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Aktenzeichen
8 K 1026/08
Datum
27. Juni 2012
Gericht
Verwaltungsgericht Aachen
Gesetz
Informationsfreiheitsgesetz Nordrhein-Westfalen (IFG)
Informationsfreiheitsgesetz Nordrhein-Westfalen (IFG)

Urteil: Verwaltungsgericht Aachen am 27. Juni 2012

8 K 1026/08

Neben § 65 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Achtes Buch Sozialgesetzbuch (Zugang zu besonders schützenswerten, anvertrauten Sozialdaten) besteht kein Raum für eine Anwendbarkeit des Informationsfreiheitsgesetzes Nordrhein-Westfalen. Hier greift vielmehr dessen Subsidiaritätsklausel, nach der besondere Rechtsvorschriften über den Zugang zu amtlichen Informationen, die Auskunfterteilung oder die Gewährung von Akteneinsicht den Vorschriften des Informationsfreiheitsgesetzes Nordrhein-Westfalen vorgehen. Dies ist der Fall, wenn eine restriktive spezialgesetzliche Regelung für einen besonderen Sachbereich oder bestimmte Personengruppen besteht, bezüglich derer ein umfassender Informationsanspruch wie der des Informationsfreiheitsgesetzes dem Schutzzweck des Spezialgesetzes zuwider laufen würde. Dasselbe gilt auch für die Vorschrift des § 68 Achtes Buch Sozialgesetzbuch (Sozialdaten im Bereich der Beistandschaft). Zwar ist § 25 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (Akteneinsicht durch Beteiligte) neben dem Informationsfreiheitsgesetz anwendbar, jedoch steht der dort geregelte Schutz personenbezogener Daten einer Offenlegung weitgehend entgegen. Aktenteile, die diesen Einordnungen nicht unterfallen, sind von der Sperrwirkung nicht "automatisch" umfasst. (Quelle: LDA Brandenburg)

Anwendungsbereich/ Zuständigkeit (Gesetzliche) Geheimhaltungspflichten Konkurrierende Rechtsvorschriften Personenbezogene Daten

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http://www.justiz.nrw.de/nrwe/ovgs/vg_aachen/j2012/8_K_1026_08urteil20120627.html Verwaltungsgericht Aachen, 8 K 1026/08 Datum:                       27.06.2012 Gericht:                     Verwaltungsgericht Aachen Spruchkörper:                8. Kammer Entscheidungsart:            Urteil Aktenzeichen:                8 K 1026/08 Tenor:                       Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin Zugang zu den in der mit Schriftsatz vom 27. Februar 2012 vorgelegten Aufstellung in Spalte 6 aufgeführten Akten bzw. Aktenteile mit Ausnahme der Akten über die Amtspflegschaft zu gewähren. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens zu drei Vierteln, die Beklagte zu einem Viertel. Das Urteil ist hinsichtlich der Kostenentscheidung vorläufig vollstreckbar. Die jeweilige Vollstreckungsschuldnerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die jeweilige Vollstreckungsgläubigerin zuvor Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet. Tatb estan d:                                                                                       1 Die Klägerin begehrt die Einsichtnahme in die ihren Sohn T. B. H. , geb. am 00.00.0000,             2 betreffenden, beim Jugendamt der Beklagten geführten Akten. Die Klägerin hatte ihren Sohn seit Aufnahme einer Berufstätigkeit im Ausland seit März              3 2005 bei der Mutter ihres früheren Ehemannes, also der Großmutter väterlicherseits des Kindes, Frau X. S. , untergebracht, wo er seither lebt. Seit Dezember 2005 gab es zwischen Frau S. und der Klägerin Streitigkeiten über die Aufenthaltssituation des Kindes. Mit Beschluss vom 27. September 2007 - 24 F 394/06 - hatte das Amtsgericht Düren ihr                4 das Aufenthaltsbestimmungsrecht über ihren Sohn entzogen und es dem Stadtjugendamt Düren als Pfleger übertragen. Sodann fanden, teilweise begleitet durch einen Verfahrenspfleger, vierzehntätige Besuchskontakte zwischen der Klägerin und ihrem Sohn statt. Nach einem Besuchskontakt im Januar 2008 brachte die Klägerin, wie das Amtsgericht Düren in seinem Beschluss vom 1. Oktober 2009 - 24 F 76/09 - ausführt, das Kind abredewidrig zunächst nicht wieder zurück zur Großmutter, sondern erst nach Ablauf einer Woche aufgrund einer Intervention des Jugendamts und des Gerichts. Danach brachen die Besuchskontakte zunächst ab. Unter dem 7. April 2008 beantragte die Klägerin bei der Beklagten die Einsicht "in die              5 1 von 13
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http://www.justiz.nrw.de/nrwe/ovgs/vg_aachen/j2012/8_K_1026_08urteil20120627.html vollständigen Jugendamtsakten (Sorge und Umgang etc.) wie sämtliche Beiakten". Die Unterlagen würden dringend zur Wahrung der Rechte der Eltern und des Kindes benötigt, seien unabdingbar für ein faires Verfahren. Mit Bescheid vom 21. April 2008 lehnte die Beklagte den Antrag ab. Zur Begründung        6 heißt es in dem Bescheid, der Antrag sei unzulässig und unbegründet. Es bestünde zurzeit kein Verwaltungsverfahren und liegen auch kein Antrag auf eine verwaltungsrechtliche Angelegenheit vor. Ggf. könne Akteneinsicht beim Familiengericht begehrt werden. In der Folgezeit ergingen weitere familiengerichtliche Entscheidungen. Mit dem bereits   7 erwähnten Beschluss vom 1. Oktober 2009 - 24 F 76/09 - richtete das Amtsgericht Düren für den Sohn der Klägerin eine Umgangspflegschaft ein und übertrug dem Umgangspfleger für die Dauer des Umgangs das Aufenthaltsbestimmungsrecht. Außerdem regelte es die Modalitäten der Besuche der Kindesmutter. Ihr wurde untersagt, mit dem Kind über eine Übersiedlung in ihren Haushalt zu sprechen. Zuvor waren, wie sich aus dem Gerichtsbeschluss ergibt, Beratungstermine gescheitert. Das Amtsgericht führt aus, es sei zum Wohl des Kindes erforderlich, dass es im Haushalt der Großmutter wohnen bleibe. Erst wenn festgestellt werden könne, dass die lange unterbrochene Beziehung zur Kindesmutter stabil und zuverlässig aufgebaut sei, komme ein Wechsel des Kindes zur Mutter in Betracht. Zu berücksichtigen sei, dass seit 1 3/4 Jahren kein Besuchskontakt mehr erfolgt sei, weshalb für das Kind nur ein langsamer Aufbau der Beziehung verträglich sei. Dieses sei nach dem willkürlichen Rückzug der Mutter im Januar 2008 erheblich verunsichert und benötige - durch zunächst begleitete Besuche - eine Absicherung, dass dies nicht erneut vorkomme. Dass die Beziehung des Kindes zur Mutter nicht schon längst wieder habe intensiviert werden können, sei maßgeblich auf ihr Verhalten zurückzuführen. Allerdings habe auch die Großmutter den Kontakt nicht gefördert und auch Telefonkontakte unterbunden, habe aber immerhin, anders als die Klägerin, das Beratungsangebot angenommen. Auch von der Großmutter müsse zum Wohl des Kindes verlangt werden, dass sie die künftigen Besuchskontakte zwischen Mutter und Kind in dem Wissen positiv begleite und an einer konfliktfreien Durchführung der Besuche mitwirke, dass das Kind auch eine Beziehung zu seiner Mutter aufbauen können müsse. Mit einem Beschluss vom 28. Oktober 2009 im Verfahren 24 F 204/08 entzog das Amtsgericht Düren der Klägerin die Gesundheitsfürsorge und übertrug diese betreffend eine bestimmte Maßnahme der Gesundheitsfürsorge auf das Jugendamt als Pfleger. Zur Begründung führte das Amtsgericht aus, Anfang 2008 seien zunehmende Verhaltensauffälligkeiten beim Kind festzustellen gewesen. Die Klägerin habe durch ihre Verweigerung eines Einverständnisses mit weiteren ärztlichen Maßnahmen die nötige Behandlung blockiert. Nach einer Exploration im Februar 2009 habe man eine stressbedingte Leistungshemmung dadurch angenommen, dass durch die Anwesenheit der Kindesmutter die Sorge- und Umgangsrechtsfrage im Raum gestanden habe. Es sei ein für das Kindeswohl schädliches Verhalten der Kindesmutter festzustellen, indem sie notwendige ärztliche Behandlungsmaßnahmen nicht ermöglicht habe. Das Amtsgericht Düren lehnte mit einem weiteren Beschluss vom 28. Oktober 2009 - 24 F 392/08 - den Antrag der Klägerin ab, das Aufenthaltsbestimmungsrecht auf sie zurück zu übertragen. Zur Begründung wird ausgeführt, die Großmutter sei die engste Bezugsperson des Kindes, das auch den Wunsch habe, bei ihr zu wohnen. Das Oberlandesgericht Köln wies die Beschwerde der Klägerin gegen den Beschluss des      8 Amtsgerichts Düren im Verfahren 24 F 204/08 mit Beschluss vom 26. Mai 2010 26 - UF 151/09 - zurück und führte aus, die Kindesmutter lehne Zusammenarbeit mit der Großmutter ab. Sie habe über Monate nötige Therapien verzögert. Es fehle ihr diesbezüglich an Einsicht. Mit Beschluss vom 26. Mai 2010 in der Sache 26 UF 150/09 wies das Oberlandesgericht die Beschwerde der Klägerin gegen den o. g. Beschluss des 2 von 13
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http://www.justiz.nrw.de/nrwe/ovgs/vg_aachen/j2012/8_K_1026_08urteil20120627.html Amtsgerichts Düren im Verfahren - 24 F 392/08 - zurück. Dort wird zunächst ausgeführt, der Klägerin sei 2007 das Aufenthaltsbestimmungsrecht entzogen worden, weil sie das Kindeswohl durch eine missbräuchliche Ausübung des Sorgerechts gefährdet, nämlich das Kind in ihren Haushalt verbracht habe. Eine Abänderung könne nur erfolgen, wenn diese Gefahr nicht mehr bestehe. Der Senat sehe das Kindeswohl weiterhin als gefährdet an, wenn die Kindesmutter das Aufenthaltsbestimmungsrecht zurückerhalte, da sie dann das Kind aus seinem gewohnten Umfeld nehmen wolle. Dies sei kein ungerechtfertigter Eingriff in das Elternrecht. Das Kindeswohl sei der letztlich entscheidende Maßstab. Die Angst des Kindes, im Rahmen eines Besuchskontaktes abredewidrig mitgenommen zu werden, habe sich verringert. Aber es zähle der Grundsatz der Kontinuität. Die Großmutter sei die Hauptbezugsperson des Kindes. Dies habe besondere Bedeutung, da das Kind bereits im Kleinkindalter mehrere Brüche im Kontakt zu seinen Bezugspersonen habe verkraften müssen. Zur Großmutter sei eine starke emotionale Bindung gegeben. Eine ähnlich tragfähige Beziehung habe sich zur Mutter, die ihren Sohn über Jahre nur gelegentlich und in der letzten Zeit regelmäßig alle zwei Wochen besuche, zwangsläufig nicht entwickeln können. In diesem Zusammenhang sei auch Wunsch des Kindes von erheblicher Bedeutung. Die Klägerin trägt vor, sie habe Anspruch auf die begehrte Akteneinsicht. Die Beklagte    9 habe nach wie vor entgegenstehende Gründe, insbesondere durchgreifende Schutzrechte Dritter, nicht hinreichend dargetan. Soweit die Beklagte auch Aktenteile nicht vorlegen wolle, die dem Jugendamt nicht zur erzieherischen oder persönlichen Hilfe anvertraut worden seien und bezüglich derer keine Schutzrechte der Großmutter und des Kindesvaters gegeben seien, liege der Verdacht nahe, dass das Jugendamt gemachte Fehler nicht preisgeben wolle. Das Handeln des Jugendamtes sei nicht auf das zukünftige Wohl des Kindes ausgerichtet. Die Klägerin beantragt,                                                                  10 die Beklagte unter Aufhebung des Ablehnungsbescheides vom 21. April 2008 zu              11 verurteilen, ihr Zugang zu den vollständigen Jugendamtsakten (Sorge und Umgang etc.) wie sämtlichen Beiakten betreffend das Kind T. H. zu gewähren. Die Beklagte beantragt,                                                                  12 die Klage abzuweisen.                                                                    13 Sie trägt vor, die Klage könne keinen Erfolg haben.                                      14 Die personenbezogenen Jugendamtsakten unterlägen dem besonderen Datenschutz und          15 seien auch nach dem Informationsfreiheitsgesetz besonders geschützt. Das Informationsfreiheitsgesetz für das Land Nordrhein-Westfalen (IFG NRW) könne neben den bundesrechtlichen Vorschriften (§§ 65 ff. Sozialgesetzbuch, 8. Buch - SGB VIII -) nicht einschlägig sein. Die Klägerin könne im Sorgerechtsverfahren beim Amtsgericht Akteneinsicht nehmen. Insofern fehle es für diese Klage auch am Rechtsschutzbedürfnis. Der Antrag auf Einsichtnahme sei nicht hinreichend bestimmt genug. Außerdem gebe es      16 keine Jugendamtsakte "T. N.", sondern es seien nur Vorgänge vorhanden, die sich mit dem Wohl des Kindes beschäftigten. Insbesondere seien Akten aus folgenden Aufgabenbereichen zu nennen: Stellungnahmen zu Sorgerecht, Sicherstellung des Kindeswohls, z. B. bei Anträgen auf Sorgerechtsentzug in Teilbereichen Gesundheitsfürsorge, Aufenthaltsbestimmungsrecht, und solche auf Anordnung des Familiengerichts. Weiter lägen etwa Stellungnahmen gegenüber dem Kinderarzt, dem Schulamt, dem Jugendamt München oder dem Verfahrensbeistand, Arztbriefe, Erziehungsfähigkeitsgutachten, Korrespondenzen mit Schule, Beratungsstellen, dem 3 von 13
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http://www.justiz.nrw.de/nrwe/ovgs/vg_aachen/j2012/8_K_1026_08urteil20120627.html Sozialpädiatrischen Zentrum, Aufenthaltsbestimmungspfleger, Umgangspfleger, Großmutter, der Klägerin selbst, Auszüge aus staatsanwaltlichen Ermittlungsakten, psychologische Gutachten und Stellungnahmen vor sowie gerichtliche Beschlüsse, Bestallungsbescheinigungen, Aufenthaltsermittlungen, ärztliche Bescheinigungen usw. Es könne nicht sein, dass Derartiges offenbart werde. Werde generell bekannt, dass das     17 Jugendamt ihm anvertraute Lebenssachverhalte zum Kind, z. B. ratsuchende Mitteilungen der Pflegepersonen, Schulen, Kindergärten und Unterstützung aus dem Netzwerk, Beratungsstelle, Sozialpädiatrisches Zentrum, nach dem IFG NRW öffentlich mache, würden solche Gesprächspartner zum Jugendamt kein Kontakt mehr aufnehmen. Die Klägerin habe durch ihr Verhalten gezeigt, dass die die grundlegenden Bedürfnisse      18 des Kindes nicht aus ihrem "Kampf" ausklammere. Das Kind sei inzwischen (im März 2009) vier Jahre in der Großelternfamilie. Dieser seien die gesetzlichen Schutzrechte zu gewähren. Der Schutz der ungestörten Entwicklung des Kindes schließe auch das ungestörte Familienleben der Großeltern ein. Auch eine Schwärzung der Personen und Lebenssachverhalte könne nicht sicherstellen, dass der "berechtigte" Insider die Informationen zuordnet und gegen die Familie oder das Hilfenetz richte. Die Klägerin habe wiederholt die Familie mit Strafanzeigen gestört (z. B. wegen Verletzung der Aufsichtspflicht im Hinblick auf Computernutzung). Sie verlange etwa von Psychologen und anderen, ihre Arbeit in Anwesenheit ihrer Beistände und/oder unter Ton/Video- Aufzeichnungen auszuführen. Das Familiengericht habe in seinem Beschluss vom 27. September 2007 erheblich an der       19 Erziehungsfähigkeit der Klägerin gezweifelt. Es lasse sich nur vermuten, dass die Kindesmutter den "Sieg" über die um die Gunst des Kindes konkurrierende Großmutter eine größere Bedeutung zumesse als dem Wohl ihres Kindes. Die Großeltern hätten ausdrücklich einer Einsichtsgewährung widersprochen. Die             20 Einsicht würde die Pflegesituation des Kindes gefährden und damit die Möglichkeit, in einer Familie aufzuwachsen, dies bedeute eine Kindeswohlgefährdung. Eine Offenbarung der aus der gerichtlich angeordneten Pflegschaft bzw. Beistandschaft      21 entstandenen Aktenteile komme insgesamt unter Berufung auf §§ 65, 68 SGB VIII nicht in Betracht, und zwar auch solcher Aktenteile, die nicht i. S. v. § 65 Abs. 1 SGB VIII anvertraut worden seien bzw. bezüglich derer keine Rechte der Großeltern bzw. des früheren Ehemannes der Klägerin berührt seien. Im Übrigen, hinsichtlich der Akten des Sozialdienstes des Jugendamts, verbleibe es ebenfalls insgesamt bei der Ablehnung des Aktenzugangs. Es müsse nämlich im Interesse des möglicherweise von einer seelischen Behinderung bedrohten Kindes unter allen Umständen ein ungestörtes Pflegeverhältnis sichergestellt werden. Hierzu werde auf die Beschlüsse familiengerichtliche Beschlüsse des Amtsgerichts Düren vom 27. September 2007, vom 1. Oktober 2009, 28. Oktober 2009 und die Beschlüsse des OLG Köln vom 26. Mai 2010 verwiesen. Die Beziehungen der Klägerin zur Großmutter hätten sich zwar positiv verändert, aber leider vor dem Hintergrund einer Verschlechterung des gesundheitlichen Zustandes des Kindes, so dass neuerliche Belastungen der Sozialstruktur noch stärkere Beeinträchtigungen des Kindes befürchten ließen. Die Zielsetzung des von der Klägerin angestrengten Verfahrens auf Akteneinsicht stelle eine Rückschau in die Vergangenheit dar, die für das Kind kein positives Ziel haben könne. Auf die ergangenen familiengerichtlichen Beschlüsse werde verwiesen. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der 22 Gerichtsakten und des beigezogenen Verwaltungsvorganges Bezug genommen. Insbesondere wird auf die Niederschrift über die mündliche Verhandlung vom 7. 4 von 13
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http://www.justiz.nrw.de/nrwe/ovgs/vg_aachen/j2012/8_K_1026_08urteil20120627.html September 2012 verwiesen, in der die Beteiligten auf die Durchführung einer weiteren mündlichen Verhandlung verzichtet haben. Mit Aufklärungsbeschluss vom 30. November 2011 hat das Gericht dem Beklagten                 23 aufgegeben, konkret darzulegen, 1. bei welchen der im Schriftsatz der Beklagten vom 31. August 2011 angegebenen Aktenteile bzw. -gegenstände es sich einerseits um solche Unterlagen handelt, die dem Jugendamt in einem Zusammenhang anvertraut worden sind, der zu persönlicher oder erzieherischer Hilfe führen kann, 2. inwieweit es sich um Unterlagen handelt, die nach Ansicht der Beklagten personenbezogene Daten des früheren Ehemannes der Klägerin, Herrn T1. S. , und dessen Mutter, Frau X. S. , enthalten, durch Vorlage einer Liste aller Vorgänge und ggf. Untervorgänge (durchnummeriert), zu denen jeweils notiert ist, ob sie in die Kategorie der Ziffern oben zu 1., zu 2. oder zu keiner dieser Kategorien gehören. Der Beklagte hat darauf mit Schriftsatz vom 27. Februar 2012 die folgende Aufstellung        24 vorgelegt: oder persönlicher Hilfe                                                                      25 Herrn T1 und Frau X. S. enthalten                                                            26 nennen sind.                                                                                 27 Aktenvorgang Pflegschaft betreffend T. B. H., geb. 00.00.0000                                28 Entscheidungsgründe:                                                                         29 Über die Klage konnte ohne weitere mündliche Verhandlung entschieden werden,                 30 nachdem die Beteiligten hierauf in der mündlichen Verhandlung vom 7. September 2011 verzichtet und diesen Verzicht auch nach den weiteren Ermittlungen des Gerichts (Aufklärungsbeschluss vom 30. November 2011) aufrecht erhalten haben. Die Klage ist zulässig. Der Einwand des Beklagten, die Klägerin könne auch in                31 Sorgerechtsverfahren beim Amtsgericht Akteneinsicht nehmen, führt schon deshalb nicht zu einem Fehlen des Rechtsschutzbedürfnisses, weil in einem jeweiligen familienrechtlichen Verfahren nur der dort jeweils streitgegenständliche Teil des Tätigwerdens des Jugendamts in Rede steht und nicht alle Verwaltungsvorgänge beigezogen werden. Hinsichtlich der von ihr begehrten Einsichtnahme in sämtliche ihren Sohn betreffenden Akten, die sie - entgegen der Ansicht der Beklagten - bereits im Verwaltungsverfahren in hinreichend bestimmter Weise verlangt hat, kann die Klägerin daher nicht auf die Einsichtnahme als Verfahrensbeteiligte im Rahmen einzelner amtsgerichtlicher Verfahren verwiesen werden. Die Klage ist in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet. Der angefochtene          32 Ablehnungsbescheid vom 8. April 2009 ist bezüglich der im Tenor genannten Akten bzw. Aktenteile (siehe Spalte 6 der mit Schriftsatz vom 27. Februar 2012 vorgelegten Aufstellung ausschließlich der Akten über die Amtspflegschaft) rechtswidrig und verletzt die Klägerin insoweit in ihren Rechten. Die Klägerin hat in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Anspruch auf Akteneinsicht. Die Begründetheit der auf die Gewährung von Akteneinsicht gerichteten Klage beurteilt        33 sich je nach Art der Akten bzw. Aktenteile unterschiedlich. Es sind folgende Kategorien zu unterscheiden: 1. Aktenteile, die dem Jugendamt in einem Zusammenhang anvertraut worden sind, der           34 5 von 13
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http://www.justiz.nrw.de/nrwe/ovgs/vg_aachen/j2012/8_K_1026_08urteil20120627.html zu persönlicher oder erzieherischer Hilfe führen kann (§ 65 Abs. 1 SGB VIII), 2. Aktenteile aus dem Bereich der Amtspflegschaft (§ 68 Abs. 1, 3 SGB VIII),              35 3. Aktenteile, die personenbezogene Daten des früheren Ehemannes der Klägerin, Herrn      36 T1. S. , und dessen Mutter, Frau X. S. , enthalten, 4. sonstige Aktenteile, die den vorgenannten Einordnungen nicht unterfallen,              37 5. sonstige Aktenteile, zu denen die Klägerin bereits Zugang hatte.                       38 Das Gericht geht im Folgenden von der durch die Beklagte vorgenommenen Einordnung         39 der Akten und Aktenteile in die mit Aufklärungsbeschluss vom 30. November 2011 angeforderte Tabelle aus. Es liegen keine Anhaltspunkte dafür, dass die Beklagte in der o. g. Tabelle zum Schriftsatz vom 27. Februar 2012 unzutreffende Einordnungen vorgenommen hat. (1) Hinsichtlich der Akten und Aktenteile, die die dem Jugendamt in einem                 40 Zusammenhang anvertraut worden sind, der zu persönlicher oder erzieherischer Hilfe führen kann, hat die Klägerin keinen Anspruch auf Aktenzugang. Dies sind die Aktenteile, die in der mit Schriftsatz vom 27. Februar 2012 des Beklagten übersandten Tabelle in Spalte 4 aufgeführt sind. Im Einzelnen gilt Folgendes: Rechtlicher Maßstab für die Gewährung einer Akteneinsicht ist insoweit § 65 Abs. 1 SGB    41 VIII. Nach dieser Vorschrift besteht ein besonderer Vertrauensschutz in der persönlichen und erzieherischen Hilfe. Sozialdaten, die dem Mitarbeiter eines Trägers der öffentlichen Jugendhilfe zum Zweck persönlicher und erzieherischer Hilfe anvertraut worden sind, dürfen nach § 65 Abs. 1 SGB VIII von diesem nur weitergegeben werden mit der Einwilligung dessen, der die Daten anvertraut hat, oder unter bestimmten Voraussetzungen dem Familiengericht oder unter bestimmten Voraussetzungen an einen anderen Mitarbeiter des Jugendamtes oder an hinzugezogene Fachkräfte oder unter den Voraussetzungen, unter denen eine der in § 203 Abs. 1 oder 3 Strafgesetzbuch (StGB) genannten Personen dazu befugt wäre. Aus dem Gesetzeswortlaut und dem Schutzzweck des § 65 SGB VIII folgt, dass es für seine Anwendbarkeit genügt, wenn es um Daten geht, die dem Jugendamt in einem Zusammenhang anvertraut werden, der zu persönlicher oder erzieherischer Hilfe führen kann. Dass eine solche Zweckgeeignetheit reicht, folgt aus dem Wortlaut des § 65 Abs. 1 SGB VIII ("Sozialdaten, die ... zum Zweck persönlicher oder erzieherischer Hilfe anvertraut worden sind, ..."). Der Schutzzweck, im Sinne des Kindeswohls geeignete Hinweise auf etwaige Kindeswohlverletzungen zu erhalten, besteht auch dann, wenn im einzelnen Fall schließlich keine Maßnahmen eingeleitet werden (müssen), Verwaltungsgericht Göttingen, Urteil vom 9. Februar 2006 - 2 A 199/05 -,                  42 Verwaltungsgericht München, Urteil vom 21. Oktober 2009 - M 18 K 08.6355 -. Der Gesetzgeber hat sich mit § 65 Abs. 1 SGB VIII im Spannungsfeld zwischen               43 Datenschutz und Informationsinteresse eindeutig für die Geheimhaltung entschieden. Das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (OVG NRW) hat hierzu in einem ähnlichen Fall in seinem Beschluss vom 26. März 2008 im Verfahren 12 E 115/08, JAmt 2008, 389, ausgeführt: "Tragender Grund für die rigorose Einschränkung der Informationsweitergabe durch das      44 in § 25 Abs. 3 SGB X i. V. m. § 65 SGB VIII - in Abweichung von dem allgemeinen sozialrechtlichen Akteneinsichtsrecht nach § 25 Abs. 1 SGB X - verankerte, besondere Weitergabeverbot von Sozialdaten in der persönlichen und erzieherischen Hilfe ist das 6 von 13
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http://www.justiz.nrw.de/nrwe/ovgs/vg_aachen/j2012/8_K_1026_08urteil20120627.html staatliche Interesse an einer effektiven Hilfeerbringung im Interesse des Hilfebedürftigen, in der Regel also die Gewährleistung des Kindeswohls, das in der Abwägung der widerstreitenden Interessen regelmäßig deutlich höher zu veranschlagen ist, als das über die Ausnahmetatbestände des § 65 Abs. 1 Satz 1 SGB VIII hinausgehende Informationsbedürfnis eines leiblichen und - wie hier - nicht sorgeberechtigten Vaters, dem ohnehin durch die Beteiligung im jugendhilferechtlichen Verfahren und seine Rechtsstellung in den häufig parallel laufenden familien- und vormundschaftsgerichtlichen Verfahren, in denen die Jugendämter nach § 50 SGB VIII mitwirken und unterrichten, Rechnung getragen ist. Grundlage der staatlich intendierten effektiven Hilfeerbringung im Interesse des Hilfebedürftigen ist die besondere vertrauensvolle Personalbeziehung zwischen den Fachkräften des Jugendamtes einerseits sowie Leistungsberechtigten und sonstigen Dritten andererseits, die den Fachkräften Sozialdaten anvertraut haben. Mit dem besonderen Weitergabeverbot des § 65 SGB VIII erkennt der Gesetzgeber aus fachlich- methodischen Gründen an, dass nur dann, wenn in dem hochsensiblen und konfliktträchtigen Bereich der persönlichen und erzieherischen Hilfe gewährleistet ist, dass dem einzelnen Jugendamtsmitarbeiter anvertraute Sozialdaten - bis auf klar definierte Ausnahmetatbestände - von diesem Jugendamtsmitarbeiter nicht weitergegeben werden (dürfen), sich in dem jeweiligen vielschichtigen Hilfeleistungsverhältnis das notwendige persönliche Vertrauensverhältnis zu einem Jugendamtsmitarbeiter entwickeln kann, das die erforderliche Offenheit und Mitwirkungsbereitschaft erzeugt, die für einen Erfolg der Hilfeleistung im Interesse des Hilfebedürftigen (und nicht zuletzt auch der staatlichen Gemeinschaft) letztlich unverzichtbar sind. § 65 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VIII knüpft die Beseitigung des besonderen Weitergabeverbots an die Einwilligung desjenigen, der die Sozialdaten dem Mitarbeiter des Jugendamtes anvertraut hat. Dies kann, muss aber nicht immer zugleich auch der Betroffene sein. § 65 SGB VIII regelt insoweit den Konflikt, der sowohl in § 203 StGB als auch in den §§ 67 ff. SGB X angelegt ist, wenn Betroffene und anvertrauende Personen nicht identisch sind, konsequent zugunsten des Anvertrauenden. Vgl. Münder u.a., a.a.O., § 65 Rn. 11.                                                      45 Damit stellt die genannte Regelung (sofern nicht die weiteren Ausnahmevorschriften der      46 Nummern 2 bis 5 des Absatzes 1 eingreifen, wovon im vorliegenden Fall nicht ausgegangen werden kann) im Interesse der Aufrechterhaltung des Vertrauens sicher, dass ausschließlich derjenige, der dem Mitarbeiter des Jugendamtes Sozialdaten anvertraut hat, auch weiterhin darüber entscheidet, ob und ggf. an wen diese Informationen weitergegeben werden dürfen. Auf diese Weise vermeidet sie zudem - auf der Ebene des Weitergabeverbots - in verwaltungspraktikabler Weise und im Interesse der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit die im Falle der Maßgeblichkeit der Einwilligung von "Betroffenen" vielfach unklaren Grenzziehungen und Erschwerungen infolge gegenläufiger Interessen unterschiedlicher "Betroffener", wie etwa bei der Einwilligung zur Weitergabe von Sozialdaten im Fall einer der Hilfeleistung vorangegangenen Kindesmisshandlung. Vgl. Münder, SGB VIII, 5. Aufl. 2006, a.a.O.                                                47 Eine gleichermaßen zur effektiven Hilfeleistung geeignete, verwaltungspraktische            48 Gewährleistung der erforderlichen Vertrauensbasis, die in Abwägung der gegenläufigen Interessen in dem hier in Rede stehenden sensiblen Bereich der persönlichen und erzieherischen Jugendhilfe die Rechtsposition eines leiblichen, nicht sorgeberechtigten Vaters aus Art. 6 Abs. 1 GG und Art. 8 Abs. 1 EMRK weniger einschränkt, wird in der Beschwerdebegründung schon nicht dargelegt und ist auch sonst nicht ersichtlich. Das Weitergabeverbot des § 65 Abs. 1 Satz 1 SGB VIII steht im vorliegenden Fall dem         49 7 von 13
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http://www.justiz.nrw.de/nrwe/ovgs/vg_aachen/j2012/8_K_1026_08urteil20120627.html geltend gemachten Akteneinsichtsanspruch entgegen. Dass durch die begehrte Akteneinsicht - die nach ihrem verlautbarten Zweck in der Sache auf die Einsichtnahme in sämtliche Aktenbestandteile gerichtet ist, die mittelbar oder unmittelbar Erkenntnisse über die Gründe vermitteln, die zur Übergabe des Kindes an eine Pflegefamilie geführt haben und damit gerade auf die Einsichtnahme in Aktenbestandteile abzielt, die aufgrund fehlender Einwilligung gesperrte anvertraute Sozialdaten beinhalten - i. S. d. § 65 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VIII anvertraute Sozialdaten zur Kenntnis des Klägers gelangen werden, wird in der Beschwerdebegründung nicht in Abrede gestellt. Auch ist nichts dafür ersichtlich, dass entgegen der Behauptung des Beklagten die für eine Weitergabe der in den Akten vorhandenen anvertrauten Sozialdaten an den Kläger nach § 65 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VIII erforderlichen Einwilligungen vorliegen, was eine erfolgreiche klageweise Geltendmachung des Akteneinsichtsbegehrens jedoch angesichts des Verbotscharakters des § 65 Abs. 1 Satz 1 SGB VIII voraussetzt." Das Gericht schließt sich dieser Rechtsauffassung an,                                         50 vgl. ebenso VG Aachen, Urteil vom 9. September 2008 - 2 K 213/06 -, Schleswig-                51 Holsteinisches Verwaltungsgericht, Urteil vom 11. Mai 2009 - 15 A 160/08 -, VG Oldenburg, Urteil vom 14. Dezember 2009 - 13. A 1158/08 -, JAmt 2010, 152, NVwZ-RR 2010, 439, VG Göttingen, Urteil vom 9. Februar 2006 - 2 A 199/05 -. Die Ausnahmen, unter denen nach § 65 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VIII eine Offenlegung            52 von Daten erlaubt ist, bestehen hier nicht. Weder liegen Einwilligungen derer, die die Daten anvertraut haben, noch die in der Vorschrift genannten Fälle der Weitergabe von Daten an das Familiengericht, Mitarbeiter des Jugendamts oder zugezogene Fachkräfte vor. Auch sind die Voraussetzungen des § 203 Abs. 1 oder StGB (Offenbarung von zum persönlichen Lebensbereich gehörenden Geheimnissen durch Ärzte, Rechtsanwälte usw.) nicht gegeben. Neben § 65 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VIII besteht kein Raum für eine Anwendbarkeit des §        53 4 Abs. 1 Informationsfreiheitsgesetz Nordrhein-Westfalen (IFG NRW), wonach jede natürliche Person nach Maßgabe des IFG NRW Anspruch auf Zugang zu den bei den in § 2 IFG NRW genannten öffentlichen Stellen hat. Denn hier greift die Subsidiaritätsklausel des § 4 Abs. 2 IFG NRW, wonach besondere Rechtsvorschriften über den Zugang zu amtlichen Informationen, die Auskunftserteilung oder die Gewährung von Akteneinsicht den Vorschriften des IFG NRW vorgehen. Um eine solche - hier bundesrechtliche - besondere Vorschrift handelt es sich bei § 65 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VIII, da sie den Zugang zu besonders schützenswerten, anvertrauten Sozialdaten zum Gegenstand hat. Die Subsidiaritätsklausel des § 4 Abs. 2 IFG NRW greift, wenn eine restriktive spezialgesetzliche Regelung für einen besonderen Sachbereich oder bestimmte Personengruppen besteht, bezüglich derer ein umfassender Informationsanspruch wie in § 4 Abs. 1 IFG NRW dem Schutzzweck des Spezialgesetzes zuwider laufen würde, vgl. zum Ausschluss des § 4 Abs. 1 IFG NRW durch § 65 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VIII            54 auch OVG NRW, Beschluss vom 26. März 2008 - 2 E 115/08 -, a. a. O. Dies ist hier der Fall. Der Gesetzgeber statuiert - wie oben ausgeführt - bezüglich der i. S. 55 v. § 65 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VIII anvertrauten Daten eine besondere Geheimhaltungsbedürftigkeit. (2) Hinsichtlich der Akten aus dem Bereich der Amtspflegschaft gilt die besondere             56 Regelung des § 68 Abs. 1, 3 SGB VIII. Sie behandelt abschließend die während und nach einer Pflegschaft bestehenden Akteneinsichtsrechte. Nach dieser Vorschrift (Abs. 1) dürfen die im Rahmen der Pflegschaft anfallenden              57 8 von 13
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http://www.justiz.nrw.de/nrwe/ovgs/vg_aachen/j2012/8_K_1026_08urteil20120627.html Sozialdaten zum Zweck der Aufsicht, Kontrolle oder Rechnungsprüfung durch die dafür zuständige Stelle an diese im Einzelfall übermittelt werden. Darum geht es hier ersichtlich nicht. Nach § 68 Abs. 3 Satz 1 SGB VIII kann, wer unter Pflegschaft gestanden hat, nach              58 Vollendung des 18. Lebensjahres die zu seiner Person gespeicherten Informationen einsehen, soweit nicht berechtigte Interessen Dritter entgegenstehen. Vor Vollendung des 18. Lebensjahres können ihm nach Satz 2 der Vorschrift die gespeicherten Informationen bekannt gegeben werden, soweit er die erforderliche Einsichts- und Urteilsfähigkeit besitzt und keine berechtigten Interessen Dritter entgegenstehen. Auch diese Sachverhalte sind hier bei dem von der Mutter des minderjährigen Pfleglings geltend gemachten Anspruch nicht gegeben. Gemäß § 68 Abs. 3 Satz 3 SGB VIII hat darüber hinaus der Elternteil, der die                  59 Beistandschaft beantragt hat, nach Beendigung einer Beistandschaft einen Anspruch auf Kenntnis der gespeicherten Daten, solange der junge Mensch minderjährig ist und der Elternteil antragsberechtigt ist. Diese Vorschrift kann ersichtlich der Klage ebenfalls nicht zum Erfolg verhelfen. Das Gericht sieht die genannten Regelungen des § 68 SGB VIII ebenfalls als besondere          60 Rechtsvorschriften i. S. d. § 4 Abs. 2 IFG NRW an, die die Anwendbarkeit des IFG NRW ausschließen. Zur Begründung wird auf die auch insoweit geltenden Ausführungen zu § 65 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VIII verwiesen. (3) Hinsichtlich der Akten oder Aktenteile, die personenbezogene Daten des früheren           61 Ehemannes der Klägerin, Herrn T1. S. , und dessen Mutter, Frau X. S. , enthalten und nicht zugleich bereits den oben behandelten Punkten Kategorien unterfallen, gilt Folgendes: Ein diesbezüglicher Akteneinsichtsanspruch besteht ebenfalls nicht, weil die                  62 Voraussetzungen des insoweit einschlägigen § 25 SGB X nicht erfüllt sind. Nach § 25 Abs. 1 SGB X hat die Behörde den Beteiligten Einsicht in die das Verfahren betreffenden Akten zu gestatten, soweit deren Kenntnis zur Geltendmachung oder Verteidigung ihrer rechtlichen Interessen erforderlich ist. Das Akteneinsichtsrecht setzt damit das Vorhandensein eines rechtlichen Interesses voraus; ein nur berechtigtes Interesse, sei es wirtschaftlicher oder ideeller Natur, reicht nicht aus, Rombach in: Hauck/Noftz, SGB, Stand: April 2012, § 25 SGB X, Rdnr. 7, 8; Thieme in:           63 Wannagat, SGB X, Rdnr. 4, 5. Dass die begehrte Akteneinsicht zur Geltendmachung oder Verteidigung rechtlicher              64 Interessen der Klägerin erforderlich ist, ist nicht feststellbar. Die Klägerin hat solche rechtlichen Interessen nicht dargetan. Sie hat vielmehr in der mündlichen Verhandlung vom 7. September 2011 mitgeteilt, auch wenn sie zurzeit mit der Großmutter ihres Sohnes wieder eine relativ gute Gesprächsbasis gefunden habe und mit ihr bezüglich des Kindes in Zukunft einen gemeinsamen Weg gehen wolle, sei ihr doch daran gelegen, zu erfahren, was genau in der Vergangenheit passiert sei. Damit hat sich die noch mit Akteneinsichtsantrag vom 7. April 2008 angesprochene Wahrung ihrer Rechte und der des Kindes zur Gewährleistung eines fairen Verfahrens offenbar durch die weitere Entwicklung des Verhältnisses der Klägerin zu Frau S. überholt. Die betreffenden, von der Klägerin wohl gemeinten familiengerichtlichen Verfahren sind seit langem beendet, so dass sie im Rahmen eines Leistungsanspruchs, für den es auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung ankommt, nicht mehr von Bedeutung sind. Mit ihrem erwähnten Vorbringen in der mündlichen Verhandlung vom 7. September 2011 hat die Klägerin das Vorhandensein eines ideellen, aber nicht eines rechtlichen Interesses 9 von 13
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http://www.justiz.nrw.de/nrwe/ovgs/vg_aachen/j2012/8_K_1026_08urteil20120627.html belegt. Es ist weder dargelegt noch ersichtlich, in welche Art rechtlicher Auseinandersetzungen jetzt die Kenntnis der Akten des Jugendamts aus der Vergangenheit einmünden könnte. Dies gilt zumal angesichts der erklärten Absicht der Klägerin, eine einvernehmliche Handhabung der zukünftigen Fragestellungen bezüglich ihres Sohnes mit der Großmutter anzustreben. Auch scheitert ein Akteneinsichtsanspruch an § 25 Abs. 3 SGB X. Der in § 25 SGB X         65 geregelte allgemeine sozialverfahrensrechtliche Akteneinsichtsanspruch findet seine Grenze in den berechtigten Interessen Dritter oder sonst Geheimhaltungsinteressen Beteiligter. Nach § 25 Abs. 3 SGB X ist die Behörde zur Gestattung der Akteneinsicht nicht verpflichtet, soweit die Vorgänge wegen der berechtigten Interessen der Beteiligten oder dritter Personen geheim gehalten werden müssen. Dies ist hier der Fall. Die beiden Personen, um deren personenbezogene Daten und damit rechtliche                 66 Interessen es hier geht, der frühere Ehemann der Klägerin, T1. S. , und dessen Mutter, X. S. , haben der Offenlegung der sie betreffenden Aktenteile nicht zugestimmt. Es ist auch nicht ersichtlich, dass objektive Gründe im Rahmen einer Güterabwägung dazu führen, dass hier von einem überwiegenden schutzwürdigen rechtlichen Interesse der Klägerin an der Akteneinsicht ausgegangen werden muss. Schon allein deshalb ist ein Akteneinsichtsanspruch aus § 25 SGB X insoweit nicht gegeben. Auf die weiteren sich aus § 25 SGB X stellenden Fragen, ob die Klägerin als               67 sorgeberechtigte Kindesmutter in den ihren Sohn betreffenden Verfahren als Verfahrensbeteiligte i. S. d. § 12 Abs. 2 SGB X anzusehen ist, soweit es sich um auf den Erlass eines Verwaltungsaktes gerichtete Verfahren handelt, und inwieweit dies etwa bei einem Tätigwerden des Jugendamts nach § 50 SGB VIII nicht der Fall ist und auf die Frage des Andauerns eines Verwaltungsverfahrens, kommt es somit nicht an. Ein entsprechender Anspruch folgt auch nicht aus § 4 Abs. 1 IFG NRW. Diese Vorschrift     68 ist allerdings neben § 25 SGB X anwendbar. Letztgenannte Vorschrift ist keine besondere Rechtsvorschrift i. S. d. § 4 Abs. 2 IFG NRW, die den Anspruch aus § 4 Abs. 1 IFG NRW verdrängt. Das Eingreifen der Subsidiaritätsklausel des § 4 Abs. 2 IFG NRW setzt voraus, dass die    69 beiden zueinander in Beziehung zu setzenden Vorschriften denselben Sachverhalt abschließend regeln. Ist eine spezialgesetzliche Regelung für einen besonderen Sachbereich oder bestimmte Personengruppen restriktiver, so ist zu prüfen, ob diese Grenzen auch für den Anspruch aus § 4 Abs. 1 IFG NRW bindend sind. Dies wird zu bejahen sein, wenn ein umfassender Informationsanspruch, wie ihn § 4 Abs. 1 IFG NRW zum Gegenstand hat, dem Schutzzweck des Spezialgesetzes zuwider laufen würde. Dies ist hier nicht der Fall. Der Regelungsbereich des § 25 SGB X ist enger als der des § 70 4 Abs. 1 IFG NRW. Während § 4 Abs. 1 IFG NRW im Grundsatz einen Informationszugangsanspruch für "jedermann" einräumt, ohne dass hieran bedingte Bedingungen geknüpft sind, regelt § 25 SGB X für das Sozialverwaltungsverfahren - ebenso wie die jeweiligen §§ 29 der Verwaltungsverfahrensgesetze des Bundes und des Landes Nordrhein-Westfalen - ein Akteneinsichtsrecht Verfahrensbeteiligter bei Vorhandensein eines besonderen Interesses für die Dauer des Verwaltungsverfahrens, also für einen beschränkten Anwendungsbereich. Nur für diesen Anwendungsbereich schließt § 25 SGB X als speziellere Regelung die Anwendbarkeit des § 4 Abs. 1 IFG NRW aus. Darüber hinaus greift § 4 Abs. 1 IFG NRW ein, was dem Schutzzweck des § 25 SGB X nicht zuwider läuft, weil auch der Informationszugangsanspruch nach dem IFG bestimmten Beschränkungen unterliegt (§§ 6 ff. IFG NRW). Daraus folgt, dass jemand, der nicht verfahrensbeteiligt ist, dem es für einen Anspruch nach § 25 SGB X an einem 10 von 13
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