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Information

Aktenzeichen
1 L 1339/12.TR
Datum
29. November 2012
Gericht
Verwaltungsgericht Trier
Gesetz
Lebensmittel-, Bedarfsgegenstände- und Futtermittelgesetzbuch
Lebensmittel-, Bedarfsgegenstände- und Futtermittelgesetzbuch

Beschluss: Verwaltungsgericht Trier am 29. November 2012

1 L 1339/12.TR

Im Rahmen einer Eilentscheidung untersagt das Verwaltungsgericht einer Stadt, das Ergebnis der amtlichen Kontrolle eines Lebensmittelunternehmens im Internet zu veröffentlichen, bis die Behörde in der Sache neu entschieden hat. An der Rechtmäßigkeit der Veröffentlichung auf der Grundlage der Bestimmungen des Lebensmittel-, Bedarfsgegenstände- und Futtermittelgesetzbuchs bestehen Zweifel. Der Verdacht, dass ein Bußgeld zu erwarten wäre, ist nicht hinreichend plausibel, da die allgemeinen Verstöße hygienerechtlicher Art keinen Bezug zu konkreten Lebensmittel aufweisen. Eine Veröffentlichung dürfte auch angesichts der zu erwartenden Folgen für den Betrieb und der zwischenzeitlich abgestellten Mängel unverhältnismäßig sein. (Quelle: LDA Brandenburg)

Begriffsbestimmung Veröffentlichung von Informationen

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1 L 1339/12.TR VERWALTUNGSGERICHT TRIER BESCHLUSS In dem Verwaltungsrechtsstreit der *****, - Antragstellerin - Prozessbevollmächtigte:       Rechtsanwälte Ting und Kollegen, Jakobstraße 9 - 10, 54290 Trier, gegen das Land Rheinland-Pfalz, vertreten durch die Stadt Trier, diese vertreten durch den Oberbürgermeister, Augustinerhof, 54290 Trier, - Antragsgegner - wegen         Lebensmittelrechts (Unterlassung einer Veröffentlichung betriebsbezogener Daten) hier: Antrag nach § 123 VwGO hat die 1. Kammer des Verwaltungsgerichts Trier aufgrund der Beratung vom 29. November 2012, an der teilgenommen haben Richter am Verwaltungsgericht Goergen Richterin am Verwaltungsgericht Krause Richterin am Verwaltungsgericht Kohl beschlossen: Dem Antragsgegner wird vorläufig, bis zu einer neuen Behördenentscheidung in der Sache, untersagt, im Internetauftritt der Stadt Trier das Ergebnis einer amtlichen Kontrolle des Betriebs der
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-2- Antragstellerin, die am 1. Oktober 2012 stattgefunden hat, zu veröffentlichen. Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens. Der Streitwert wird auf 5.000,- € festgesetzt. Gründe Der dahingehend auszulegende Antrag, dem Antragsgegner vorläufig, bis zu einer neuen Entscheidung in der Sache zu untersagen, das Ergebnis einer amtlichen Kontrolle des Betriebs der Antragstellerin, die am 1. Oktober 2012 stattgefunden hat, im Internet zu veröffentlichen, ist gemäß § 123 VwGO zulässig und führt auch in der Sache zum Erfolg. Gemäß § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO kann das Gericht auf Antrag, auch schon vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechtes eines Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte (sog. Sicherungsanordnung). Nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO sind einstweilige Anordnungen auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen      nötig    erscheint    (sog.    Regelungsanordnung).      Sowohl     der Anordnungsanspruch als auch der Anordnungsgrund (Eilbedürftigkeit) sind glaubhaft zu machen. Sind diese Voraussetzungen gegeben, muss das Gericht eine einstweilige Anordnung treffen (Kopp/Schenke, Verwaltungsgerichtsordnung, 18. Aufl. 2012, § 123 VwGO RdNrn. 23 ff). Hier besteht die Besonderheit, dass die Antragstellerin mit der einstweiligen Anordnung     vorläufig    das   gleiche   begehrt,   was     sie  auch   in  einem Hauptsacheverfahren       beantragen     müsste,  nämlich    die  Unterbindung   der Veröffentlichung der festgestellten Mängel. Mithin begehrt sie eine zeitweilige -3-
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-3- Vorwegnahme der Hauptsache, was grundsätzlich dem Wesen und Zweck der einstweiligen Anordnung widerspricht. Im Wege des Erlasses einer einstweiligen Anordnung kann das Gericht grundsätzlich nur vorläufige Regelungen treffen und einem Antragsteller nicht schon im vollen Umfang, wenn auch nur unter Vorbehalt einer neuen Entscheidung in der Sache, dasjenige gewähren, was er nur in einem Hauptsacheprozess erreichen könnte. Im Hinblick auf Art. 19 Abs. 4 GG gilt dieses Verbot der Vorwegnahme der Hauptsache jedoch dann nicht, wenn eine bestimmte     Regelung      zur    Wahrung     eines    effektiven    Rechtsschutzes schlechterdings notwendig ist, d. h., wenn sonst die zu erwartenden Nachteile unzumutbar wären (vgl. Kopp/Schenke, a.a.O., § 123 VwGO, RdNrn. 13 ff). Sind diese strengen Voraussetzungen, unter denen die Vorwegnahme der Hauptsache im Eilrechtsschutzverfahren ausnahmsweise zulässig ist, gegeben, so setzt der Erlass einer einstweiligen Anordnung im Regelfall auch voraus, dass eine sehr hohe    Wahrscheinlichkeit    für  ein   Obsiegen    in  der    Hauptsache     besteht (Kopp/Schenke, a.a.O., § 123 VwGO, RdNr. 14 m. w. N.). Gemessen an diesen strengen Voraussetzungen hat der Antrag in der Sache Erfolg. Der Anordnungsgrund ist unzweifelhaft gegeben. Die Antragstellerin hat nach der im Eilverfahren gebotenen summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage auch einen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht. Die Voraussetzungen für einen öffentlich-rechtlichen Unterlassungsanspruch, der als alleinige Rechtsgrundlage hier in Betracht kommt, sind gegeben. Der auf die Bewahrung        des       „status      quo“      gerichtete      öffentlich-rechtliche Unterlassungsanspruch wird entweder auf eine analoge Anwendung des § 1004 Abs. 1 BGB gestützt oder aber aus der Abwehrfunktion der Grundrechte - hier Art. 12 GG – abgeleitet (vgl. VG Regensburg, Beschluss vom 23. Oktober 2012- RO 5 E      12.1580-      unter      Hinweis     auf     die      Rechtsprechung         des Bundesverwaltungsgerichts, u.a. Urteil vom 29. April 1988, BVerwGE 79, 254). Unabhängig von der dogmatischen Herleitung dieses Anspruchs setzt er inhaltlich voraus, dass ein rechtswidriger hoheitlicher Eingriff in ein subjektiv-öffentliches Recht bevorsteht oder noch andauert. Diese Voraussetzungen sind vorliegend gegeben, denn der durch die beabsichtigte Veröffentlichung der Mängel -4-
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-4- möglicherweise hervorgerufene Eingriff in die durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützte Berufsausübungsfreiheit ist hier nach derzeitiger Lage der Dinge rechtswidrig. Zwar besteht für die Veröffentlichung mit dem seit 1. September 2012 in Kraft befindlichen     §   40   Abs.  1a    Lebensmittel-,    Bedarfsgegenstände-     und Futtermittelgesetzbuch - LFGB- eine Rechtsgrundlage und Befugnisnorm für den Antragsgegner. Deren rechtliche Grenzen werden nach derzeitiger Sach- und Rechtslage jedoch vorliegend überschritten. § 40 Abs. 1a LFGB entspricht bei summarischer Prüfung im Eilverfahren zwar den Anforderungen der Art. 12 Abs. 1 (Berufsfreiheit) und 2 Abs. 1 (Recht auf informationelle Selbstbestimmung) Grundgesetz- GG-. Die Vorschrift ist hinreichend klar formuliert und genügt auch insoweit dem Verhältnismäßigkeitsprinzip als (lediglich) auf den hinreichend begründeten Verdacht des Verstoßes gegen bestimmte Vorschriften abgestellt wird. Ein derartiger Verdacht lässt sich ausreichend bestimmt nach objektiven Kriterien feststellen und auch gerichtlich nachvollziehen. Damit besteht bei einem tatsächlich     vorliegenden    „hinreichend     begründeten“      Verdacht    eine Richtigkeitsgewähr für behördlich festgestellte Verstöße, die in Abwägung mit dem öffentlichen    Informationsbedürfnis    und   dem    Willen   des   Gesetzgebers, behördliches Handeln transparent zu machen, die gesetzliche Regelung als nicht unverhältnismäßig erscheinen lässt (vgl. VG Regensburg, Beschluss vom 23. Oktober 2012, unter Hinweis auf BayVGH, 9. Januar 2012 -12 CE 11.2685- dort zur Problematik der Veröffentlichung von Berichten der Heimaufsicht im Internet). § 40 Abs. 1a LFGB verstößt bei summarischer Prüfung auch nicht gegen höherrangiges EU-Recht (vgl. zu den diesbezüglichen Fragen: VG Regensburg, Beschluss vom 23. Oktober 2012, a.a.O.). Auch wenn Art. 10 der VO (EG) Nr. 178/2002 für eine Information der Öffentlichkeit den hinreichenden Verdacht, dass ein Lebensmittel ein Risiko für die Gesundheit von Menschen mit sich bringen kann,    voraussetzt,   wird keine materiell-rechtliche    Vollharmonisierung des Lebensmittelrechts angestrebt. Vielmehr sollen lediglich Mindeststandards für die Informationstätigkeit der Behörden festgelegt werden. Gemäß § 40 Abs. 1a LFGB informiert die zuständige Behörde die Öffentlichkeit unter Nennung der Bezeichnung des Lebensmittels oder Futtermittels sowie unter Nennung des Lebensmittel- oder Futtermittelunternehmens, unter dessen Namen -5-
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-5- oder Firma das Lebensmittel oder Futtermittel hergestellt oder behandelt oder in den Verkehr gelangt ist, wenn der durch Tatsachen ... hinreichend begründete Verdacht besteht, dass 1. ... oder 2. gegen sonstige Vorschriften im Anwendungsbereich dieses Gesetzes, die dem Schutz der Verbraucherinnen und Verbraucher vor Gesundheitsgefährdungen oder vor Täuschung oder der Einhaltung hygienischer Anforderungen dienen, in nicht nur unerheblichem Ausmaß oder wiederholt verstoßen         worden     ist und die Verhängung eines Bußgeldes von mindestens 350,-- € zu erwarten ist. Gemäß § 40 Abs. 2 LFBG ist eine Information der Öffentlichkeit nach Abs. 1 durch die Behörde u. a. nur zulässig, wenn andere ebenso wirksame Maßnahmen, insbesondere eine Information      der     Öffentlichkeit   durch       den    Lebensmittel-    oder Futtermittelunternehmer nicht oder nicht rechtzeitig getroffen werden oder die Verbraucherinnen und Verbraucher nicht erreichen. § 40 Abs. 3 LFGB schreibt eine hier erfolgte Anhörung vor. Nach summarischer Prüfung bestehen erhebliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der von dem Antragsgegner beabsichtigten Veröffentlichung. Mit Schreiben vom 26. Oktober 2012 hat er die Antragstellerin zu dem zur Veröffentlichung geplanten Sachverhalt -wie auf Blatt 11 der Verwaltungsakte aufgeführt- gehört. Die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 40 Abs. 1a Nr. 2 LFGB liegen nach derzeitiger   Sach-    und    Rechtslage   diesbezüglich   nicht  vor,  da   keine Produktwarnung im Sinne der Vorschrift ersichtlich ist und zudem derzeit nicht mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit der hinreichend begründete Verdacht festgestellt werden kann, dass dergestalt und in nicht nur unerheblichem Ausmaß gegen Vorschriften im Anwendungsbereich des LFGB, die dem Schutz der Verbraucherinnen und Verbraucher vor Gesundheitsgefährdungen oder der Einhaltung hygienischer Anforderungen dienen, verstoßen worden ist, dass die Verhängung eines Bußgeldes von mindestens 350,-- EUR zu erwarten ist. Bei   der     Antragstellerin  handelt   es    sich    um   die  Inhaberin   eines Lebensmittelunternehmens, unter deren Namen Lebensmittel hergestellt oder behandelt oder in den Verkehr gelangen (vgl. die Definitionen in Art. 3 Nrn. 2 und 3 der Verordnung (EG) Nr. 178/2002). -6-
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-6- § 40 Abs. 1a LFGB befugt bei summarischer Prüfung nur zur Nennung von unter Verdacht stehenden Lebensmitteln im Sinne einer Ermächtigung zur Herausgabe einer Produktwarnung. Das erschließt sich aus dem Wortlaut „unter Nennung der Bezeichnung        des    Lebensmittels“     sowie     „unter     Nennung       des Lebensmittelunternehmens, unter dessen Namen oder Firma das Lebensmittel“ usw.. Für eine solche Auslegung sprechen auch die Gesetzesmaterialien, wonach Anlass für die Regelung Grenzwertüberschreitungen im Zusammenhang mit Dioxin in Futtermitteln waren. Beabsichtigt wird eine Veröffentlichung bei Rechtsverstößen, bei denen- ähnlich wie bei „Grenzwertüberschreitungen“- diese zwingend angezeigt ist (vgl. BT-Drucks. 17/7374; vgl. auch VG Karlsruhe, Beschluss vom 7. November 2012- 2 K 2430/12-, VG Regensburg, Beschluss vom 23. Oktober 2012, a.a.O.). Es bestehen danach erhebliche Zweifel daran, dass bei der hier geplante Veröffentlichung eine Produktwarnung im vorbeschriebenen Sinne vorliegt. Hinsichtlich der im Rahmen der Anhörung genannten Mängel, die vor Inkrafttreten der gesetzlichen Regelung festgestellt worden sind, mangelt es ersichtlich bereits an einer rechtlichen Grundlage. Die anlässlich vorangegangener Kontrollen aufgefallenen      Mängel    eines    gegenüber       der     Antragstellerin    als Veröffentlichungsgegenstand bei der Anhörung einzig genannten Produktes werden von dem Antragsgegner nach seinen Ausführungen im vorliegenden Eilverfahren nicht mehr ausdrücklich thematisiert und scheiden offensichtlich als Verfahrensgegenstand      aus.    Diesbezüglich    lägen    die    tatbestandlichen Voraussetzungen einer Veröffentlichung wohl auch deshalb nicht vor, weil der Antragsgegner ausweislich der Behördenakte bereits ein Verkaufsverbot verhängt hat, keine diesbezüglichen Mängel in der Kontrolle vom 1. Oktober 2012 dokumentiert sind und eine Plausibilisierung dazu fehlt, inwiefern die weiteren tatbestandlichen Voraussetzungen der Befugnisnorm vorliegen sollen. Konkret hygienerechtlich betroffene Lebensmittel sind hier auch nicht in der Mängelliste der Niederschrift über die Betriebskontrolle vom 1. Oktober 2012 aufgeführt. Dort werden nur Verstöße hygienerechtlicher Art ohne Bezug zu konkreten Lebensmitteln genannt. Lediglich im vorliegenden Verfahren wird –ergänzend- allgemein ein Bezug zu offen gelagerten Waren hergestellt, was sich jedoch aus der Anhörung nicht ergeben hat. -7-
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-7- Zwar belastet der Umstand, dass die „offenen Waren“ in der geplanten Veröffentlichung nach der der Antragstellerin mit Anhörungsschrift vom 26. Oktober 2012 bekannt gegebenen Absicht nicht ausdrücklich genannt wurden, die Antragstellerin   rechtlich   nicht.   Einzig  ein   vom   Antragsgegner    mit   den festgehaltenen    Verstößen     gegen     die  Betriebshygiene   geltend   gemachter allgemeiner Bezug auf in den Verkehr gebrachte Lebensmittel vermag nach dem oben    dargestellten    Sinn   und    Zweck    der   gesetzlichen   Grundlage    -der Produktwarnung- jedoch die gesetzliche Anforderung nicht zu begründen. Es wurden vorliegend- anders als im der Entscheidung des VG Regensburg zugrundeliegenden Fall -für den hier rechtlich relevanten Zeitraum konkrete Mängel offen gelagerter Waren nicht dokumentiert. Selbst ungeachtet der Frage, ob von daher hier überhaupt eine zulässige Produktwarnung im Sinne des gesetzlichen Tatbestandes vorliegt, ist zudem fraglich, ob die gesetzlich konkretisierte Erheblichkeitsschwelle überschritten ist. Ersichtlich wurden am 1. Oktober 2012 die in der Verkaufstheke und im Kühlschrank vorgehaltenen Lebensmittel zum Verkauf bereitgehalten, womit ein Inverkehrbringen vorliegt (Art. 3 Nr. 8 VO EG Nr. 178/2002). Unstreitig ist hier gegen Vorschriften im Anwendungsbereich des LFGB verstoßen worden. Bestritten wird lediglich deren Erheblichkeit. Nach derzeitiger Sicht der Dinge ist aber nicht der hinreichend begründete Verdacht gegeben, dass die Verhängung eines            Bußgeldes     von  mindestens 350,- € zu erwarten ist. Zu Recht weist der Antragsgegner zwar darauf hin, dass das Bereithalten von Lebensmitteln      unter    nicht    den    Anforderung    an    die   vorgegebenen Hygienevorschriften entsprechenden Umständen, die gewerbsmäßig in den Verkehr gebracht werden sollen, einen erheblichen Verstoß gegen §§ 11 Abs. 2 Nr. 1, 59 Abs. 1 Nr. 8 i. V. m. § 60 Abs. 1 LFGB darstellen kann. Grundsätzlich deutet der so vorgegebene rechtliche Rahmen (Geldbuße bis zu 100.000,-- €, § 60 Abs. 5 LFGB) auf eine entsprechende Erheblichkeit von derartigen Verstößen hin. Lebensmittel gelten als nicht sicher, wenn davon auszugehen ist, dass sie für -8-
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-8- den Verzehr durch den Menschen ungeeignet sind. Das sind Fälle, in denen ein Erzeugnis ohne äußerlich erkennbare Veränderung Ekel oder Widerwillen bei einem normal empfindlichen Verbraucher auslösen würde, wenn er von bestimmten Behandlungsverfahren Kenntnis hätte (vgl. Art. 14 Abs. 2 VO Nr. 178/2002; vgl. VG Augsburg, Urteil vom 27. Juli 2011 – Au 1 K 11.717-). Die Behauptung des Antragsgegners, dass die vorgefundenen Hygienemängel letztlich zur Annahme eines in diesem Sinne unsicheren Lebensmittels führen könnten, ist somit im Ansatz nicht von der Hand zu weisen. Das Vorliegen eines hinreichend begründeten Verdachts, dass ein Bußgeld von mindestens 350,- € zu erwarten wäre, ist derzeit jedoch nicht hinreichend plausibilisiert. In der Vergangenheit mündete nach Angaben des Antragsgegners eine von ihm mit Bußgeldbescheid vom 25. Januar 2012 verhängte Geldbuße in Höhe von 2.000,- € hinsichtlich wiederholter hygienerechtlicher Vorwürfe den Betrieb der Antragstellerin betreffend mit Beschluss des Amtsgerichts Trier vom 10. August 2012 in einer Einstellung des Verfahrens nach § 47 Abs. 2 OWiG. Das dortige Gericht    erachtete   somit     nach    der    für die   Einstellung maßgeblichen Rechtsgrundlage eine Ahndung nicht für geboten. Die dem damaligen Verfahren zugrundeliegenden Vorwürfe (vgl. Bl. 7 bis 9 VA) übertreffen die hier in Streit stehenden Vorwürfe nach der im Eilverfahren möglichen Prüfungsdichte in sachlicher und zeitlicher Hinsicht bei Weitem. Von daher ist fraglich, ob letztlich nunmehr eine Ahndung als geboten erscheinen wird. Ein diesbezüglicher Bußgeldkatalog existiert nicht. Der Antragsgegner selbst hat - jedenfalls ergibt sich hier nichts Gegenteiliges – bislang keinen Bußgeldbescheid erlassen und die einzelnen Vorwürfe und die übrigen Voraussetzungen der Verhängung eines Bußgeldes auch nicht weiter konkretisiert. Angesichts dieser Ausgangslage wäre die Höhe des letztlich zu erwartenden Bußgeldes mit seinen objektiven und subjektiven Komponenten in einem eventuellen Hauptsacheverfahren weiter zu plausibilisieren. Jedenfalls ist derzeit nicht vom hinreichend begründeten Verdacht auszugehen, dass die Verhängung eines Bußgeldes von mindestens 350,- € zu erwarten ist. -9-
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-9- Die hier geplante Veröffentlichung stellt sich im vorliegenden Eilverfahren auch deshalb als vorläufig zu untersagend dar, weil Überwiegendes dafür spricht, dass sie derzeit nicht mit dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz in Einklang steht. Dieser ist im Falle eines Eingriffs in grundrechtlich geschützte Rechtspositionen (hier Art. 12 und 2 GG) als Ausfluss des Rechtsstaatsprinzip stets zu berücksichtigten (vgl. hierzu auch VG Regensburg, Beschluss vom 23. Oktober 2012 a.a.O.). Nach Maßgabe des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes muss der Eingriff geeignet und erforderlich sein, d. h. es darf kein milderes Mittel vorliegen, und der Eingriff muss angemessen im engeren Sinne sein. Die hier beabsichtigte Maßnahme ist grundsätzlich geeignet und erforderlich, um die Öffentlichkeit über lebensmittelrechtliche Missstände zu informieren, insoweit Markttransparenz     herzustellen,   informierte  Konsumentenentscheidungen         zu ermöglichen und Verstößen gegen das Lebensmittelrecht entgegenzuwirken (vgl. VG Regensburg, Beschluss vom 23. Oktober 2012 unter Hinweis auf Gurlit, NVwZ 2011,1052 zum teilweise vergleichbaren Verbraucherinformationsgesetz; OVG Saarland, 3. Februar 2011, 3 A 270/10, VG München, 13. September 2012 - M 22 E 12.4275 -). Hier spricht jedoch Überwiegendes dafür, dass die geplante Veröffentlichung die Grenzen der Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne überschreitet. Der Antragsgegner hat zwar eine Frist von sechs Monaten für die Einstellung im Internet genannt. Dass § 40 Abs. 1 a LFGB eine Fristbestimmung über die Dauer der Einstellung der Informationen ins Internet nicht vorsieht, erscheint rechtlich vor dem Hintergrund nicht geboten, dass es sachlich schwierig ist, gesetzlich starre Fristen zu formulieren. Denn es kann von Fall zu Fall verschieden lange dauern, bis ein Ordnungswidrigkeitenverfahren unanfechtbar abgeschlossen ist, mithin die gesetzlichen Voraussetzungen eines „hinreichend begründeten Verdachts“ gegebenenfalls sicher oder aber nicht mehr vorliegen. Das Fehlen einer gesetzlichen Frist führt daher allein nicht zur Annahme eines Verstoßes gegen das Verhältnismäßigkeitsprinzip, wenn jedenfalls auf der behördlichen Ebene des Gesetzesvollzugs von der Möglichkeit einer Fristsetzung im Einzelfall Gebrauch gemacht worden ist (vgl. VG Regensburg, Beschluss vom 23. Oktober 2012, - 10 -
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- 10 - a.a.O.). Ausweislich der Verwaltungsakte hat die Behörde eine Frist für die Einstellung ins Internet von sechs Monaten genannt. Der Umstand jedoch, dass nach dem unwidersprochen gebliebenen Vortrag der Antragstellerin bereits im Anhörungsverfahren, mithin zur rechtlichen Überprüfung des Antragsgegners gestellt, der weitaus überwiegende Teil der Mängel behoben worden sein soll im Zusammenhang mit dem Umstand dass ein hinreichend begründeter Verdacht eines zu erwartenden Bußgeldes von mindestens 350,- € zweifelhaft ist und nach obigen Ausführungen weiterer Konkretisierung bedarf, spricht im konkreten Fall nach der allein möglichen Prüfungsdichte im Eilverfahren dafür, dass nur ein Aufschub derzeit verhältnismäßig ist. Dies gilt umso mehr als nicht mit dem Übermaßverbot vereinbar ist, dass sich aus der geplanten Veröffentlichung nichts zur hier vorgebrachten Mängelbeseitigung ergeben soll. Nach alledem überwiegt derzeit das private Interesse der Antragstellerin, von der Veröffentlichung verschont zu bleiben das sicherlich hoch zu gewichtende öffentliche Verbraucherschutzinteresse. Dabei war insbesondere in den Blick zu nehmen, dass die geplante Maßnahme einschneidende tatsächliche Folgen für den Betrieb der Antragstellerin und die dort Beschäftigten zur Folge haben würde. Die dann zu befürchtenden Nachteile sind nach der Art des zur Veröffentlichung vorgesehenen Mediums nicht mehr rückgängig zu machen. Da unwidersprochen ist, dass die wesentlichen Mängel in der Zwischenzeit abgestellt sind, ist eine Veröffentlichung derzeit – anders als bei einem an den Endverbraucher noch auszuliefernden    Lebensmittel-   zum     Schutz  der  Verbraucher   auch   nicht unerlässlich. Darüber hinaus können zur Verhinderung eventueller Schäden für die Verbraucher im schlimmsten Falle andere Vollstreckungsmaßnahmen im Zuge lebensmittelrechtlicher Verfügungen eingesetzt werden. Dem Antragsgegner eröffnet sich so die Möglichkeit eine neue Entscheidung in der Sache zu treffen, wobei er im Falle einer erneuten Veröffentlichungsentscheidung den Inhalt des vorliegenden Beschlusses zu berücksichtigen hat. Es bleibt dem Antragsgegner unbenommen,       geänderten   rechtlichen   und  tatsächlichen  Voraussetzungen Rechnung zu tragen. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. - 11 -
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