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Information

Aktenzeichen
3 K 228/10
Datum
24. August 2010
Gericht
Verwaltungsgericht des Saarlandes
Gesetz
Verbraucherinformationsgesetz (VIG)
Verbraucherinformationsgesetz (VIG)

Urteil: Verwaltungsgericht des Saarlandes am 24. August 2010

3 K 228/10

Auf der Grundlage des Verbraucherinformationsgesetzes durfte das zuständige Landesamt festgestellte Verstöße einer Bäckerei gegen Hygienevorschriften des Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuchs sowie die im Zusammenhang damit getroffene Maßnahme veröffentlichen. Im vorliegenden Fall befand das Gericht, dass das Informationsinteresse der Verbraucher das Geheimhaltungsinteresse der betroffenen Person überwiegt. Der Fall der Informationszugangsgewährung bei solchen Verstößen stellt den gesetzlich beabsichtigten Regelfall dar. (Quelle: LDA Brandenburg)

Drittbetroffenheit Interessenabwägung Personenbezogene Daten Veröffentlichung von Informationen

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3 K 228/10 VERWALTUNGSGERICHT DES SAARLANDES URTEIL IM NAMEN DES VOLKES In dem Verwaltungsrechtsstreit des Herrn A., A-Straße, A-Stadt, Klägers, -Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte B., A-Stadt- gegen das Landesamt für Soziales, Gesundheit und Verbraucherschutz – Abteilung Lebensmittel- und Veterinärwesen –, Nell-Breuning-Allee 6, 66115 Saarbrücken, Beklagten, wegen       Anfechtung eines Bescheides nach dem Verbraucherinfor- mationsgesetz hat die 3. Kammer des Verwaltungsgerichts des Saarlandes in Saarlouis durch den Richter am Verwaltungsgericht Helling als Einzelrichter aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 24. August 2010
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2 3 K 228/10 für R e c h t erkannt: Die Klage wird abgewiesen. Die Kosten des Rechtsstreits hat der Kläger zu tra- gen. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreck- bar; der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicher- heitsleistung oder Hinterlegung eines Betrages in Höhe der aus dem Kostenfestsetzungsbeschluss er- sichtlichen Kostenschuld abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in dersel- ben Höhe leistet. -3-
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3 3 K 228/10 Tatbestand Der Kläger, der in A-Stadt eine B. betreibt, wendet sich gegen die Ver- öffentlichung von Verstößen gegen das Lebensmittel- und Futtermittelgesetz im Internet durch den Beklagten. Am 11.08.2009 führte der Beklagte im Betrieb des Klägers eine Kontrolle durch, die zu verschiedenen Beanstandungen führte. Diese wurden vom Beklagten durch Bußgeldbescheid vom 21.09.2009 mit einer Geldbuße von insgesamt 843,50 Euro einschließlich Verfahrenskosten geahndet. Zur Begründung ist unter Bezugnahme auf den Kontrollbericht ausgeführt, der Kläger habe es un- terlassen, seine Betriebsräume in einem der Verordnung 852/04 (EG) über Le- bensmittelhygiene entsprechenden Zustand zu erhalten. Es seien gravierende Mängel baulicher und hygienischer Art festgestellt worden, die ein einwand- freies Herstellen, Vorrätighalten und Inverkehrbringen von Lebensmitteln nicht mehr gewährleisteten. Lebensmittel, die unter solchen Bedingungen in Verkehr gebracht würden, gälten als nicht sicher im Sinne des Art. 14 der VO (EG) 178/2002. Ständige Verfahren, die auf HACCP-Grundsätzen beruhten und der Verhinderung solcher Mängel dienten, seien vom Kläger weder eingerichtet noch durchgeführt oder dokumentiert worden. Die nach dem Infektionsschutz- gesetz geforderten Beschulungsunterlagen des Personals hätten vor Ort nicht eingesehen werden können. Der Kläger habe somit gegen die §§ 3 und 10 Nr. 1 der Lebensmittelhygieneverordnung (LMHV) i.V.m. Artikel 4 Abs. 2, Anhang II, Kapitel I, II, IV, V, VI und IX der Verordnung (EG) 852/04 über Lebensmittel- hygiene i.V.m. § 60 Abs. 2 Nr. 26 a Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuch sowie Art. 5 Abs. 4 VO (EG) 852/04, § 43 Abs. 4 und Abs. 5 sowie § 73 Abs. 1 Nr. 21 Infektionsschutzgesetz verstoßen. Der Bußgeldbescheid ist bestands- kräftig. Mit angefochtenem Bescheid vom 15.12.2009 teilte der Beklagte dem Kläger nach Anhörung seine „Entscheidung über die Internetveröffentlichung von Ver- stößen gegen das LFGB nach dem VIG“ bezüglich der mit dem vorgenannten Bußgeldbescheid festgestellten Hygieneverstöße mit. Die Entscheidung sei nach Abwägung der betroffenen Interessen erfolgt, und der als Anlage beige- fügte Text werde für die Dauer eines Monats im Internet veröffentlicht. Zur
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4 3 K 228/10 Begründung heißt es in dem Bescheid, gemäß § 1 Abs. 1 VIG könne jeder auf Antrag bei der zuständigen Behörde freien Zugang zu Daten über lebensmittelrechtliche Verstöße eines Betriebs beanspruchen, sofern der Bekanntgabe keine zu berücksichtigenden öffentlichen oder privaten Belange im Sinne des § 2 VIG entgegenstünden. Daneben könnten die vorgenannten Informationen auch unabhängig von einem Antrag über das Internet oder in sonstiger öffentlich zugänglicher Weise gemäß § 5 Abs. 1 Satz 2 VIG zugänglich gemacht werden. Auf dieser rechtlichen Grundlage würden fortan schwerwiegende, bestandskräftig festgestellte Hygieneverstöße, wie sie im Falle des Klägers dem Bußgeldbescheid vom 21.09.2009 zugrunde lägen, generell im Internet gemäß den Feststellungen des Kontrollberichts veröf- fentlicht, wobei darauf hingewiesen werde, dass der Veröffentlichungsinhalt nur den Zustand zum Tatzeitpunkt wiedergebe. Tragende Erwägungsgründe dieser generellen Internetveröffentlichung seien hierbei, dass bei Hygieneverstößen das Interesse des Verbrauchers, über die Produktionsbedingungen der Le- bensmittelherstellung informiert zu werden, um dementsprechend seine Kauf- entscheidungen mit Herstellerauswahl treffen zu können, grundsätzlich das In- teresse des betroffenen Herstellers an der Geheimhaltung betriebsinterner Da- ten als Ausfluss des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung überwiege. Bei rechtskräftig festgestellten Verstößen könne der Unternehmer nämlich we- der Betriebsgeheimnisse noch grundsätzlich andere Ausschlussgründe nach § 2 VIG gegen eine Informationsweitergabe geltend machen. Demgegenüber be- stehe aber ein großes Interesse des Verbrauchers an eben dieser Art von Informationen, dem durch die allgemeine Zugänglichmachung der Informatio- nen über das Internet einfach und effizient entsprochen werde. Nur in atypi- schen Fällen, in denen die Angemessenheit einer Veröffentlichung aufgrund der Besonderheiten des Einzelfalls besonders zu prüfen sei, werde gegebenenfalls von einer Veröffentlichung abgesehen. Die Dauer der Veröffentlichung von ei- nem Monat bei erstmaligen Hygieneverstößen erscheine hierbei sachgerecht. Gegen die Internetveröffentlichung seien im Anhörungsverfahren keine entge- genstehenden Belange angeführt worden, die im Hinblick auf die bestandskräf- tig festgestellten Hygieneverstöße das Informationsinteresse der Verbraucher nach Abwägung der hier betroffenen Interessen aufgrund der Besonderheiten im gegebenen Fall überwiegen könnten, so dass die Veröffentlichung der Ver- stöße gemäß Kontrollbericht zur Verbraucherinformation durchdringe. Im vorlie- genden Fall handele es sich um schwerwiegende Hygienemängel. Der Mängel- bericht sei dem Kläger bereits im Bußgeldverfahren ausgehändigt worden. Diese Hygieneverstöße seien entsprechend der Schwere der Mängel mit einem Bußgeld geahndet worden. Der Bußgeldbescheid sei bestandskräftig, also mit
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5 3 K 228/10 Rechtsmitteln nicht mehr anfechtbar. Die Internetveröffentlichung erfolge mit Bestandskraft der mitgeteilten Entscheidung. Zur Begründung seines gegen den Bescheid erhobenen Widerspruchs machte der Kläger geltend, in seinem Fall liege der Ausschluss- und Beschränkungs- grund nach § 2 Nr. 2 a VIG vor. Danach bestehe der Anspruch nach § 1 VIG wegen entgegenstehender privater Belange nicht, soweit Zugang zu personen- bezogenen Daten beantragt werde, es sei denn, das Informationsinteresse der Verbraucherin oder des Verbrauchers überwiege das schutzwürdige Interesse der oder des Dritten am Ausschluss des Informationszugangs oder die oder der Dritte habe eingewilligt. Eine Einwilligung sei nicht erfolgt. Auch wiege das In- formationsinteresse des Verbrauchers nicht schwerer als sein – des Klägers – schutzwürdiges Interesse an einem Unterlassen der Internetveröffentlichung. Würden bei Kontrollen in Lebensmittelbetrieben schwerwiegende Hygienemän- gel festgestellt, könnten diese Verstöße im Sinne eines effizienten Verbrau- cherschutzes im Internet veröffentlicht werden. Es bestehe jedoch lediglich bei schwerwiegenden Hygienemängeln ein Veröffentlichungsinteresse im Sinne eines effizienten Verbraucherschutzes. Als schwerwiegende Hygienemängel seien beispielsweise Betriebsschließungen aufgrund von Hygienemängeln, das Inverkehrbringen gesundheitsgefährdender Lebensmittel, verursacht durch mangelhafte Betriebshygiene, oder eine nachteilige Beeinflussung von Le- bensmitteln aufgrund hygienischer Mängel, etwa durch Schädlingsbefall, anzu- sehen. Hier liege kein derartiger Fall vor. Im Hinblick darauf, dass die Veröffent- lichung im Internet einen erheblichen Eingriff darstelle, sei dieser unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit nur gerechtfertigt, wenn erhebliche Verbraucherinteressen dies erforderten. Dies sei jedoch bei den festgestellten Hygieneverstößen im Falle seines – des Klägers – Bäckereibetriebes nicht der Fall, insbesondere hätten sich die Hygieneverstöße in keiner Weise auf die von ihm erstellten Erzeugnisse ausgewirkt oder bezogen. Eine Veröffentlichung wäre deshalb unverhältnismäßig. Im Übrigen habe der Beklagte das ihm einge- räumte Ermessen nicht ausgeübt. Nach § 5 Abs. 1 VIG könne die informations- pflichtige Stelle Informationen über das Internet zugänglich machen. Die For- mulierung „kann" verweise darauf, dass der Behörde insoweit ein Ermessen zustehe. Dieses Ermessen habe der Beklagte nicht einmal erkannt, denn er habe sich auf die Argumentation zurückgezogen, dass schwerwiegende be- standskräftig festgestellte Hygieneverstöße generell im Internet gemäß den Feststellungen des Kontrollberichts veröffentlicht würden. Es sei weder ersicht- lich, inwieweit ein schwerwiegender Hygieneverstoß vorliege, noch dass der Beklagte eine Abwägung hinsichtlich der Veröffentlichung im Internet getroffen
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6 3 K 228/10 habe. Zwar habe der Beklagte hinsichtlich des Begriffes „schwerwiegend" einen Beurteilungsspielraum. Aber auch dieser habe Grenzen, und insoweit sei der Beklagte verpflichtet, zunächst zu überprüfen, ob überhaupt ein schwerwiegen- der Hygieneverstoß vorliege. Die Schwere des Hygieneverstoßes könne nicht pauschal mit der Höhe des Bußgeldes begründet werden. Auch der Hinweis, dass nur in atypischen Fällen von einer Veröffentlichung abzusehen sei, belege, dass der Beklagte das ihm eingeräumte Ermessen nicht erkannt und daher auch nicht ausgeübt habe. Mit Widerspruchsbescheid vom 19.02.2010 wurde der Widerspruch zurückge- wiesen. Zur Begründung ist ausgeführt, gemäß § 5 Abs. 1 Satz 2 VIG könne die zuständige Behörde bei Verstößen gegen das LFGB und andere lebensmittel- rechtliche Normen Informationen, unabhängig von einem Antrag, über das In- ternet zugänglich machen. Entgegen der Auffassung des Klägers liege kein Ausschluss- oder Beschränkungsgrund nach § 2 Satz 1 Nr. 2 a VIG vor. Tra- gender Erwägungsgrund der generellen Internetveröffentlichung nach § 5 Abs. 1 Satz 2 VIG sei der Umstand, dass bei schwerwiegenden Hygieneverstößen das Interesse des Verbrauchers auf Information grundsätzlich das Interesse des betroffenen Herstellers an der Geheimhaltung als Ausfluss des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung überwiege. § 2 Satz 1 Nr. 2 a VIG ermögliche eine solche Abwägung nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Im Hin- blick auf diesen Grundsatz überwiege das Interesse des Verbrauchers an einer Internetveröffentlichung, da nach dem Bericht über die im Betrieb des Klägers durchgeführte Kontrolle die betrieblichen Räumlichkeiten längere Zeit nicht ord- nungsgemäß gereinigt sowie die Bausubstanz und das Inventar nicht gepflegt bzw. renoviert worden seien. Entgegen dem Widerspruchsvorbringen sei im Hinblick auf die umfangreichen Mängelfeststellungen ein schwerwiegender Hy- gienemangel anzunehmen. In solch einem Fall könne der Unternehmer weder Betriebsgeheimnisse noch andere Ausschlussgründe nach § 2 VIG gegen eine Informationsweitergabe geltend machen. Nach § 5 Abs. 1 Satz 2 VIG werde der zuständigen Behörde Ermessen hinsichtlich der Internetveröffentlichung einge- räumt. Wie im angefochtenen Bescheid ausgeführt könne in atypischen Fällen von der Veröffentlichung abgesehen werden, wenn wegen der Besonderheiten des Einzelfalls eine andere Abwägung der Ermessensgründe geboten sei. Schwerwiegend seien dabei solche Hygieneverstöße, bei denen die Bußgeld- entscheidung ins Gewerbezentralregister einzutragen sei und das Bußgeld mehr als 350 Euro betrage. Vor diesem Hintergrund treffe der Einwand des Klägers, dass keine Ermessensausübung stattgefunden habe, nicht zu. Der Beklagte habe mit den schwerwiegenden Hygieneverstößen eine Fallgruppe
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7 3 K 228/10 gebildet, bei denen eine Veröffentlichung zum Schutz für den Verbraucher sinn- voll und vertretbar sei. Dieser Schluss liege auch dem angefochtenen Bescheid zugrunde. Bei dieser Begründung werde aber nicht verkannt, dass § 5 Abs. 1 Satz 2 VIG einen Ermessensspielraum eröffne. Hinsichtlich des Begriffs „schwerwiegend" habe der Beklagte bei seiner Begründung auf den Mängelbe- richt verwiesen, der umfangreiche, mit einem hohen Bußgeld geahndete Män- gel enthalte. Deshalb habe nach den oben genannten Erwägungen von einem schwerwiegenden Hygieneverstoß ausgegangen werden können. Schließlich sei gerade die vom Kläger beanstandete Begründung des Bescheides, dass nur in atypischen Fällen von einer Veröffentlichung abzusehen sei, ein Indiz dafür, dass im Rahmen der bestehenden Ermessenspraxis in Ausnahmefällen von einer Veröffentlichung abgesehen werden könne und dies auch im Falle des Klägers geprüft worden sei. Mit am 18.03.2010 bei Gericht eingegangenem Schriftsatz hat der Kläger Klage erhoben, zu deren Begründung er sein Widerspruchsvorbringen wiederholt. Der Kläger beantragt, 1. den Bescheid des Beklagten vom 15.12.2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.02.2010 aufzu- heben, 2. die Hinzuziehung seines Bevollmächtigten für das Vor- verfahren für notwendig zu erklären. Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen. Er hält an den ergangenen Bescheiden aus den im Widerspruchsbescheid dar- gelegten Gründen fest. Ergänzend trägt er insbesondere mit Blick auf den Ge- sichtspunkt der Ermessensausübung vor, den Einwänden des Klägers bezüg- lich des Nichtvorliegens eines schwerwiegenden Hygieneverstoßes könne nicht gefolgt werden. Ein schwerwiegender Hygienemangel sei nicht erst bei einer
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8 3 K 228/10 drohenden Betriebsschließung gegeben. Die Räumlichkeiten der Bäckerei des Klägers seien durch Unsauberkeit und starke Verschmutzung gekennzeichnet gewesen. Dies sei objektiv gesehen sehr wohl ein gravierender Hygienever- stoß. Auch das Argument des Klägers, die Schwere des Hygieneverstoßes könne nicht pauschal mit der Höhe des festgesetzten Bußgeldes begründet werden, könne nicht überzeugen. Zum einen handele es sich bei der Internet- veröffentlichung um eine Maßnahme, die mit der Eintragung ins Gewerbezen- tralregister vergleichbar sei. Darin würden Verstöße eingetragen, wenn das Bußgeld mehr als 200,00 Euro betrage. Die Eintragung ins Gewerbezentralre- gister sei rechtlich unbedenklich und ab einem bestimmten Grenzbetrag ein- schlägig. An einem solchen bestimmten Betrag orientiere sich auch die Inter- netveröffentlichung nach § 5 Abs. 1 Satz 2 VIG. Zudem handele es sich im Hin- blick auf den zugrunde gelegten Schwellenbetrag von 350,00 Euro unter Be- rücksichtigung der Wertung schwerwiegender Hygieneverstöße um eine mil- dere Regelung als bei der Eintragung ins Gewerbezentralregister, die pauschal bei Bußgeldern von bereits mehr als 200,00 Euro erfolge. Zum anderen habe er, der Beklagte, sich im Vorfeld entschlossen, antragsunabhängig gravierende Hygienemängel im Internet zu veröffentlichen. Diese Entscheidung entspreche dem Erlass einer Ermessensrichtlinie als Form einer Verwaltungsvorschrift. Da- nach dürfe die Verwaltung im Ermessensbereich eigene Maßstäbe setzen, de- ren Zweck es sei, eine möglichst einheitliche, ausgewogene und gleichmäßige Verwaltungspraxis zu gewährleisten. Da dies durch die Internetveröffentlichung bezweckt sei, liege insoweit kein Ermessensfehler vor. Dies werde auch daran deutlich, dass in atypischen Fällen vom Grundsatz der Veröffentlichung abge- sehen werde. Eine entsprechende Abwägung der Ermessensgründe im Hinblick auf die Besonderheiten des Einzelfalls sei im angefochtenen Bescheid auch erfolgt, indes erscheine kein atypischer Einzelfall gegeben; hinreichende Gründe für eine ausnahmsweise vorliegende Unzumutbarkeit der Veröffentli- chung seien insofern nicht ersichtlich. Der Kläger habe solche Gründe auch nicht vorgetragen. Da das Interesse des Verbrauchers auf Information grund- sätzlich das Interesse des betroffenen Herstellers an der Geheimhaltung be- triebsinterner Daten als Ausfluss des Rechts auf informationelle Selbstbestim- mung überwiege, erscheine der Eingriff der Veröffentlichung als angemessen und verhältnismäßig. Diese diene auch der Einhaltung des Gleichbehandlungs- grundsatzes, den die Internetveröffentlichung, wie oben ausgeführt, durch eine einheitliche und gleichmäßige Verwaltungspraxis verfolge.
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9 3 K 228/10 Die Kammer hat den Rechtsstreit mit Beschluss vom 23.06.2010 nach Anhö- rung der Beteiligten dem Berichterstatter als Einzelrichter zur Entscheidung übertragen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den zum Gegen- stand der mündlichen Verhandlung erklärten Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsunterlagen des Beklagten (1 Hefter) Bezug genom- men. - 10 -
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10 3 K 228/10 Entscheidungsgründe Die Entscheidung über die Klage ergeht gemäß § 6 Abs. 1 Satz 1 VwGO durch den Einzelrichter. Die Klage ist als Anfechtungsklage nach § 42 Abs. 1 Alternative 1 VwGO statt- haft und auch im Übrigen zulässig. Die Klage ist jedoch unbegründet. Der Bescheid des Beklagten vom 15.12.2009 ist in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.02.2010 rechtlich nicht zu beanstanden. Die in § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO für die beantragte Aufhebung der Bescheide vorausgesetzte Verletzung der Rechte des Klägers liegt daher nicht vor. Zur Begründung wird zunächst gemäß § 117 Abs. 5 VwGO auf die zutreffenden Gründe des Widerspruchsbescheides vom 19.02.2010, denen das erkennende Gericht sich anschließt, Bezug genommen. Ergänzend und vertiefend wird auf folgendes hingewiesen: Rechtsgrundlage des angefochtenen Bescheides vom 15.12.2009 sind § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 2 und § 5 Abs. 1 des Gesetzes zur Verbesserung der gesund- heitsbezogenen Verbraucherinformation (Verbraucherinformationsgesetz) – VIG – vom 05.11.2007 (BGBl. I, S. 2558), in Kraft getreten am 01.05.2008. Nach der erstgenannten Vorschrift hat Jeder nach Maßgabe des VIG Anspruch auf freien Zugang zu allen Daten über Verstöße gegen das Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuch – LFGB –, gegen die aufgrund des LFGB erlassenen Rechtsverordnungen und gegen unmittelbar geltende Rechtsakte der Europäi- schen Gemeinschaft im Anwendungsbereich des LFGB sowie Maßnahmen und Entscheidungen, die im Zusammenhang mit solchen Verstößen getroffen wor- den sind (Informationen), die bei einer Stelle im Sinne des § 1 Abs. 2 VIG un- abhängig von der Art ihrer Speicherung vorhanden sind, wobei der Anspruch insoweit besteht, als kein Ausschluss- oder Beschränkungsgrund nach § 2 vor- liegt.
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