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Information

Aktenzeichen
3 L 3121/10
Datum
2. November 2011
Gericht
Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt
Gesetz
Informationszugangsgesetz Sachsen-Anhalt (IZG LSA)
Informationszugangsgesetz Sachsen-Anhalt (IZG LSA)

Urteil: Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt am 2. November 2011

3 L 3121/10

Ein Einsichtsrecht in Musterlösungen für Klausuren besteht gegenüber dem Landesjustizprüfungsamt auf der Grundlage der Ausbildungs- und Prüfungsverordnung für Juristen nur, soweit sich die Prüfer bei ihren Bewertungen auf diese Musterlösungen in der Weise stützen, dass die Begründung für die Bewertung ohne Kenntnis der Musterlösungen nicht nachvollziehbar ist. Die Anwendung des Informationszugangsgesetzes ist ausgeschlossen, da Regelung in anderen Rechtsvorschriften über den Zugang zu amtlichen Informationen vorgehen. Spezialgesetzliche Regelungen über den Informationszugang versperren den Rückgriff auf den allgemeinen Anspruch aus dem Informationszugangsgesetz. (Quelle: LDA Brandenburg)

Konkurrierende Rechtsvorschriften

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—2— OBERVERWALTUNGSGERICHT D E S     L A N D E S      S A C H S E N - A N H A L T ________________________________________________________________ 3 L 312/10                                            Verkündet am: 02. November 2011 6 A 374/09 HAL                                        Spitzbarth, Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle IM NAMEN DES VOLKES U R T E I L In der Verwaltungsrechtssache des Herrn A., A-Straße, A-Stadt, Klägers und Berufungsklägers, Prozessbevollmächtigter: Rechtsanwalt B., B-Straße, A-Stadt (Az.:), gegen das Ministerium für Justiz und Gleichstellung des Landes Sachsen-Anhalt – Lan- desjustizprüfungs- amt –, vertreten durch die Ministerin, Domplatz 3-4, 39104 Magde- burg (Az.:), Beklagter und Berufungsbeklagter, wegen Einsicht in Musterlösungen für Klausuren zur zweiten jur. Staatsprüfung hat der 3. Senat des Oberverwaltungsgerichtes des Landes Sachsen-Anhalt auf die mündliche Verhandlung vom 02. November 2011 durch den Vorsitzenden Richter am Oberverwaltungsgericht Engels, die Richter am Oberverwaltungsgericht Roewer und Semmelhaack und die ehrenamtlichen Richter Fenger-Schwindack und Schaarf für Recht erkannt: 3
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—3— Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Verwal- tungsgerichts Halle – 6. Kammer – vom 18. März 2010 wird zurückgewiesen. Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe des beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet. Die Revision wird nicht zugelassen. G r ü n d e : I . Der Kläger möchte die vom Beklagten den Prüfern an die Hand gegebenen Lösungs- hinweise für Klausuren (sog. „Prüfervermerke“) einsehen, die in der zweiten juristi- schen Staatsprüfung gestellt worden sind. Mit Bescheid vom 23. Juni 2008 stellte der Beklagte fest, dass der Kläger die zweite ju- ristische Staatsprüfung endgültig nicht bestanden habe. Dagegen erhob der Kläger Widerspruch. Unter dem 12. August 2008 bat der Kläger unter Bezugnahme auf das am 01. Oktober 2008 in Kraft tretende Informationszugangsgesetz des Landes Sachsen-Anhalt vom 19. Juni 2008 um Ablichtungen sämtlicher Prüfervermerke der von ihm geschriebenen Klausuren. Nachdem der Beklagte die Übermittlung dieser Unterlagen mit der Begrün- dung verwehrt hatte, der Kläger habe auf die Herausgabe der nur intern wirkenden Lö- sungsanmerkungen weder nach der Ausbildungs- und Prüfungsverordnung für Juristen noch nach dem Informationszugangsgesetz einen Anspruch, beschränkte der Kläger seinen Antrag auf die Übersendung von Ablichtungen der Lösungshinweise für die Klausuren Zivilrecht I, Strafrecht II und Öffentliches Recht II. Der Beklagte lehnte den Antrag mit Bescheid vom 10. Oktober 2008 ab. Das Aktenein- sichtsrecht der Prüflinge sei in der Ausbildungs- und Prüfungsverordnung für Juristen abschließend geregelt, so dass die Heranziehung allgemeiner Bestimmungen über die Akteneinsicht im Verwaltungsverfahrensgesetz, der Verwaltungsgerichtsordnung oder dem Informationszugangsgesetz auch nicht ergänzend in Betracht komme. Nach der Ausbildungs- und Prüfungsverordnung für Juristen sei das Einsichtsrecht bewusst auf 4
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—4— die Prüfungsunterlagen beschränkt, zu denen die Prüfervermerke als bloße Bewer- tungshilfen für die Prüfer nicht zählten. Abgesehen davon stünden dem geltend ge- machten Anspruch jedenfalls besondere öffentliche Belange entgegen, weil die Prü- fungsbehörden ein Interesse an der Geheimhaltung der Lösungshinweise hätten. Denn die Klausuren könnten innerhalb einer zwischen den Ländern vereinbarten Sperrfrist von einem Jahr nach der erstmaligen Ausgabe weiterhin bundesweit für Prüfungszwe- cke eingesetzt werden. Damit sei eine Herausgabe an einen Prüfling nicht zu vereinba- ren, weil bei einer Weitergabe an Dritte die prüfungsrechtliche Chancengleichheit nicht gewährleistet sei. Den dagegen erhobenen Widerspruch wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 10. Juli 2009 zurück, nachdem er den Widerspruch des Klägers wegen des Er- gebnisses der Staatsprüfung bereits mit Widerspruchsbescheid vom 20. April 2009 zu- rückgewiesen und der Kläger wegen der Staatsprüfung zum Aktenzeichen 6 A 273/09 HAL Klage erhoben hatte. Mit der am 13. August 2009 erhobenen Klage hat der Kläger geltend gemacht, er habe einen Anspruch auf Einsicht in die Unterlagen aus den Regelungen im Informationszu- gangsgesetz. Es handele sich bei den Lösungshinweisen um amtliche Informationen, weil der Beklagte den Prüfern diese Unterlagen mit den zu korrigierenden Klausuren zur Verfügung stelle. Zu Unrecht mache der Beklagte geltend, amtlich seien die Unter- lagen nicht, weil die Lösungshinweise für die Prüfer nicht bindend seien; immerhin dienten sie auch dazu, eine gleichmäßige Bewertung der Prüfungsleistungen zu errei- chen. Die Anwendbarkeit sei auch nicht durch die Regelungen über die Einsichtnahme nach der Ausbildungs- und Prüfungsverordnung für Juristen ausgeschlossen. Denn das dort geregelte Akteneinsichtsrecht enthalte keinen ausdrücklichen Ausschluss der Einsichtnahme in die Lösungshinweise. Vielmehr beruhe die Beschränkung des Ein- sichtsrechts auf Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte zu dieser Vorschrift. Öffentli- che Belange stünden der Einsichtnahme nicht entgegen. Abgesehen davon, dass die Prüfer ihren Voten ohnehin Bemerkungen über die Fragen voranstellten, die die Klau- sur aufwerfe, versicherten sowohl der Kläger als auch sein Prozessbevollmächtigter, die Unterlagen ausschließlich für das Verfahren gegen die Prüfungsentscheidung zu verwenden. Er hat beantragt, den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 10. Oktober 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. Juli 2009 zu ver- pflichten, dem Kläger Einsicht in die Prüfervermerke der Kausuren Zivil- recht I, Strafrecht II und Öffentliches Recht II des Klausurendurchgangs vom April 2008 zur Erlangung des zweiten juristischen Staatsexamens zu erteilen. 5
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—5— Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Er hat geltend gemacht, es handele sich bei den Unterlagen um nichtamtliche Vermer- ke, da sie für die Prüfer unverbindlich seien und keiner der Prüfer die Lösungshinweise unkritisch übernehme, wie dies der Kläger ohne Nachweis behaupte. Im Übrigen werde das Einsichtsrecht nach dem Informationszugangsgesetz durch die spezialgesetzliche Regelung in der Ausbildungs- und Prüfungsverordnung für Juristen verdrängt. Das Verwaltungsgericht Halle – 6. Kammer – hat die Klage mit Urteil vom 18. März 2010 abgewiesen. In welchem Umfang Prüflingen bei Ablegung der Staatsprüfungen ein Einsichtsrecht zustehe, sei in der Ausbildungs- und Prüfungsverordnung für Juris- ten abschließend geregelt. Da die Musterlösungen den Prüfern nur allgemeine unver- bindliche Hilfestellung gäben, seien sie nicht Bestandteil der Prüfungsakte und deshalb von der Einsichtnahme ausgeschlossen. Das Informationszugangsgesetz habe daran nichts geändert. Zwar handele es sich bei den Musterlösungen um amtliche Informati- onen. Indes würden die Regelungen im Informationszugangsgesetz verdrängt, wenn das Einsichtsrecht – wie hier – im Fachgesetz geregelt sei. Mit der vom Oberverwaltungsgericht mit Beschluss vom 25. August 2010 zugelasse- nen Berufung macht der Kläger weiter geltend, entgegen der Auffassung des Verwal- tungsgerichts sei nicht davon auszugehen, dass die Bestimmung des Einsichtsrechts in der Ausbildungs- und Prüfungsverordnung für Juristen zum Ausschluss der Rege- lungen des Informationszugangsgesetzes führe. Denn das Gesetz sehe nur vor, dass Regelungen in anderen Rechtsvorschriften dem Informationszugangsanspruch vorgin- gen, ohne dass indes klar werde, was unter „vorgehen“ zu verstehen sei und „welche anderen Rechtsvorschriften“ vorgingen. Zutreffend gehe denn auch das Oberverwal- tungsgericht Nordrhein-Westfalen für das dortige Landesrecht, das dem Informations- freiheitsgesetz des Bundes und damit auch das hier anzuwendende Informationszu- gangsgesetz nachgebildet sei, davon aus, dass nur anhand einer Auslegung der Rege- lungen im Einzelfall entschieden werde könne, wie das Konkurrenzverhältnis zwischen fachgesetzlichen Ansprüchen und solchen nach dem Informationszugangsgesetz zu lösen sei. Die Akteineinsicht auf der Grundlage des Informationszugangsgesetzes werde nur ausgeschlossen, wenn das weitergehende Einsichtnahmerecht dem Schutzzweck des Fachrechts zuwiderlaufe. Das sei hier indes nicht der Fall. Es hande- le sich bei den Musterlösungen auch um amtliche Informationen. Auch wenn die Mus- terlösungen für die Prüfer nicht verbindlich seien, handele es sich bei den Unterlagen um Informationen, die subjektive Einschätzungen und Beurteilungen von Sachverhal- ten enthielten. Jedenfalls seien sie dazu bestimmt, eine einheitliche Anwendung der Prüfungsmaßstäbe zu ermöglichen. Es handele sich auch nicht um Entwürfe oder No- tizen. Schließlich stehe dem Einsichtnahmeanspruch des Klägers auch kein Aus- schlussgrund entgegen. Die Aufgabenerfüllung des Prüfungsamtes werde nicht erheb- 6
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—6— lich beeinträchtigt, zumal der Kläger versichert habe, die Musterlösungen nicht an Drit- te weiterzureichen. Der Kläger beantragt, unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts – 6 A 376/09 HAL – vom 18. März 2010 den Bescheid des Beklagten vom 10. Oktober 2008 und dessen Wi- derspruchsbescheid vom 10. Juli 2009 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, dem Kläger die Einsicht- nahme in die Prüfervermerke der Klausuren Zivilrecht I, Strafrecht II und Öffentliches Recht II des Klausuren- durchgangs vom April 2008 zur Erlangung des 2. juristi- schen Staatsexamens zu gewähren. Der Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen. I I . Die zulässige Berufung ist unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die Ablehnung des beantragten Verwaltungsaktes ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (vgl. § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO). Denn Kläger hat keinen Anspruch auf Einsichtnahme in die Musterlösungen, die der Beklagte den Prüfern für die Korrektur der Klausuren im Prüfungsdurchgang April 2008 als Hilfs- mittel zur Verfügung gestellt hat. 1) Zutreffend gehen die Beteiligten übereinstimmend davon aus, dass der Kläger einen Anspruch auf Einsichtnahme in die Musterlösungen nicht auf § 32 der Ausbildungs- und Prüfungsverordnung für Juristen (JAPrVO LSA) vom 02. Oktober 2003 (GVBl. LSA S. 245, berichtigt in GVBl LSA S. 349), geändert durch Verordnung vom 27. Februar 2006 (GVBl. LSA S. 70), stützen kann. Danach können die Prüflinge auf Antrag inner- halb eines Monats nach Bekanntgabe des Ergebnisses der Prüfung die Prüfungsakten persönlich einsehen und hierbei Aufzeichnungen über den Inhalt der Akten fertigen. Die Musterlösungen indes betreffen nicht das konkrete Prüfungsverfahren des einzel- nen Prüflings, sondern geben den Prüfern lediglich eine allgemeine und nicht verbindli- che Hilfestellung. Ein Anspruch auf Einsichtnahme in die Musterlösungen besteht im konkreten Einzelfall nur, wenn und soweit sich Prüfer bei ihren Bewertungen auf die Musterlösungen in der Weise stützen, dass die Begründung für die Bewertung ohne 7
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—7— die Hinzuziehung der Musterlösung nicht selbständig nachvollziehbar ist (vgl. BVerwG, Beschl v. 03.04.1997 – 6 B 4/97 –, Rdnr. 8 <zitiert nach juris> m. w. N.). 2) Ohne Erfolg macht der Kläger geltend, ihm stehe ein Recht auf Einsichtnahme in die Musterlösungen aus § 1 Abs. 1 Satz 1 Buchst. a des Informationszugangsgesetzes Sachsen-Anhalt (IZG LSA) vom 19. Juni 2008 (GVBl. LSA S. 242) zu. Danach hat je- der nach Maßgabe der Regelungen dieses Gesetzes einen Anspruch auf Zugang zu amtlichen Informationen gegenüber den Behörden des Landes. Zwar wendet der Beklagte gegen den geltend gemachten Anspruch zu Unrecht ein, es handele sich bei den Musterlösungen nicht um amtliche Informationen. Ob die Muster- lösungen für die Prüfer verbindlich oder unverbindlich sind, ist für die Frage, ob es sich um amtliche oder nichtamtliche Informationen handelt, nicht von Belang. Gemäß § 2 Nr. 1 Satz 1 IZG LSA ist eine amtliche Information unabhängig von der Art ihrer Spei- cherung jede amtlichen Zwecken dienende Aufzeichnung. Nicht dazu gehören Entwür- fe und Notizen, die nicht Bestandteil eines Vorgangs werden sollen. Die vom Prü- fungsamt erstellten Musterlösungen sind Aufzeichnungen, die amtlichen Zwecken die- nen. Es handelt sich um Hilfsmittel, die den Prüfern mit den Klausuren an die Hand ge- geben werden. Dass sie für die Prüfer unverbindlich sind, ändert nichts daran, dass es Aufzeichnungen sind, die amtlichen Zwecken dienen. Amtlichen Zwecken dienen Auf- zeichnungen, die die Behörde im Rahmen ihrer Aufgaben zur Erfüllung ihres Zwecks vorhält und über die sie die Verfügungsgewalt hat (vgl. Jastrow/Schlatmann, IFG, Hei- delberg 2006, § 2 Rdnr. 7; Schoch, IFG, München 2009, zu § 2 Rdnr. 38). Die Be- schränkung des Informationsanspruchs auf amtliche Aufzeichnungen bezweckt, private Informationen und solche, die nicht mit amtlicher Tätigkeit zusammenhängen, vom In- formationsanspruch auszunehmen (vgl. Begr. des Entw. der LReg., LT-Drs. 5/748, S. 17). Die Musterlösungen werden indes vom Landesjustizprüfungsamt nicht zu privaten Zwecken angefertigt. Sie sind vielmehr dazu bestimmt und (im Regelfall auch) geeig- net, die Prüfer bei ihrer Tätigkeit, der Bewertung von Klausuren, zu unterstützen. Nicht notwendig ist nach § 2 Nr. 1 IZG LSA, dass die Aufzeichnungen unmittelbar hoheitli- chen Aufgaben dienlich sind. Amtlichen Zwecken dienen Aufzeichnungen auch, wenn sie lediglich mittelbar in der Weise Einfluss auf die Tätigkeit der Behörde haben, indem sie – wie hier – von den Prüfern als zusätzliche Erkenntnisquelle herangezogen wer- den können. Indes ist die Anwendung des § 1 Abs. 1 IZG LSA ausgeschlossen durch § 1 Abs. 3 Satz 1 IZG LSA, wonach Regelungen in anderen Rechtsvorschriften über den Zugang zu amtlichen Informationen vorgehen. § 32 JAPrVO LSA ist eine andere Rechtsvor- schrift i. S. d. § 1 Abs. 3 IZG LSA über den Zugang zu amtlichen Informationen. Wegen § 1 Abs. 3 IZG LSA ist der Rückgriff auf den allgemeinen Informationsanspruch nach Maßgabe des § 1 Abs. 1 IZG LSA verschlossen (vgl. Jastrow/Schlatmann, IFG, Hei- delberg 2006, zu § 1 Rdnr. 55; Schoch, IFG, München 2009, zu § 1 Rdnr. 166). 8
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—8— Zwar lässt der Wortlaut der Regelung auch die Deutung zu, dass die Konkurrenzrege- lung nur eine vorrangige Anwendung spezialgesetzlicher Vorschriften vorschreibt und im Übrigen einen Rückgriff § 1 Abs. 1 IZG LSA zulässt, so dass ein Anspruch auf Ein- sicht in die Prüfungsakten nach Maßgabe des § 32 JAPrVO LSA dem Informationsan- spruch auf Zugang zu den Musterlösungen, die nicht Gegenstand der Prüfungsakten sind, unberührt ließe. Indes ergibt sich aus der Gesetzessystematik und dem in den Gesetzesmaterialien zum Ausdruck gebrachten Zweck der Regelung, dass spezialgesetzliche Regelungen über den Informationszugang den Rückgriff auf den allgemeinen Anspruch auf Zugang zu amtlichen Informationen nach § 1 Abs. 1 IZG LSA versperrt. Der Regelungszusammenhang des § 1 Abs. 3 Satz 1 IZG LSA mit dem folgenden Satz 2 macht deutlich, dass der Gesetzgeber einen Anwendungsausschluss vorgesehen hat, wenn der Informationszugang spezialgesetzlich geregelt ist. Bestimmt § 1 Abs. 3 Satz 1 IZG LSA, dass Regelungen in anderen Rechtsvorschriften über den Zugang zu amtlichen Informationen vorgehen, so sieht § 1 Abs. 3 Satz 2 IZG LSA vor, dass dies in den Fällen des § 29 VwVfG nicht gilt. Wird von den anderen Rechtsvorschriften, deren Vorrang im Satz 1 angeordnet ist, lediglich § 29 VwVfG ausgenommen, so ist nach der Gesetzessystematik im Umkehrschluss zu folgern, dass spezialgesetzliche Regelun- gen wie § 32 JAPrVO LSA einen Rückgriff auf den Informationsanspruch aus § 1 Abs. 1 IZG LSA verschließen. Dieses Verständnis entspricht auch dem Sinn und Zweck der Regelung wie sie in den Gesetzesmaterialien zum Ausdruck gebracht sind. Zwar hebt der Kläger mit Recht her- vor, dass mit dem Informationszugangsgesetz Sachsen-Anhalt eine Abkehr von dem Prinzip des Aktengeheimnisses, nach dem Einsichtsrechte grundsätzlich die Ausnah- me waren, bezweckt sei (vgl. Begr. des Entw. der LReg., LT-Drs. 5/748, S. 9). Indes ist der Begründung zum Gesetzentwurf ebenfalls zu entnehmen, dass dieser „Paradig- menwechsel (…) unter Umständen dort nicht erreicht (wird), wo in anderen Rechtsvor- schriften bestehende Regelungen über den Zugang zu amtlichen Informationen dem Gesetz vorgehen und solche Vorschriften noch nicht unter dem Blickwinkel allgemeiner Informationsfreiheit erlassen worden sind (…). Nach Verabschiedung des vorliegenden Gesetzentwurfs werden daher im jeweiligen Fachrecht bereichsspezifisch getroffene Regelungen des Landes zum Informationszugang, insbesondere zugangsbeschrän- kende Regelungen, zu überprüfen sein“ (vgl. Begr. des Entw. der LReg., LT-Drs. 5/748, S. 9 f.). Damit kommt zum Ausdruck, dass dem Gesetzgeber, der den Regie- rungsentwurf hinsichtlich des § 1 Abs. 3 IZG LSA unverändert übernommen hat, auch die Beschränkung des Zugangsrechts durch den weit gefassten Anwendungsvorrang zugunsten fachgesetzlicher Regelungen in seinen Willen aufgenommen hat. Bestätigt wird dies durch die Einzelbegründung in dem Regierungsentwurf, in dem ausgeführt ist, dass der „Vorrang der Spezialregelungen (…) unabhängig davon (be- 9
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—9— steht), ob der Informationszugang enger oder weiter als im allgemeinen Informations- zugangsgesetz geregelt ist. Soweit in besonderen Rechtsvorschriften der Zugang zu amtlichen Informationen ausgeschlossen ist, gehen also diese Spezialvorschriften vor. Vorrang haben auch solche Regelungen, die den Informationsanspruch des Betroffe- nen (…) durch absichtsvolle Nichtregelung (…) ausschließen“ (vgl. Begr. des Entw. der LReg., LT-Drs. 5/748, S. 16). Da der Verordnungsgeber das Einsichtsrecht durch § 32 JAPrVO LSA nicht nur per- sönlich und zeitlich begrenzt, sondern auch gegenständlich auf die Einsichtnahme in die Prüfungsakten beschränkt hat, kann dies vor dem Hintergrund der im Zeitpunkt des Erlasses der Verordnung bekannten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, wonach Musterlösungen jedenfalls grundsätzlich nicht Bestandteil der Prüfungsakten sind, nicht anders verstanden werden, als dass es sich hinsichtlich der Musterlösungen um einen durch das Fachrecht beabsichtigten Ausschluss des Einsichtsrechts handelt, an dem wegen § 1 Abs. 3 IZG LSA das Informationszugangsgesetz weder etwas än- dern wollte noch geändert hat. Die Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen (vgl. OVG NW, Beschl. v. 31.01.2005 – 21 E 1487/04 – zitiert nach juris) steht dem nicht entgegen, weil sie nicht zum hiesigen Landesrecht ergangen ist, sondern zu § 4 Abs. 2 IFG NW, der im Wortlaut von § 1 Abs. 3 IZG LSA abweicht. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO, §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO. Gründe für die Zulassung der Revision i. S. d. § 132 Abs. 2 VwGO liegen nicht vor. R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g : Die Nicht-Zulassung der Revision kann innerhalb eines Monates nach Zustellung die- ses Urteiles bei dem Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt, Breiter Weg 203 - 206, 39104 Magdeburg, durch Beschwerde angefochten werden. Die Beschwerde muss das angefochtene Ur- teil bezeichnen. Die Beschwerde ist innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung dieses Urteiles zu begründen. Die Begründung ist beim Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen- Anhalt einzureichen. In der Begründung muss die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache dargelegt oder die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes, des 10
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— 10 — Gemeinsamen Senates der Obersten Gerichtshöfe oder des Bundesverfassungsge- richtes, von der das Urteil abweicht, oder der Verfahrensmangel bezeichnet werden. Bei dem Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt können in allen Verfah- rensarten auch elektronische Dokumente nach Maßgabe der Verordnung über den elektronischen Rechtsverkehr bei den Gerichten und Staatsanwaltschaften des Landes Sachsen-Anhalt (ERVVO LSA) eingereicht werden. Vor dem Bundesverwaltungsgericht müssen sich die Beteiligten, außer im Prozesskos- tenhilfeverfahren, durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht ein- geleitet wird. Als Bevollmächtigte sind nur Rechtsanwälte oder Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedstaates der Europäi- schen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz mit Befähigung zum Richteramt zugelassen. Vor dem Bundesverwaltungsgericht sind auch die in § 67 Absatz 2 Satz 2 Nr. 5 VwGO be- zeichneten Organisationen einschließlich der von ihnen gebildeten juristischen Perso- nen gemäß § 67 Absatz 2 Satz 2 Nr. 7 VwGO als Bevollmächtigte zugelassen, jedoch nur in Angelegenheiten, die Rechtsverhältnisse im Sinne des § 52 Nr. 4 VwGO betref- fen, in Personalvertretungsangelegenheiten und in Angelegenheiten, die in einem Zu- sammenhang mit einem gegenwärtigen oder früheren Arbeitsverhältnis von Arbeit- nehmern im Sinne des § 5 ArbGG stehen, einschließlich Prüfungsangelegenheiten. Die in § 67 Abs. 4 Satz 5 VwGO genannten Bevollmächtigten müssen durch Personen mit der Befähigung zum Richteramt handeln. Ein Beteiligter, der hiernach zur Vertretung berechtigt ist, kann sich selbst vertreten. Behörden und juristische Personen des öf- fentlichen Rechtes einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufga- ben gebildeten Zusammenschlüsse können sich durch eigene Beschäftigte mit Befähi- gung zum Richteramt oder durch Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechtes einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse vertre- ten lassen. Diplom-Juristen, die nach dem 3. Oktober 1990 im höheren Verwaltungs- dienst beschäftigt wurden, stehen insoweit einer Person mit Befähigung zum Richter- amt gleich. Bei dem Bundesverwaltungsgericht können in allen Verfahrensarten auch elektroni- sche Dokumente nach Maßgabe der Verordnung über den elektronischen Rechtsver- kehr beim Bundesverwaltungsgericht und beim Bundesfinanzhof eingereicht werden. Engels                    Roewer              Semmelhaack Beschluss Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Berufungsverfahren wird auf 5.000,- € 11
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— 11 — und unter Abänderung der Streitwertfest- setzung im Beschluss des Verwaltungsge- richts Halle – 6. Kammer – vom 18. März 2010 für das Verfahren im ersten Rechts- zug ebenfalls auf 5.000,- € festgesetzt. Gründe Mangels zureichender Anhaltspunkte dafür, welche wirtschaftliche Bedeutung der In- formationszugang für den Kläger hat, ist der Streitwert sowohl für das Berufungsverfah- ren als auch für das erstinstanzliche Verfahren (zur Abänderungsbefugnis: § 63 Abs. 3 Satz 1 Halbs. 2 GKG) nach Maßgabe des § 52 Abs. 2 GKG nach dem Auffangstreit- wert i. H. v. 5.000,- € zu bemessen. Dieser Beschluss ist unanfechtbar. Engels                    Roewer                Semmelhaack
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