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Information

Aktenzeichen
9 L 246/11
Datum
9. Juni 2011
Gericht
Verwaltungsgericht Potsdam
Gesetz
Akteneinsichts- und Informationszugangsgesetz Brandenburg (AIG)
Akteneinsichts- und Informationszugangsgesetz Brandenburg (AIG)

Beschluss: Verwaltungsgericht Potsdam am 9. Juni 2011

9 L 246/11

Gegenstand des Eilverfahrens war die Einsicht in einen Verwaltungsvorgang zur Wertermittlung und Veräußerung eines Grundstücks. Der Ausschlussgrund zum Schutz von Unternehmensdaten besteht nicht nur bezogen auf einzelne Vertragsbestandteile wie Kaufpreis und Zahlungsmodalitäten, sondern erfasst den Vertrag aufgrund seiner Komplexität im Ganzen, ebenso das in den Kaufvertrag eingeflossene Wertermittlungsgutachten. Aussonderungen kommen nicht in Frage. Das Gericht wirft zwar die Frage auf, ob der vom Akteneinsichts- und Informationszugangsgesetz verlangte Geheimhaltungswillen des Unternehmens vor dem Hintergrund der Verankerung des Einsichtsrechts in der Landesverfassung als Voraussetzung für die Geheimhaltung ausreicht. Das Gesetz fordert nämlich weder ein schützenswertes Geheimhaltungsinteresse noch dessen Abwägung mit dem Einsichtsinteresse. Weder dies noch der geringere Schutz personenbezogener Daten im Vergleich zu Unternehmensdaten führen jedoch zur Verfassungswidrigkeit der Regelung. Um Umweltinformationen handelt es sich bei Unterlagen zu dem Grundstücksgeschäft nicht; dies kommt erst infolge späterer bauplanungsrechtlicher Entscheidungen in Betracht. Lediglich im Hinblick auf die Unterlagen zur Mitwirkung des Finanzministeriums verpflichtet das Gericht die Akten führende Stelle zur Neubescheidung, da es sich dabei nicht um einen geschützten Willensbildungsprozess handelt. (Quelle: LDA Brandenburg)

Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse Aussonderungen Interessenabwägung Konkurrierende Rechtsvorschriften Begriffsbestimmung Beratungsgeheimnis (behördlicher Entscheidungsprozess)

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VERWALTUNGSGERICHT POTSDAM BESCHLUSS VG 9 L 246/11 In dem verwaltungsgerichtlichen Verfahren der Bürgerinitiative, Antragstellerin, Prozessbevollmächtigter: Rechtsanwalt gegen den Landesbetrieb Forst Brandenburg - untere Forstbehörde - Betriebszentrale - Stabstelle Recht -, Zeppelinstraße 136, 14471 Potsdam, Az.: Antragsgegner, Beigeladener:       GmbH vertreten durch die Geschäftsführer, wegen Akteneinsichtsrechts hat die 9. Kammer des Verwaltungsgerichts Potsdam am 9. Juni 2011 durch den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgericht Kaufhold, die Richterin am Verwaltungsgericht Stüker-Fenski und den Richter Uecker beschlossen: 1. Der Antragsgegner wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, den Antrag der Antragstellerin auf Gewährung von Akteneinsicht in den gesamten bei dem Antragsgegner befindlichen Verwaltungsvorgang betreffend die Wertermittlung und Veräußerung des in der Gemarkung ... belegenen Grundstücks Flur .., Flurstück … unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden, soweit es um
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-2- Unterlagen zur Mitwirkung des Ministeriums der Finanzen des Landes Brandenburg geht. Im Übrigen wird der Antrag abgelehnt. Die Antragstellerin trägt 4/5 und der Antragsgegner 1/5 der Kosten des Verfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst trägt. 2. Der Streitwert wird auf 5.000 Euro festgesetzt. Gründe: Der Antrag der gemäß § 61 Nr. 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) i.V.m. § 9 Abs. 1 Akteneinsichts- und Informationszugangsgesetz (AIG) beteiligungsfähigen Antragstellerin, den Antragsgegner im Wege einer einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihr Akteneinsicht in den gesamten bei dem Antragsgegner befindlichen Verwaltungsvorgang betreffend die Ausschreibung, Wertermittlung und Veräußerung des Grundstücks in der Gemarkung ... , Flur .., Flurstück …, mit einer Größe von 87.563 qm zu gewähren, insbesondere in etwaige Wertermittlungsgutachten, Unterlagen betreffend die Einbeziehung und Mitzeichnung des Ministeriums der Finanzen des Landes Brandenburg sowie den vollständigen am 11. Mai 2009 mit der GmbH, beurkundeten Grundstückskaufvertrag, den die Antragstellerin in dem Erörterungstermin vom 11. Mai 2011 zunächst beschränkt und danach wieder erweitert hat, ist im Wesentlichen zulässig. Soweit die Antragstellerin Einsicht in andere als die von ihr in dem Antrag im Einzelnen konkretisierten Aktenbestandteile begehrt, fehlt es allerdings schon an dem erforderlichen Rechtsschutzbedürfnis, denn der Antragsgegner hat in dem Erörterungstermin seine Bereitschaft signalisiert, dem grundsätzlich nachzukommen. Dass seine dahingehende Aussage im Allgemeinen geblieben ist, ist hinzunehmen, -3-
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-3- weil dies auf das Verhalten der Antragstellerin zurückzuführen ist, die ihren Antrag im Termin zunächst auf die im Rahmen der Verkaufsverhandlungen eingeholten Gutachten zur Waldwertermittlung (Waldgutachten) und zur Ermittlung eines möglichen Planungsgewinns (Planungsgewinngutachten) beschränkt hat. Jedenfalls ist davon auszugehen, dass der Antragsgegner der Antragstellerin insoweit nunmehr auf konkrete Nachfrage – soweit rechtlich zulässig – Akteneinsicht gewähren wird. Soweit die Antragstellerin Einsicht in Ausschreibungsunterlagen begehrt, fehlt das Rechtsschutzbedürfnis schon deshalb, weil eine Ausschreibung des in Rede stehenden Grundstücksverkaufs nach den von der Antragstellerin nicht bestrittenen Angaben des Antragsgegners im Erörterungstermin gar nicht stattfand, es hierzu mithin auch keine Unterlagen gibt. In der Sache hat der Antrag in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg. Gemäß § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO kann das Gericht, auch schon vor Klageerhebung, zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis eine einstweilige Anordnung treffen, wenn die Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile, zur Verhinderung drohender Gewalt oder aus anderen Gründen nötig erscheint. Gemäß § 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung ist Voraussetzung hierfür, dass der Antragsteller einen Anspruch auf die begehrte Leistung (Anordnungsanspruch) sowie die besondere Dringlichkeit seines Begehrens (Anordnungsgrund) glaubhaft macht. Nimmt die begehrte einstweilige Anordnung – wie hier – die Hauptsache vorweg, setzt dies überdies voraus, dass die Regelung schlechterdings notwendig ist, weil die sonst zu erwartenden Nachteile für den Antragsteller unzumutbar wären, und zudem ein hoher Grad an Wahrscheinlichkeit für einen Erfolg auch in der Hauptsache spricht; vgl. Kopp/Schenke, Verwaltungsgerichtsordnung, 15. Auflage 2007, § 123 Rn. 14 m.w.N. Diese Voraussetzungen sind (nur) hinsichtlich der begehrten Einsicht in Unterlagen betreffend die Mitwirkung des Ministeriums der Finanzen im Zusammenhang mit dem Verkauf des in Rede stehenden Grundstücks und zwar soweit erfüllt, dass die Antragstellerin einen Anspruch auf erneute Bescheidung hat. Hinsichtlich des beurkundeten Grundstückskaufvertrags und entsprechender Verkaufsverhandlungen -4-
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-4- sowie der Wertermittlungsgutachten ist das Bestehen eines Anspruchs nicht in dem erforderlichen hohen Grad wahrscheinlich. Die Antragstellerin kann sich zwar grundsätzlich auf das Akteneinsichtsrecht gemäß § 1 AIG stützen, wonach jeder nach Maßgabe dieses Gesetzes das Recht auf Einsicht in Akten hat, soweit nicht überwiegende öffentliche oder private Interessen nach     §§   4   und   5  AIG    entgegenstehen   oder  andere   Rechtsvorschriften bereichsspezifische Regelungen für einen unbeschränkten Personenkreis enthalten. Die Anspruchsgrundlage findet nämlich gemäß § 9 AIG ausdrücklich auch auf Bürgerinitiativen Anwendung. Soweit der Antragsgegner daran zweifelt, dass fiskalische Vorgänge – wie das in Rede stehende Grundstücksgeschäft – überhaupt in den Anwendungsbereich des AIG fallen, teilt die Kammer diese Bedenken nicht. Eine Beschränkung auf Unterlagen staatlicher Verwaltungstätigkeit besteht gemäß § 2 Abs. 2 Satz 1 AIG nur für die in § 1 Abs. 3 Nr. 1 bis 5 Landesorganisationsgesetz (LOG) genannten Stellen, zu denen der Antragsgegner als Landesbetrieb im Sinne von § 14 LOG nicht gehört. Vgl. hierzu Hartge, LKV 2007, S. 7, 10. Ebenso wenig setzt der Anspruch auf Akteneinsicht gemäß § 1 AIG die Geltendmachung eines berechtigten Interesses voraus. Es ist daher unerheblich, ob die von der Antragstellerin begehrte Einsichtnahme ihrem eigentlichen Anliegen nützen kann, auf die städtebauliche Planungen der Stadt Potsdam hinsichtlich des in Rede stehenden Grundstücks Einfluss zu nehmen. Vgl. hierzu Breidenbach/Palenda, LKV 1998, S. 252, 253 m.w.N. Auch gehen der Anwendung des AIG nicht anderweitige bereichsspezifische Rechtsvorschriften, namentlich das Umweltinformationsgesetz des Bundes (UIG), das in Brandenburg nach § 1 Umweltinformationsgesetz des Landes Brandenburg -5-
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-5- (BbgUIG) Anwendung findet, vor. Denn um Umweltinformationen im Sinne von § 1 BbgUIG i.V.m. § 2 Abs. 3 UIG handelt es sich bei den Unterlagen zu dem Grundstücksgeschäft nicht; insbesondere stellen diese Unterlagen keine Daten nach § 2 Abs. 3 Nr. 3 lit. a UIG über Maßnahmen oder Tätigkeiten dar, die sich auf die Umweltbestandteile im Sinne der Nr. 1 oder auf Faktoren im Sinne der Nr. 2 auswirken oder wahrscheinlich auswirken. Das Grundstücksgeschäft ist im Hinblick auf    entsprechende     Umweltbelange    für  sich  genommen    neutral.  Etwaige Auswirkungen auf natürliche Lebensräume oder auf Emissionen treten – soweit ersichtlich  –  erst    infolge der  noch     ausstehenden  bauplanungsrechtlichen Entscheidungen ein. Jedoch ist bei der Prüfung, ob ein hoher Grad an Wahrscheinlichkeit für ein Obsiegen der Antragstellerin in der Hauptsache besteht, davon auszugehen, dass der Akteneinsicht, soweit sich das Begehren der Antragstellerin nicht auf die Unterlagen betreffend die Mitwirkung des Ministeriums der Finanzen bezieht, überwiegende private Interessen nach § 5 AIG entgegenstehen. Gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 3 AIG ist der Antrag auf Akteneinsicht abzulehnen, soweit dadurch ein Antragsteller oder ein Dritter von einer Tatsache Kenntnis erlangen würde, die nur einem eng begrenzten Personenkreis bekannt ist, zu einem bestimmten Geschäftsbetrieb in Beziehung steht und die nach dem Willen des Unternehmens geheim zu halten ist oder an deren Geheimhaltung das Unternehmen ein schutzwürdiges Interesse hat. Dass diese Voraussetzungen erfüllt sind, hat der Antragsgegner im Hinblick auf den in Rede stehenden Grundstückskaufvertrag zu Recht angenommen. Der Vertrag ist lediglich einem eng begrenzten Personenkreis bekannt, nämlich den Vertretern der Vertragsparteien und des gemäß § 64 Abs. 1 Landeshaushaltsordnung (LHO) in die Veräußerung     einwilligenden   Ministeriums    der  Finanzen  sowie    dem   das Rechtsgeschäft beurkundenden Notar. Nach dem Willen der Beigeladenen soll er geheim gehalten werden. Der Vertrag steht zu dem Geschäftsbetrieb der Beigeladenen auch in Bezug, weil die Beigeladene Vertragspartei ist und -6-
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-6- beabsichtigt,   das    erworbene   Grundstück    gewerblich     zu   entwickeln.   Der Ausschlussgrund des § 5 Abs. 1 Nr. 3 AIG besteht dabei nicht nur bezogen auf einzelne Vertragsbestandteile wie Kaufpreis und Zahlungsmodalitäten, sondern erfasst    den    Vertrag    im   Ganzen.     Denn    die      Bestimmungen      eines Grundstückskaufvertrags stellen regelmäßig ein komplexes und nicht aufspaltbares Regelungsgefüge dar, weil sie ineinander greifen und aufeinander aufbauen. Vgl. in diesem Zusammenhang zu § 4 Abs. 1 Landespressegesetz NRW VG Köln, Urteil vom 27. Januar 2011 – 6 K 4165/09 -, juris Rn. 50. Den Angaben des Antragsgegners und der Beigeladenen im Termin zufolge werden mit den Regelungen des Kaufvertrags insbesondere auch die grundstücksbezogenen Planungsvorstellungen des Unternehmens in Bezug genommen. Aus diesen Gründen unterfallen auch die Vertragsverhandlungen im Vorfeld des Vertragsschlusses dem Ausschlusstatbestand des § 5 Abs. 1 Nr. 3 AIG. Nach dem Wortlaut des § 5 Abs. 1 Nr. 3 AIG fordert der Ausschlussgrund weder ein schützenswertes Interesse des Unternehmens an der Geheimhaltung noch eine Abwägung seines Geheimhaltungsinteresses mit dem Informationsinteresse; der Geheimhaltungswille des Unternehmens geht generell vor und genügt für die Versagung. Zwar wirft dies mit Blick auf Art. 21 Abs. 4 Verfassung des Landes Brandenburg (LV) Fragen auf. Danach besteht das Recht auf Akteneinsicht nämlich, soweit nicht überwiegende öffentliche oder private Interessen entgegenstehen. Für die somit angelegte Abwägung zwischen dem Interesse an der Akteneinsicht und dem entgegenstehenden Geheimhaltungsinteresse des Unternehmens lässt § 5 Abs. 1 Nr. 3 AIG der Verwaltung keinen Raum. Die pauschale gesetzliche Ausschlussregelung       nimmt    die   Abwägung      vielmehr       zugunsten     des unternehmerischen Geheimhaltungsinteresses vorweg. Mit Blick darauf, dass Art. 21 Abs. 4 LV das Recht auf Akteneinsicht nur nach Maßgabe des Gesetzes einräumt, erscheint dies aber nicht von vornherein unzulässig. Hinzu kommt, dass die gesetzliche Regelung nicht nur als Beschränkung des verfassungsrechtlich -7-
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-7- verbürgten Akteneinsichtsrechts, sondern auch als Ausdruck eines weitreichenden gesetzlichen Ausgestaltungs- bzw. Regelungsvorbehalts aufzufassen ist, der es weitgehend     dem     Gesetzgeber     überlässt,  Inhalt   und    Reichweite   des Akteneinsichtsrechts zu bestimmen, solange er hierdurch nicht in den in Art. 21 Abs. 4 LV angelegten Kern der Akteneinsichtsrechts eingreift. Letzteres ist – jedenfalls auf der Grundlage des im Eilverfahren beschränkten Prüfungsmaßstabs – bei dem Versagungstatbestand des § 5 Abs. 1 Nr. 3 AIG nicht der Fall. Vielmehr erscheint     der     weitreichende      Ausschluss    der      Einsichtnahme     in unternehmensbezogene Daten als Konsequenz daraus gerechtfertigt, dass das Recht auf Akteneinsicht bedingungslos, geradezu aus purer Neugier, beansprucht werden kann. Es mag zwar ungereimt erscheinen, dass der Versagungsgrund nach dem Wortlaut der Bestimmung sogar dann zum Tragen kommen soll, wenn der Wille des Unternehmens der Akteneinsicht gar nicht entgegensteht. Jedoch stellt § 5 Abs. 2 Nr. 4 AIG die Akteneinsicht zumindest dann in das Ermessen der Behörde, wenn die unternehmensbezogenen Daten im Sinne von § 5 Abs. 1 Nr. 3 AIG mit Zustimmung des Unternehmens offenbart werden. Durchgreifende Bedenken ergeben sich auch nicht aus dem Umstand, dass der Gesetzgeber für den parallel gelagerten Versagungstatbestand der Offenbarung personenbezogener Daten nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 AIG insoweit eine Ausnahme zulässt, als die Akteneinsicht gemäß § 5 Abs. 2 Nr. 3 AIG – trotz entgegenstehenden Willens des Betroffenen – gewährt werden kann, soweit aufgrund besonderer Umstände des Einzelfalls im Hinblick auf den    Zweck    der   politischen Mitgestaltung   das   Offenbarungsinteresse   des Antragstellers das Interesse der betroffenen Person an der vertraulichen Behandlung der Information überwiegt. Indem eine vergleichbare Bestimmung für Fälle eines besonderen Interesses an der Offenbarung unternehmensbezogener Daten nicht besteht, reicht der Schutz unternehmensbezogener Daten weiter als der Schutz personenbezogener Daten. Dies mag verfassungspolitisch inkonsequent erscheinen, führt aber nicht zwingend zur Verfassungswidrigkeit der Regelung. Denn es handelt sich bei dem Schutz personenbezogener und unternehmensbezogener Daten unter anderem deswegen um durchaus unterschiedliche Konstellationen, weil sich Unternehmen anders als Privatpersonen in der Regel im wirtschaftlichen Wettbewerb befinden. Mithin verfügt der Gesetzgeber insoweit auch über unterschiedliche Gestaltungsbefugnisse. -8-
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-8- Vgl. zu der ähnlichen Konstellation im          Hinblick auf §§ 5 f. des Informationsfreiheitsgesetzes         jeweils         m.w.N.         Schoch, Informationsfreiheitsgesetz, 2009, § 6 Rn. 72 ff.; zur Verfassungswidrigkeit tendierend Kloepfer/Greve, NVwZ 2011, 577. Ungeachtet dessen hat die Antragstellerin besondere Umstände des Einzelfalls, aufgrund derer ihrem Offenbarungsinteresse im Hinblick auf den Zweck der politischen Mitgestaltung gegebenenfalls der Vorrang einzuräumen wäre, auch nicht substantiiert dargelegt und glaubhaft gemacht. Es wird schon nicht hinreichend klar, inwieweit die Kenntnis zu den Einzelheiten des Grundstückkaufvertrags für die von der    Antragstellerin   beabsichtigte   Mitgestaltung   der   Bauleitplanung   bzw. Einflussnahme auf die bauliche Entwicklung des Grundstücks von maßgeblicher Bedeutung sein soll. Gleiches gilt im Wesentlichen für die eingeholten Gutachten. Auch insoweit ist es im Rahmen der hier vorzunehmenden Prüfung nicht zu beanstanden, dass der Antragsgegner dem Akteneinsichtsbegehren den Versagungsgrund des § 5 Abs. 1 Nr. 3 AIG entgegenhält. Neben dem bereits Gesagten ist lediglich fraglich, ob es sich bei diesen Gutachten überhaupt um Tatsachen handelt, die zu einem bestimmten Geschäftsbetrieb in Beziehung stehen. Davon ist nach den Erläuterungen des Antragsgegners und der Beigeladenen im Erörterungstermin auszugehen. Denn danach      wurden     die   Gutachten    nicht   losgelöst   von    den   konkreten Vertragsverhandlungen zwischen der Beigeladenen und dem Antragsgegner erstellt, sondern im Rahmen derselben gerade zum Zweck der Ermittlung des Kaufpreises. Vertragsverhandlungen mit Dritten, bei denen den Gutachten hätte Bedeutung zukommen können, gab es nach den Angaben des Antragsgegners nicht. Schon damit weisen die Gutachten eine Beziehung zum Geschäftsbetrieb der Beigeladenen auf. Hinsichtlich des Planungsgewinngutachtens kommt hinzu, dass es auf der Grundlage der konkreten betrieblichen Pläne der Beigeladenen zur Entwicklung des Grundstücks gefertigt wurde, um den möglichen Planungsgewinn zu ermitteln. Insoweit steht es zu deren Unternehmen auch in einer konkreten inhaltlichen -9-
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-9- Beziehung.     Einen    solchen   inhaltlichen Unternehmensbezug        weist    das Waldgutachten zwar nicht auf; es diente vielmehr der Ermittlung des gegenwärtigen Werts des Waldgrundstücks, ohne dass hierfür die Person der Beigeladenen oder sonstige Personen von Belang gewesen wären. Indem das Waldgutachten aber ebenso     wie  das   Planungsgewinngutachten   unmittelbar   in  den    Kaufvertrag eingeflossen ist, ist die erforderliche Beziehung zu dem Unternehmen der Beigeladenen auch insoweit anzunehmen. Der Einwand der Antragstellerin, der erforderliche Bezug zu dem Geschäftsbetrieb könne nicht dadurch hergestellt werden, dass der Kaufvertrag auf das Ergebnis der Gutachten nachträglich Bezug nehme,     berücksichtigt  nicht hinreichend,  dass    die   Gutachten     von   den Vertragsparteien übereinstimmend und gerade mit dem Ziel der Bestimmung der Vertragsbedingungen in Auftrag gegeben wurden. Sie sind daher unmittelbar mit den wesentlichen Regelungen des Kaufvertrags verknüpft. Dass es sich um eine Vorbereitungshandlung zu dem Vertragsabschluss handelte, ist unerheblich. Im Übrigen gilt auch für die Gutachten, dass es sich um komplexe Prüfungen und Darstellungen handelt, die ineinander greifen und aufeinander aufbauen, weshalb eine Aufspaltung in betriebsbezogene und nicht betriebsbezogene Tatsachen im Rahmen des Ausschlusstatbestandes des § 5 Abs. 1 Nr. 3 AIG nicht erfolgt. Steht der Akteneinsicht in den Grundstückskaufvertrag und die Gutachten schon der Versagungsgrund des § 5 Abs. 1 Nr. 3 AIG entgegen, kann dahinstehen, inwieweit auch § 5 Abs. 1 Nr. 1 AIG einschlägig ist, wonach die Akteneinsicht im Fall der Offenbarung personenbezogener Daten ebenfalls grundsätzlich abzulehnen ist. Unmittelbar aus Art. 21 Abs. 4 LV kann der geltend gemachte Anspruch ebenfalls nicht hergeleitet werden. Der Gesetzgeber ist dem Gestaltungsauftrag der Verfassung zur Umsetzung des Rechts auf Akteneinsicht mit dem Erlass des AIG nachgekommen. Da die Regelungen des AIG den verfassungsrechtlichen Vorgaben – jedenfalls soweit hier von Bedeutung – genügen, ist für einen Rückgriff auf Art. 21 Abs. 4 LV kein Raum; vgl. Breidenbach/Palenda, LKV 1999, 1307 (1308); a.A. Partsch, NJW 1998, 2559 (2560). - 10 -
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- 10 - Anders liegt es indes hinsichtlich der Unterlagen betreffend die Mitwirkung des Ministeriums der Finanzen des Landes Brandenburg gemäß § 64 Abs. 1 LHO. Der von dem Antragsgegner hierzu angeführte Versagungsgrund des § 4 Abs. 2 Nr. 1 AIG greift jedenfalls nicht. Danach soll der Antrag auf Akteneinsicht unter anderem abgelehnt werden, soweit sich der Inhalt der Akten auf den Prozess der Willensbildung innerhalb von und zwischen Behörden oder Verwaltungseinrichtungen bezieht.   Bei   der    Beteiligung  des     Finanzministeriums  im   Rahmen      der Grundstücksveräußerung handelt es sich indes nicht um eine schlichte Einbeziehung in den Prozess der Willensbildung. Gemäß § 64 Abs. 1 LHO dürfen landeseigene Grundstücke nämlich nur mit Einwilligung des Ministeriums der Finanzen veräußert werden. Dem Ministerium kommt mithin eine eigenständige, von der Willensbildung des Antragsgegners losgelöste verbindliche Entscheidungsgewalt zu. Ein durchgreifender Anspruch auf Einsicht in die Unterlagen betreffend die Mitwirkung des Ministeriums der Finanzen kann der Antragstellerin indes – beim gegenwärtigen Erkenntnisstand – im Ergebnis auch nicht zugesprochen werden. Denn die Kammer vermag bei summarischer Prüfung – schon mangels Kenntnis der in Rede stehenden Unterlagen – nicht abzusehen, ob bzw. inwieweit der begehrten Einsicht sonstige Versagungsgründe entgegenstehen. Insbesondere ist auch insoweit an die Versagungstatbestände gemäß § 5 Abs. 1 Nrn. 1 und 3 AIG zu denken. Von einer diesbezüglichen Erörterung ist in dem Termin vom 11. Mai 2011 ausdrücklich abgesehen worden, nachdem die Antragstellerin ihren Antrag dort ausdrücklich auf die Gutachten beschränkt hatte. Das Vorliegen geschützter personen- und unternehmensbezogener Daten ist jedoch keinesfalls auszuschließen. Vielmehr ist davon auszugehen, dass das Finanzministerium im Rahmen der Einwilligung in das Grundstücksgeschäft zumindest die hierzu eingeholten Gutachten und den Entwurf des Kaufvertrags geprüft hat. Hinzu kommt, dass dem um Akteneinsicht Nachsuchenden im Fall von Versagungsgründen gemäß § 6 Abs. 2 Satz 1 AIG zumindest der übrige Teil der Akte zugänglich zu machen ist, soweit der Schutz der in den §§ 4 und 5 AIG genannten öffentlichen und privaten Belange durch Aussonderung bzw. Schwärzung von Aktenteilen oder Einzeldaten gewährleistet werden kann. Ist die Aussonderung mit einem unverhältnismäßig hohen Aufwand - 11 -
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