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Aktives Presserecht – Argumente für Auskünfte


Oft verweigern Behörden Auskünfte auf Anfragen von Journalist*innen. Sie berufen sich dabei in der Regel auf angebliche Ausnahmen nach den jeweils gültigen Landespressegesetzen. Häufig ist Unwissen der Grund für die Auskunftsverweigerung und nicht böser Wille. Als Teil des Projektes „Fragen und Antworten - Auskunftsrechte kennen und nutzen“, einer Kooperation mit Netzwerk Recherche, stärkt die Entscheidungsdatenbank das Wissen rundum Auskunftsrechte und hilft besser argumentieren zu können. Journalist*innen können für ihre Recherchen wichtige Urteile, Bescheide und Beschlüsse kostenlos im Volltext eingesehen und durchsuchen.

Information

Aktenzeichen
3 K 14/11
Datum
8. Februar 2011
Gericht
Verwaltungsgericht Karlsruhe
Gesetz
Verbraucherinformationsgesetz (VIG)
Verbraucherinformationsgesetz (VIG)

Beschluss: Verwaltungsgericht Karlsruhe am 8. Februar 2011

3 K 14/11

Das Gericht lehnt den Erlass einer einstweiligen Anordnung ab. Ein Journalist begehrt die Bekanntgabe der Titel der Kinderzeitschriften, in welchen ein Veterinäruntersuchungsamt in Kosmetikproben verbotene Farbstoffe festgestellt hatte. Es fehlt auch unter Berücksichtigung der Pressefreiheit an der Glaubhaftmachung eines schwer wiegenden Nachteils, der die Durchbrechung des Verbots der Vorwegnahme der Hauptsache rechtfertigen könnte. Der Gegenwartsbezug ist zu verneinen, da die Vorfälle über ein Jahr zurückliegen. Das Zuwarten auf die Entscheidung in der Hauptsache ist zumutbar. (Quelle: LDA Brandenburg)

Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse Konkurrierende Rechtsvorschriften Prozessuales Veröffentlichung von Informationen

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3 K 14/11 AG

 

VERWALTUNGSGERICHT KARLSRUHE

Beschluss
In der Verwaltungsrechtssache
XXX
- Antragstellerin -
prozessbevollmächtigt:
Rechtsanwälte XXX
gegen

Land Baden-Württemberg,
vertreten durch das Regierungspräsidium Karlsruhe,
- Abteilung 3 - Landwirtschaft, Ländlicher Raum, Veterinär- und Lebensmittelwesen -
Schloßplatz 4-6, 76131 Karlsruhe, Az: 35-4283.53-2 BH
- Antragsgegner -

wegen Auskunft,
hier: Antrag gem. 8 123 VwGO

hat das Verwaltungsgericht Karlsruhe - 3. Kammer - durch den Vorsitzenden Richter am
Verwaltungsgericht XXX, die Richterin am Verwaltungsgericht XXX und die Richterin
XXX

am 08. Februar 2011

beschlossen:

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird abgelehnt.
Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Der Streitwert für das Verfahren wird auf 5.000,- EUR festgesetzt.
1

Gründe
Der Antrag der Antragstellerin,

den Antragsgegner durch Erlass einer einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihr
die Titel der Kinderzeitschriften bekannt zu geben, in denen das Chemische und
Veterinäruntersuchungsamt Karlsruhe gemäß Pressemitteilung 1/2010 vom
12.10.2010 in eingeklebten Kosmetikproben verbotene Farbstoffe, Verdacht auf
nicht zugelassene Farbstoffe und Kennzeichnungsmnittel festgestellt hat,

bleibt ohne Erfolg.

Nach $ 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO kann das Gericht eine einstweilige Anordnung zur Rege-
lung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn
diese Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile oder zur Verhinderung drohender
Gewalt oder aus anderen Gründen nötig erscheint. Der durch die einstweilige Anordnung
zu schützende Anspruch (Anordnungsanspruch) und die Dringlichkeit der einstweiligen
Regelung (Anordnungsgrund) sind glaubhaft zu machen (8 920 Abs. 2 ZPO i.V.m. $ 123
Abs. 3 VwGO). Aus dem Umstand, dass das Gericht eine einstweilige Anordnung lediglich
zur Regelung eines vorläufigen Zustands treffen kann, ergibt sich das Verbot der Vorweg-
nahme der Hauptsache. Da der vorläufige Rechtsschutz seiner Zweckbestimmung nach
die Hauptsacheentscheidung lediglich offen halten soll, kann er grundsätzlich dem Antrag-
steller nicht bereits das gewähren, was er in einem Hauptsacheverfahren erreichen könn-
te. Wenn allerdings die zeitliche Verzögerung durch die Dauer des Klageverfahrens die
Entscheidung in der Hauptsache ganz oder teilweise gegenstandslos oder unmöglich
macht, kann das in Art. 19 Abs. 4 GG verankerte Gebot der Gewährleistung effektiven
Rechtsschutzes ausnahmsweise auch eine Vorwegnahme der Hauptsache gebieten. Wird
durch die begehrte Maßnahme die Entscheidung in der Hauptsache - wie hier - insgesamt
endgültig und irreversibel vorweggenommen, kann die einstweilige Anordnung nur erlas-
sen werden, wenn ein Anordnungsanspruch mit ganz überwiegender Wahrscheinlichkeit
vorliegt und für den Fall, dass eine einstweilige Anordnung nicht ergeht, dem Antragsteller
schwere und unzumutbare Nachteile entstünden (vgl. BVerwG, Beschluss vom
13.08.1999 - 2 VR 1.99 -, BVerwGE 109, 258; VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom
12.10.2007 - 1 S 2132/07 -, VBIBW 2008, 182).
2

-3.

Auch unter Berücksichtigung der Pressefreiheit nach Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG und der Bedeu-
tung der genauen und gründlichen Berichterstattung durch die Presse für die freiheitlich-
demokratische Grundordnung liegt eine Unzumutbarkeit des Abwartens der Entscheidung
in der Hauptsache nicht schon immer dann vor, wenn die Presse einen Informationsan-
spruch geltend macht. Auch in diesen Fällen müssen besonders schwerwiegende Nachtei-

le im Falle eines Abwartens der Hauptsacheentscheidung glaubhaft gemacht werden.

Ein solch schwerwiegender Nachteil kann in derartigen Fällen anzunehmen sein, wenn für
die begehrte Auskunft ein gesteigertes öffentliches Interesse sowie ein starker Gegen-
wartsbezug bestehen, der dazu führt, dass bei einem Abwarten der Klärung im Hauptsa-
cheverfahren die begehrte Auskunft ihren Nachrichtenwert verliert und allenfalls noch von
historischem Interesse ist (VG Köln, Beschluss vom 27.08.2009 - 6 L 918/09 - <juris>; vgl.
auch BayVGH, Beschluss vom 13.08.2004 - 7 CE 04.1601 - <juris>; VG Cottbus, Be-
schluss vom 06.11.2007 - 1 L 392/07 - <juris>).

Die Antragstellerin hat einen schwer wiegenden Nachteil, der die Durchbrechung des Ver-
bots der Vorwegnahme der Hauptsache - wie von ihr begehrt - rechtfertigen könnte, nicht

glaubhaft gemacht.

Die Anfrage der Antragstellerin geht zurück auf den am 12.10.2010 der Öffentlichkeit vor-
gestellten Jahresbericht des Chemischen und Veterinäruntersuchungsamtes Karlsruhe
und die entsprechende Pressemitteilung, in denen ohne Namensnennung darüber berich-
tet wurde, dass im Jahr 2009 vorgenommene Untersuchungen ergeben hätten, dass Kin-
derzeitschriften beigelegte Kosmetikproben nicht im Einklang mit deutschen Gesetzen
standen. Es handelt sich danach um abgeschlossene Vorgänge, die sich bereits 2009 ab-
gespielt haben. Über die Zeit danach werden in dem Jahresbericht und in der Pressemit-
teilung keine Angaben gemacht. In derartigen Fällen, in denen nicht über aktuelle, sondern
über Ereignisse berichtet werden soll, die über ein Jahr zurück liegen und abgeschlossen
sind, ist ein die Durchbrechung des Verbots der Vorwegnahme der Hauptsache rechtferti-

gender Gegenwartsbezug zu verneinen.

Sonstige Gesichtspunkte, die ein Zuwarten bis zur endgültigen Klärung im Hauptsachever-
fahren unzumutbar erscheinen lassen könnten, sind von der Antragstellerin nicht vorgetra-

gen worden, sie sind auch sonst nicht ersichtlich.
3

eg

Hinzu kommt, dass bei der im vorliegenden Verfahren gebotenen, aber auch nur möjgli-
chen summarischen Prüfung von dem erforderlichen hohen Grad an Wahrscheinlichkeit,
dass die Antragstellerin im Hauptsacheverfahren obsiegen wird, nicht auszugehen ist.

Zwar dürfte der Auffassung des Antragsgegners, die Antragstellerin könne einen Aus-
kunftsanspruch allenfalls und ausschließlich nach den Vorschriften des Verbraucherinfor-
mationsgesetzes - VIG - vom 09.11.2007 (BGBl. I, 2558) geltend machen und haben, nicht
zu folgen sein. Nach 8 1 Abs. 4 VIG bleiben Bestimmungen über den Informationszugang
und Informationspflichten auf Grund anderer Gesetze sowie die gesetzlichen Vorschriften
über die Geheimhaltungspflichten, Amts- und Berufsgeheimnisse unberührt. Es spricht
danach viel dafür, dass die Antragstellerin ihren Auskunftsanspruch auf die Vorschriften

des LPresseG stützen kann.

Ein Anspruch der Antragstellerin auf die begehrte Auskunft dürfte gleichwohl voraussicht-
lich nicht gegeben sein. Auskünfte, auf die die Vertreter der Presse nach 8 4 Abs. 1
LPresseG grundsätzlich einen Anspruch haben, können verweigert werden, soweit ein
überwiegendes öffentliches oder schutzwürdiges privates Interesse verletzt würde (8 4
Abs. 2 Nr. 3 LPresseG). Hiervon ist vorliegend wohl auszugehen. Die Nennung der Na-
men der Kinderzeitschriften, denen die beanstandeten Kosmetikproben beigefügt waren,
und eine entsprechende Berichterstattung der Antragstellerin würde wohl das schutzwür-
dige Interesse der Herausgeber und Verlage dieser Kinderzeitschriften an ihrem eingerich-
teten und ausgeübten Geschäftsbetrieb verletzen. Dass die Antragstellerin bei dieser
Sachlage geltend machen könnte, das dem Antragsgegner zukommende Ermessen bei
der Entscheidung über die Verweigerung der Auskunft sei in dem Sinne auf Null reduziert,

dass sie gleichwohl einen Anspruch habe, ist nicht ersichtlich.

Die Kostenentscheidung folgt aus $ 154 Abs. 1 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht
auf 88 52 Abs. 2, 53 Abs. 2 Nr. 1 GKG.
4

-5-

RECHTSMITTELBELEHRUNG

Gegen diesen Beschluss kann innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung beim Verwaltungsge-
richt Karlsruhe, Postfach 11 14 51, 76064 Karlsruhe, oder Nördliche Hildapromenade 1,
76133 Karlsruhe Beschwerde eingelegt werden. Die Beschwerdefrist ist auch gewahrt,
wenn die Beschwerde innerhalb der Frist beim Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg ein-
geht.

Innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses ist die Beschwerde zu begründen. Die
Begründung ist, sofern sie nicht zugleich mit der Einlegung der Beschwerde erfolgt ist, beim Ver-
waltungsgerichtshof Baden-Württemberg, Schubertstraße 11, 68165 Mannheim, oder Postfach
10 32 64, 68032 Mannheim, einzureichen. Die Begründung muss einen bestimmten Antrag enthal-
ten sowie die Gründe darlegen, aus denen die Entscheidung abzuändern oder aufzuheben ist, und
sich mit der angefochtenen Entscheidung auseinandersetzen. Der Verwaltungsgerichtshof prüft
nur die dargelegten Gründe.

Vor dem Verwaltungsgerichtshof muss sich jeder Beteiligte, außer in Prozesskostenhilfeverfahren,
durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die
ein Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof eingeleitet wird. Als Bevollmächtige sind Rechts-
anwälte oder Rechtsiehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mit-
gliedstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den
Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz, die die Befähigung zum Richteramt besitzen,
oder die in 8 67 Absatz 2 Satz 2 Nr. 3 bis 7 VwGO bezeichneten Personen und Organisationen
zugelassen. Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von
ihnen zur Erfüllung ihrer öffenilicnen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse können sich durch
eigene Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt oder durch Beschäftigte mit Befähigung zum
Richteramt anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der
von ihnen zur Erfüliung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse vertreten las-
sen.

Hinsichtlich der Beschwerdemöglichkeit gegen die Streitwertfestsetzung wird auf 868 Abs. 1
Satz 1, 3 und 5 GKG verwiesen.

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Das Projekt „Fragen und Antworten - Auskunftsrechte kennen und nutzen“ wird gefördert von: