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Aktenzeichen
4 A 2059/07
Datum
4. Mai 2010
Gericht
Verwaltungsgericht Greifswald
Gesetz
Informationsfreiheitsgesetz Mecklenburg-Vorpommern (IFG M-V)
Informationsfreiheitsgesetz Mecklenburg-Vorpommern (IFG M-V)

Urteil: Verwaltungsgericht Greifswald am 4. Mai 2010

4 A 2059/07

Der Kläger begehrte bei der Generalstaatsanwaltschaft Einsicht in alle über die Ermittlungsakten hinausgehenden internen Aktenvorgänge (Berichtshefte) der Staatsanwaltschaft unter Berufung auf das IFG M-V. Die Generalstaatsanwaltschaft handelt bei der Anlage eines Berichtshefts nicht als Verwaltungsbehörde, sondern in ihrer Eigenschaft als Organ der Rechtspflege, so dass das IFG M-V gemäß § 3 Abs. 4 IFG M-V keine Anwendung findet. Die Berichtstätigkeit der Staatsanwaltschaft gegenüber dem aufsichtführenden Justizministerium (Berichtsvorgänge) ist schwerpunktmäßig der Strafverfolgung zuzuordnen. Dass die Berichtshefte auch nicht nach der StPO vorzulegen sind, führt nicht dazu, dass sie zwingend nach dem IFG zugänglich sein müssen. Auch § 1 Abs. 3 IFG M-V steht der Akteneinsicht entgegen, da die StPO dem IFG M-V hier als Spezialvorschrift vorgeht. (Quelle: LDA Brandenburg)

Anwendungsbereich/ Zuständigkeit Konkurrierende Rechtsvorschriften Strafverfolgung

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Verwaltungsgericht Greifswald

Aktenzeichen

4 A 2059/07

 

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL

In der Verwaltungsstreitsache

 
 

- Klägerin -

- Kläger -

Prozessbevollmächtigte zu 1, 2:

Rechtsanv il EEEET,

gegen

Generalstaatsanwalt des Landes Mecklenburg-Vorpommern,
Patriotischer Weg 120 a, 18057 Rostock,

- Beklagter -
wegen

Verfahren nach dem Informationsfreiheitsgesetz
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4 A 2059/07 23

hat die 4. Kammer des Verwaltungsgerichts Greifswald auf die mündliche Verhandlung

vom 04.05.2010

durch

die Präsidentin des Verwaltungsgerichts Aussprung,
den Richter am Verwaltungsgericht Stratmann,

den Richter am Verwaltungsgericht Tank sowie

die ehrenamtlichen Richter Wegner und Dr. Ziller

für Recht erkannt:
Die Klage wird abgewiesen.

Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens als Gesamtschuldner.

Das Urteil ist hinsichtlich der außergerichtlichen Kosten vorläufig vollstreckbar.

Die Kostenschuldner dürfen die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung nach Maßgabe der
Kostenfestsetzung abwenden, falls nicht der Gläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in
derselben Höhe leistet.

Die Berufung wird zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger zu 2. war Oberbürgermeister der Hansestadt ee und als solcher Vorsitzender des
Verwaltungsrates der Sparkasse Hansestadt "im Jahr 2004 kam es zu einem staatsanwalt-
schaftlichen Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft ge scsen den Kläger zu 2.. Auslö-
ser des Ermittlungsverfahrens war ein Schreiben der Sparkassenaufsicht im Finanzministerium
Mecklenburg-Vorpommern vom 16.03.2004. Die Staatsanwaltschaft ermittelte, ob sich der Kläger
zu 2. strafbar gemacht habe, weil er gemeinsam mit seiner Ehefrau, der Klägerin zu 1., im Jahr
1996 bei der Sparkasse HansestadWe in Darlehen aufgenommen habe, welches unterhalb
der marktüblichen Zinsen zu verzinsen gewesen sei und welches ihnen darüber hinaus ein marktun-
übliches Sondertilgungsrecht eingeräumt habe. Mit Schreiben vom 06.04.2004 teilte die Staatsan-
waltschaftge dem Finanzministerium mit, dass es keine zureichenden tatsächlichen Anhalts-
punkte für den Verdacht einer Straftat sehe. Dem Finanzministerium wurde Gelegenheit zur Stel-
lungnahme gegeben, wovon dieses Gebrauch machte. Mit Schreiben vom 14.05.2004 beauftragte
der Beklagte die Staatsanwaltsch FE das Verfahren gegen den Kläger zu 2. zu füh-
ren. Warum diese Übertragung von der Staatsanwaltschafte ur Staatsanwaltschaft ge
TanBin erfolgte, lässt sich der Strafakte nicht entnehmen. Die Staatsanwaltschaft ig

SER telite das Verfahren gegen den Kläger zu 2. nach umfangreichen Ermittlungen gemäß $ 170
Abs. 2 StPO ein.
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Die Kläger führten hieraufhin ein Verfahren gegen das Land Mecklenburg-Vorpommern mit dem
Ziel, eine Entschädigung zu erhalten. Im auf den Erhalt von Schadensersatz abzielenden Verwal-
tungsverfahren beantragten die Kläger bei dem Beklagten mit Schreiben vom 16.04.2007, ihnen
Akteneinsicht in die internen Aktenvorgänge der Staatsanwaltschaft zu gewähren. Dabei berufe
man sich auf die Vorschriften des Informationsfreiheitsgesetzes (IFG M-V). Neben den staatsan-
waltschaftlichen Ermittlungsakten müsse es weitere Akten bei den Staatsanwaltschaften geben, aus
denen ersichtlich sein könnte, warum das Verfahren vom Beklagten zur weiteren Ermittlung an die
Staatsanwaltsch [ergeben worden sei. Sie vermuteten, dass es eine Einfluss-
nahme seitens des Finanzministeriums Mecklenburg-Vorpommern gegeben habe. Das Ermittlungs-
verfahren sei dem Wunsch von Beamten des Finanzministeriums entsprechend zu ihrem Schaden
und auf Kosten der Steuerzahler am Leben erhalten worden und unter Verletzung ihrer Persönlich-
keitsrechte der Presse gegenüber tendenziös kommentiert worden, obwohl schnell ersichtlich gewe-
sen sei, dass es keinen strafrechtlich relevanten Sachverhalt gegeben habe.

Mit Bescheid vom 01.06.2007 lehnte der Beklagte den Antrag der Kläger auf Akteneinsicht ab.

Bei ihm, dem Beklagten, sei lediglich ein Berichtsvorgang angelegt worden, der seine Grundlage in
der "Anordnung über Berichtspflichten in Strafsachen" finde. Die in einem derartigen Vorgang ent-
haltenen Berichte der Staatsanwaltschaften über die Einleitung, den wesentlichen Gang und den
Abschluss der in der Verwaltungsvorschrift näher hervorgehobenen Strafsachen dienten im wesent-
lichen dem Zweck, die Ausübung der sowohl dem Beklagten als auch dem Justizministerium oblie-
genden Fachaufsicht und Dienstaufsicht zu ermöglichen. Die Behandlung von Berichtssachen stehe
damit in unmittelbarem Zusammenhang mit dem zugrundeliegenden Ermittlungs- bzw. Strafverfah-
ren und sei Bestandteil der von der Staatsanwaltschaft - gemeinsam mit dem Gericht - zu erfüllen-
den Aufgabe der Justizgewährung. Gemäß $ 3 Abs. 4 Nr. | Informationsfreiheitsgesetz Mecklen-
burg-Vorpommern (IFG M-V) seien die Gerichte und die Staatsanwaltschaften, soweit sie in vorge-
nannter Weise tätig würden, vom Anwendungsbereich des IFG M-V ausgenommen mit der Folge,
dass Berichtsvorgänge der Staatsanwaltschaften nicht dem Einsichtsrecht unterfielen.

Die Kläger legten am 06.07.2007 Widerspruch ein. Es werde Einsichtnahme verlangt in alle Akten-
vorgänge des BeKlagten und der befassten Staatsanwaltschaften, die im Zusammenhang mit dem
Ermittlungsverfahren gegen den Kläger zu 2. wegen des Verdachtes der Untreue bzw. der Teilnah-
me an einer Untreuehandlung angelegt worden seien und die nicht körperlicher Bestandteil der spä-
ter dem Amtsgerichaibersandten Ermittlungsakten geworden seien. Dazu gehörten auch
die in diesem Zusammenhang angelegten Berichtsvorgänge. Der Beklagte unterfalle vorliegend
dem Behördenbegriff des IFG M-V. Bei den internen Vorgängen des Beklagten handele es sich um
reine Berichtsvorgänge, die nicht vom Anwendungsbereich des IFG M-V ausgenommen seien. Die
Berichtshefte müssten den Strafgerichten nicht nach den Vorschriften der Strafprozessordnung (St-

PO) vorgelegt werden. Wenn sie dann auch nicht nach dem IFG M-V vorgelegt werden müssten,
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sei dem Beklagten die Führung von Geheimakten ermöglicht, was nicht zulässig sein könne. Das
Bemühen des Beklagten, eine Akteneinsicht in die internen Vorgänge der Staatsanwaltschaften zu
verhindern, nähre den Verdacht, dass es in den Ermittlungsverfahren zu Einflussnahmen Dritter auf

den Gang des Verfahrens gekommen sei.

Der Beklagte wies den Widerspruch des Klägers mit Widerspruchsbescheid vom 25.09.2007, zuge-
stellt am 10.10.2007, unter Vertiefung der Gründe des Ausgangsbescheides vom 01.06.2007 zu-
rück. Wenn sich die Tätigkeit der Staatsanwaltschaften als Bestandteil der von ihr zu erfüllenden
Aufgabe der Justizgewährung darstelle, was bei der Behandlung von Berichtssachen aufgrund des
unmittelbaren Zusammenhanges mit dem zugrundeliegenden Ermittlungs- bzw. Strafverfahren der
Fall sei, werde sie als Organ der Rechtspflege tätig und handele demnach nicht als Behörde im Sin-
ne des $ 3 IFG M-V. Dem Akteneinsichtsgesuch stehe auch entgegen, dass dem Informationsfrei-
heitsgesetz M-V die abschließenden Regelungen der Strafprozessordnung zur Aktensicht vorgin-
gen. Nach $ I Abs. 3 IFG M-V blieben besondere Regelungen zum Informationszugang, die Aus-
kunftserteilung oder die Gewährung von Akteneinsicht in Spezialgesetzen unberührt und gingen
dem IFG vor bzw. sperrten einen Anspruch nach diesem Gesetz und dies unabhängig von dem Re-
gelungsumfang in der Spezialregelung. Eine ergänzende Anwendung des IFG M-V komme nur
dann in Betracht, wenn die bundesgesetzliche Regelung nicht abschließend sei. Die Vorschriften
der StPO zur Akteneinsicht seien abschließend. Nach den vorgenannten Vorschriften der StPO
könnten Gegenstand der Akteneinsicht nur die Vorgänge sein, die dem Gericht vorzulegen oder
diesem im Falle der Erhebung der öffentlichen Klage vorzulegen wären. Dazu gehörten weder die
Handakten der Staatsanwaltschaft noch andere innerdienstliche Vorgänge, beispielsweise Senatsak-
ten der Oberlandesgerichte oder des BGH. Derartigen Vorgängen seien die bei den Staatsanwalt-
schaften geführten Berichtsvorgänge vergleichbar.

Die Kläger haben am 12.11.2007, einen Montag, Klage erhoben.

Sie hätten einen Anspruch auf Einsichtnahme in die geforderten Unterlagen. Dieser folge aus dem
IFG M-V. Die Vorschriften der StPO über die Akteneinsicht stellten keine die Anwendung des IFG
M-V ausschließende Regelung dar. Das IFG M-V gelte nur dann nicht für Gerichte und Staats-
anwaltschaften, wenn sie als Organe der Rechtspflege oder aufgrund besonderer Rechtsvorschriften
in richterlicher Unabhängigkeit tätig würden. Vorliegend gehe es aber nicht darum, sondern um ei-
nen reinen Verwaltungsbereich. Die vorzulegenden Akten seien Verwaltungsvorgänge, die nicht
Gegenstand des gerichtlichen Ermittlungsverfahrens seien. Nur die Ermittlungsakten müssten nach
$ 199 Abs. 2 StPO dem Strafgericht vorgelegt werden. In den bei dem Beklagten angelegten Be-
richtsheft gehe es nicht um die Frage einer möglichen Täterschaft, sondern darum, warum sich der
Beklagte entschieden habe, den Vorgang ausgerechnet der Staatsanwaltschaft Neubrandenburg zu
übergeben. Auch sei sicherlich ersichtlich, in welchem Umfang das Finanzministerium M-V auf
den Lauf des Verfahrens Einfluss genommen habe. Auch aufgrund der Begründung des IFG M-V
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sei ersichtlich, dass von der Akteneinsicht nach dem IFG M-V von den Akten der Gerichte und Jus-
tizbehörden nur das ausgenommen werden solle, was im Rahmen der Öffentlichkeit der Verhand-
lungstermine ohnehin der Öffentlichkeit zugänglich sei.

Die Kläger beantragen,

den Beklagten zu verpflichten, ihnen Einsichtnahme in alle Aktenvorgänge des Beklagten und
der befassten Staatsanwaltschaften zu gewähren, die im Zusammenhang mit dem Ermittlungs-
verfahren gegen den Oberbürgermeister der Hansestadt ws. den Kläger zu 2., wegen des
Verdachts der Untreue bzw. der Teilnahme an einer Untreuehandlung angelegt worden seien
und die nicht körperlicher Bestandteil der später dem Amtsgericht Stralsund in dem Strafver-

fahren gegen lite, (Az. St A Vs 749 Is 2352 1/05), übersandten Er-

mittlungsakten geworden seien.
Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Hinsichtlich der von den Klägern geltend gemachten Einsichtnahmeansprüche kämen die bei den
Staatsanwaltschaften im Zusammenhang mit dem Ermittlungsverfahren gegen den Kläger zu 2. an-
gelegten staatsanwaltschaftlichen Handakten sowie die angelegten Berichtshefte in Betracht. Wei-
tere Vorgänge zu dem angesprochenen Verfahren seien neben den Hauptakten nicht existent. Die
vorgenannten Akten seien aber aus den in den Bescheiden genannten Gründen nicht vorzulegen.
Zum Inhalt der Berichtsvorgänge in Behörden nach Maßgabe der BeStra gehörten die dem Justiz-
ministerium auf dem Dienstweg vorzulegenden Berichte der Staatsanwaltschaften über die Einlei-
tung, den wesentlichen Gang und den Abschluss der in Nr. 2.1 BeStra näher hervorgehobenen
Strafsachen. Der Zweck der Berichtspflicht bestehe im wesentlichen darin, die Ausübung der so-
wohl ihm, dem Beklagten, als auch dem Justizministerium M-V obliegenden Fach- und Dienstauf-
sicht zu ermöglichen. Dies setze voraus, dass die genannten Aufsichtsbehörden, denen die Akten
der zugrundeliegenden Ermittlungs- bzw. Strafverfahrens nicht vorlägen, in regelmäßigen Abstän-
den über den jeweiligen Sachstand des Verfahrens sowie die rechtliche Bewertung der Staatsan-
waltschaft unterrichtet würden, um im Falle einer gegebenenfalls fehlerhaften Sachbehandlung

durch entsprechende Hinweise lenkend eingreifen zu können.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte sowie auf

die Verwaltungsakten des Beklagten Bezug genommen.
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Entscheidungsgründe:

Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.

Der Bescheid des Beklagten vom 01.06.2007 in der Form des Widerspruchsbescheides vom
25.09.2007 ist rechtmäßig und verletzt die Kläger nicht in ihren Rechten. Sie haben keinen An-
spruch auf die Gewährung von Einsichtnahme in die Aktenvorgänge des Beklagten, namentlich in
die Berichtshefte, die im Zusammenhang mit dem Ermittlungsverfahren gegen den Kläger zu 2.
wegen des Verdachts der Untreue bzw. der Teilnahme an einer Untreuehandlung angelegt worden
sind und die nicht körperlicher Bestandteil der später dem Amtsgericht in dem Strafverfahren (749
Js 23521/05 StA  übersandten Übermittlungsakten gewesen sind.

Ein derartiger Anspruch ergibt sich nicht aus $ 1 Abs. 1 und Abs. 2 des Gesetzes zur Regelung des
Zugangs zu Informationen für das Land Mecklenburg-Vorpommern - Informationsfreiheitsgesetz -
(IFG M-V) vom 10.07.2006 (GVOBI. S. 556). Nach $ 1 Abs. I IFG M-V ist es Zweck des Geset-

zes, den freien Zugang zu in den Behörden vorhandenen Informationen sowie die Verbreitung die-
ser Informationen zu gewährleisten und die grundlegenden Voraussetzungen festzulegen, unter de-
nen derartige Informationen zugänglich gemacht werden sollen. Nach Absatz 2 hat jede natürliche
und juristische Person des Privatrechts Anspruch auf Zugang zu den bei einer Behörde vorhande-

nen Informationen.

Vorliegend kommt als Information der Inhalt des bei dem Beklagten angelegten und nicht Gegen-
stand der Strafakten gewesenen Berichtshefts in Betracht. Dass ein solches Berichtsheft angelegt
worden ist, hat der Beklagte eingeräumt. Es trägt das Aktenzeichen 143E-(Str.)-2/04.

Der Beklagte ist nicht verpflichtet, den Klägern das angelegte Berichtsheft zugänglich zu machen.
Der Beklagte hat bei der Anlage des Berichtheftes nicht als Behörde gehandelt, sondern in seiner
Eigenschaft als Organ der Rechtspflege.

Der durch das IFG M-V gewährte Informationsanspruch richtet sich nur gegen Behörden. Nach $ 3
Abs. 4 IFG M-V sind keine Behörden im Sinne dieses Gesetzes die Gerichte, Strafverfolgungs- und
Strafvollstreckungsbehörden, soweit sie als Organe der Rechtspflege oder aufgrund besonderer

Rechtsvorschriften in richterlicher Unabhängigkeit tätig werden sowie Disziplinarbehörden.

Die Vorlagepflicht des Beklagten entscheidet sich damit danach, ob der Beklagte als Verwaltungs-
behörde oder als Organ der Rechtspflege tätig geworden ist. Mithin ist die Doppelnatur der Staats-
anwaltschaft in den Blick zu nehmen. Bei der Strafverfolgung werden die Staatsanwaltschaften als
Organe der Rechtspflege tätig. Die bei den Staatsanwaltschaften angelegten strafrechtlichen Ermitt-
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lungsakten fallen unzweifelhaft nicht in den Anwendungsbereich des IFG M-V. Daneben handelt
der Beklagte aber auch als Verwaltungsbehörde, zum Beispiel bei Personalangelegenheiten. Die
Anlage von Berichtheften vollzieht sich im Grenzbereich zwischen der Tätigkeit als Strafverfol-

gungsorgan und damit als Organ der Rechtspflege und verwaltender Tätigkeit im Rahmen der
Behördenhirarchie.

Zur Überzeugung der Kammer ist die Berichtstätigkeit gegenüber dem aufsichtführenden Justizmi-
nisterium Mecklenburg-Vorpommern vom Schwerpunkt her der Strafverfolgung zuzurechnen. Der
Berichtstätigkeit wohnen auch verwaltende Elemente inne. Wegen der Untrennbarkeit der
einzelnen inhaltlichen Aspekte der Berichtstätigkeit verbietet sich jedoch eine Aufsplittung, die

auch gar nicht möglich wäre, mit der Folge, dass die Berichtshefte dem Bereich der Rechtspflege
zuzuordnen sind.

Mit den Berichtsheften entsteht bei den Staatsanwaltschaften in bestimmten Verfahren eine beson-
dere Akte, in der bei dem Beklagten gegebenenfalls Berichte der nachgeordneten Staatsanwalt-
schaften enthalten sind und auch Berichte des Beklagten an das Justizministerium M-V. Die Be-
richtspflicht in Strafsachen ist durch das Justizministerium M-V mit einer Verwaltungsvorschrift,
der Anordnung über Berichtspflichten in Strafsachen (BeStra) vom 22.08.2005 (Amtsblatt M-V S.
1038) geregelt. Nach Ziffer 1 der BeStra soll die Landesjustizverwaltung durch die Berichte in die
Lage versetzt werden, den wesentlichen Gegenstand der Berichtssachen zu beurteilen, die ihr von
Gesetzes wegen obliegende Aufsicht auszuüben und auf Nachfrage von dritter Seite Auskunft ge-
ben zu können. Dabei ist in bestimmten Verfahren, unter anderen dann, wenn Personen, die im po-
litischen Leben stehen, betroffen sind, die Berichtspflicht nach Ziffer 2 vorgegeben. Die Berichts-
pflicht obliegt nach Ziffer 4 den Leitenden Oberstaatsanwälten und dem Generalstaatsanwalt, also
den jeweiligen Leitern der Staatsanwaltschaften. Die Berichte sind auf dem Dienstweg zu erstatten.
Bei wesentlicher Änderung der Sach-, Verfahrens- oder Rechtslage ist unverzüglich weiter zu be-
richten, Ziffer 3.2.. Insofern dienen die Berichte der Information des Justizministeriums M-V wie
auch des Beklagten hinsichtlich wichtiger und bedeutsamer Verfahren. Mit den Berichten wird die
Justizbehörde, also das Justizministerium, in die Lage versetzt, seine Aufsichtspflicht auszuüben.
Die Ausübung dieses Aufsichtsrechts ($ 147 GVG) kann auch Auswirkungen auf das staatsanwalt-
schaftliche Ermittlungsverfahren haben. Die Staatsanwälte sind bei der Sachbehandlung nicht un-
abhängig und frei ($ 146 GVG). Sie sind vielmehr weisungsgebunden und insofern kann auch das
Justizministerium Anweisungen treffen, wie bei Entscheidungen der Staatsanwaltschaften im Be-
reich der Strafverfolgung zu verfahren ist. Eine solche Entscheidung zum Gang des Verfahrens,
auch wenn diese sich (auch) in den Strafprozessakten befindet, ist z.B. die Entscheidung des Be-
klagten, dass das Ermittlungsverfahren nicht mehr durch die Staatsanwaltschaft ee weiterge-
führt werden sollte, sondern durch die Staatsanwaltschaf TTT Die Anlage der Be-
richtshefte und die Auswirkungen, die die Berichte haben können, stehen in einem so engen unmit-
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In

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telbaren Zusammenhang zur Strafverfolgung und zur Anlage der Strafverfolgungsakten, dass es
nicht gerechtfertigt wäre, diese von dem Bereich der Rechtspflege auszunehmen.

Dass die Berichtshefte den Strafgerichten nicht nach den Vorschriften der StPO vorzulegen sind,
führt nicht dazu, dass sie dann zwingend nach dem IFG M-V zugänglich sein müssen. Einen
Rechtssatz, dass diese Akten auf jeden Fall zugänglich sein müssen, also eine Einsichtnahmemög-
lichkeit bestehen muss, gibt es nicht. Derartiges lässt sich auch nicht aus der Begründung zu $ 3
Abs. 4 IFG M-V im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens zum IFG M-V (LT-Drucksache 4/21 17)
herleiten. Dort heißt es: "Bei den Gerichten und Justizbehörden steht nicht ein hoheitliches und ad-
ministratives Handeln im Vordergrund, sondern das Interesse von Prozessparteien. Dem Interesse
der Öffentlichkeit an diesbezüglicher Informationsfreiheit ist nur eingeschränkt stattzugeben. Dies
erfolgt bereits im Rahmen der Öffentlichkeit der Verhandlungstermine." Damit stellt die Gesetzes-
begründung auf Gerichtsverfahren ab, bei denen es um Parteiinteressen geht und bei denen i. d.R.
auf beiden Seiten Parteien stehen. Beim Strafprozess, mit dem der staatliche Strafanspruch
durchgesetzt werden soll, ist dies zwar anders. Allerdings hat die Öffentlichkeit auch hier die
Möglichkeit, sich in der öffentlichen Verhandlung zu informieren. Weitere, über die mündliche

Verhandlung hinausgehende Informationsmöglichkeiten müssen im Strafprozess nicht bestehen.

Auch $ I Abs. 3 IFG M-V steht dem Auskunftsanspruch der Kläger entgegen. Nach dessen Satz 1
bleiben besondere Rechtsvorschriften über den Zugang zu amtlichen Informationen, die Auskunfts-
erteilung oder die Gewährung von Akteneinsicht unberührt. Dementsprechend ist das IFG M-V
nicht anwendbar, wenn ihm abschließende Regelungen anderer Gesetze vorgehen (vgl. BGH, Be-
schluss vom 05.04.2006 - 5 StR 589/05 - NStZ 2007, 538, für die entsprechende Regelung des $ 1
Abs. 3 IFG des Bundes). Die Strafprozessordnung enthält sowohl für Beschuldigte wie auch für
dritte Personen Vorschriften, die die Einsichtnahme in die Akten regeln und die bestimmen, welche
Akten vorzulegen sind. Die Regelungen gehen als Spezialregelungen den Regelungen des IFG M-
V vor und schließen einen Anspruch der Kläger nach dem IFG M-V äus. Es sind dies die 88 147
Abs. 1, 406 e und 475 StPO. Nach $ 475 Abs. 1 und 2 StPO können Rechtsanwälte für eine Privat-
person oder sonstige Stellen unbeschadet der Vorschrift des $ 406 e Auskünfte bzw. Akteneinsicht
in Akten erhalten, die dem Gericht vorliegen oder diesem im Falle der Erhebung der öffentlichen
Klage vorzulegen wären, soweit hierfür ein berechtigtes Interesse dargelegt wird. Damit gehen die
Einsichtnahmemöglichkeiten nicht über die eigentlichen Ermittlungs-/Strafverfahrensakten hinaus
und es muss, anders als beim IFG M-V, ein berechtigtes Interesse dargetan werden. Daneben kann
es Akten geben, die weder nach der StPO einsehbar noch nach dem IFG M-V vorzulegen sind, z.
B. die Senatsakten der Oberlandesgerichte oder des Bundesgerichtshofs (BGH, aao.). Nichts
anderes gilt für die Berichtshefte der Staatsanwaltschaften.
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NL

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Europarechtliche Vorschriften, nach denen den Klägern die begehrte Akteneinsicht zu gewähren
wäre, sind nicht ersichtlich.

Die Kostenentscheidung folgt aus $ 154 Abs. 1 VwGO, die Entscheidungen über die vorläufige
Vollstreckbarkeit beruht auf $ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

Die Berufung war nach $ 124a Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. $ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zuzulassen.
Die hier zu beurteilende Frage, ob ein Akteneinsichtsrecht in Berichtshefte der Staatsanwaltschaf-
ten nach dem Informationsfreiheitsgesetz besteht oder nicht, ist von grundsätzlicher Bedeutung. Sie
ist bisher nicht entschieden worden.

Gegen dieses Urteil steht den Beteiligten die Berufung zu.

Die Berufung ist bei dem Verwaltungsgericht Greifswald, Domstraße 7, 17489 Greifswald, inner-
halb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils schriftlich einzulegen.

Die Berufung muss das angefochtene Urteil bezeichnen.

Die Berufung ist innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils zu begrün-
den. Die Begründung ist, sofern sie nicht zugleich mit der Einlegung der Berufung erfolgt, beim
Oberverwaltungsgericht Mecklenburg-Vorpommern, Domstraße 7, 17489 Greifswald, einzurei-
chen. Die Begründung muss einen bestimmten Antrag enthalten sowie die im Einzelnen anzufüh-
renden Gründe der Anfechtung.

Vor dem Oberverwaltungsgericht müssen sich die Beteiligten durch Prozessbevollmächtigte vertre-
ten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Oberverwal-
tungsgericht eingeleitet wird.

Als Prozessbevollmächtigte sind nur nachfolgende Personen zugelassen:

(1) Rechtsanwälte oder Rechtslehrer an einer deutschen Hochschule im Sinne des Hochschulrah-
mengesetzes mit Befähigung zum Richteramt;

(2) in Abgabenangelegenheiten Steuerberater, Steuerbevollmächtigte, Wirtschaftsprüfer und verei-
digte Buchprüfer, Personen und Vereinigungen im Sinne des $ 3 Nr. 4 des Steuerberatungsgesetzes
sowie Gesellschaften im Sinne des $ 3 Nr. 2 und 3 des Steuerberatungsgesetzes, die durch Personen
im Sinne des $ 3 Nr. 1 des Steuerberatungsgesetzes handeln;

(3) berufsständische Vereinigungen der Landwirtschaft für ihre Mitglieder;

(4) Gewerkschaften und Vereinigungen von Arbeitgebern sowie Zusammenschlüsse solcher Ver-
bände für ihre Mitglieder oder für andere Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer
Ausrichtung und deren Mitglieder;

(5) in Angelegenheiten der Kriegsopferführsorge und des Schwerbehindertenrechts sowie der damit
im Zusammenhang stehenden Angelegenheiten Vereinigungen, deren satzungsgemäße Aufgaben
die gemeinschaftliche Interessenvertretung, die Beratung und Vertretung der Leistungsempfänger
nach dem sozialen Entschädigungsrecht oder der behinderten Menschen wesentlich umfassen und
die unter Berücksichtigung von Art und Umfang ihrer Tätigkeit sowie ihres Mitgliederkreises die
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Gewähr für eine sachkundige Prozessvertretung bieten, für ihre Mitglieder;

(6) juristische Personen, deren Anteile sämtlich im wirtschaftlichen Eigentum einer der in den
Nummern 4 und 5 bezeichneten Organisationen stehen, wenn die juristische Person ausschließlich
die Rechtsberatung und Prozessvertretung dieser Organisation und ihrer Mitglieder oder anderer
Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder entspre-
chend deren Satzung durchführt, und wenn die Organisation für die Tätigkeit der Bevollmächtigten
haftet.

Bevollmächtigte, die keine natürliche Personen sind, handeln durch ihre Organe und mit der Pro-
zessvertretung beauftragte Vertreter.

Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfül-
lung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse können sich durch ei gene Beschäf-
tigte mit Befähigung zum Richteramt oder durch Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt an-
derer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur
Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse vertreten lassen.

Aussprung Stratmann Tank
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