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Aktenzeichen
13 K 3505/09
Datum
17. Mai 2011
Gericht
Verwaltungsgericht Stuttgart
Gesetz
Informationsfreiheitsgesetz Bund (IFG)
Informationsfreiheitsgesetz Bund (IFG)

Urteil: Verwaltungsgericht Stuttgart am 17. Mai 2011

13 K 3505/09

Strittig waren Informationen aus einem bei der Wehrbereichsverwaltung vorhandenen Lieferanten-Reporting. Das Gericht stellt fest, dass dieses der Kontrolle der Erfüllung von Rahmenverträgen dient und somit als amtliche Information im Sinne des Informationsfreiheitsgesetzes zu werten ist. Auf die Handlungsform der informationspflichtigen Stelle kommt es nicht an (hier: „fiskalisches Hilfsgeschäfts“). Eine verdrängende Spezialität gegenüber dem Informationsfreiheitsgesetz ist nur für solche Rechtsvorschriften anzunehmen, die in gleicher Weise wie dieses Gesetz Regelungen über den Informationszugang enthalten. Bei der Verdingungsordnung für Leistungen – Teil A (Ausgabe 2009) ist dies aber nicht der Fall. Sie enthält zwar eine Pflicht zur vertraulichen Behandlung der Unterlagen während des laufenden Vergabeverfahrens, sie beschränkt sich aber auf „Angebote und ihre Anlagen“ sowie auf die „Dokumentation über die Angebotseröffnung.“ Auch kommt § 111 GWB, der ein eingeschränktes Einsichtsrecht der Bieter im Nachprüfungsverfahren vorsieht, keine verdrängende Spezialität zu. Außerdem bewertet das Gericht im Einzelnen, ob in Bezug auf bestimmte Informationen Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse vorliegen. (Quelle: LDA Brandenburg)

Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse Konkurrierende Rechtsvorschriften Begriffsbestimmung Fiskalische Interessen

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13 K 3505/09 VERWALTUNGSGERICHT STUTTGART Im Namen des Volkes Urteil In der Verwaltungsrechtssache wegen Bewilligung einer Informationsgewährung nach dem Informationsfreiheitsgesetz hat das Verwaltungsgericht Stuttgart - 13. Kammer - durch die Vorsitzende Richterin am Verwaltungsgericht XXX den Richter am Verwaltungsgericht XXX den Richter am Verwaltungsgericht XXX den ehrenamtlichen Richter XXX die ehrenamtliche Richterin XXX aufgrund der mündlichen Verhandlungen vom 01. Februar 2011 und vom 17. Mai 2011 am 17. Mai 2011 für R e c h t erkannt: 1. Der Bescheid der Beklagten vom 19.06.2009 und der Widerspruchsbescheid vom 12.08.2009 werden aufgehoben. Die Beklagte wird verpflichtet, die von der Klägerin begehrte Gewährung von Ein- sicht in die monatlichen Aufstellungen über die von der Beigeladenen zur Erfüllung des Rahmenvertrages XXX erbrachten Leistungen entsprechend Ziffer 6 Punkt 6.2 der Anlage 2 zum Rahmenvertrag (Lieferanten-Reportings) durch Überlassung der Aufstellungen (Fotokopien oder Ausdrucke) ohne Artikel-Nummern, Kunden- Nummern und ohne Preisangaben zu bewilligen. 2. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens mit Ausnahme der außergerichtli- chen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst trägt.
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- 2 - 3. Die Zuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren war notwendig. 4. Die Berufung wird zugelassen. Tatbestand Die Klägerin macht einen Informationsanspruch nach dem Informationsfreiheitsgesetz (IFG) geltend. Die Klägerin, eine GmbH, die mit Büromaterial handelt, beteiligte sich im Jahr 2006 an einem Ausschreibungsverfahren der Beklagten für einen Rahmenvertrag über die Liefe- rung von Drucker-Verbrauchs-Material (Toner, Kartuschen, Tintenpatronen, Farbbänder für Nadeldrucker, Datenträger, etc.) einschließlich deren kostenloser Abholung und Ent- sorgung. Das Angebot der Klägerin erhielt jedoch nicht den Zuschlag, weil dieses nach Ansicht der Beklagten einzelne Leistungsmerkmale zur Leistungsbeschreibung nicht erfüll- te. Den Zuschlag erhielt vielmehr die Beigeladene, die als Mitbewerberin im Ausschrei- bungsverfahren ebenfalls ein Angebot abgegeben hatte. Daraufhin wurde mit der Beigeladenen am 15.08.2006 ein Rahmenvertrag über die Liefe- rung des ausgeschriebenen Drucker-Verbrauchs-Materials geschlossen, dessen Laufzeit zunächst auf ein Jahr begrenzt war und einmal um ein weiteres Jahr verlängert werden konnte. Weiter war in § 11 Abs. 2 des Rahmenvertrags geregelt, dass für den Fall, dass das vertraglich vereinbarte Auftragsvolumen am Ende der Vertragslaufzeit nicht erreicht ist, sich die Vertragslaufzeit automatisch um den Zeitraum verlängert, der zum Erreichen des Auftragsvolumens erforderlich ist (vgl. im Einzelnen Rahmenvertrag vom 01.09.2006; Auftrag Nr. XXX). Mit Schreiben vom 15.01.2009 nahm die Wehrbereichsverwaltung Süd für die Beklagte die vertraglich vereinbarte Option der Vertragsverlängerung um ein Jahr wahr, woraufhin die Vertragsdauer des Rahmenvertrages mit einem entsprechenden Änderungsvertrag zwi- schen der Beklagten und der Beigeladenen bis zum 31.12.2009 verlängert wurde.
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- 3 - Mit Schreiben vom 29.01.2009 bat die Klägerin die Wehrbereichsverwaltung Süd um Aus- kunft, ob der Rahmenvertrag weiterhin Gültigkeit habe und auf welcher Vertragsgrundlage Originalprodukte beschafft würden. Dieses Auskunftsersuchen wies die Beklagte mit Schreiben vom 06.02.2009 mit der Be- gründung zurück, sie könne keinerlei Auskünfte zu bestehenden oder abgelaufenen Ver- trägen mit Dritten erteilen. Auf den mit Anwaltsschreiben vom 01.02.2009 eingelegten Widerspruch hob die Wehrbe- reichsverwaltung Süd den Bescheid vom 06.02.2009 durch Widerspruchsbescheid vom 11.03.2009 auf. Gleichzeitig teilte die Wehrbereichsverwaltung Süd der Klägerin mit, dass der Rahmenvertrag noch bis zum 31.12.2009 Gültigkeit habe und Originalprodukte auf- grund dieses Rahmenvertrages beschafft würden. Soweit Originalware benötigt würde, die nicht im Rahmenvertrag aufgelistet sei, erfolge die Beschaffung im Rahmen eines eigenen Vergabeverfahrens nach VOL/A. Mit dieser Auskunft gab sich die Klägerin nicht zufrieden. Mit Anwaltsschriftsatz vom 25.03.2009 fragte sie weiter nach, auf welcher Grundlage der Rahmenvertrag bis zum 31.12.2009 verlängert wurde, welche Originalprodukte aufgrund des Rahmenvertrages beschafft würden und aus welchem Grund die Klägerin keine Ausschreibungsunterlagen zur weiteren Beschaffung solcher Originalprodukte erhalten habe. Darüber hinaus verlang- te die Klägerin die Überlassung der Lieferanten-Reportings zum Rahmenvertrag Nr. XXX. Auf diese Fragen teilte die Wehrbereichsverwaltung Süd der Klägerin mit Schreiben vom 23.04.2009 mit, dass der Rahmenvertrag am 31.08.2008 endete und seine Verlängerung bis zum 31.12.2009 auf den vertraglichen Vereinbarungen des Rahmenvertrages basiere. Welche Originalprodukte aufgrund des Rahmenvertrages beschafft würden, sei Inhalt des zugrundeliegenden Angebots, dessen Inhalt jedoch dem Vertraulichkeitsgebot des § 22 Nr. 6 Abs. 1 VOL/A unterliege. Dasselbe gelte für die Lieferanten-Reportings, die deshalb nicht überlassen werden könnten. Darauf antwortete die Klägerin der Beklagten mit Anwaltsschriftsatz vom 08.05.2009, dass die Lieferanten-Reportings nicht dem Vertraulichkeitsgebot des § 22 Nr. 6 Abs. 1 VOL/A unterliegen würden und deren Überlassung verlangt werde, um die Rechtmäßigkeit der
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- 4 - Verlängerung des Rahmenvertrages nachprüfen zu können (vgl. im Einzelnen Anwalts- schriftsatz vom 08.05.2009). Hierauf teilte die Wehrbereichsverwaltung Süd der Klägerin mit Schreiben vom 20.05.2009 mit, dass der Rahmenvertrag bis zum 31.12.2009 verlängert worden sei, weil das vertrag- lich vereinbarte Auftragsvolumen am Ende der Vertragslaufzeit am 31.08.2007 noch nicht erreicht gewesen sei und sich der Vertrag deshalb automatisch verlängert habe. Das Auf- tragsvolumen sei dann zum 31.12.2008 erreicht worden. Unter Berücksichtigung der ein- jährigen Verlängerungsoption ergebe sich hieraus die Gültigkeit des Rahmenvertrages bis zum 31.12.2009. Das weitere Auskunftsbegehren der Klägerin über die nach dem Rah- menvertrag beschafften Originalprodukte wies die Wehrbereichsverwaltung ein weiteres Mal unter Hinweis auf das Vertraulichkeitsgebot zurück. Darüber hinaus wies sie darauf hin, dass die Klägerin im Rahmen weiterer Ausschreibungen bzw. freihändiger Vergabe- verfahren selbstverständlich berücksichtigt worden sei. Eine Überlassung der Lieferanten- Reportings wurde erneut unter Hinweis auf das Vertraulichkeitsgebot abgelehnt (vgl. im Einzelnen Schreiben vom 20.05.2009). Danach setzte die Klägerin der Beklagten mit Anwaltsschriftsatz vom 04.06.2009 eine wei- tere Frist zur Vorlage der Lieferanten-Reportings bis zum 18.06.2009. Nachdem die Wehrbereichsverwaltung die Überlassung dieser Unterlagen mit Schreiben vom 19.06.2009 erneut abgelehnt hatte, legte die Klägerin auch gegen diesen Bescheid Wiederspruch ein, den die Wehrbereichsverwaltung mit Widerspruchsbescheid vom 12.08.2009 zurückwies. In der Begründung hielt sie an ihrer Rechtsansicht fest, dass die verlangten Lieferanten-Reportings vom Vertraulichkeitsgebot des § 22 Nr. 6 Abs. 1 Satz 1 VOL/A umfasst würden (vgl. im Einzelnen Widerspruchsbescheid vom 12.08.2009). Am 11.09.2009 hat die Klägerin Klage erhoben. Zur Begründung führt sie aus, die Beklag- te sei gemäß § 1 IFG zur Erteilung der begehrten Auskünfte verpflichtet. Es sei unstreitig, dass der mit der Beigeladenen abgeschlossene Rahmenvertrag am 31.08.2008 geendet habe. Sie habe daher ein Interesse daran, zu erfahren, ob tatsächlich Gründe für eine Vertragsverlängerung vorgelegen hätten. Die Behauptung der Beklagten, das Auftragsvolumen sei am Ende der Vertragslaufzeit nicht erreicht gewesen, sei für sie nicht nachprüfbar. Sie habe deshalb einen Anspruch darauf, von der Beklagten diejenigen
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- 5 - Informationen zu erhalten, die sie in die Lage versetzen würden, diese Behauptung der Beklagten nachzuprüfen. Diese Nachprüfbarkeit sei dann gegeben, wenn ihr die entspre- chenden Lieferanten-Reportings zur Verfügung gestellt würden, da aus diesen hervorge- he, welche Mengen an Material an welche Dienststellen geliefert worden seien. Die Liefe- ranten-Reportings würden auch nicht dem Vertraulichkeitsgebot des §§ 22 Nr. 6 Abs. 1 VOL/A unterliegen, da sich dieses erkennbar lediglich auf Angebotsunterlagen beziehe. Die Bestimmungen über die Vergabe von Leistungen (VOL/A) würden spätestens mit dem Zuschlag bzw. mit der Erstellung des Vergabevermerkes enden. Dem Anspruch der Klägerin auf Informationszugang stehe auch § 6 IFG nicht entgegen, da die verlangten Lieferanten-Reportings keine Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse im Sinne dieser Vorschrift enthalten würden. Der diesbezügliche Sachvortrag der Beklagten sei nicht nachvollziehbar, nachdem die Beklagte selbst der Ansicht sei, dass ein Teil der Informationen bereits über das Internet zugänglich sei. Eben so wenig nachvollziehbar sei auch das Vorbringen, die Herausgabe der verlangten Informationen berühre sicherheits- empfindliche Belange im Sinne des § 3 Nr. 1 b. IFG. Die von der Klägerin begehrten Auskünfte würden auch amtliche Informationen im Sinne von § 2 Nr. 1 IFG betreffen, da diese in Erfüllung amtlicher Tätigkeit angefallen seien und es dabei weder auf die Art der Verwaltungsaufgabe noch auf die Handlungsform der Ver- waltung ankomme. Es sei deshalb unerheblich, ob die begehrten Informationen hoheitli- ches, schlicht hoheitliches oder fiskalisches Behördenhandeln betreffen würden. Ein Vorrang des Vergaberechts im Sinne von 1 Abs. 3 IFG sei nicht gegeben, da die Re- gelungen im Vergabeverfahren keine Vorschriften über den Zugang zu amtlichen Informa- tionen enthalten würden und sich das Vertraulichkeitsgebot im Vergabeverfahren allein auf Angebotsunterlagen bzw. Verhandlungsprotokolle beziehe, das Vergabeverfahren jedoch mit dem Zuschlag und der Fertigung des Vergabevermerks ende. Die hier streitgegen- ständlichen Auskünfte würden sich jedoch auf Unterlagen beziehen, die erst nach Ver- tragsschluss, also nach Abschluss des Vergabeverfahrens erstellt würden (vgl. im Einzel- nen Klagebegründungen vom 11.09.2009, 23.12.2009, 06.01.2011 und vom 11.04.2011). Die Klägerin beantragt, 1. den Bescheid der Beklagten vom 19.06.2009 und den Widerspruchsbescheid vom 12.08.2009 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, die von der Klägerin begehrte Gewährung von Einsicht in die monatlichen Aufstellungen über die von
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- 6 - der Beigeladenen zur Erfüllung des Rahmenvertrages XXX erbrachten Leistungen (Lieferanten-Reportings) entsprechend Ziffer 6 Punkt 6.2 der Anlage 2 zum Rah- menvertrag durch Überlassung von entsprechenden Fotokopien ohne Artikel- Nummern, Kunden-Nummern und ohne Preisangaben zu bewilligen, 2. die Zuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren für notwendig zu erklären. Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen. Zur Begründung trägt sie vor, mit ihrem zuletzt gestellten Klageantrag habe die Klägerin eine Klageänderung vorgenommen, in die die Beklagte nicht einwillige. Die von der Klägerin genannten Lieferanten-Reportings würden keine amtlichen Informati- onen im Sinne von § 2 Nr. 1 IFG darstellen, mit der Folge, dass ein Anspruch nach § 1 Abs. 1 IFG ausgeschlossen sei. Denn selbst wenn die Lieferanten-Reportings den Zweck hätten, der Beklagten die Überprüfung der ordnungsgemäßen Leistungserfüllung durch die Beigeladene zu ermöglichen, würden diese Informationen nicht amtlichen, sondern rein fiskalischen Zwecken dienen, weil das Rechtsverhältnis zwischen öffentlichem Auftragge- ber und Bieter im Vergabeverfahren als fiskalisches Hilfsgeschäft nicht dem öffentlichen, sondern dem privaten Recht unterliege. Dies gelte in besonderem Maße für die nach Ab- schluss des Vergabeverfahrens durch Zuschlag beginnende Vertragsabwicklung, die un- zweifelhaft dem Privatrecht unterfalle. Die begehrten Informationen beträfen daher gerade kein Verhalten, mit dem die Beklagte amtlich tätig werde. Darüber hinaus habe die Klägerin auch deshalb keinen Anspruch auf Übermittlung der Lieferanten-Reportings, weil die Anwendbarkeit des IFG wegen des in § 1 Abs. 3 IFG ge- regelten Vorrangs der vergaberechtlichen Spezialregelungen über einen Informationszu- gang ausgeschlossen sei. Denn ein solcher Informationsanspruch würde den in § 97 Abs. 1 GWB verankerten Grundsatz der Vertraulichkeit der Angebote und dem Wettbewerbs- prinzip des § 97 Abs. 1 GWB widersprechen. Dementsprechend sei ein öffentlicher Auf- traggeber gemäß § 22 Nr. 6 VOL/A auch verpflichtet, Angebote und ihre Anlagen sorgfältig zu verwahren und vertraulich zu behandeln. Auch § 111 GWB eröffne einem Bieter im Rahmen eines Nachprüfungsverfahrens aus Gründen des Geheimschutzes oder zur Wahrung von Betriebs- oder Geschäftsgeheimnis-
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- 7 - sen lediglich ein eingeschränktes Akteneinsichtsrecht, das zudem nur insoweit gewährt werde, als es zur Durchsetzung der Rechte des Antragstellers im Nachprüfungsverfahren erforderlich sei. Daher erstrecke es sich grundsätzlich auch nicht auf die Angebote der anderen Bieter, insbesondere nicht auf die wegen des Wettbewerbsprinzips als unbedingt schützenswert angesehenen Angebotspreise. Eine Verpflichtung, die überlassenen Unterlagen auch nach Vertragsschluss vertraulich zu behandeln und nicht an Dritte weiterzugeben, ergebe sich neben den besonderen verga- berechtlichen Regelungen über die Vertraulichkeit der Angebote auch aus dem für öffentli- che Aufträge anwendbaren Vertragsrecht. Ausdrücklich geregelt sei dies in § 3 Nr. 2 VOL/B sowie in Nr. 4.1 der zusätzlichen Vertragsbedingungen des Bundesministeriums der Verteidigung zur Verdingungsordnung für Leistungen Teil B (ZVB/BMVg). Schließlich ergebe sich aus § 4 Nr. 2 Abs. 3 VOL/B die vertragliche Nebenpflicht des Auf- traggebers, Kenntnisse von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen vertraulich zu behan- deln. Die genannten Regelungen der VOL/A seien gemäß § 97 Abs. 6 GWB Rechtsvor- schriften im Sinne von § 1 Abs. 3 IFG. Der allgemeine Informationsanspruch aus § 1 Abs. 1 IFG sei demnach durch vergaberechtliche und durch besondere vertragsrechtliche Vor- gaben für die Vorbereitung und Abwicklung einer öffentlichen Auftragsvergabe und Durch- führung eines öffentlichen Auftrags erheblich eingeschränkt. Die vergaberechtlichen Son- derregelungen zum Zugang zu und dem Schutz von Informationen würden den allgemei- nen Informationsanspruch nach § 1 Abs. 1 IFG jedenfalls im Hinblick auf die hier ge- wünschten Informationen gemäß § 1 Abs. 3 IFG ausschließen. Doch selbst wenn man eine Anwendbarkeit des IFG auf vergaberechtliche Angelegenhei- ten dem Grunde nach bejahe, sei der Anwendungsbereich des IFG jedenfalls dann nicht eröffnet, wenn die beantragten Informationen - wie hier - die Bieter und deren konkrete Angebote betreffen würden. Das sei hier der Fall, da die Lieferanten-Reportings neben den jeweils gelieferten Produkten auch deren Einzelpreise auflisten würden und sich des- halb aus allen Lieferanten-Reportings ein genaues Abbild des Angebots der Beigeladenen ergebe. Durch die Spezialregelung zur Akteneinsicht während eines Nachprüfungsverfah- rens in § 111 GWB werde zudem deutlich gemacht, dass ein Bieter erst dann in die Ver- gabeakte Einsicht nehmen dürfe, wenn er einen entsprechenden Nachprüfungsantrag ge- stellt habe und dieser nicht offensichtlich unzulässig oder unbegründet sei. Ein Rückgriff auf einen allgemeinen Informationsanspruch nach § 1 Abs. 1 IFG würde daher die Ein- schränkung des Informationszuganges gemäß § 111 GWB unterlaufen.
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- 8 - Der hier geltend gemachte Anspruch auf Informationszugang sei zudem wegen des Schutzes von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen gemäß § 6 IFG ausgeschlossen. Die verlangten Lieferanten-Reportings hätten Geschäftsgeheimnisse der Beigeladenen zum Inhalt, da diese Artikelbezeichnungen, Artikelnummern bzw. Produktnamen und Bestell- nummern sowie Artikelpreise enthielten. Aus den Lieferanten-Reportings könne die Kläge- rin daher wettbewerbsrelevante Informationen gewinnen, die einen Rückschluss auf die Positionierung und Kalkulation der Beigeladenen bei zukünftigen Auftragsvergaben zulie- ßen und damit deren Wettbewerbsposition nachteilig beeinflussen würden. Die Beigelade- ne habe deshalb eine Übermittlung der Lieferanten-Reportings auf entsprechende Rück- frage inzwischen auch ausdrücklich abgelehnt. die gewünschte Auskunft bzw. Überlas- sung der Lieferanten-Reportings sei daher nach § 6 IFG zwingend zu versagen. Die begehrte Auskunft sei außerdem gemäß § 3 Nr. 6 IFG wegen drohender Beeinträchti- gung fiskalischer Interessen der Beklagten ausgeschlossen. Denn bei einer Kenntnis der Klägerin von den wesentlichen Teilen des Angebots der Beigeladenen könne bei künftigen Ausschreibungen der Beklagten eine Wettbewerbsverzerrung und damit eine Beeinträch- tigung der fiskalischen Interessen der Beklagten nicht ausgeschlossen werden. Der ursprünglich erhobene Einwand, die Überlassung der Lieferanten-Reportings stelle einen unverhältnismäßigen Verwaltungsaufwand im Sinne von § 7 Abs. 2 Satz 1 IFG dar, werde allerdings nicht mehr aufrecht erhalten, da die verlangten Lieferanten-Reportings - wie eine zwischenzeitliche Nachprüfung ergeben habe -       nach wie vor in elektronischer Form vorliegen würden. Die in den Lieferanten-Reportings enthaltenen Informationen über die Dienststellen der Beklagten (Namen, Ansprechpartner, Anlieferungsort, Anschrift, etc.) könne sich die Klä- gerin aus allgemein zugänglichen Quellen beschaffen. Insoweit sei die Klage bereits we- gen der Regelung des § 9 Abs. 3 IFG abzuweisen. Bei den Belegnummern, AOMatchcodes, Rechnungs- und Bestelldaten handle es sich um Betriebs- oder Ge- schäftsgeheimnisse, an deren Nichtverbreitung die Beigeladene ein berechtigtes Interesse habe. Aus den Informationen „Belegnummer“, „MonatJahr_Lang“ und „AOMatchcodes“ könne ein Marktkundiger zudem Rückschlüsse auf Umsatz und Leistungsfähigkeit des Beigeladenen ziehen. Außerdem sei zu befürchten, dass die Klägerin mithilfe dieser Daten versuche, den mit der Beigeladenen geschlossenen Rahmenvertrag zu unterlaufen, indem sie den Dienststellen der Beklagten die betreffenden Waren direkt anbiete, was von der Beklagten nicht gewünscht werde. Die Kombination aus „Bestelldatum“ und „Rechnungs-
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- 9 - datum“ lasse Rückschlüsse auf die Leistungsfähigkeit der Beigeladenen, deren Lieferwe- ge, Lagerhaltung, Abnahmemengen und Rabattverträge zu. Außerdem liege der Ausschlussgrund des § 3 Nr. 1 b. IFG vor, weil die begehrten Informa- tionen Rückschlüsse auf sicherheitsrelevante Sachverhalte zuließen. Denn aus den abge- nommenen Mengen je Dienststelle werde ersichtlich, wann in bestimmten Abteilungen der Wehrbereichsverwaltung komplexe und wichtige Informationen bearbeitet würden, was wiederum auf die Durchführung wichtiger Einsätze und Projekte hinweisen und damit nachteilige Auswirkungen auf sicherheitsempfindliche Belange der Bundeswehr haben könne (vgl. im Einzelnen Klageerwiderungen vom 27.10.2009, 11.11.2010, 17.01.2011, 21.03.2011 und vom 20.04.2011). Die Beigeladene beantragt, die Klage abzuweisen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten und die dem Gericht vorlie- genden Behördenakten verwiesen. Entscheidungsgründe I. Die Klage ist zulässig. Statthafte Klageart ist gemäß § 42 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 9 Abs. 4 Satz 1 des Gesetzes zur Regelung des Zugangs zu Informationen des Bundes vom 05.09.2005 (BGBl. I S. 2722, Informationsfreiheitsgesetz; im weiteren: IFG) die Verpflich- tungsklage, weil der Gesetzgeber in § 1 Abs. 1 IFG keinen unmittelbaren Anspruch auf Informationsgewährung (auf z. B. behördliche Auskunft, Akteneinsicht, etc.) gewähren wollte, sondern lediglich einen Anspruch auf die Entscheidung der Verwaltung (Gewäh- rung/Bewilligung) über den beantragten Informationszugang als Normativakt (vgl. Schoch, IFG Komm. 1. Aufl., § 9 Rdnr. 78). Soweit die Klage ursprünglich auf „Auskunftserteilung“ (Realakt) gerichtet war und in dem in der ersten mündlichen Verhandlung gestellten Klageantrag Ziffer 1 statt einer bloßen Konkretisierung des Klagebegehrens auch eine Klageänderung gesehen werden kann, hält das Gericht diese für sachdienlich.
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- 10 - Auch im Übrigen bestehen gegen die Zulässigkeit der Klage keine Bedenken, insbesonde- re wurde auch das nach § 9 Abs. 4 Satz 2 IFG zwingend vorgesehene Vorverfahren durchgeführt. II. Die Klage ist auch begründet. Die Klägerin hat einen Rechtsanspruch auf Bewilligung der mit dem Klageantrag Ziffer 1 begehrten Einsicht in die im Klageantrag Ziffer 1 näher be- zeichneten Lieferanten-Reportings. Der Bescheid der Beklagten vom 19.06.2009 und der Widerspruchsbescheid vom 12.08.2009 sind daher rechtswidrig und verletzen die Klägerin in ihren Rechten (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 5 VwGO). 1. Der Rechtsanspruch der Klägerin auf Zugang zu den begehrten Informationen folgt aus § 1 Abs. 1 Satz 1 IFG. Nach dieser Vorschrift hat jeder nach Maßgabe dieses Gesetzes (IFG) gegenüber den Behörden des Bundes einen Anspruch auf Zugang zu amtlichen In- formationen. Gemäß § 1 Abs. 2 Satz 1 IFG kann der Zugang durch Auskunftserteilung, die Gewährung von Akteneinsicht oder durch die Überlassung von Informationen in sonstiger Weise (wie z. B. hier begehrt: durch Überlassung von teilweise geschwärzten Fotokopien von Aktenstücken) erfolgen. Nach dem Willen des Gesetzgebers ist der Anspruch auf Informationszugang „vorausset- zungslos“ (vgl. Gesetzesentwurf der Fraktionen SPD und Bündnis 90/Die Grünen, Bun- destagsdrucksache 15/4493 vom 14.12.2004, S. 7 zu § 1 Abs. 1 IFG) und damit in materi- ell-rechtlicher Hinsicht an keine (weiteren) Tatbestandsvoraussetzungen gebunden. Der Anspruch setzt daher weder ein rechtliches noch ein berechtigtes Interesse am Informati- onszugang voraus (vgl. Schoch a.a.O. zu § 1 Rdnrn. 18 und 19 m.w.N.). 2. Als juristische Person des Privatrechts (GmbH) ist die Klägerin auch ohne weiteres an- spruchsberechtigt. 3. Unmittelbar auskunftspflichtige Stellen i.S.d. § 1 Abs. 1 Satz 1 IFG sind alle Behörden des Bundes, also auch die Wehrbereichsverwaltung Süd als Mittelbehörde im Behörden- aufbau der territorialen Wehrverwaltung des Bundes.
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