Informationsfreiheit gebündelt, verschlagwortet und digitalisiert.

Die Entscheidungsdatenbank setzt Rechtssprechung in den Fokus und ermöglicht fundierte Recherchen zu aktuellen und vergangenen Urteilen und Entscheidungen rundum Informationsfreiheit.

Aktives Presserecht – Argumente für Auskünfte


Oft verweigern Behörden Auskünfte auf Anfragen von Journalist*innen. Sie berufen sich dabei in der Regel auf angebliche Ausnahmen nach den jeweils gültigen Landespressegesetzen. Häufig ist Unwissen der Grund für die Auskunftsverweigerung und nicht böser Wille. Als Teil des Projektes „Fragen und Antworten - Auskunftsrechte kennen und nutzen“, einer Kooperation mit Netzwerk Recherche, stärkt die Entscheidungsdatenbank das Wissen rundum Auskunftsrechte und hilft besser argumentieren zu können. Journalist*innen können für ihre Recherchen wichtige Urteile, Bescheide und Beschlüsse kostenlos im Volltext eingesehen und durchsuchen.

Information

Aktenzeichen
1 B 198/11
Datum
24. August 2011
Gericht
Oberverwaltungsgericht Bremen
Gesetz
Informationsfreiheitsgesetz Bremen (BremIFG)
Informationsfreiheitsgesetz Bremen (BremIFG)

Beschluss: Oberverwaltungsgericht Bremen am 24. August 2011

1 B 198/11

Auf die Tätigkeit der Wahlvorstände findet das Informationsfreiheitsgesetz keine Anwendung, da sie keine funktionale Verwaltungsqualität besitzt. Der Wahlleiter kann davon unabhängig nach pflichtgemäßem Ermessen Einsicht in die Wahlniederschriften gewähren, wenn ein berechtigtes Interesse vorliegt. Das Oberverwaltungsgericht bejaht das Vorliegen eines berechtigten Interesses und geht nicht davon aus, dass die Einsichtnahme Dritter in die Niederschriften der Wahlvorstände mit Anlagen das Wahlgeheimnis berührt. Das Oberverwaltungsgericht weist die Beschwerde gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts zurück. (Quelle: LDA Brandenburg)

Anwendungsbereich/ Zuständigkeit (Gesetzliche) Geheimhaltungspflichten Konkurrierende Rechtsvorschriften

/ 4
PDF herunterladen
Oberverwaltungsgericht der Freien Hansestadt Bremen OVG.: 1 B 198/11 (VG: 2 V 959/11) Beschluss In der Verwaltungsrechtssache hat das Oberverwaltungsgericht der Freien Hansestadt Bremen - 1. Senat - durch die Richter Göbel, Prof. Alexy und Traub am 24. August 2011 beschlossen: Die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Ver- waltungsgerichts der Freien Hansestadt Bremen - 2. Kammer - vom 22. August 2011 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die be- antragte Einsicht in die Wahlniederschriften mit Anlagen ab Donners- tag, den 25. August 2011, 9.00 Uhr zu gewähren ist. Die Kosten der Beschwerde trägt die Antragsgegnerin. Der Streitwert wird auch für das Beschwerdeverfahren auf 5.000,00 Euro festgesetzt. Gründe I. Die Antragstellerin ist eine Wählervereinigung, die bei der am 22.05.2011 durchgeführten Wahl zur Stadtverordnetenversammlung der Stadt Bremerhaven nach dem amtlich festgestellten Wahlergebnis drei Sitze errungen hat. Mit Schreiben vom 23.06.2011 hat die Antragstellerin beim Stadtwahlleiter Bremerhaven beantragt, ihr Einsicht in die Wahlniederschriften mit Anlagen zu gewähren. Sie erwäge, Einspruch gegen das amtlich festgestellte Wahlergebnis einzulegen. Die Stimmen von 25 weiteren Wählern hätten ausgereicht, um einen vierten Sitz in der Stadtverordnetenversammlung zu erhalten und damit den Fraktionsstatus zu erlangen. Angesichts des knappen Wahlergebnisses wolle sie überprüfen, ob die Wahl korrekt abgelau- fen und eine Nachzählung bzw. sogar eine Wiederholungswahl in einzelnen Wahlbereichen erforderlich sei. Der Stadtwahlleiter hat die Einsichtnahme mit Schreiben vom 05.07.2011 abgelehnt. Eine Rechtsgrund- lage für das Begehren sei nicht erkennbar. Eine Einsichtnahme würde im Übrigen zu einer Verletzung des Wahlgeheimnisses führen. Am 11.08.2007 hat die Antragstellerin beim Verwaltungsgericht beantragt, die Antragsgegnerin im We- ge einer einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihr die begehrte Einsicht zu gewähren. Die Sache sei dringlich, weil die Einspruchsfrist gegen das amtlich festgestellte Wahlergebnis am 29.08.2011 ablaufe.
1

-2- Das Verwaltungsgericht - 2. Kammer - hat mit Beschluss vom 22.08.2011 die beantragte einstweilige Anordnung erlassen. Grundlage für das Einsichtsbegehren sei § 1 Abs. 1 des Bremer Informationsfrei- heitsgesetzes. Dagegen hat die Antragsgegnerin am 23.08.2011 Beschwerde eingelegt. Sie ist der Ansicht, dass das Bremer Informationsfreiheitsgesetz nicht für die Einsicht in Wahlniederschriften gelte. Außerdem habe das Verwaltungsgericht verkannt, dass im Falle einer Einsichtnahme eine Verletzung des Wahlgeheim- nisses drohe. II. Die Beschwerde der Antragsgegnerin ist zulässig, aber unbegründet. Eine einstweilige Anordnung darf nach §§ 123 Abs. 1 und 3 VwGO, 920 Abs. 2 ZPO nur ergehen, wenn Anordnungsanspruch und -grund glaubhaft gemacht worden sind. Das Verwaltungsgericht hat zutref- fend angenommen, dass das hier der Fall ist. 1. Auf die am 22.05.2011 durchgeführte Wahl zur Stadtverordnetenversammlung der Stadt Bremerhaven haben das Bremische Wahlgesetz vom 22.04.1955 i. d. F. vom 16.11.2010 (BremGBl S. 565 - SaBremR 111-a-1) - BremWahlG - sowie die Bremische Landeswahlordnung vom 23.05.1990 i. d. F. vom 14.02.2011 (BremGBl S. 99, berichtigt: BremGBl S. 209 - SaBremR 111-a-2) - BremLWO - An- wendung gefunden. Danach ist von den Schriftführern der jeweiligen Wahlvorstände über die Wahlhandlung, die Zulassung der Wahlbriefe sowie die Ermittlung und Feststellung des Wahlergebnisses eine Niederschrift zu ferti- gen. Die Niederschrift betrifft die Tätigkeit der Wahlvorstände bei der Urnenwahl (§§ 58, 75 Abs. 3 BremLWO), bei der Briefwahl (§§ 58, 75b, 75c BremLWO) und beim Auszählen der Stimmzettel (§§ 58, 75a Abs. 2 BremLWO). Die Landeswahlordnung enthält insoweit Muster für das Anfertigen der Nieder- schriften (Anlage 17a bis 17c). Den Niederschriften sind die in § 58 Abs. 3 bis 5 BremLWO genannten Anlagen beizufügen. Hierbei handelt es sich um die vom Urnenwahlvorstand eingenommenen Wahl- scheine (Abs. 3), die vom Briefwahlvorstand zurückgewiesenen Wahlbriefe sowie die Wahlscheine, über deren Gültigkeit der Briefwahlvorstand gesondert beschlossen hat (Abs. 4), sowie die Stimmzettel und Stimmzettelumschläge, über die der Auszählwahlvorstand gesondert beschlossen hat (Abs. 5). 2. Das Verwaltungsgericht hat angenommen, dass als Grundlage für einen Anspruch auf Einsicht in die Wahlniederschriften mit Anlagen § 1 Abs. 1 des Bremer Informationsfreiheitsgesetzes vom 16.05.2006 (BremGBl S. 263), zuletzt geändert durch Gesetz vom 01.03.2011 (BremGBl S. 81, SaBremR 206-k-1) - BremIFG - in Betracht kommt. Ob dies zutrifft, erscheint fraglich, bedarf im vorliegenden Eilverfahren aber keiner abschließenden Klärung. Nach § 1 Abs. 1 Satz 1 BremIFG hat jedermann nach Maßgabe dieses Gesetzes gegenüber den Be- hörden des Landes, der Gemeinden oder der sonstigen der Aufsicht des Landes unterstehenden juristi- schen Personen des öffentlichen Rechts und deren Vereinigungen einen Anspruch auf Zugang zu amt- lichen Informationen. Behörde im Sinne dieser Vorschrift ist jede Stelle, die Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrnimmt. Der Behördenbegriff des § 1 Abs. 1 Satz 1 BremIFG knüpft insofern an den des § 1 Abs. 4 BremVwVfG an, es gilt also der - weite - funktionale Behördenbegriff (vgl. OVG Münster, U. v. 02.11.2010 - 8 A 475/10 - juris, Rn. 45; Schoch, IFG, 1. Aufl. 2009, § 1 Rn 78). Nach § 1 Abs. 1 Satz 2 BremIFG gilt das Gesetz auch für sonstige Organe und Einrichtungen des Landes und der Gemeinden, soweit sie öffentlich - rechtliche Verwaltungsaufgaben wahrnehmen. Satz 2, dem ebenfalls der funktionale Behördenbegriff zugrunde liegt, hat insoweit klarstellende Bedeutung (Schoch, a. a. O., § 1 Rn 90). Festzuhalten ist, dass alle Einrichtungen, die funktional Verwaltungstätigkeit aus- üben, dem Anwendungsbereich des § 1 Abs. 1 BremIFG unterliegen. Die Niederschriften, in die die Antragstellerin Einsicht begehrt, dokumentieren die Tätigkeit von Wahl- vorständen. Ob die Tätigkeit von Wahlvorständen funktional als Verwaltungstätigkeit anzusehen ist, ist indes fraglich. Wahlvorstände stellen eine spezifische Form bürgerschaftlicher Selbstorganisation dar. Das Wahlgesetz enthält spezielle Bestimmungen über ihre Konstituierung (vgl. § 11 BremWahlG). Die Mitglieder von Wahlvorständen, die ihre Tätigkeit ehrenamtlich ausüben (§ 13 Abs. 1 BremWahlG), sind -3-
2

-3- allein dem Gesetz unterworfen, unterliegen also keinen Weisungen. Wahlvorstände werden deshalb als „eine Art Selbstverwaltungsorgan der Aktivbürger“ bezeichnet, woraus die Schlussfolgerung gezogen wird, dass ihre Tätigkeit keine funktionale Verwaltungsqualität besitzt und mithin auch § 1 Abs. 1 Bre- mIFG keine Anwendung findet (so Schreiber, BWahlG, 8. Aufl. 2009, § 8 Rn 1). Die Frage der zutref- fenden rechtlichen Einordnung, die in einem einstweiligen Rechtsschutzverfahren einer abschließenden Klärung kaum zugänglich ist, kann hier aber offen bleiben. 3. Denn unabhängig davon kann der zuständige Wahlleiter einem Antragsteller nach pflichtgemäßem Ermessen Einsicht in die Wahlniederschriften mit Anlagen gewähren. Dem Ersuchen ist in der Regel Rechnung zu tragen, wenn ein berechtigtes Interesse an der Einsicht gegeben ist. Das ist hier der Fall. Im Einzelnen ergibt sich das aus Folgendem: a) Das BremWahlG sowie die BremLWO enthalten keine Regelungen, die die Einsichtnahme Dritter in die von den Wahlvorständen gefertigten Wahlniederschriften generell verbieten würden. Insbesondere lässt sich § 58 Abs. 8 BremLWO kein solches Verbot entnehmen. Die Vorschrift be- stimmt, dass Auszählwahlvorsteher, Gemeindebehörde und Wahlbereichsleiter sicherzustellen haben, dass die Wahlniederschriften mit den Anlagen Unbefugten nicht zugänglich sind. Die Vorschrift ver- pflichtet zu besonderer Sorgfalt bei der Verwahrung der Wahlniederschriften. Sie betrifft nicht die Frage der Einsichtnahme. Wahlniederschriften gehören auch nicht zu den in § 102 Abs. 2 BremLWO - abschließend bezeichneten - Wahlunterlagen, über die Auskünfte nur Behörden, Gerichten und sonstigen amtlichen Stellen erteilt werden dürfen. b) Der Einsichtnahme Dritter in die Wahlniederschriften steht ebenfalls nicht das verfassungsrechtlich geschützte Wahlgeheimnis entgegen. Das Wahlgeheimnis ist ein fundamentaler Wahlrechtsgrundsatz (Art. 75 Abs. 1 BremLV; Art. 38 Abs. 1 GG). Es bietet dem Wähler Schutz davor, dass ein Dritter gegen seinen Willen von seinem Stimmver- halten Kenntnis nimmt. Die Wahrung des Wahlgeheimnisses sichert zu einem hohen Grade die Unab- hängigkeit der Wahlentscheidung und erweist sich so als wichtigster institutioneller Schutz der Wahl- freiheit (BVerfG, B. v. 16.07.1998 - 2 BvR 1953/95 - BVerfGE 99, 1 <13>). Der Gesetzgeber ist ver- pflichtet, durch geeignete gesetzliche Regelungen sicherzustellen, dass das Wahlgeheimnis gewähr- leistet ist. Solche Regelungen werden im BremWahlG sowie in der BremLWO getroffen (vgl. für die Urnenwahl: §§ 26 Abs. 2, 28 Abs. 2 BremWahlG, §§ 38, 44 BremLWO; für die Briefwahl: § 29 Brem- WahlG, §§ 50, 55 ff. BremLWO). Das Wahlgeheimnis betrifft das Abstimmungsverhalten der Wähler, nicht das Wahlverfahren insgesamt. Dieses steht vielmehr - vom Wahlvorschlagsverfahren über die Wahlhandlung bis zur Ermittlung des Wahlergebnisses - unter der Herrschaft des Publizitätsprinzips (BVerfG, U. v. 03.03.2009 - 2 BvC 3/07, 2 BvC 4/07 - BVerfGE 123, 39 <68 ff.>). In diesem Sinne bestimmt das BremWahlG ausdrücklich, dass die Wahlhandlung und Auszählung der Stimmen öffentlich sind (§§ 26 Abs. 1, 30 Abs. 1). Die demokra- tische Legitimation der Wahl fordert, um den Verdacht von Manipulationen seitens der Wahlorgane auszuschließen, die Öffentlichkeit des Wahlverfahrens als Regel, die nur um der Freiheit der Wahl wil- len die Ausnahme der geheimen Stimmabgabe duldet (vgl. Hans H. Klein, in: Maunz/Dürig, Grundge- setz, Art. 38 Rn 113). Nach diesem Maßstab kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Einsichtnahme Dritter in die Niederschriften der Wahlvorstände mit Anlagen das Wahlgeheimnis berührt. Die Niederschriften doku- mentieren die - öffentliche - Tätigkeit der Wahlvorstände. Bereits unter diesem Gesichtspunkt kann nicht angenommen werden, dass die Einsichtnahme zu einem Eingriff in das Wahlgeheimnis führen könnte. Nach dem Inhalt der Anlagen 17a bis 17c zur BremLWO, die Muster für die Anfertigung der Nieder- schriften enthalten, ist das auch offenkundig. Nach diesen Mustern sind die einzelnen Handlungen der Wahlvorstände detailliert zu dokumentieren. Wahlhandlung und Auszählung der Stimmen werden auf diese Weise in Bezug auf jeden einzelnen Wahlvorstand rekonstruierbar. Das dient erkennbar der Kon- trolle der Wahlen. Rückschlüsse auf das Abstimmungsverhalten der einzelnen Wähler können aus den Niederschriften nicht gezogen werden. Im Gegenteil soll durch die Niederschrift gerade dokumentiert -4-
3

-4- werden, dass Wahl und Auszählung unter strikter Wahrung des Wahlgeheimnisses durchgeführt wor- den sind. Das Wahlgeheimnis wird entgegen der Ansicht der Antragsgegnerin auch nicht dadurch berührt, dass die Einsichtnahme auf die Anlagen erstreckt, die den Niederschriften beizufügen sind. Durch die eingenommenen Wahlscheine, die der Schriftführer des Urnenwahlvorstands gemäß § 58 Abs. 3 BremLWO der Niederschrift beizufügen hat, wird lediglich dokumentiert, dass der Inhaber eines Wahlscheins in dem betreffenden Wahlbezirk seine Stimme abgegeben hat. Irgendeinen Rückschluss auf das Abstimmungsverhalten des Betreffenden kann darauf nicht gezogen werden (zur Urnenwahl von Wahlscheininhabern vgl. § 46 BremLWO; zur Diskussion um die Urnenwahl von Wahlscheininha- bern vgl. auch Schreiber, a. a. O., § 14 Rn 10). Dass der Briefwahlvorstand die zurückgewiesenen Wahlbriefe sowie die Wahlscheine, über die geson- dert beschlossen worden ist, gemäß § 58 Abs. 4 BremLWO der Niederschrift beizufügen hat, hat eben- falls Kontrollfunktion. Die Wahlbriefe und Wahlscheine müssen bestimmten gesetzlichen Anforderun- gen genügen (vgl. § 31 Abs. 4 BremWahlG). Der Briefwahlvorstand hat zu überprüfen, ob diese Vor- aussetzungen im Einzelfall erfüllt sind. Für diese Prüfung gibt § 55a BremLWO ein bestimmtes Verfah- ren vor. Die Anlagen, die gemäß § 58 Abs. 4 BremLWO der Niederschrift beizufügen sind, dokumentie- ren das jeweilige Ergebnis der Prüfung. Ein Eingriff in das Wahlgeheimnis ist nicht erkennbar. Schließlich wird das Wahlgeheimnis auch nicht dadurch berührt, dass der Auszählvorstand gemäß § 58 Abs. 5 BremLWO der Niederschrift die Stimmzettel und - bei der Briefwahl - Stimmzettelumschläge beizufügen hat, die wegen Zweifeln an der Gültigkeit ausgesondert wurden (vgl. §§ 54b Abs. 3 Satz 2, 55b Abs. 3 Satz 3 BremLWO) und über die der Wahlvorstand sodann gesondert entschieden hat (vgl. §§ 54b Abs. 5 Satz 1, 55b Abs. 5 Satz 1 BremLWO). Die Beifügung dient ebenfalls erkennbar der Pub- lizität der Ermittlung und Feststellung des Wahlergebnisses; wer den Stimmzettel abgegeben hat, ist nicht erkennbar. c) Stehen somit wahlrechtliche Vorschriften und Wahlgrundsätze einer Einsicht Dritter in die Wahlnie- derschriften nicht entgegen, hat der Wahlleiter über einen entsprechenden Antrag nach pflichtgemäßen Ermessen zu entscheiden. Im Rahmen dieses Ermessens ist zu berücksichtigen, dass die Wahlnieder- schriften einen öffentlichen Vorgang dokumentieren. Kann ein Antragsteller ein berechtigtes Interesse an der Einsichtnahme geltend machen, ist deshalb in der Regel Einsicht zu gewähren (Schreiber, a. a. O., § 8 Rn 1). So liegt es hier. Die Antragstellerin beruft sich auf ein knappes Wahlergebnis, d. h. das Fehlen der Stimmen von 25 Wählern, um einen weiteren Sitz in der Stadtverordnetenversammlung zu erhalten und damit den Fraktionsstatus zu erlangen. Das begründet ein berechtigtes Interesse der Antragstellerin, in die Wahlniederschriften einzusehen, um nachvollziehen zu können, ob die Durchführung der Wahl so- wie die Ermittlung des Wahlergebnisses ordnungsgemäß waren. Ein Wahlprüfungsverfahren, das die Antragstellerin in Erwägung zieht, kann sie nur erreichen, wenn sie innerhalb der einmonatigen Ein- spruchsfrist nach § 47 Abs. 3 BremWahlG substantiiert Wahlfehler behauptet (vgl. zur Substantiie- rungspflicht StGH Bremen, U. v. 22.05.2008 - St 1/07 - NordÖR 2008, 323 <326>). Unter diesen Um- ständen kann ihr ein berechtigtes Interesse an einer Einsichtnahme nicht abgesprochen werden. 4. Wegen des bevorstehenden Ablaufs der Einspruchsfrist gegen das amtlich festgestellte Endergebnis ist auch ein Anordnungsgrund gegeben. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO; die Streitwertfestsetzung auf §§ 53 Abs. 3 Nr. 1, 52 Abs. 2 GKG. gez. Göbel                           gez. Prof. Alexy                  gez. Traub
4

Das Projekt „Fragen und Antworten - Auskunftsrechte kennen und nutzen“ wird gefördert von: