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Information
- Aktenzeichen
- 1 L 161/09
- Datum
- 2. November 2011
- Gericht
- Oberverwaltungsgericht Mecklenburg-Vorpommern
- Gesetz
- Informationsfreiheitsgesetz Mecklenburg-Vorpommern (IFG M-V)
Urteil: Oberverwaltungsgericht Mecklenburg-Vorpommern am 2. November 2011
1 L 161/09
Das Oberverwaltungsgericht weist die Berufung gegen das erstinstanzliche Urteil zurück. Das Verwaltungsgericht hatte festgestellt, dass der Ausnahmetatbestand zum Schutz fiskalischer Interessen des Landes nicht zum Tragen, da es sich vorliegend um eine kommunale Stelle handelt. Nachdem der Gesetzgeber diesen Ausnahmetatbestand zwischenzeitlich aufgehoben hat, erübrigt sich dazu eine Entscheidung durch das Oberverwaltungsgericht. Nichts spricht zudem für die vom Beklagten behauptete Verfassungswidrigkeit der Aufhebung dieses Ausnahmetatbestands. Die Garantie der kommunalen Selbstverwaltung ist "im Rahmen der Gesetze" gewährt; davon ist auch das Informationsfreiheitsgesetz umfasst. Das Gericht betont zudem, dass Ausnahmetatbestände eng auszulegen sind und der Gesetzgeber auf die Einführung eines generalklauselartigen Auffangtatbestands - etwa in Form einer Gemeinwohlklausel - verzichtet hat. Bei den strittigen Informationen handelt es sich weder um ein Betriebs- oder Geschäftsgeheimnis, noch nimmt die Beklagte in der Angelegenheit "am Wirtschaftsverkehr" teil. Der Ausnahmetatbestand zum Schutz des Verfahrensablauf schützt nicht solche Informationen, die Gegenstand des Gerichtsverfahrens sind. Eine Schlechterstellung der prozessualen Stellung des Staates ist vielmehr gewollt. (Quelle: LDA Brandenburg)
Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse Schutz besonderer Verfahren Fiskalische Interessen Bestimmtheit des Antrags
VERWALTUNGSGERICHT OBER MECKLENBURG-VORPOMMERN Aktenzeichen: 1L 161/09 4 A 1244/08 VG Greifswald IM NAMEN DES VOLKES URTEIL In dem Verwaltungsstreitverfahren 1. B., B-Straße, B-Stadt 2. D., D-Straße, B-Stadt 3 F., F-Straße, B-Stadt Proz.-Bev.: zu 1-3: Rechtsanwälte C., C-Straße, A-Stadt - Kläger und Berufungsbeklagte -
-2- 1 161/09 gegen Bürgermeister der Stadt Ribnitz-Damgarten, Am Markt 1, 18311 Ribnitz-Damgarten Proz.-Bev.: Rechtsanwälte A., A-Straße, A-Stadt - Beklagter und Berufungskläger - wegen Akteneinsicht nach dem Informationsfreiheitsgesetz M-V hat der 1. Senat des Oberverwaltungsgerichts Mecklenburg-Vorpommern aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 02. November 2011 durch die Präsidentin des Oberverwaltungsgerichts Kohl, den Richter am Oberverwaltungsgericht Sperlich, den Richter am Oberverwaltungsgericht Loer sowie die ehrenamtliche Richterin Rode und den ehrenamtlichen Richter Ruhnau für Recht erkannt: Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Greifswald vom 22. September 2009 —- 4 A 1244/08 - wird zurückgewiesen. Der Beklagte hat auch die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der vollstreckbaren Kosten ab- wenden, wenn nicht die Kläger vorher Sicherheit in gleicher Höhe leisten. Die Revision wird nicht zugelassen.
-3- 1 L 161/09 Tatbestand: Die Beteiligten streiten über den von Klägerseite nach dem Informationsfreiheitsgesetz des Landes Mecklenburg-Vorpommern vom 10. Juli 2006 (GVOBI. M-V S. 556) - IFG M-V - geltend gemachten Anspruch auf Einsichtnahme in Verwaltungsvorgänge, die die Stadt Ribnitz-Damgarten nach der Wiedervereinigung Deutschlands in Zusammenhang mit der bestandskräftigen Zuordnung von Grundstücken an sie von Rechtsvorgängern — dem Staatlichen Forstwirtschaftsbetrieb Rövershagen, dem Treuhandforstbetrieb - Außenstelle Westmecklenburg, der Treuhandanstalt-Sondervermögen, Niederlassung A-Stadt, sowie der BVVG, Niederlassung A-Stadt — übernommen hat. Die Kläger sind Nutzer der sämtlich nach einer Teilungsvermessung aus dem Flurstück 58/48 hervorgegangenen Flurstücke 58/56 (Kläger zu 1.), 58/57 (Kläger zu 2.) und 58/58 (Kläger zu 3.) in der Flur 1, Gemarkung Neuhaus der Gemeinde Dierhagen, die nachein- ander von den genannten Einrichtungen verwaltet worden waren. Die Kläger haben den Ankauf dieser Flurstücke nach dem Sachenrechtsbereinigungsgesetz geltend gemacht. Der Kläger zu 1. hat am 09. Januar 2006 mit der Stadt Ribnitz-Damgarten einen Vergleich über den Abschluss eines Erbbaurechtsvertrages nach dem Sachenrechtsbereinigungs- gesetz geschlossen (LG Stralsund - 4 O 328/05 -), dessen Vollstreckbarkeit der Beklagte allerdings anzweifelt. Im Rechtsstreit des Klägers zu 2. ist durch Urteil rechtskräftig fest- gestellt worden, dass ihm ein Ankaufsrecht nach dem Sachenrechtsbereinigungsgesetz zusteht (LG Stralsund, Urt. v. 12.12.2006 - 4 O 193/05 -; OLG A-Stadt, Beschl v. 04.06.2007 - 7 U 8/07 -); hier ist weiterhin die Höhe des zu zahlenden Kaufpreises strittig. Auch hinsichtlich des Klägers zu 3. war ein Rechtsstreit anhängig, der inzwischen durch Urteil des OLG A-Stadt vom 14. April 2011 - 3 U 3/09 - rechtskräftig zu seinen Gunsten abgeschlossen ist; sein Ankaufsrecht nach 8 61 SachenRBerG wurde mit Blick auf den Erwerbstatbestand der $$ 4, 5 Abs. 1 Nr. 3e) SachenRBerG bejaht. Das Verwaltungsgericht Greifswald hat der gegen die Versagung der Akteneinsicht erho- benen Klage mit Urteil vom 22. September 2009 stattgegeben und den Beklagten unter Aufhebung seines Bescheides vom 16. April 2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. August 2008 verpflichtet, den Klägern Einsicht in die von dem Staatlichen Forst- wirtschaftsbetrieb Rövershagen, dem Treuhandforstbetrieb - Außenstelle Westmecklen- burg, der Treuhandanstalt-Sondervermögen, Niederlassung A-Stadt, und der BVVG, Nie- derlassung A-Stadt, angelegten und dem Beklagten übergebenen Verwaltungsvorgänge
-4- 1 L 161/09 für die Flurstücke 58/58, 58/57 und 58/56 der Flur 1, Gemarkung Neuhaus bzw. des Vor- gängerflurstücks 58/48 zu gewähren. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, der nach $ 1 Abs. 2 IFG M-V grund- sätzlich zustehende Anspruch auf Zugang zu den im Klageantrag bezeichneten Informati- onen sei weder durch 8 5 Nr. 2 noch durch 8 5 Nr. 5 IFG M-V ausgeschlossen. Der Ver- fahrensablauf eines anhängigen Gerichtsverfahrens werde nicht durch die Einführung zu- lässiger Beweismittel in den Prozess erschwert. Bei 8 5 Nr. 5 IFG M-V seien nach dem klaren Wortlaut der Norm ausschließlich fiskalische Landesinteressen zu berücksichtigen, nicht solche der Kommunen und anderer staatlicher Stellen. $ 6 Abs. 7 IFG M-V greife ebenfalls nicht. Zwar seien die Kläger bereits im Besitz einiger Unterlagen aus den ge- nannten Verwaltungsvorgängen und hätten diese in die zivilrechtlichen Sachenrechtsbe- reinigungsverfahren eingeführt, jedoch hätten sie Anspruch auf Kenntnisnahme der voll- ständigen Originalvorgänge. Es sei zwischen den Beteiligten gerade streitig, ob Vorgänge aus den Akten genommen worden seien. Auf den am 28. Oktober 2009 per Telefax eingegangen Antrag des Beklagten auf Zulas- sung der Berufung gegen das seinen Prozessbevollmächtigten am 29. September 2009 zugestellte Urteil des Verwaltungsgerichts hat der Senat mit Beschluss vom 09. August 2010, den Beklagtenbevollmächtigten zugestellt am 11. August 2010, die Berufung zuge- lassen, weil er jedenfalls den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung mit Blick auf die Auslegung des 8 5 Nr. 5 IFG M-V - Auslegung des Begriffs ‚fiskalische Interessen des Landes im Wirtschaftsverkehr“ — als gegeben angesehen hat (8 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO); ebenso gebe das Berufungsverfahren Gelegenheit zur Präzisierung, wann die Voraussetzungen des $ 5 Nr. 2 IFG M-V („erhebliche Beeinträchtigung des Verfahrensab- laufs eines anhängigen Gerichtsverfahrens durch die Bekanntgabe der Information“) in Zusammenhang mit einem im Grundsatz den Regeln des zivilrechtlichen Verfahrens (Bei- bringungsgrundsatz) verpflichteten, andererseits jedoch auch Sonderrecht unterworfenen Verfahren ($ 85 Sachenrechtsbereinigungsgesetz - SachenRBerG -) eingreifen. Mit seiner am Montag, den 13. September 2010 eingegangenen Berufungsbegründung hat der Beklagte zunächst vorgetragen, die Voraussetzungen des 8 5 Nr. 2 IFG M-V seien erfüllt, weil es bei den zwischen ihm und den Klägern anhängigen zivilrechtlichen Verfah- ren um seine fiskalischen Belange gehe; er handele dort nicht hoheitlich, sondern privat- rechtlich. Er sei in diesen Verfahren wie jede andere Prozesspartei auch der Zivilprozess- ordnung unterworfen, deren tragender Grundsatz der Beibringungs- oder auch Verhand-
-5- 1 161/09 lungsgrundsatz sei. Jede Partei habe die ihr günstigen Umstände darzulegen und zu be- weisen. Dieser Grundsatz werde erheblich zu seinem Nachteil durchbrochen, wenn er verpflichtet sei, während des laufenden Verfahrens den Klägern Akteneinsicht in seine zugrunde liegenden Handakten zu gewähren. Er müsse dann nämlich ‚seine Karten völlig offen legen“, während den Klägern gegenüber jeder anderen Partei ein solcher Anspruch auf Einsicht in die Handakte des Prozessgegners nicht zustehe. Sollte das Informations- freiheitsgesetz M-V eine solche Schlechterstellung erlauben, verstoße es gegen höher- rangiges Recht, nämlich die ZPO und damit gegen verfassungsrechtliche Grundsätze. Jedenfalls aber beeinträchtige ein solches Akteneinsichtsgesuch im Rahmen der fiskali- schen Tätigkeit während laufender Zivilprozesse deren Verfahrensablauf erheblich. Seine Auffassung, dass $ 5 Nr. 5 IFG M-V entsprechend auf die fiskalischen Interessen der Kommunen im Wirtschaftsverkehr anzuwenden sei, habe auch die zuständige Auf- sichtsbehörde vertreten. Das aus der gleichlautenden Formulierung des 83 Nr. 6 IFG des Bundes gewonnene Argument greife nicht. 8 5 Nr. 5 IFG M-V könne nur dahin verstanden werden, dass immer auch die fiskalischen Interessen des Landes Mecklenburg- Vorpommern jedenfalls mittelbar betroffen seien, wenn die fiskalischen Interessen von Kommunen oder sonstigen Landesbehörden betroffen seien. Da Art. 3 GG als unge- schriebener Verfassungsgrundsatz jedenfalls Geltung für die Beziehung innerhalb des hoheitlichen Staatsaufbaus habe, sei kein sachlicher Grund vorhanden, weshalb die fiska- lischen Interessen des Landes schützenswert seien, die der Kommunen und sonstigen Landesbehörden jedoch nicht. Insbesondere aus systematischen Gründen sei nicht am Wortlaut zu haften. Soweit der Landesgesetzgeber inzwischen mit Änderungsgesetz vom 20. Mai 2011 (GVOBI. M-V S. 277) u.a. $ 5 Abs. 5 IFG M-V aufgehoben habe, habe er nachhaltig gegen Art. 28 Abs. 2 GG, Art. 72 Abs. 1 LV verstoßen; diese Normen verbürg- ten eine kommunale Finanzhoheit mit einer eigenverantwortlichen Einnahmen- und Aus- gabenwirtschaft. Es bestehe insoweit jenseits des konkreten Vorgangs ein erhebliches Schutzbedürfnis der Landkreise, Kommunen und Selbstverwaltungskörperschaften. E- benso verletze die Aufhebung des $ 5 Nr. 5 IFG M-V zum Nachteil des Landes die legiti- men fiskalischen Interessen des Staates; durch einen grenzenlosen Informationszu- gangsanspruch werde diese Eigenverantwortlichkeit gefährdet. Zwar seien in den bisherigen zivilrechtlichen Verfahren den Klägern Ankaufsrechte nach dem Sachenrechtsbereinigungsgesetz zugesprochen worden. Deren Ausgestaltung sei jedoch zwischen den Beteiligten weiterhin streitig. Das - teilweise inzwischen eingeleitete - notarielle Vermittlungsverfahren sei Teil eines gerichtlichen Verfahrens nach dem Sa-
-6- 1L 161/09 chenrechtsbereinigungsgesetz, so dass jedenfalls der Ausnahmetatbestand des 8 5 Nr. 2 IFG M-V weiterhin Berücksichtigung finden müsse. Der mit dem Kläger zu 1. vor dem Landgericht Stralsund am 09. Januar 2006 im Verfahren 4 O 328/05 abgeschlossene Vergleich habe ausweislich der Mitteilung des Landgerichts vom 21. März 2006 keinen vollstreckbaren Inhalt und somit das Verfahren nicht wirksam beenden können; dieses wolle er wieder aufnehmen, habe dies allerdings gegenüber dem Landgericht noch nicht angezeigt. Der Beklagte beantragt, unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Klage in vollem Umfang abzu- weisen. Die Kläger beantragen, die Berufung zurückzuweisen. Sie hatten zunächst geltend gemacht, dass selbst dann, wenn entgegen dem Wortlaut des 85 Nr. 5 IFG M-V fiskalische Interessen der Kommunen in diesem Zusammenhang berücksichtigungsfähig wären, solche im konkreten Fall der Informationsgewährung nicht entgegen stünden. Vorliegend gehe es allein um den Ankauf von Grundstücken nach dem Sachenrechtsbereinigungsgesetz, d.h. um die Realisierung eines Ankaufsrechtes nach gesetzlich definierten Bedingungen eines Bundesgesetzes. Das fiskalische Interesse des Beklagten könne nur darauf gerichtet sein, dessen Regelungen gesetzeskonform umzu- setzen. Das seitens des Beklagten offenbar verfolgte Ziel, durch sein Informationsmono- pol die gesetzlichen Ansprüche der Klägerseite zu unterlaufen, könne nicht als fiskali- sches Interesse einer Kommune im Wirtschaftsverkehr im Sinne des $ 5 Nr. 5 IFG M-V anerkannt werden. Diese Frage sei aber nach Aufhebung der Vorschrift ohnehin obsolet. Geheimhaltungsinteressen des Beklagten seien nunmehr überhaupt nicht mehr erkenn- bar. Auf 85 Nr. 2 IFG M-V könne sich der Beklagte jedenfalls nicht mit Erfolg berufen. Die begehrte Einsicht in die von anderen Behörden übergebenen Akten könnte gar keinen direkten Einfluss auf zivilrechtliche Verfahren mehr haben, da derartige Verfahren nicht mehr anhängig seien. Die geforderten Informationen würden vielmehr der Aufklärung des Sachverhaltes dienen und auch im notariellen Vermittlungsverfahren zu einer gesetzes- konformen materiell-rechtlichen Entscheidung führen. Auch werde nicht Einsicht in die
_7- 1 L 161/09 Handakte des Beklagten verlangt, sondern in Verwaltungsvorgänge anderer Behörden, die ihm zur Verwahrung übergeben worden seien. Wären diese weiterhin bei den Aus- gangsbehörden vorhanden, könnten durch Beweisanträge bei diesen Auskünfte angefor- dert werden. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und des beigezogenen Behördenvorgangs verwie- sen, die zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht worden sind. Entscheidungsgründe: Die Berufung des Beklagten ist zulässig (I.), hat jedoch keinen Erfolg (Il.) I. Die mit Beschluss des Senats vom 09. August 2010 zugelassene Berufung des Beklag- ten ist auch im Übrigen zulässig; insbesondere hat der Beklagte sie mit dem am Montag, den 13. September 2010 beim Oberverwaltungsgericht eingegangenen Schriftsatz fristge- recht eingelegt und begründet ($ 124a Abs. 6 Satz 1 und 2 VwGO). Il. Sie hat jedoch keinen Erfolg, weil das Verwaltungsgericht der Klage zu Recht stattge- geben hat, denn den Klägern steht der auf das Informationsfreiheitsgesetz des Landes Mecklenburg-Vorpommern gestützte Anspruch auf Einsichtnahme in die angeführten Ak- ten zu. Eine Erledigung der Berufung - wie sie die Kläger als rechtliche Möglichkeit angedeutet haben - ist durch den weiteren Verfahrensfortgang seit der Entscheidung des Verwal- tungsgerichts (Aufhebung des $ 5 Nr. 5 IFG M-V, Beendigung sämtlicher zwischen den Beteiligten geführten Gerichtsverfahren) allerdings nicht herbeigeführt worden; vielmehr sind diese zwischenzeitlich eingetretenen Umstände lediglich in die Prüfung durch das Berufungsgericht einzubeziehen. Der Beklagte konnte und kann dem Anspruch der Kläger auf die begehrte Akteneinsicht im geltend gemachten Umfang keinen gesetzlichen Ablehnungsgrund entgegenhalten. Dabei ist davon auszugehen, dass die Behörde dann, wenn sie sich auf einen oder meh- rere der im Informationsfreiheitsgesetz des Landes Mecklenburg-Vorpommern normierten Ausnahmegründe berufen will, deren Voraussetzungen darlegen und gegebenenfalls be- weisen muss. Die gesetzlichen Ausnahmetatbestände sind konkret und präzise gefasst; sie sind nach den üblichen Auslegungsregeln eng zu verstehen und abschließend. Auch
-8- 1161/09 der Gesetzgeber in Mecklenburg-Vorpommern hat auf die Einführung eines generalklau- selartigen Auffangtatbestandes — etwa in Form einer Gemeinwohlklausel — außerhalb des Schutzes personenbezogener Daten (hierzu $ 7 IFG M-V) verzichtet (für Hamburg vgl. VG Hamburg, Urt. v. 24.11.2008 - 15 K 4014/07 -, juris Rn. 25 m.w.N.). Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage hinsichtlich des gel- tend gemachten Anspruchs ist, da es sich um eine Verpflichtungsklage handelt, regelmä- Rig der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Senat; Besonderheiten, die sich aus dem materiellen Recht ergeben könnten, sind hier nicht ersichtlich (vgl. statt vieler Kopp/Schenke, VwGO, 17. Aufl. 2011, 8 113 Rn. 117 ff., 120). Dies gilt auch für die von der informationspflichtigen Stelle geltend gemachten Versagungsgründe (BVerwG, Urt. v. 29.10.2009 - 7 C 22.08 -, NVwZ 2010, 321, 323; Schoch, VBIBW 2010, 333, 341). Somit findet nunmehr das Informationsfreiheitsgesetz des Landes Mecklenburg- Vorpommern vom 10. Juli 2006 (GVOBI. M-V S. 556) - IFG M-V - in der Fassung des Änderungsgesetzes vom 20. Mai 2011 (GVOBI. M-V S. 277) Anwendung. Nach 8 1 Abs. 2 Satz 1 IFG M-V hat jede natürliche und juristische Person des Privat- rechts einen voraussetzungslosen Anspruch auf Zugang zu den bei einer Behörde vor- handenen Informationen. Die Erkenntnisse, die die Kläger aus den Akten, in die Einsicht zu nehmen sie begehren, gewinnen wollen, erfüllen als amtlichen Zwecken dienende Auf- zeichnungen den Informationsbegriff des $ 2 Satz 1 Nr. 1 IFG M-V. Der Beklagte unter- liegt als für die Stadt Ribnitz-Damgarten handelnde Behörde dem Anwendungsbereich des $ 3 Abs. 1 IFG M-V. Das Verwaltungsgericht ist auch zu Recht davon ausgegangen, dass die Kläger die Vorgänge, in die sie Einsicht nehmen wollen, im Sinne des $ 10 Abs. 2 IFG M-V hinreichend bestimmt haben; insoweit kann auf die Ausführungen des Verwal- tungsgerichts Bezug genommen werden (8 130b Satz 2 VwGO). Dieser grundsätzliche Informationsanspruch der Kläger wird nicht durch einen der Aus- nahmetatbestände der 88 3 ff. IFG M-V ausgeschlossen. Nach der Aufhebung des 8 5 Nr. 5 IFG M-V durch Art. 1 Nr. 3 Buchst. b) des Änderungs- gesetzes vom 20. Mai 2011 braucht der Senat der Frage nicht weiter nachzugehen, ob diese frühere Regelung -— wie der Beklagte meint — entgegen der Auffassung des Verwal- tungsgerichts über ihren Wortlaut hinaus (Eignung zur „Beeinträchtigung fiskalischer Inte- ressen des Landes im Wirtschaftsverkehr“) erweiternd dahin zu verstehen gewesen war, dass auch fiskalische Interessen einer Kommune die Ablehnung der Akteneinsicht hätten
-9- 1L 161/09 rechtfertigen können (verneinend auch Dalibor in: Informationsfreiheit und Informations- recht, Jahrbuch 2008, S. 271, 277). Da der Senat für die vom Beklagten behauptete Verfassungswidrigkeit der Aufhebung des $5 Nr. 5 IFG M-V a.F. schon keinerlei Anhaltspunkte zu erkennen vermag, sieht er erst recht keinen Anlass, etwa das Verfahren auszusetzen und diese Frage dem Landesver- fassungsgericht zur Entscheidung vorzulegen (siehe Art. 53 Nr. 5 LV, 8 11 Abs. 1.Nr. 3, 88 43 ff. LVerfGG). Dafür, dass die mit Art. 72 Abs. 1 Satz 1 LV oder Art. 28 Abs. 2 GG verbürgte kommunale Selbstverwaltungsgarantie den Landesgesetzgeber verpflichten würde, jegliches im Einzelfall behauptete Interesse einer Gemeinde im Rahmen ihres fis- kalischen Handelns einem absoluten Schutz gegenüber Akteneinsichtsansprüchen zu un- terstellen, ist nichts ersichtlich. Die Garantie der kommunalen Selbstverwaltung ist „im Rahmen der Gesetze“ gewährt. Bei dem Informationsfreiheitsgesetz handelt es sich um ein vom Landesgesetzgeber des Landes Mecklenburg-Vorpommern erlassenes förmli- ches Gesetz; dieser wiederum ist von Verfassungs wegen gerade berechtigt, im Rahmen der Ausübung seiner gesetzgebenden Gewalt (Art. 20 Abs. 1 Satz 3 LV) auch den gesetz- lichen Rahmen für die Aufgabenwahrnehmung der Gemeinden abzustecken, und hat da- bei lediglich den Kernbereich dieser Gewährleistung zu wahren. Ebenso wenig wäre eine derartige Verpflichtung dem in grundsätzlicher Weise die Finanzgarantie zu Gunsten der Gemeinden regelnden Art. 73 LV zu entnehmen. Auch auf die durch das Gesetz vom 20. Mai 2011 neu gefasste, um einen Satz 2 ergänzte Vorschrift des $ 8 IFG M-V kann die Ablehnung der Akteneinsicht nicht gestützt werden. Die Vorschrift lautet nunmehr wie folgt: Der Antrag auf Zugang zu Informationen ist abzulehnen, soweit der Schutz geistigen Eigentums entgegensteht oder durch die Übermittlung der Infor- mation ein Betriebs- oder Geschäftsgeheimnis offenbart wird und der Be- troffene nicht eingewilligt hat. Dies gilt auch für das Land, die kommunalen Körperschaften sowie für Unternehmen und Einrichtungen, die von kom- munalen Körperschaften nach den Vorschriften der Kommunalverfassung in einer Rechtsform des privaten oder öffentlichen Rechts geführt werden, bei der Teilnahme am Wirtschaftsverkehr. Diese Gesetzesänderung geht offenbar zurück auf „30 Vorschläge zur Fortentwicklung des Informationsfreiheitsgesetzes M-V“, die der Landesbeauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit am 01. Juli 2010 im Anschluss an den wissenschaftlichen Evaluie- rungsbericht (abgedr. in LT-Drs. 5/3533 S. 14 ff.) als Diskussionsgrundlage für eine Wei-
- 10- 1 L 161/09 terentwicklung des Gesetzes vorgestellt hat; darin spricht er sich unter Nr. 7 unter Bezug- nahme auf die Ergebnisse der Evaluierung des zunächst bis zum 30. Juni 2011 befristet gewesenen Gesetzes dafür aus, dass $ 5 Nr. 5 IFG M-V als entbehrlich entfallen kann, wenn in $ 8 eine Klarstellung dahingehend aufgenommen wird, dass sich auch das Land auf den Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen berufen kann. Schon um ein „Betriebs- oder Geschäftsgeheimnis“ im Sinne dieser Vorschrift handelt es sich vorliegend bei den Informationen, über die um Auskunft ersucht wird, nicht. Der Ge- setzgeber in Mecklenburg-Vorpommern hat mit seiner Regelung an die in Rechtspre- chung und Literatur entwickelten Begrifflichkeiten angeknüpft (vgl. Dalibor, a.a.O., unter Hinweis auf LT-Drs. 4/2117 S. 16). Ein Geschäftsgeheimnis ist danach eine Tatsache, die im Zusammenhang mit einem wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb steht, nur einem begrenz- ten Personenkreis bekannt ist und nach dem erkennbaren Willen des Inhabers sowie dessen berechtigten wirtschaftlichen Interessen geheim gehalten werden sollte; während Geschäftsgeheimnisse den kaufmännischen Bereich enthalten, umfassen Betriebsge- heimnisse technisches Wissen. Ebenso dürfte zu verneinen sein, dass es vorliegend ü- berhaupt um die „Teilnahme an Wirtschaftsverkehr“ (vgl. etwa VG Hamburg, Urt. v. 24.11.2008,a.a.0. Rn 38: erwerbswirtschaftliches Handeln) ginge, wenn in Zusammen- hang mit der Klärung von Eigentumsfragen nach der Wiedervereinigung im Rahmen der nach dem Einigungsvertrag getroffenen differenzierten und komplizierten, das Wechseln von der staatlichen Planwirtschaft (mit „Eigentum des Volkes“) in eine neue, auf Privatei- gentum basierende Eigentumsordnung bewältigenden Regelungen (z.B. Vermögenszu- ordnung, Sachenrechtsbereinigung, Verkehrsflächenbereinigung) Unterlagen von anderen staatlichen Stellen übernommen worden sind. Gleichfalls kann nach Aufhebung des $ 6 Abs. 7 und Änderung des $ 4 Abs. 4 IFG M-V, die ebenfalls auf die Fortentwicklungsvorschläge des Beauftragten für Informationsfreiheit zurückgehen, dahingestellt bleiben, ob der Beklagte die Akteneinsicht (zumindest teilwei- se) mit Hinweis auf den Umstand hatte ablehnen dürfen, dass jedenfalls Teile des Akten- inhalts den Klägern nach ihrem eigenen Vortrag offenbar schon bekannt seien, oder nun- mehr mit Blick auf die Neufassung des $ 4 Abs. 4 IFG M-V ablehnen dürfte. Denn der Tatbestand dieser Vorschrift, die nunmehr wie folgt lautet: Handelt es sich um Informationen, die bereits öffentlich und barrierefrei zu- gänglich sind, ist ein Anspruch ausgeschlossen, sofern die Behörde dem Antragsteller in einer entsprechenden Verweisungsmitteilung die Fundstelle angibt,
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