-

keit, so dass dem Antrag stattzugeben war.

3. Die Kostenentscheidung folgt aus & 154 Abs. 1 VwGO. Die Streitwertfestsetzung
ergibt sich aus 88 53 Abs. 2 Nr. 1, 52 Abs. 2 GKG in Höhe des Auffangwertes von
5.000,- Euro. Von einer Reduzierung dieses Betrags (vgl. Ziff. 1.5 des Streitwertkata-

logs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit) sieht das Gericht ab.

Rechtsmittelbelehrung:
Gegen diesen Beschluss kann innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung beim Verwaltungsgericht

Sigmaringen schriftlich Beschwerde eingelegt werden. Die Rechtsmittelschrift muss spätestens am
letzten Tag der Frist bei Gericht eingehen.

Bei der Einlegung der Beschwerde und vor dem Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg müssen
sich die Beteiligten, außer in Prozesskostenhilfeverfahren, durch Bevollmächtigte im Sinne von 8 67
Verwaltungsgerichtsordnung, 88 3 und 5 Einführungsgesetz zum Rechtsdienstleistungsgesetz vertre-
ten lassen.

Die Beschwerde ist innerhalb eines Monats nach der Zustellung der Entscheidung zu begründen. Die
Begründung ist, sofern sie nicht bereits mit der Beschwerde vorgelegt worden ist, beim Verwaltungs-
gerichtshof Baden-Württemberg (Hausanschrift: Schubertstraße 11, 68165 Mannheim; Postanschrift:
Postfach 103264, 68032 Mannheim) einzureichen. Sie muss einen bestimmten Antrag enthalten, die
Gründe darlegen, aus denen die Entscheidung abzuändern oder aufzuheben ist, und sich mit der an-
gefochtenen Entscheidung auseinandersetzen. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, ist die Be-
schwerde unzulässig. Der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg prüft nur die dargelegten
Gründe.

Hinsichtlich der in diesem Beschluss enthaltenen Festsetzung des Streitwerts kann Beschwerde
eingelegt werden, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes zweihundert Euro übersteigt. Die

Beschwerde ist schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle beim Ver-
waltungsgericht Sigmaringen einzulegen. Die Beschwerde ist nur zulässig, wenn sie innerhalb von
6 Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich
anderweitig erledigt hat, eingelegt wird; ist der Streitwert jedoch später als einen Monat vor Ablauf
dieser Frist festgesetzt worden, so kann die Beschwerde noch innerhalb eines Monats nach Bekannt-
gabe dieses Beschlusses eingelegt werden. Die Rechtsmittelschrift muss spätestens am letzten Tag
der Frist bei Gericht eingehen.

Für die Streitwertbeschwerde ist die Vertretung durch einen Rechtsanwalt oder andere Prozessbe-
vollmächtigte im Sinne des $ 67 Abs. 4 Verwaltungsgerichtsordnung nicht vorgeschrieben.

Anschriften des Verwaltungsgerichts:

Hausanschrift: Verwaltungsgericht Sigmaringen, Karlstraße 13, 72488 Sigmaringen
Postanschrift: Verwaltungsgericht Sigmaringen, Postfach 16 52, 72486 Sigmaringen.

Dr. Mattes Fritsch Dr. Schmidt
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