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Aktenzeichen
1 L 1543/12
Datum
18. Dezember 2012
Gericht
Verwaltungsgericht Trier
Gesetz
Lebensmittel-, Bedarfsgegenstände- und Futtermittelgesetzbuch
Lebensmittel-, Bedarfsgegenstände- und Futtermittelgesetzbuch

Beschluss: Verwaltungsgericht Trier am 18. Dezember 2012

1 L 1543/12

Das Verwaltungsgericht untersagt einer Behörde die Veröffentlichung des Ergebnisses der lebensmittelrechtlichen Kontrolle eines Betriebs im Internet. § 40 Abs. 1a LFGB ist hinreichend klar formuliert und genügt insoweit auch dem Verhältnismäßigkeitsprinzip, als (lediglich) auf den hinreichend begründeten Verdacht des Verstoßes gegen bestimmte Vorschriften abgestellt wird. Die Norm verstößt nicht gegen höherrangiges EU-Recht. § 40 Abs. 1 a LFGB befugt nur zur Nennung von unter Verdacht stehenden Lebensmitteln im Sinne einer Ermächtigung zur Herausgabe einer Produktwarnung. Erforderlich ist die Benennung konkreter Produkte, der Hinweis auf "Hygienemängel" reicht nicht aus. Die fehlende Fristbestimmung über die Dauer der Einstellung der Informationen ins Internet im LFGB erscheint vor dem Hintergrund nicht geboten, dass es sachlich schwierig ist, gesetzlich starre Fristen zu formulieren. Dies führt nicht zum Verstoß gegen das Verhältnismäßigkeitsprinzip, wenn auf der behördlichen Ebene des Gesetzesvollzugs von der Möglichkeit einer Fristsetzung im Einzelfall Gebrauch gemacht worden ist. (Quelle: LDA Brandenburg)

Interessenabwägung Veröffentlichung von Informationen

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1 L 1543/12.TR VERWALTUNGSGERICHT TRIER BESCHLUSS In dem Verwaltungsrechtsstreit des Herrn *****, - Antragsteller - Prozessbevollmächtigte:         Rechtsanwälte Lamberty, Maßem, Schmitt & Wolff, Brüningstraße 38, 54470 Bernkastel-Kues, gegen die Stadt Trier, vertreten durch den Oberbürgermeister, Augustinerhof, 54290 Trier, - Antragsgegnerin - wegen         Lebensmittelrechts hier: Antrag nach § 123 VwGO hat die 1. Kammer des Verwaltungsgerichts Trier aufgrund der Beratung vom 18. Dezember 2012, an der teilgenommen haben Richter am Verwaltungsgericht Goergen Richterin am Verwaltungsgericht Krause Richterin am Verwaltungsgericht Kohl beschlossen: Der Antragsgegnerin wird vorläufig, bis zu einer neuen Behördenentscheidung in der Sache, untersagt, in ihrem Internetauftritt das Ergebnis einer amtlichen Kontrolle des Betriebs
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-2- des Antragstellers, die am 8. November 2012 stattgefunden hat, zu veröffentlichen. Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens. Der Streitwert wird auf 5.000,- € festgesetzt. Gründe Der dahingehend auszulegende Antrag, der Antragsgegnerin vorläufig, bis zu einer neuen Entscheidung in der Sache zu untersagen, das Ergebnis einer amtlichen Kontrolle des Betriebs des Antragstellers, die am 8. November 2012 stattgefunden hat, im Internet zu veröffentlichen, ist gemäß § 123 VwGO zulässig und führt auch in der Sache zum Erfolg. Gemäß § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO kann das Gericht auf Antrag, auch schon vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechtes eines Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte (sog. Sicherungsanordnung). Nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO sind einstweilige Anordnungen auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen      nötig   erscheint     (sog.   Regelungsanordnung).       Sowohl     der Anordnungsanspruch als auch der Anordnungsgrund (Eilbedürftigkeit) sind glaubhaft zu machen. Sind diese Voraussetzungen gegeben, muss das Gericht eine einstweilige Anordnung treffen (Kopp/Schenke, Verwaltungsgerichtsordnung, 18. Aufl. 2012, § 123 VwGO RdNrn. 23 ff). Hier besteht die Besonderheit, dass der Antragsteller mit der einstweiligen Anordnung     vorläufig    das   Gleiche   begehrt,    was     er  auch   in  einem Hauptsacheverfahren       beantragen   müsste,    nämlich    die  Unterbindung   der Veröffentlichung der festgestellten Mängel. Mithin begehrt er eine zeitweilige -3-
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-3- Vorwegnahme der Hauptsache, was grundsätzlich dem Wesen und Zweck der einstweiligen Anordnung widerspricht. Im Wege des Erlasses einer einstweiligen Anordnung kann das Gericht grundsätzlich nur vorläufige Regelungen treffen und einem Antragsteller nicht schon im vollen Umfang, wenn auch nur unter Vorbehalt einer neuen Entscheidung in der Sache, dasjenige gewähren, was er nur in einem Hauptsacheprozess erreichen könnte. Im Hinblick auf Art 19 Abs. 4 Grundgesetz – GG- gilt dieses Verbot der Vorwegnahme der Hauptsache jedoch dann nicht, wenn eine bestimmte Regelung zur Wahrung eines effektiven Rechtsschutzes schlechterdings notwendig ist, d. h., wenn sonst die zu erwartenden Nachteile unzumutbar wären (vgl. Kopp/Schenke, a.a.O., § 123 VwGO, RdNrn. 13 ff). Sind diese strengen Voraussetzungen, unter denen die Vorwegnahme der Hauptsache im Eilrechtsschutzverfahren ausnahmsweise zulässig ist, gegeben, so setzt der Erlass einer einstweiligen Anordnung im Regelfall auch voraus, dass eine sehr hohe    Wahrscheinlichkeit   für  ein  Obsiegen   in   der  Hauptsache     besteht (Kopp/Schenke, a.a.O., § 123 VwGO, RdNr. 14 m. w. N.). Gemessen an diesen strengen Voraussetzungen hat der Antrag in der Sache Erfolg. Der Anordnungsgrund ist unzweifelhaft gegeben. Der Antragsteller hat nach der im Eilverfahren gebotenen summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage auch einen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht. Die Voraussetzungen für einen öffentlich-rechtlichen Unterlassungsanspruch, der als alleinige Rechtsgrundlage hier in Betracht kommt, sind gegeben. Der auf die Bewahrung        des      „status     quo“     gerichtete     öffentlich-rechtliche Unterlassungsanspruch wird entweder auf eine analoge Anwendung des § 1004 Abs. 1 BGB gestützt oder aber aus der Abwehrfunktion der Grundrechte - hier Art 12 GG– abgeleitet (vgl. VG Regensburg, Beschluss vom 23. Oktober 2012- RO 5 E      12.1580-     unter     Hinweis     auf    die      Rechtsprechung        des Bundesverwaltungsgerichts, u.a. Urteil vom 29. April 1988, BVerwGE 79, 254). Unabhängig von der dogmatischen Herleitung dieses Anspruchs setzt er inhaltlich voraus, dass ein rechtswidriger hoheitlicher Eingriff in ein subjektiv-öffentliches Recht bevorsteht oder noch andauert. Diese Voraussetzungen sind vorliegend gegeben, denn der durch die beabsichtigte Veröffentlichung der festgestellten Mängel möglicherweise hervorgerufene Eingriff in die durch Art 12 Abs. 1 GG -4-
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-4- geschützte Berufsausübungsfreiheit ist hier nach derzeitiger Lage der Dinge rechtswidrig. Zwar besteht für die Veröffentlichung mit dem seit 1. September 2012 in Kraft befindlichen    §    40   Abs.  1a    Lebensmittel-,   Bedarfsgegenstände-     und Futtermittelgesetzbuch –LFGB- eine Rechtsgrundlage und Befugnisnorm für die Antragsgegnerin. Deren rechtliche Grenzen werden nach derzeitiger Sach- und Rechtslage jedoch vorliegend überschritten. § 40 Abs. 1a LFGB entspricht bei summarischer Prüfung im Eilverfahren zwar den Anforderungen der Art. 12 Abs. 1 (Berufsfreiheit) und 2 Abs. 1 (Recht auf informationelle Selbstbestimmung) GG. Die Vorschrift ist hinreichend klar formuliert und genügt auch insoweit dem Verhältnismäßigkeitsprinzip als (lediglich) auf den hinreichend begründeten Verdacht des Verstoßes gegen bestimmte Vorschriften abgestellt wird. Ein derartiger Verdacht lässt sich ausreichend bestimmt nach objektiven Kriterien feststellen und auch gerichtlich nachvollziehen. Damit besteht bei einem tatsächlich     vorliegenden    „hinreichend     begründeten“      Verdacht   eine Richtigkeitsgewähr für behördlich festgestellte Verstöße, die in Abwägung mit dem öffentlichen   Informationsbedürfnis    und    dem   Willen    des   Gesetzgebers, behördliches Handeln transparent zu machen, die gesetzliche Regelung als nicht unverhältnismäßig erscheinen lässt (vgl. VG Regensburg, Beschluss vom 23. Oktober 2012, unter Hinweis auf BayVGH, Beschluss vom 9. Januar 2012 – 12 CE 11.2685- dort zur Problematik der Veröffentlichung von Berichten der Heimaufsicht im Internet). § 40 Abs. 1a LFGB verstößt bei summarischer Prüfung auch nicht gegen höherrangiges EU-Recht (vgl. zu den diesbezüglichen Fragen: VG Regensburg, Beschluss vom 23. Oktober 2012, a.a.O.). Auch wenn Art. 10 der VO (EG) Nr. 178/2002 für eine Information der Öffentlichkeit den hinreichenden Verdacht, dass ein Lebensmittel ein Risiko für die Gesundheit von Menschen mit sich bringen kann,    voraussetzt,   wird keine materiell-rechtliche   Vollharmonisierung des Lebensmittelrechts angestrebt. Vielmehr sollen lediglich Mindeststandards für die Informationstätigkeit der Behörden festgelegt werden. Gemäß § 40 Abs. 1a LFGB informiert die zuständige Behörde die Öffentlichkeit unter Nennung der Bezeichnung des Lebensmittels oder Futtermittels sowie unter -5-
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-5- Nennung des Lebensmittel- oder Futtermittelunternehmens, unter dessen Namen oder Firma das Lebensmittel oder Futtermittel hergestellt oder behandelt oder in den Verkehr gelangt ist, wenn der durch Tatsachen ... hinreichend begründete Verdacht besteht, dass 1. ... oder 2. gegen sonstige Vorschriften im Anwendungsbereich dieses Gesetzes, die dem Schutz der Verbraucherinnen und Verbraucher vor Gesundheitsgefährdungen oder vor Täuschung oder der Einhaltung hygienischer Anforderungen dienen, in nicht nur unerheblichem Ausmaß oder wiederholt verstoßen worden und die Verhängung eines Bußgeldes von mindestens 350,-- € zu erwarten ist. Gemäß § 40 Abs. 2 LFBG ist eine Information der Öffentlichkeit nach Abs. 1 durch die Behörde u. a. nur zulässig, wenn andere ebenso wirksame Maßnahmen, insbesondere eine Information der Öffentlichkeit durch den Lebensmittel- oder Futtermittelunternehmer, nicht oder nicht rechtzeitig getroffen werden oder die Verbraucherinnen und Verbraucher nicht erreichen. § 40 Abs. 3 LFGB schreibt eine hier erfolgte Anhörung vor. Nach summarischer Prüfung bestehen erhebliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der von der Antragsgegnerin beabsichtigten Veröffentlichung. Mit Schreiben vom 14. November 2012 hat sie den Antragsteller zu dem der geplanten Veröffentlichung    zugrundeliegenden   Sachverhalt     -wie    auf    Blatt  8   der Verwaltungsakte aufgeführt- gehört. Die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 40 Abs. 1a LFGB liegen nach derzeitiger   Sach-    und   Rechtslage  diesbezüglich      nicht   vor,   da   keine Produktwarnung im Sinne der Vorschrift ersichtlich ist und zudem derzeit nicht mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit der hinreichend begründete Verdacht besteht, dass dergestalt und in nicht nur unerheblichem Ausmaß gegen Vorschriften    im   Anwendungsbereich    des    LFGB,     die   dem     Schutz   der Verbraucherinnen und Verbraucher vor Gesundheitsgefährdungen oder der Einhaltung hygienischer Anforderungen dienen, verstoßen worden ist, dass die Verhängung eines Bußgeldes von mindestens 350,-- € zu erwarten ist. Bei    dem     Antragsteller  handelt   es    sich    um     den     Inhaber    eines Lebensmittelunternehmens, unter dessen Namen Lebensmittel hergestellt oder behandelt oder in den Verkehr gelangen (vgl. die Definitionen in Art. 3 Nrn. 2 und 3 der Verordnung (EG) Nr. 178/2002). -6-
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-6- § 40 Abs. 1a LFGB befugt bei summarischer Prüfung nur zur Nennung von unter Verdacht stehenden Lebensmitteln im Sinne einer Ermächtigung zur Herausgabe einer Produktwarnung. Das erschließt sich aus dem Wortlaut „unter Nennung der Bezeichnung      des      Lebensmittels“     sowie     „unter     Nennung   des Lebensmittelunternehmens, unter dessen Namen oder Firma das Lebensmittel“ usw.. Für eine solche Auslegung sprechen auch die Gesetzesmaterialien, wonach Anlass für die Regelung Grenzwertüberschreitungen im Zusammenhang mit Dioxin in Futtermitteln waren. Beabsichtigt wird eine Veröffentlichung bei Rechtsverstößen, bei denen- ähnlich wie bei „Grenzwertüberschreitungen“- diese zwingend angezeigt ist (vgl. BT-Drucks. 17/7374; vgl. auch VG Karlsruhe, Beschluss vom 7. November 2012- 2 K 2430/12-, VG Regensburg, Beschluss vom 23. Oktober 2012, a.a.O.). Die Befugnisnorm ermächtigt nur zur Veröffentlichung des Namens eines unter Verstoß gegen Rechtsvorschriften hergestellten Lebensmittels (sog. Produktwarnung) nicht aber zur Information über generelle Hygienemängel in einer Gaststätte (vgl. Leitsatz VG Karlsruhe, Beschluss vom 7. November 2012, a.a.O.). Es bestehen nach der allein möglichen Prüfungsdichte im Eilverfahren erhebliche Zweifel daran, dass bei der hier geplanten Veröffentlichung   von   einer    Produktwarnung   im    vorbeschriebenen Sinne ausgegangen werden kann. Die Grundlagen einer Produktwarnung sind zwar nicht erst dann gegeben, wenn die hergestellten Lebensmittel aufgrund hygienischer Mängel selbst nachteilig beeinflusst worden sind. Eine latente Gefahr der Beeinträchtigung des Gegenstandes der Veröffentlichung muss aber in tatsächlicher Hinsicht so verdichtet sein, dass letztlich nicht lediglich eine Warnung vor allgemeinen Hygienemängeln als Grundlage derselben verbleibt. Darüber zu befinden ist eine Frage des Einzelfalls. Im vorliegend zu entscheidenden Fall liegen die Voraussetzungen einer Produktwarnung im vorgenannten Sinne nach der allein möglichen Prüfungsdichte des Eilverfahrens nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit vor. -7-
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-7- Zwar beabsichtigt die Antragsgegnerin eine Veröffentlichung des Betriebes des Antragstellers unter Nennung betroffener Lebensmittel (Bl. 10 VA). Jedoch ist die eine Produktwarnung rechtfertigende Grundlage mit der im Eilverfahren allein möglichen Prüfungsdichte hinsichtlich dieses Veröffentlichungsgegenstandes nicht hinreichend dokumentiert. In Bezug auf die im Rahmen der Anhörung genannten Mängel, die auch einzig als „Hygienemängel“ bezeichnet werden, liegen die Voraussetzungen ersichtlich nicht vor. Konkret hygienerechtlich betroffene Lebensmittel sind auch nicht in der Mängelliste der Niederschrift über die Betriebskontrolle vom 8. November 2012 aufgeführt. Dort werden nur eine Vielzahl von Verstößen hygienerechtlicher Art und bauliche Mängel ohne Bezug zu den zur Veröffentlichung    vorgesehenen    Lebensmitteln      genannt.    Die   von   der Antragsgegnerin nach den Verwaltungsakten zur Veröffentlichung vorgesehenen Lebensmittel sind offenkundig lediglich dem Internetauftritt des Betriebes des Antragstellers ohne weitere Anhaltspunkte für eine Betroffenheit gerade dieser Produkte entnommen worden. Eine latente Gefahr bezüglich der genannten Endprodukte wegen der Lagerung und den Umständen des Verarbeitungsprozess aufgrund von Hygienemängeln ist auch in tatsächlicher Hinsicht nicht verdichtet den von der Antragsgegnerin vorgelegten Lichtbildern zu entnehmen. Diese dokumentieren vorwiegend lediglich Hygienemängel der Nebenräume und des Küchenumfeldes. Aus den betreffenden Fotos der hier maßgeblichen Kontrolle vom 8. November 2012 lässt sich nicht schließen, dass dort zu sehende Lebensmittel    etwa   unter  Verwendung      von    ersichtlich  unmittelbar von Hygienemängeln betroffenen Hilfsmitteln – Gerätschaften und Arbeitsplatten- bearbeitet wurden. Somit ist allenfalls eine rein latente Gefahr der Betroffenheit derselben von Hygienemängeln und einem baulich mangelhaften Zustand in Rede stehend. Dokumentiert ist letztlich lediglich ein nicht den hygienerechtlichen Anforderungen entsprechendes Umfeld des Lebensmittelverarbeitungsprozesses. Dass der engere Lebensmittelbearbeitungsvorgang verdichtet betroffen sein soll, erschließt sich mit der im Eilverfahren gegebenen Prüfungsdichte nach der vorgelegten    Fotodokumentation    nicht.   Insgesamt     ist   eine   durch  die dokumentierten Umstände zu befürchtende tatsachlich negative Beeinflussung der konkret zur Veröffentlichung genannten Lebensmittel hier noch nicht hinreichend naheliegend. -8-
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-8- Einzig ein von der Antragsgegnerin mit den festgehaltenen Verstößen gegen die Betriebshygiene geltend gemachter allgemeiner Bezug in Gestalt des Hinweises auf die latente Gefahr der negativen Betroffenheit in den Verkehr gebrachter Lebensmittel vermag nach dem oben dargestellten Sinn und Zweck der gesetzlichen     Grundlage    -der   Produktwarnung-     jedoch   den   gesetzlichen Anforderungen nicht Rechnung zu tragen. Selbst ungeachtet der Frage, ob von daher hier überhaupt eine zulässige Produktwarnung im Sinne des gesetzlichen Tatbestandes vorliegt, ist zudem fraglich, ob die gesetzlich konkretisierte Erheblichkeitsschwelle überschritten ist. Ersichtlich werden im Betrieb des Antragstellers die genannten Lebensmittel verarbeitet und zum Verkauf bereitgehalten, womit ein Inverkehrbringen vorliegt (Art. 3 Nr. 8 VO EG Nr. 178/2002). Unstreitig ist hier gegen Vorschriften im Anwendungsbereich des LFGB verstoßen worden. Bestritten wird lediglich deren Erheblichkeit. Nach derzeitiger Sicht der Dinge ist es aber als offen anzusehen, ob der hinreichend begründete Verdacht gegeben ist, dass die Verhängung eines Bußgeldes von mindestens 350,- € zu erwarten ist. Zu Recht weist die Antragsgegnerin zwar darauf hin, dass das Bereithalten von Lebensmitteln      unter   nicht   den     Anforderung     an   die   vorgegebenen Hygienevorschriften entsprechenden Umständen, die gewerbsmäßig in den Verkehr gebracht werden sollen, einen erheblichen Verstoß gegen §§ 11 Abs. 2 Nr. 1, 59 Abs. 1 Nr. 8 i. V. m. § 60 Abs. 1 LFGB darstellen kann. Grundsätzlich deutet der so vorgegebene rechtliche Rahmen (Geldbuße bis zu 100.000,-- €, § 60 Abs. 5 LFGB) auf eine entsprechende Erheblichkeit von derartigen Verstößen hin. Lebensmittel gelten als nicht sicher, wenn davon auszugehen ist, dass sie für den Verzehr durch den Menschen ungeeignet sind. Das sind Fälle, in denen ein Erzeugnis ohne äußerlich erkennbare Veränderung Ekel oder Widerwillen bei einem normal empfindlichen Verbraucher auslösen würde, wenn er von bestimmten Behandlungsverfahren Kenntnis hätte (vgl. Art. 14 Abs. 2 VO Nr. 178/2002; vgl. VG Augsburg, Urteil vom 27. Juli 2011 – Au 1 K 11.717-). Die Behauptung der Antragsgegnerin, dass die vorgefundenen Hygienemängel -9-
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-9- letztlich zur Annahme eines in diesem Sinne unsicheren Lebensmittels führen könnten, ist somit im Ansatz nicht von der Hand zu weisen. Das Vorliegen eines hinreichend begründeten Verdachts, dass ein Bußgeld von mindestens 350,- € zu erwarten wäre, ist derzeit jedoch nicht hinreichend geklärt. Das in der Vergangenheit hinsichtlich eines in Bezug auf zuvor festgestellte Hygienemängel verhängte Bußgeld in Höhe von 3.500,- € ist zwar in erster Instanz bestätigt worden, nach unwidersprochenen Angaben des Antragstellers ist hierüber    jedoch   noch     in  der    Rechtsmittelinstanz zu   entscheiden.    Ein Bußgeldkatalog existiert nicht. Die Antragsgegnerin selbst hat - jedenfalls ergibt sich hier nichts Gegenteiliges – bislang keinen Bußgeldbescheid die aktuellen Vorwürfe betreffend erlassen und die einzelnen Vorwürfe und die übrigen Voraussetzungen      der    Verhängung      eines   Bußgeldes   auch   nicht  weiter konkretisiert. Angesichts dieser Ausgangslage bedarf die Höhe des letztlich zu erwartenden Bußgeldes mit seinen objektiven und subjektiven Komponenten einer weiteren Plausibilisierung. Jedenfalls bedarf der Sachverhalt weiterer Aufklärung, was die Annahme eines hinreichend begründeten Verdachts anbelangt, dass die Verhängung eines Bußgeldes von mindestens 350,- € zu erwarten ist. Die hier geplante Veröffentlichung stellt sich im vorliegenden Eilverfahren auch deshalb als vorläufig zu untersagend dar, weil Überwiegendes dafür spricht, dass sie derzeit nicht mit dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz in Einklang steht. Dieser ist im Falle eines Eingriffs in grundrechtlich geschützte Rechtspositionen (hier Art. 12 und 2 GG) als Ausfluss des Rechtsstaatsprinzip stets zu berücksichtigten (vgl. hierzu auch VG Regensburg, Beschluss vom 23. Oktober 2012 a.a.O.). Nach Maßgabe des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes muss der Eingriff geeignet und erforderlich sein, d. h. es darf kein milderes Mittel vorliegen, und der Eingriff muss angemessen im engeren Sinne sein. Die hier beabsichtigte Maßnahme ist grundsätzlich geeignet und erforderlich, um die Öffentlichkeit über lebensmittelrechtliche Missstände zu informieren, insoweit Markttransparenz     herzustellen,    informierte  Konsumentenentscheidungen       zu ermöglichen und Verstößen gegen das Lebensmittelrecht entgegenzuwirken (vgl. - 10 -
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- 10 - VG Regensburg, Beschluss vom 23. Oktober 2012 unter Hinweis auf Gurlit, NVwZ 2011, 1052 zum teilweise vergleichbaren Verbraucherinformationsgesetz; OVG Saarland, Beschluss vom 3. Februar 2011, a.a.O.; VG München, Beschluss vom 13. September 2012 – M 22 E 12.4275). Hier spricht jedoch Überwiegendes dafür, dass die geplante Veröffentlichung die Grenzen der Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne überschreitet. Die Antragsgegnerin hat zwar eine Frist von sechs Monaten für die Dauer der Einstellung im Internet in den Raum gestellt. Dass § 40 Abs. 1a LFGB eine Fristbestimmung über die Dauer der Einstellung der Informationen ins Internet nicht vorsieht, erscheint rechtlich vor dem Hintergrund nicht geboten, dass es sachlich schwierig ist, gesetzlich starre Fristen zu formulieren. Denn es kann von Fall zu Fall verschieden lange dauern, bis ein Ordnungswidrigkeitenverfahren unanfechtbar abgeschlossen ist, mithin die gesetzlichen Voraussetzungen eines „hinreichend begründeten Verdachts“ gegebenenfalls sicher oder aber nicht mehr vorliegen. Das Fehlen einer gesetzlichen Frist führt daher allein nicht zur Annahme      eines  Verstoßes    gegen     das   Verhältnismäßigkeitsprinzip,  wenn jedenfalls auf der behördlichen Ebene des Gesetzesvollzugs von der Möglichkeit einer Fristsetzung im Einzelfall Gebrauch gemacht worden ist (vgl. VG Regensburg, Beschluss vom 23. Oktober 2012, a.a.O.). Ausweislich der Verwaltungsakte hat die Behörde eine befristete Einstellung ins Internet vorgesehen. Der Umstand jedoch, dass unstreitig der weitaus überwiegende Teil der Mängel behoben worden ist, im Zusammenhang mit dem Umstand, dass die tatbestandlichen Voraussetzungen einer Produktwarnung nicht hinreichend verdichtet sind, ein hinreichend begründeter Verdacht         eines zu erwartenden Bußgeldes von mindestens 350,- € noch offen ist und nach obigen Ausführungen weiterer Konkretisierung bedarf, spricht im konkreten Fall nach der allein möglichen Prüfungsdichte im Eilverfahren dafür, dass eine Veröffentlichung derzeit unverhältnismäßig ist. Soweit die Antragsgegnerin zu Recht darauf hinweist,   dass allein   die   Mängelbeseitigung     einer Veröffentlichung    nicht entgegensteht,     bedeutet   dies    nicht,   dass    dieser   Umstand    bei   der Verhältnismäßigkeitsprüfung im Rahmen einer Gesamtschau des gegebenen Sachverhalts unberücksichtigt bleiben müsste. Diesbezüglich ist auch aus der von - 11 -
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