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Aktives Presserecht – Argumente für Auskünfte


Oft verweigern Behörden Auskünfte auf Anfragen von Journalist*innen. Sie berufen sich dabei in der Regel auf angebliche Ausnahmen nach den jeweils gültigen Landespressegesetzen. Häufig ist Unwissen der Grund für die Auskunftsverweigerung und nicht böser Wille. Als Teil des Projektes „Fragen und Antworten - Auskunftsrechte kennen und nutzen“, einer Kooperation mit Netzwerk Recherche, stärkt die Entscheidungsdatenbank das Wissen rundum Auskunftsrechte und hilft besser argumentieren zu können. Journalist*innen können für ihre Recherchen wichtige Urteile, Bescheide und Beschlüsse kostenlos im Volltext eingesehen und durchsuchen.

Information

Aktenzeichen
9 L 760/11
Datum
27. Oktober 2011
Gericht
Verwaltungsgericht Potsdam
Gesetz
Akteneinsichts- und Informationszugangsgesetz Brandenburg (AIG)
Akteneinsichts- und Informationszugangsgesetz Brandenburg (AIG)

Beschluss: Verwaltungsgericht Potsdam am 27. Oktober 2011

9 L 760/11

Das Verwaltungsgericht lehnt den Antrag eines Journalisten auf einstweilige Anordnung zur Einsicht in Spesen- und andere Abrechnungen des Antragsgegners ab. Es hält eine besondere Dringlichkeit nicht für gegeben; insbesondere ergebe diese sich nicht schon alleine daraus, dass der Antragsteller die Informationen für seine Recherchen als Vertreter der Presse benötigt. Hier komme es stets auf die konkreten Umstände an. (Quelle: LDA Brandenburg)

Prozessuales

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Abschrift VERWALTUNGSGERICHT POTSDAM BESCHLUSS VG 9 L 760/11 In dem verwaltungsgerichtlichen Verfahren wegen Akteneinsichtsrechts hat die 9. Kammer des Verwaltungsgerichts Potsdam am 27. Oktober 2011 durch den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgericht Kaufhold, die Richterin am Verwaltungsgericht Stüker-Fenski und den Richter Uecker beschlossen: 1. Der Antrag wird abgelehnt. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens. 2. Der Streitwert wird auf 5.000 Euro festgesetzt.
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-2- Gründe: Der Antrag des als Chefreporter einer Tageszeitung tätigen Antragstellers, den Antragsgegner im Wege einer einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihm Einsicht in Spesenabrechnungen inklusive Bewirtungs- und Übernach- tungsabrechnungen und andere Abrechnungen sowie Kosten für Aufenthalte, Dienstreisen und offizielle Anlässe des Antragsgegners für die Amtszeit von 2005 bis 2011 einschließlich unter Schwärzung der rein privaten Daten zu ge- währen, hat keinen Erfolg. Zwar kann das Gericht gemäß § 123 Abs. 1 Satz 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechts- verhältnis eine einstweilige Anordnung treffen, wenn die Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile, zur Verhinderung drohender Gewalt oder aus anderen Grün- den nötig erscheint. Gemäß § 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2 Zivilprozessord- nung ist hierfür allerdings Voraussetzung, dass der Antragsteller einen Anspruch auf die begehrte Leistung (Anordnungsanspruch) sowie die besondere Dringlichkeit sei- nes Begehrens (Anordnungsgrund) glaubhaft macht. Nimmt die begehrte einstweilige Anordnung – wie im Fall der hier streitigen Akteneinsicht – die Hauptsache vorweg, setzt dies überdies voraus, dass die Regelung schlechterdings notwendig ist, weil die sonst zu erwartenden Nachteile für den Antragsteller unzumutbar wären, und zudem ein hoher Grad an Wahrscheinlichkeit für einen Erfolg auch in der Hauptsache spricht; vgl. Kopp/Schenke, Verwaltungsgerichtsordnung, 17. Auflage 2011, § 123 Rn. 14 m.w.N. Hieran fehlt es. Der Antragsteller hat schon im Ansatz nicht glaubhaft gemacht, dass die von ihm begehrte umgehende Verpflichtung des Antragsgegners zur Gewährung -3-
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-3- von Akteneinsicht schlechterdings notwendig ist, weil er sonst unzumutbare Nachtei- le zu erleiden hätte. Vielmehr hat er lediglich darauf abgestellt, dass er die Aktenein- sicht als Vertreter der Presse begehre und insoweit vorgetragen, ihm lägen aufgrund seiner Recherchen in Folge des vor dem Verwaltungsgericht Potsdam unter dem Aktenzeichen VG 9 L 633/10 geführten Verfahrens (betreffend die Einsicht in Akten bzw. Unterlagen zu dem ehemaligen Finanz- und Innenminister) Informationen vor, die den Verdacht nährten, dass der Besuch von Parteitagen umfänglich genutzt wor- den sei, um Fahrtkostenabrechnungen zu stellen. Ihm läge somit eine Reihe von Hinweisen vor, dass es zu Vermischungen von privaten und dienstlichen Interessen im Kabinett gekommen sei. Zur Glaubhaftmachung führt er einen unter der Über- schrift „Weiter keine Klarheit bei Kasernen-Verkauf“ im Internet (www.die-mark- online.de/nachrichten/land-brandenburg/brandenburg/weiter-keine-klarheit-kasernen- verkauf-920564.html) veröffentlichten Artikel vom 16. September 2010 an, der sich mit dem Verkauf des Kasernengeländes in Potsdam-Krampnitz befasst. Im ebenfalls anhängig gemachten Klageverfahren (VG 9 K 2121/11) führt der Antragsteller ferner aus, es gehe ihm darum herauszufinden, ob dieser Verdacht auch gegen andere Ka- binettsmitglieder bestehe. All dem ist nicht zu entnehmen, dass der Antragsteller auf die begehrte Akteneinsicht unbedingt umgehend angewiesen wäre bzw. andernfalls unzumutbare Nachteile zu erleiden hätte. Soweit der Antragsteller meint, die besondere Dringlichkeit seines Begehrens schon darauf stützen zu können, dass er die begehrte Akteneinsicht im Rahmen seiner Recherchen als Vertreter der Presse benötigt, folgt die Kammer dem nicht. Zwar ist der besonderen Bedeutung der Pressefreiheit gemäß Art. 5 Abs. 1 Satz 2 Grundgesetz und Art. 19 Abs. 2 Satz 1 Verfassung des Landes Brandenburg auch im Rahmen der Beurteilung der erforderlichen Dringlichkeit für den Erlass einer einstweiligen Anordnung Rechnung zu tragen. Hieraus ergibt sich aber nicht, dass die Durchsetzung des Akteneinsichts- und Informationsrechts der Presse prinzipiell eilbedürftig ist; maßgeblich sind vielmehr die konkreten Umstände. In dem von dem Antragsteller     angeführten   Beschluss     des   Verwaltungsgerichtshofs      Baden- Württemberg ging es etwa um einen Fall im Zusammenhang mit der Abwehr von Gesundheitsgefahren für die Bevölkerung; VGH Baden-Württemberg vom 10. Mai 2011 – 1 S 570/11 –, juris Rn. 13. -4-
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-4- Für den Fall, dass sich der geltend gemachte Anspruch auf einen Gegenstand der aktuellen allgemeinen Diskussion richtet, hat die Kammer entschieden, dass die Presse ihrer öffentlichen Aufgabe der Beschaffung und Verbreitung von Nachrichten nur nachkommen kann, wenn ihr die begehrte Recherche zeitnah und nicht in ferne- rer Zukunft ermöglicht wird; vgl. m.w.N. Beschluss der Kammer vom 24. Januar 2011 – 9 L 633/10 -; fer- ner VG Potsdam, Beschluss vom 21. Juli 2009 – 12 L 306/09 –, juris Rn. 25. Dass sich der Antragsgegner in entsprechender Weise – insbesondere im Zusam- menhang mit dem Besuch von Parteitagen oder möglicher fehlerhafter Abrechnun- gen – in der der aktuellen allgemeinen Diskussion befindet, hat der Antragsteller in- des nicht dargelegt und ist auch nicht ersichtlich; insofern liegt der Fall anders als in dem unter dem Aktenzeichen VG 9 L 633/10 geführten Verfahren. Schon gar nicht lässt sich Dahingehendes dem von dem Antragsgegner angeführten Artikel vom 16. September 2010 oder der öffentlichen Diskussion zum Verkauf der Krampnitz- Kasernen entnehmen. Sonstige greifbare Anhaltspunkte, die auf Umstände schließen ließen, die es recht- fertigen könnten anzunehmen, dass der Antragsteller unzumutbare Nachteile erlei- det, wenn er sein Akteneinsichtsbegehren im Hauptsacheverfahren verfolgt, lässt der Vortrag des Antragstellers nicht erkennen; die Kammer sieht daher auch keinen An- lass hierzu weiter nachzufragen. Angesichts dessen ist dem Antragsteller zuzumu- ten, den Ausgang des Hauptsacheverfahrens abzuwarten, zumal die Kammer Klage- verfahren zu Akteneinsichtsbegehren der Presse - soweit möglich - besonders för- dert. Dies gilt umso mehr, als der Antragsgegner den bei ihm am 31. August 2011 gestellten Antrag des Antragstellers bislang noch nicht beschieden, sondern unter dem 29. September 2011 mitgeteilt hat, dass sich das Akteneinsichtsbegehren noch in Prüfung befinde. Es ist daher wohl davon auszugehen, dass die Monatsfrist nach § 6 Abs. 1 Satz 7 Akteneinsichts- und Informationszugangsgesetz – möglicherweise wegen des Umfangs der in Rede stehenden Unterlagen – nicht eingehalten werden konnte. -5-
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-5- Die Entscheidung über die Kosten beruht auf §§ 154 Abs. 1 VwGO, die Streitwert- festsetzung auf §§ 53 Abs. 2 Nr. 1, 52 Abs. 2 des Gerichtskostengesetzes; von einer Reduzierung des Regelstreitwerts ist angesichts der begehrten Vorwegnahme der Hauptsache abzusehen. Rechtsmittelbelehrung: Gegen den Beschluss zu 1. steht den Beteiligten die Beschwerde an das Oberver- waltungsgericht zu. Die Beschwerde ist bei dem Verwaltungsgericht Potsdam, Fried- rich-Ebert-Straße 32, 14469 Potsdam, innerhalb von zwei Wochen nach Bekanntga- be der Entscheidung schriftlich einzulegen. Sie kann stattdessen auch in elektroni- scher Form bei der elektronischen Poststelle des Verwaltungsgerichts Potsdam unter www.erv.brandenburg.de eingereicht werden, wenn das elektronische Dokument mit einer qualifizierten elektronischen Signatur im Sinne des Signaturgesetzes versehen ist. Die Beschwerde ist innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe der Entscheidung zu begründen. Die Begründung ist, sofern sie nicht bereits mit der Beschwerde vorge- legt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg, Hardenberg- straße 31, 10623 Berlin, schriftlich oder in elektronischer Form mit einer qualifizierten elektronischen Signatur im Sinne des Signaturgesetzes auf dem unter www.berlin.de/erv veröffentlichten Kommunikationsweg einzureichen. Sie muss ei- nen bestimmten Antrag enthalten, die Gründe darlegen, aus denen die Entscheidung abzuändern oder aufzuheben ist, und sich mit der angefochtenen Entscheidung aus- einander setzen. Das Oberverwaltungsgericht prüft nur die dargelegten Gründe. Vor dem Oberverwaltungsgericht müssen sich die Beteiligten durch Prozessbevoll- mächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für die Einlegung der Beschwerde. Als Be- vollmächtigte sind Rechtsanwälte und Rechtslehrer an einer staatlichen oder staat- lich anerkannten Hochschule eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz, die die Befähigung zum Richteramt besitzen, zugelassen. Darüber hinaus können auch die in § 67 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 bis 7 der Verwaltungsgerichts- ordnung bezeichneten Personen und Organisationen auftreten. Ein als Bevollmäch- tigter zugelassener Beteiligter kann sich selbst vertreten. Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öf- fentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse können sich durch Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt vertreten lassen; das Beschäftigungsverhältnis kann auch zu einer anderen Behörde, juristischen Person des öffentlichen Rechts oder einem der genannten Zusammenschlüsse bestehen. Richter dürfen nicht vor dem Gericht, ehrenamtliche Richter nicht vor einem Spruchkörper auftreten, dem sie an- gehören. Gegen den Beschluss zu 2. ist die Beschwerde zulässig, wenn der Wert des Be- schwerdegegenstandes 200 Euro übersteigt oder die Beschwerde wegen grundsätz- licher Bedeutung der zur Entscheidung stehenden Frage zugelassen wird. Die Be- -6-
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-6- schwerde ist bei dem Verwaltungsgericht Potsdam in der genannten Form oder zu Protokoll der Geschäftsstelle innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entschei- dung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig er- ledigt hat, einzulegen; der Vertretung durch einen Prozessbevollmächtigten bedarf es nicht. Kaufhold                               Stüker-Fenski                       Uecker
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