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Aktives Presserecht – Argumente für Auskünfte


Oft verweigern Behörden Auskünfte auf Anfragen von Journalist*innen. Sie berufen sich dabei in der Regel auf angebliche Ausnahmen nach den jeweils gültigen Landespressegesetzen. Häufig ist Unwissen der Grund für die Auskunftsverweigerung und nicht böser Wille. Als Teil des Projektes „Fragen und Antworten - Auskunftsrechte kennen und nutzen“, einer Kooperation mit Netzwerk Recherche, stärkt die Entscheidungsdatenbank das Wissen rundum Auskunftsrechte und hilft besser argumentieren zu können. Journalist*innen können für ihre Recherchen wichtige Urteile, Bescheide und Beschlüsse kostenlos im Volltext eingesehen und durchsuchen.

Information

Aktenzeichen
8 A 207/11
Datum
27. Februar 2012
Gericht
Schleswig-Holsteinisches Verwaltungsgericht
Gesetz
Informationszugangsgesetz Schleswig-Holstein (IZG-SH)
Informationszugangsgesetz Schleswig-Holstein (IZG-SH)

Urteil: Schleswig-Holsteinisches Verwaltungsgericht am 27. Februar 2012

8 A 207/11

Das Verwaltungsgericht verpflichtet ein Finanzamt zur Gewährung der Akteneinsicht in Unterlagen zur eigenen steuerlichen Veranlagung eines Steuerpflichtigen. Das Informationsfreiheitsgesetz Schleswig-Holstein gilt auch gegenüber dem Finanzamt. Seine Geltung ist nicht ausgeschlossen, weil es sich um der Abgabenordnung unterliegende Steuervorgänge handelt. Gründe für die Verweigerung des Informationszugangs sind in den Ablehnungstatbeständen des Informationsfreiheitsgesetzes hinreichend geregelt, liegen hier aber nicht vor. Zudem haben Betroffene einen grundsätzlichen Anspruch auf die zu ihrer Person im Besteuerungsverfahren gespeicherten Daten. Das Motiv eines Antragstellers, Material für einen Amtshaftungsprozess zu sammeln, ist kein erheblicher fiskalischer Nachteil, der im Rahmen einer Ermessensausübung der Akteneinsicht entgegenstehen könnte. Ein Bürger, der einen berechtigten Anspruch gegenüber dem Staat geltend macht, fügt diesem keinen Nachteil zu. (Quelle: LDA Brandenburg)

Interessenabwägung Konkurrierende Rechtsvorschriften Fiskalische Interessen

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Anonymisierung aktualisiert am: 18. Januar 2013 Anonymisierung aktualisiert am: 17. Januar 2013 SCHLESWIG-HOLSTEINISCHES VERWALTUNGSGERICHT Az.: 8 A 207/11 IM NAMEN DES VOLKES URTEIL In der Verwaltungsrechtssache des Herrn A., A-Straße, A-Stadt Kläger, Proz.-Bev.: Rechtsanwälte B., B-Straße, B-Stadt, - - gegen das Finanzamt Kiel-Süd, Hopfenstraße 2 a, 24114 Kiel, - - Beklagter, Streitgegenstand:       Informationsfreiheits-/Datenschutzrecht hat das Schleswig-Holsteinische Verwaltungsgericht - 8. Kammer - auf die mündliche Verhandlung vom 27. Februar 2012 durch den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsge- richt xxx als Einzelrichter für Recht erkannt: -2-
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-2- Das beklagte Finanzamt wird unter Aufhebung der Bescheide vom 22.09.2010 und 28.04.2011 verpflichtet, dem Kläger Ein- sicht in die Verwaltungsakten zu gewähren, die im Zusammen- hang mit der Veranlagung für die Jahre 1995 bis 1997 bei dem Finanzamt Kiel-Süd entstanden sind. Das beklagte Finanzamt trägt die Kosten des Verfahrens ein- schließlich der durch die Verweisung evtl. entstandenen Mehr- kosten. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Dem beklagten Finanzamt wird nachgelassen, die Vollstre- ckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des Vollstreckungsbe- trages abzuwenden, wenn nicht der Kläger vorher in gleicher Höhe Sicherheit leistet. Tatbestand Der Kläger begehrt Akteneinsicht beim Finanzamt in die Verwaltungsakten, die die Fest- setzung der Einkommenssteuer für die Jahre 1995 bis 1997 betreffen. Mit Schreiben vom 17.06.2010 beantragte der Kläger bei dem Beklagten die Einsicht in die dort über ihn geführten Akten. In späteren Schreiben reichte der Kläger die Einwilli- gungserklärung seiner Ehefrau nach, konkretisierte den Antrag dahingehend, dass er Ak- teneinsicht in die Einkommenssteuerakten beginnend mit dem Veranlagungsjahr 1995 beantrage und wies daraufhin, dass er eine Schadensersatzklage gegen das Land führen wolle. Dabei gehe es um die verdeckte Gewinnausschüttung 1996 und die deswegen vom Beklagten festgesetzten Steuern sowie das beim Amtsgericht              beantragte Insol- venzverfahren. Mit Bescheid vom 22.09.2010 lehnte das beklagte Finanzamt den Antrag ab. Den hierge- gen eingelegten Einspruch wies es mit Bescheid vom 28.04.2011 als unbegründet zurück. Nach dem Schreiben des Bundesfinanzministeriums vom 17.12.2008 sei Beteiligten auf Antrag Auskunft über die zu ihrer Person gespeicherten Daten zu erteilen, wenn sie ein berechtigtes Interesse darlegten und keine Gründe für eine Auskunftsverweigerung vorlä- gen. Ein berechtigtes Interesse liege nicht vor, soweit der Beteiligte bereits in anderer Weise über zu seiner Person gespeicherte Daten informiert sei, der Finanzbehörde nur -3-
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-3- Daten vorlägen, die ihr vom Beteiligten übermittelt seien oder die spätere Information des Beteiligten in rechtlich gesicherter Weise vorgesehen sei. Ein berechtigtes Interesse sei namentlich nicht gegeben, wenn die Auskunft dazu dienen könne, zivilrechtliche Ansprü- che gegen den Bund oder ein Land durchzusetzen und der Bund oder das Land zivilrecht- lich nicht verpflichtet seien, Auskunft zu erteilen (z. B. Amtshaftungssachen, Insolvenzan- fechtung). Dem Inhalt von § 27 des Schleswig-Holsteinischen Landesdatenschutzgeset- zes werde damit Rechnung getragen. Danach unterbleibe die Erteilung einer Auskunft, wenn die Erfüllung der Aufgaben der übermittelnden Stelle gefährdet werde. Eine Gefähr- dung liege vor, wenn die Auskunft dazu dienen könne, zivilrechtliche Ansprüche gegen das Land durchzusetzen und das Land zivilrechtlich nicht verpflichtet sei, Auskunft zu erteilen. Etwas anderes ergebe sich auch nicht aus dem Gesetz über die Freiheit des Zu- gangs zu Informationen für das Land Schleswig-Holstein. Das Gesetz sei hier nicht ein- schlägig, da durch dieses Gesetz nicht der Auskunftsanspruch für eigene Daten, sondern der Anspruch auf Bekanntgabe von Daten Dritter geregelt sei. Aus dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 10.03.2008 - 1 BvR 2388/03 - ergebe sich nichts ande- res. Diese Entscheidung betreffe kein Akteneinsichtsbegehren in Akten, die im Rahmen eines Besteuerungsverfahrens geführt wurden, sondern Auslandsdaten in einer Daten- sammlung beim Bundeszentralamt für Steuern. Für Akten, die im Rahmen eines Besteue- rungsverfahrens geführt werden, gelte im Übrigen die Abgabenordnung mit ihrer ab- schließenden Negativregelung. Hiergegen richtet sich die gemäß der Rechtsbehelfsbelehrung zunächst beim Finanzge- richt erhobene Klage. Das Finanzgericht hat das Verfahren mit Beschluss vom 08.11.2011 an das Verwaltungsgericht Schleswig verwiesen. Zur Begründung seiner Klage macht der Kläger geltend: Streitentscheidend könne nur die Beantwortung der Frage sein, ob die Abgabenordnung, die ein Recht auf Akteneinsicht nicht enthalte, als Sonderregelung zu dem Informa- tionsfreiheitsgesetz des Landes Schleswig-Holstein anzusehen sei. Diese Frage sei zu verneinen. Vielmehr sei von einem umgekehrten Verhältnis der Rechtsmaterien zueinan- der auszugehen, d. h. das Informationsfreiheitsgesetz des Landes Schleswig-Holstein (IFG-SH) stelle eine Spezialregelung gegenüber der Abgabenordnung dar. In dem Infor- mationsfreiheitsgesetz habe der Landesgesetzgeber geregelt, dass alle Behörden des Landes, mit Ausnahme des Landesrechnungshofs, der Gerichte und der Strafverfolgungs -4-
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-4- -und Strafvollstreckungsbehörden, soweit sie als Organe der Rechtspflege tätig werden, und des Landtags, zur Auskunft verpflichtet seien. Die Finanzverwaltung könne sich auch nicht auf eine Subsidiarität des IFG-SH zu sonstigen Akteneinsichtsrechten berufen. Eine dem § 1 Abs. 3 IFG des Bundes vergleichbarer Regelung gebe es in Schleswig-Holstein nicht. Auch Art. 31 GG stehe nicht entgegen. Danach handele es sich um eine völlig an- ders geartete Regelung als diejenige der Abgabenordnung. Im Übrigen verbiete die Ab- gabenordnung keine Akteneinsicht, sondern enthalte insofern lediglich keine Regelung. Es sei nicht zu erkennen, wie die Erfüllung der Aufgaben eines Finanzamtes dadurch ge- fährdet werde, dass Einsicht in Unterlagen gewährt werde. Dies gälte auch, wenn zu der Veranlagung, die in den Akten dokumentiert sei, ein zivilrechtlicher Prozess geführt wer- de. Das Finanzamt sei in einem Zivilprozess ohnehin zum wahrheitsgemäßen und voll- ständigen Vortrag verpflichtet (§ 138 Abs. 1 ZPO). Gemäß § 3 IFG-SH seien alle Behör- den verpflichtet, Auskünfte zu erteilen und anspruchsberechtigt sei jede natürliche und juristische Person des Privatrechts. Die vom beklagten Finanzamt gewünschten Be- schränkungen seien in diesen Regelungen nicht enthalten und könnten in diese auch nicht hineingelesen werden. Der Kläger beantragt, ihm Einsicht in die im Zusammenhang mit seiner Veranlagung für die Jahre 1995 bis 1997 bei dem beklagten Finanzamt geführten Verwaltungsakten zu gewähren. Das beklagte Finanzamt beantragt, die Klage abzuweisen. Es wiederholt sein Vorbringen aus den angefochtenen Bescheiden und macht weiterhin geltend, dem Kläger fehle bereits das erforderliche allgemeine Rechtsschutzbedürfnis. Er habe in dem Verfahren bei dem Finanzgericht (3 K 209/02) Akteneinsicht gehabt, so dass sich seine rechtliche Position mit der Gewährung der beantragten Akteneinsicht jetzt nicht verbessern würde. Außerdem sei das IFG-SH hier nicht anwendbar. Die AO gehe diesem Gesetz insoweit vor. Das habe der Bundesfinanzhof schon vor Jahren entschieden (z. B. Urteil vom -5-
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-5- 04.06.2003 - VII B 138/01 - ). Aus dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 10.03.2008 (1 BvR 2388/03) ergebe sich nichts anderes. Der dort entschiedene Fall sei mit dem hiesigen nicht vergleichbar. Dort habe der Bürger nicht erkennen können, welche Informationen über ihn vorhanden waren. Die betreffenden Daten seien ohne Kenntnis des jeweiligen Bürgers gewonnen, gesammelt und systematisch gespeichert worden. Für diesen sei nicht absehbar gewesen, in welchem Umfang und zu welchem späteren Zweck sie gespeichert wurden. Vorliegend wisse der Kläger genau, welche ihn betreffenden Da- ten sich in den begehrten Akten befänden. Diese seien schließlich seiner Besteuerung zugrundegelegt worden und seien Gegenstand eines Rechtsstreits vor dem Finanzgericht gewesen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des gegenseitigen Vorbringens wird auf den Akteninhalt und den Verwaltungsvorgang des beklagten Finanzamts Bezug genommen. Die Kammer hat den Rechtsstreit dem Berichterstatter als Einzelrichter zur Entscheidung übertragen. Entscheidungsgründe Die zulässige Klage ist begründet. Die Verweigerung der Akteneinsicht ist rechtmäßig. Das beklagte Finanzamt ist daher antragsgemäß zu verpflichten. Bei der Entscheidung des beklagten Finanzamts über die vom Kläger beantragte Akten- einsicht handelt es sich nach den vorangegangenen ablehnenden Bescheiden und der vom beklagten Finanzamt getroffenen Ermessensentscheidung um einen Verwaltungsakt, so dass die Verpflichtungsklage die richtige Klageart ist (vgl. VG Frankfurt, Urteil vom 10.05.2006 - 7 E 2109/05 - juris - zu Umweltinformationen). Der Klage fehlt nicht das Rechtsschutzbedürfnis. Insoweit hat der Vertreter des Klägers in der mündlichen Verhandlung geltend gemacht, zwar sei zu der Veranlagung für das Jahr 1996 ein Verfahren vor dem Finanzgericht Kiel anhängig gewesen, im Rahmen dessen der Kläger Akteneinsicht genommen habe. Eine erneute Einsicht sei jedoch erforderlich, weil die seinerzeit durch die Bevollmächtigten des Klägers vorgenommene Akteneinsicht -6-
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-6- unter anderen Gesichtspunkten, nämlich der Besteuerung nach einer Betriebsprüfung unter Berücksichtigung einer verdeckten Gewinnausschüttung erfolgt sei. Jetzt gehe es jedoch um einen anderen rechtlichen Zusammenhang. Damit lässt sich nicht ausschlie- ßen, dass dem Kläger die Informationen, die er durch eine Einsicht gewinnen kann, noch nicht vorliegen und für die Durchsetzung eines möglicherweise gegebenen Anspruchs nützlich sind. Das reicht für die Annahme eines im Interesse der Gewährung effektiven Rechtsschutzes großzügig auszulegenden Rechtsschutzbedürfnisses. Im Übrigen waren die Steuerjahre 1995 und 1998, die ebenfalls von dem jetzt geltend gemachten Einsichts- gesuch betroffen sind, nicht Gegenstand der seinerzeitigen Akteneinsicht. Als Anspruchsgrundlage für den geltend gemachten Auskunftsanspruch kommen die Ab- gabenordnung und das IFG-SH in Betracht. Die Abgabenordnung enthält anders als das Verwaltungsverfahrensgesetz des Bundes und die entsprechenden Gesetze der Länder sowie verschiedene Spezialvorschriften kein Recht auf Akteneinsicht. Seit dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 10.03.2008 - 1 BvR 2388/03 - geht die Finanzverwaltung jedoch davon aus, dass Betrof- fene Anspruch auf Informationen über die bei einer öffentlichen Stelle zu ihrer Person gespeicherten personenbezogenen Daten haben. Nach dem Schreiben des Bundesminis- teriums der Finanzen (BMF) vom 17.12.2008 (GZ IV A 3 - S 0030/08/10001) haben Betei- ligte (§§ 78, 359 AO) auf Antrag einen Anspruch auf Auskunft über die zu ihrer Person im Besteuerungsverfahren gespeicherten Daten, wenn sie ein berechtigtes Interesse darle- gen und keine Gründe für eine Auskunftsverweigerung vorliegen. Gemäß Nr. 3 dieses Schreibens liegt ein berechtigtes Interesse nicht vor, „soweit der Beteiligte bereits in ande- rer Weise über zu seiner Person gespeicherte Daten informiert wurde, der Finanzbehörde nur Daten vorliegen, die ihr vom Beteiligten übermittelt wurden oder die spätere Informati- on des Beteiligten in rechtlich gesicherter Weise vorgesehen ist. Ein berechtigtes Interes- se ist namentlich nicht gegeben, wenn die Auskunft dazu dienen kann, zivilrechtliche An- sprüche gegen den Bund oder ein Land durchzusetzen und Bund oder Land zivilrechtlich nicht verpflichtet sind, Auskunft zu erteilen (z.B. Amtshaftungssachen, Insolvenzanfech- tung)“. Gemäß Nr. 7 b unterbleibt die Auskunftserteilung, wenn die Auskunft dem Wohle eines Landes Nachteile bereiten würde. Dieses Schreiben des BMF ist zwar als eine die Ausübung des Ermessens steuernde Richtlinie (nur) für die Finanzverwaltung - nicht je- doch für die gerichtliche Überprüfung - bindend. Sie hat jedoch über den Gleichheits- grundsatz mittelbare Außenwirkung mit der Folge, dass die Finanzverwaltung ihr eigenes Verhalten danach ausrichten muss und ein Verstoß einen Ermessensfehler darstellt. -7-
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-7- Zwar ist zweifelhaft, ob die AO hier anwendbar ist, weil der Kläger nicht Beteiligter eines Besteuerungsverfahrens ist. Das Finanzgericht hat die Verweisung damit begründet, dass die AO nach Abschluss des Besteuerungsverfahrens nicht mehr anwendbar sei. Das be- klagte Finanzamt vertritt die Auffassung, das nach dem zitierten Schreiben des BMF er- forderliche berechtigte Interesse liege nicht vor. Es wendet also die in diesem Schreiben dargelegten Grundsätze zwar an, kommt allerdings zu dem Ergebnis, dass die Voraus- setzungen für einen Anspruch nicht vorlägen. Dieser Rechtssauffassung, dass das ge- nannte Schreiben auf Auskunftsansprüche hinsichtlich abgeschlossener Besteuerungs- vorgänge anwendbar sei, ist zu folgen. Aus dem nach Maßgabe der AO durchgeführten Verwaltungsverfahren ergeben sich nämlich aufgrund des Sachzusammenhangs „nach- wirkende“ Pflichten hinsichtlich der Unterlagen auch dann, wenn das Verfahren hinsicht- lich des „eigentlichen“ Gegenstands abgeschlossen ist. Die Voraussetzungen für die Verweigerung einer Auskunft liegen allerdings nicht vor. Die Entscheidung liegt nicht mehr innerhalb der Grenzen des dem Finanzamt eingeräumten Ermessens. Es ist nämlich nicht erkennbar, dass die Auskunft dem Wohle des Landes Nachteile bereiten würde. Das beklagte Finanzamt ist als Landesbehörde an Recht und Gesetz gebunden und ist, wenn keine anderen berechtigten Gründe zur Verweigerung der Auskunft vorliegen, verpflichtet, diese zu erteilen. Entgegen Ziffer 3 des Schreibens des Bundesministeriums der Finanzen vom 17.12.2008 ist das Land auch dann verpflichtet, eine Auskunft zu erteilen, wenn die Auskunft dazu dienen kann, zivilrechtliche Ansprüche gegen das Land durchzusetzen und das Land zivilrechtlich nicht verpflichtet ist, Auskunft zu erteilen. Das ergibt sich schon daraus, dass der von der Rechtsprechung entwickelte Anspruch auf ermessensgerechte Entscheidung über den Antrag auf Gewährung von Akteneinsicht damit begründet worden ist, dass die Abgabenordnung selbst - anders als § 29 VwVfG und andere Verfahrensordnungen - ein allgemeines Akteneinsichtsrecht im Steuerverwaltungsverfahren nicht geregelt hat, aber angesichts des dem Bürger im rechtsstaatlichen Verwaltungs- und Gerichtsverfahren zustehenden Rechts auf Gehör (Art. 103 GG) und auf ein faires Verfahren, sowie aufgrund von dessen Recht, sich zu dem Sachverhalt und der Rechtslage zu äußern, bestimmte Verfahrensanträge zu stellen und Ausführungen zur Sache zu machen (BVerfG, Urteil vom 17.05.1983 - 2 BvR 731/80 - BVerfGE 64, 135, 143 für das Strafverfahren), die Akteneinsicht im Rahmen einer sachge- rechten Ermessensausübung zu ermöglichen ist. Weil dieser Anspruch auf ermessensge- rechte Entscheidung anerkannt ist, sind Reformvorschläge zur Regelung des außerge- richtlichen Rechtsbehelfsverfahrens zur Einfügung eines normierten Akteneinsichtsrechts in die Abgabenordnung erwogen aber letztlich verworfen worden. Daher kann die Ableh- nung einer Akteneinsicht nur dann ermessensgerecht begründet werden, wenn überwie- -8-
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-8- gende Belange der Steuerverwaltung entgegenstehen. Insoweit kann aus Gründen der Einheitlichkeit der Rechtsordnung auf die Gründe zurückgegriffen werden, die im Verfah- rensrecht anerkannt sind, wie zB die Gefährdung der ordnungsgemäßen Erfüllung der Aufgabe der Behörde, Nachteile für den Bund oder das Land bei Bekanntwerden des In- halts der Akten oder die Gefährdung berechtigter Interessen anderer Personen (§ 29 Abs. 2 VwVfG). Nachteile für den Bund oder ein Land (die gemäß § 5 Abs. 2 Nr. 2 VwVfG einer Amtshilfe entgegenstehen können) sind z. B. bei einer Beeinträchtigung oder Gefährdung der äußeren oder inneren Sicherheit oder einer erheblichen Störung der öffentlichen Si- cherheit, einschließlich der Funktionsfähigkeit wichtiger staatlicher Einrichtungen gege- ben. Fiskalische Nachteile sind insoweit nur dann erheblich, wenn dadurch die Funktions- fähigkeit des Staatsapparates oder wichtige Leistungen des Staates in Frage gestellt wer- den (Kopp/Ramsauer, VwVfG, 8. Aufl., § 5 Rd. 23, § 29 Rd. 35). Das Motiv eines Antrag- stellers, Material für einen Amtshaftungsanspruch gegen das Land zu sammeln, kann keinen Nachteil in diesem Sinne darstellen, weil es sich nicht um einen „erheblichen“ Nachteil im oben genannten Sinne handelt, der die Funktionsfähigkeit des Staates er- schüttern kann. Die Verwaltung ist aufgrund ihrer Bindung an Recht und Gesetz grund- sätzlich verpflichtet, unter Berücksichtigung der vorstehend genannten Einschränkungen Auskunft über die einen Bürger betreffenden Vorgänge zu erteilen. Wenn sich der Amts- haftungsanspruch als berechtigt herausstellt, handelt es sich nicht um einen „Nachteil“ im wirtschaftlichen Sinne, weil der betroffene Verwaltungsträger aufgrund der Bindung an Gesetz und Recht zur Erfüllung eines solchen Anspruchs verpflichtet ist. Ein Bürger, der einen berechtigten Anspruch gegenüber dem Staat geltend macht, fügt diesem keinen Nachteil zu. Der Kläger hat unabhängig von Vorstehendem einen Anspruch auf Akteneinsicht nach dem Informationsfreiheitsgesetz für das Land Schleswig-Holstein - IFG-SH - (vom 09.02.2000 - GVBl 2000, 166). Gemäß § 4 dieses Gesetzes hat jede natürliche Person Anspruch auf Zugang zu den bei einer Behörde vorhandenen Informationen. Dieses Recht gilt für die Behörden des Landes (§ 3) und somit auch für das beklagte Finanzamt. Dieses Recht ist nicht deshalb ausgeschlossen, weil es sich um Steuervorgänge handelt, die der Abgabenordnung unterlegen haben und noch unterliegen. Soweit der Auffassung zu folgen sein sollte, die Abgabenordnung sei für Anträge auf Akteneinsicht in abge- schlossene Besteuerungsverfahren nicht anwendbar, steht die Abgabenordnung einem Akteneinsichtsrecht von vornherein nicht entgegen. Auch wenn die Abgabenordnung an- -9-
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-9- wendbar ist, kann dem Umstand, dass diese keine Informationsrechte regelt, nicht ent- nommen werden, dass Informationsrechte ausgeschlossen sein sollen, die auf das IFG gestützt werden (so aber Lindemann, in: Praxis der Kommunalverwaltung, § 17 IFG-SH Erläuterung 2.4). Zwar ist bei der Regelung von § 91 Abs. 1 Satz 1 AO (Anhörung Betei- ligter) diskutiert worden, ob Beteiligte einen Anspruch auf Akteneinsicht haben sollen. Angeführt wurde, der Gesetzgeber habe sich jedoch dagegen entschieden, weil ein dem Verfahrensrecht entsprechendes allgemeines Akteneinsichtsrechts für die Steuerverwal- tung nicht praktikabel sei, Gesichtspunkte des Schutzes Dritter und das Ermittlungsinte- resse der Finanzbehörden sowie Gründe des Schutzes der Daten Dritter sprächen dage- gen. Schließlich sei unverhältnismäßiger Verwaltungsaufwand zu verhindern. Diese Ge- sichtspunkte sind jedoch in § 9 bis 12 IFG-SH detailliert geregelt, so dass es nicht ge- rechtfertigt ist, den Zugang zu Informationen zu verweigern, wenn einer dieser entgegen- stehenden Belange nicht vorliegt (vgl. Schoch, IFG, § 1 Rn 212). Da die Rechtsprechung der Gesetzeslage vor Erlass der Informationsfreiheitsgesetze entnommen hat, dass ein genereller Ausschluss einer Akteneinsicht heutzutage nicht mehr gerechtfertigt werden kann und daher ein Anspruch auf ermessensgerechte Entscheidung angenommen wird, kann eine Akteneinsicht auf der Grundlage der weitergehenden jetzigen Rechtslage, die einen voraussetzungslosen Zugang zu Informationen gewährleistet, also ohne dass be- rechtigte Interessen geltend gemacht werden (vgl. zB Verwaltungsgericht Frankfurt, U.v. 17.6.2009 - 7 K 2282/08.F (3) - juris), mit sachgerechten Gründen nur dann abgelehnt werden, wenn Gesichtspunkte vorliegen, die dem berechtigten Anliegen des Antragstel- lers entgegenstehen und diese überwiegen. Da der Gesetzgeber diese Belange in dem hier anzuwendenden Gesetz (IFG-SH) konkretisiert hat, lässt sich der pauschale Aus- schluss des Zugangs zu den bei der Steuerbehörde vorhandenen Informationen nicht mehr rechtfertigen. Hier liegt keiner der im IFG-SH genannten Ausschlusstatbestände vor. Ein öffentlicher Belang gemäß § 9 des Gesetzes ist nicht ersichtlich. Auch ein Entscheidungsbildungspro- zess, der gemäß § 10 des Gesetzes der Herausgabe von Informationen entgegenstehen könnte, steht hier nicht an. Es handelt sich um Unterlagen aus einem abgeschlossenen Besteuerungsverfahren, so dass insoweit eine Entscheidungsbildung nicht ansteht. Auch Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse (§ 11) oder geschützte Daten Dritter (§ 12) sind hier nicht betroffen. - 10 -
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- 10 - Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Soweit durch die Verweisung vom Finanzgericht an das Verwaltungsgericht zusätzliche Kosten entstanden sein sollten (§ 17b Abs. 2 GVG), sind diese (gemäß § 4 Abs. 2 GKG) vom beklagten Finanzamt zu tragen, weil dieses durch die Rechtsmittelbelehrung die Erhebung der Klage beim Fi- nanzgericht veranlasst hat. Die Entscheidung über die vorläufige Sollstreckbarkeit erfolgt aus § 167 VwGO iVm §§ 708, 711 ZPO. Rechtsmittelbelehrung Gegen dieses Urteil ist das Rechtsmittel der Berufung statthaft, wenn diese von dem Oberverwaltungsgericht zugelassen wird. Die Zulassung der Berufung ist innerhalb eines Monats nach Zustellung dieses Urteils schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeam- ten der Geschäftsstelle beim Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgericht Brockdorff-Rantzau-Straße 13 24837 Schleswig zu beantragen. Der Antrag muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung dieses Urteils sind die Gründe, aus denen die Berufung zuzu- lassen ist, darzulegen. Die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorge- legt worden ist, bei dem Schleswig-Holsteinischen Oberverwaltungsgericht Brockdorff-Rantzau-Straße 13 24837 Schleswig einzureichen. Vor dem Oberverwaltungsgericht müssen sich die Beteiligten, außer im Prozesskostenhil- feverfahren, durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozess- handlungen, durch die ein Verfahren vor dem Oberverwaltungsgericht eingeleitet wird. Als Bevollmächtigte sind nur die in § 67 Abs. 2 Satz 1 VwGO bezeichneten Personen zuge- lassen. Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse können sich durch eigene Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt oder durch Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentli- chen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebil- deten Zusammenschlüsse vertreten lassen. Ferner sind die in § 67 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 bis 7 VwGO bezeichneten Personen und Organisationen als Bevollmächtigte zugelassen. Ein Beteiligter, der nach Maßgabe des § 67 Abs. 2 Satz 1 VwGO bzw. § 67 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 bis 7 VwGO zur Vertretung berechtigt ist, kann sich selbst vertreten. - 11 -
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