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Aktenzeichen
2 K 179.10
Datum
1. September 2011
Gericht
Verwaltungsgericht Berlin
Gesetz
Informationsfreiheitsgesetz Berlin (IFG)
Informationsfreiheitsgesetz Berlin (IFG)

Urteil: Verwaltungsgericht Berlin am 1. September 2011

2 K 179.10

Der Herausgabe eines Gutachtens, das eine rheinland-pfälzische Behörde in Auftrag gegeben und später der beklagten Berliner Stelle zur internen Verwendung überlassen hatte, steht ein Ausnahmetatbestand des Berliner Informationsfreiheitsgesetzes entgegen, nach dem das Einsichtsrecht nicht besteht, soweit Mitteilungen öffentlicher Stellen, die nicht dem Anwendungsbereich des Gesetzes unterfallen, ohne deren Zustimmung offenbart werden. Zudem hatte der Antragsteller bereits einen erfolglosen Antrag auf Informationszugang bei der rheinland-pfälzischen Behörde gestellt. (Quelle: LDA Brandenburg)

Beziehungen zum Bund / zu anderen Bundesländern

VG 2 K 179.10

Verkündet am 1. September 2011 Kelm Justizbeschäftigte als Urkundsbeamte der Geschäftsstelle

VERWALTUNGSGERICHT BERLIN URTEIL

In der Verwaltungsstreitsache des Herrn Rechtsanwalts

g e g e n die

vertreten durch den Direktor,

Im Namen des Volkes Klägers, Beklagte,

hat das Verwaltungsgericht Berlin, 2. Kammer, aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 1. September 2011 durch

den Richter am Verwaltungsgericht Becker als Einzelrichter

für Recht erkannt: Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

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Tatbestand

Der Kläger begehrt Zugang zu einem Rechtsgutachten, das von einer rheinland-pfälzischen Behörde in Auftrag gegeben und später der Beklagten überlassen wurde.

Die Landeszentrale für Medien und Kommunikation Rheinland-Pfalz (LMK) holte bei Rechtsanwalt D_____ ein Gutachten zur aufsichtsrechtlichen Verfolgbarkeit von vermeintlichem Ausland befindlichen Content-Providern sowie dritten Beteiligten vom 21. November 2007 ein. Der Kläger beantragte bei dieser Behörde erfolglos den Zugang auf der Grundlage des Landesgesetzes über die Freiheit des Zugangs zu Informationen. Seine anschließende Verpflichtungsklage hatte ebenfalls keinen Erfolg (Urteile des Verwaltungsgerichts Neustadt an der Weinstraße vom 16. Dezember 2009 - 4 K 694/09.NW - und des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz vom 13. August 2010 - 10 A 10076/10.OVG -, beide: Juris).

Der Kläger beantragte mit E-Mail vom 20. September 2010 bei der Beklagten Akteneinsicht in das Gutachten auf der Grundlage des Berliner Informationsfreiheitsgesetzes. Am 30. Dezember 2010 hat er die vorliegende Klage erhoben. Die Beklagte teilte ihm mit E-Mail vom 7. Januar 2011 mit, die LMK habe auf Nachfrage einer Einsichtnahme nicht zugestimmt, so dass der Kläger vom Informationszugang ausgeschlossen sei.

Der Kläger meint, das Gutachten gehöre zum Informationsbestand der Beklagten und dies entspreche der Bestimmung des Gutachtens, das für die LMK erstellt worden sei, um es bundesweit den weiteren 13 Landesmedienanstalten zur eigenen Verwendung zur Verfügung zu stellen. Dies ergebe sich auch daraus, dass sich die LMK wiederholt auf Berliner Verfahren bezogen habe, um die Herausgabe des Gutachtens zu verweigern.

Der Kläger beantragt,

die Beklagte zu verpflichten, ihm Akteneinsicht in das Gutachten "Aufsichtsrechtliche Verfolgbarkeit von vermeintlich im Ausland befindlichen Content-Providern sowie dritten Beteiligten" von Rechtsanwalt D_____ vom 21. November 2007 zu gewähren.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

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Sie erläutert unter Vorlage einer E-Mail der LMK vom 28. Januar 2008, auf die wegen der Einzelheiten Bezug genommen wird, das Gutachten sei nicht zu ihren Vorgängen genommen worden. Vielmehr habe ihr die LMK den Zugang zum Download eröffnet mit der Beschränkung auf den internen Gebrauch und sie habe das Gutachten auf einer CD gesichert, die separat aufbewahrt und in der Art eines Fachbuches in der Bibliothek bei ihrer laufenden Überwachungstätigkeit verwendet werde.

Die Kammer hat den Rechtsstreit durch Beschluss vom 28. Juni 2011 dem Berichterstatter zur Entscheidung als Einzelrichter übertagen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Streitakte Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Verpflichtungsklage ist ohne Durchführung des Vorverfahrens gemäß § 75 S. 1 VwGO zulässig, da die Beklagte über den Antrag des Klägers auf Gewährung des Informationszugangs ohne zureichenden Grund in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat und bei Klageeingang die in § 75 S. 2 VwGO genannte Frist von drei Monaten seit dem Antrag auf Vornahme des Verwaltungsakts abgelaufen war. Die Klage ist jedoch unbegründet, denn der Kläger hat keinen Anspruch auf die begehrte Akteneinsicht in das Gutachten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).

Anspruchsgrundlage für das ausdrücklich auf das Berliner Informationsfreiheitsgesetz (IFG) gestützte Begehren des Klägers ist § 3 Abs. 1 Satz 1 IFG Bln. Danach hat jeder Mensch nach Maßgabe dieses Gesetzes gegenüber den in § 2 IFG Bln genannten öffentlichen Stellen nach seiner Wahl ein Recht auf Einsicht in oder Auskunft über den Inhalt der von der öffentlichen Stelle geführten Akten.

Es kann offenbleiben, ob die Voraussetzungen des § 3 Abs. 1 Satz 1 IFG Bln vollständig vorliegen. Die Landesmedienanstalt Berlin-Brandenburg gehört als landesunmittelbare Anstalt des öffentlichen Rechts im Sinne des § 28 Allgemeines Zuständigkeitsgesetz (AZG) grundsätzlich zu den in § 2 Abs. 1 IFG Bln genannten informationspflichtigen Stellen. Denn zu den landesunmittelbaren Anstalten zählen gemäß § 28 Abs. 2 Buchst. c) AZG auch solche Anstalten des öffentlichen Rechts, die durch Staatsvertrag der Aufsicht Berlins unterstellt sind. Insoweit bestimmt § 18 Abs. 1 Satz 1 des Staatsvertrages über die Zusammenarbeit zwischen Berlin und Brandenburg im Bereich des Rundfunks vom 29. Februar 1992 (GVBl. 1992, S. 150) in der Fassung des Vierten Staatsvertrages zur Änderung des Staatsvertrages über die

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Zusammenarbeit zwischen Berlin und Brandenburg im Bereich des Rundfunks vom 6. / 22. Januar 2009 (GVBl. S. 251), dass die Beklagte der staatlichen Rechtsaufsicht untersteht, die in zweijährigem Wechsel von dem nach der Geschäftsverteilung zuständigen Mitglied der Landesregierung von Brandenburg und der nach der Geschäftsverteilung zuständigen Berliner Senatsverwaltung ausgeübt wird. Da die Beklagte somit auch der Aufsicht Berlins unterstellt ist, dürfte viel dafür sprechen, dass die Voraussetzungen des § 2 Abs. 1 IFG Bln erfüllt sind, unabhängig davon, ob die Aufsicht gerade von einer obersten Behörde des Landes Berlin oder des Landes Brandenburg ausgeübt wird.

Das Gutachten ist eine Akte im Sinne des Berliner Informationsfreiheitsgesetzes. Nach § 3 Abs. 2 IFG Bln sind Akten im Sinne dieses Gesetzes alle schriftlich, elektronisch, optisch, akustisch oder auf andere Weise festgehaltenen Gedankenverkörperungen und sonstige Aufzeichnungen, insbesondere Schriftstücke, soweit sie amtlichen Zwecken dienen. Das auf einer Compactdisc gespeicherte Gutachten besteht in diesem Sinne aus elektronisch festgehaltenen und amtlichen Zwecken dienenden Gedankenverkörperungen.

Der vom Kläger erstrebten Akteneinsicht stehen jedoch der Ausschlussgrund des § 10 Abs. 3 Nr. 2 IFG entgegen. Nach dieser Vorschrift besteht das Recht auf Akteneinsicht nicht, soweit durch das Bekanntwerden des Akteninhalts Angaben und Mitteilungen öffentlicher Stellen, die nicht dem Anwendungsbereich dieses Gesetzes unterfallen, ohne deren Zustimmung offenbart werden (vgl. insoweit gleichlautend auch § 4 Abs. 1 Nr. 2 des brandenburgischen Akteneinsichts- und Informationszugangsgesetzes - AIG). Diese Einschränkung des Einsichtsrechts dient der Rücksichtnahme auf den Informationsbestand derjenigen öffentlichen Stellen, die nicht dem Anwendungsbereich des Informationsfreiheitsgesetzes des Landes Berlin unterliegen. Solange die Zustimmung dieser öffentlichen Stellen nicht vorliegt und im Wege der Akteneinsicht deren Angaben und Mitteilungen preisgegeben würden, wird die Aktenvorlage zu Recht verweigert (vgl. Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 19. Oktober 2005 - OVG 95 A 4.05 - und Urteil vom 11. März 2008 - OVG 12 B 1.07 - beide: Juris). Bei dem streitbefangenen Rechtsgutachten handelt es sich in diesem Sinne um die Mitteilung einer öffentlichen Stelle, nämlich der LMK, die nicht zu den in § 2 Abs. 1 IFG Bln genannten informationspflichtigen Stellen zählt, weil sie der Aufsicht der Landesregierung Rheinland-Pfalz untersteht (vgl. Urteil des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz vom 13. August 2010 - 10 A 10076/10.OVG -, Seite 8 des Urteilsabdrucks). Auf die Form der Übermittelung der

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fremden Information kann es im Hinblick auf die Regelung in § 3 Abs. 2 IFG Bln, die auch elektronisch festgehaltene Gedankenverkörperungen erfasst, nicht ankommen. Die LMK hat der Beklagten das Rechtgutachten nicht uneingeschränkt zur freien Verwertung überlassen, sondern vielmehr die Nutzung nach der E-Mail vom 28. Januar 2008 ausdrücklich auf den internen Gebrauch beschränkt. Dabei kommt es nicht darauf an, ob die LMK bereits bei der Erteilung des Gutachtenauftrags die Vorstellung hatte, das Gutachten später weiteren Landesmedienanstalten zur Verfügung zu stellen. Denn selbst wenn das entsprechende Vorbringen des Klägers zutreffend wäre, würde dies der von der LMK vorgenommenen Zugangsbeschränkung bei der Weitergabe des Gutachtens nicht entgegenstehen, weil diese die Auswertung des Gutachtens im internen Gebrauch nicht ausschließt. Im Übrigen zeigen auch die Urteile der rheinland-pfälzischen Verwaltungsgerichte, dass die LMK nach dem einschlägigen Landesrecht berechtigt war, den Zugang Dritter zu dem Gutachten zu beschränken.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Der Ausspruch zur vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. den §§ 708 Nr. 11, 711, 709 Satz 2 ZPO.

Rechtsmittelbelehrung

Gegen dieses Urteil steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie von dem Oberverwaltungsgericht zugelassen wird.

Die Zulassung der Berufung ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils schriftlich oder in elektronischer Form (Verordnung über den elektronischen Rechtsverkehr mit der Justiz im Lande Berlin vom 27. Dezember 2006, GVBl. S. 1183, in der Fassung der Zweiten Änderungsverordnung vom 9. Dezember 2009, GVBl. S. 881) zu beantragen. Der Antrag ist bei dem Verwaltungsgericht Berlin, Kirchstraße 7, 10557 Berlin zu stellen. Er muss das angefochtene Urteil bezeichnen.

Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des Urteils sind die Gründe schriftlich oder in elektronischer Form darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg, Hardenbergstraße 31, 10623 Berlin, einzureichen.

Vor dem Oberverwaltungsgericht müssen sich die Beteiligten durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für den Antrag auf Zulassung der Berufung. Als Bevollmächtigte sind Rechtsanwälte und Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz mit Befähigung zum Richteramt zugelassen. Darüber hinaus können auch die in § 67 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 bis 7 der Verwaltungsgerichtsordnung bezeichneten Personen und Organisationen auftreten. Ein als Bevollmäch-

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tigter zugelassener Beteiligter kann sich selbst vertreten. Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse können sich durch Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt vertreten lassen; das Beschäftigungsverhältnis kann auch zu einer anderen Behörde, juristischen Person des öffentlichen Rechts oder einem der genannten Zusammenschlüsse bestehen. Richter dürfen nicht vor dem Gericht, ehrenamtliche Richter nicht vor einem Spruchkörper auftreten, dem sie angehören.

Becker /Wol. Ausgefertigt

Justizbeschäftigte als Urkundsbeamte der Geschäftsstelle