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Aktives Presserecht – Argumente für Auskünfte


Oft verweigern Behörden Auskünfte auf Anfragen von Journalist*innen. Sie berufen sich dabei in der Regel auf angebliche Ausnahmen nach den jeweils gültigen Landespressegesetzen. Häufig ist Unwissen der Grund für die Auskunftsverweigerung und nicht böser Wille. Als Teil des Projektes „Fragen und Antworten - Auskunftsrechte kennen und nutzen“, einer Kooperation mit Netzwerk Recherche, stärkt die Entscheidungsdatenbank das Wissen rundum Auskunftsrechte und hilft besser argumentieren zu können. Journalist*innen können für ihre Recherchen wichtige Urteile, Bescheide und Beschlüsse kostenlos im Volltext eingesehen und durchsuchen.

Information

Aktenzeichen
10 A 11156/09
Datum
12. Februar 2010
Gericht
Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz
Gesetz
Informationsfreiheitsgesetz (Rheinland-Pfalz)
Informationsfreiheitsgesetz (Rheinland-Pfalz)

Urteil: Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz am 12. Februar 2010

10 A 11156/09

Das Oberverwaltungsgericht bestätigt die Entscheidung der Erstinstanz, die eine Krankenkasse verpflichtet hatte, dem Insolvenzverwalter eines Betriebes Einsicht in die zu diesem Insolvenzschuldner geführten Akten zu gewähren. Vorrang vor dem Informationsfreiheitsgesetz haben nur solche fachgesetzlichen Regelungen, die einen identischen Sachverhalt abschließend regeln. Bei der Insolvenzordnung und zivilrechtliche Vorschriften ist dies nicht der Fall. Eine missbräuchliche Antragstellung im Sinne eines Ausforschungsverbots kann schon aufgrund der Voraussetzungslosigkeit des Zugangsanspruchs nicht vorliegen. Die Ausnahmeregelungen zum Schutz anhängiger kann auf bevorstehende Gerichtsverfahren nicht angewandt werden; zudem zielt diese Regelung lediglich auf den Schutz des Ablaufs des gerichtlichen Verfahrens, nicht auf die Vermeidung eines wirtschaftlichen Nachteils durch die Entscheidung des Gerichts. Auch kann der Informationszugang nicht mit Verweis auf das Sozialgeheimnis, den Schutz wirtschaftlicher Interessen oder von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen abgelehnt werden. (Quelle: LDA Brandenburg)

Anwendungsbereich/ Zuständigkeit Missbräuchliche Antragstellung Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse (Gesetzliche) Geheimhaltungspflichten Konkurrierende Rechtsvorschriften Begriffsbestimmung Schutz besonderer Verfahren Antragsberechtigung

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10 A 11156/09.OVG 4 K 639/09.NW Die Entscheidung ist rechtskräftig! OBERVERWALTUNGSGERICHT RHEINLAND-PFALZ URTEIL IM NAMEN DES VOLKES In dem Verwaltungsrechtsstreit ……. - Kläger und Berufungsbeklagter - Prozessbevollmächtigte:       Rechtsanwälte Dillmann, Lanz, Mackenrodt, Schiede 4, 65549 Limburg, gegen die AOK - Die Gesundheitskasse, in Rheinland-Pfalz, Karlstraße 18, 57610 Altenkirchen, - Beklagte und Berufungsklägerin - Prozessbevollmächtigter:      AOK - Die Gesundheitskasse, in Rheinland-Pfalz Direktion - Rechtsabteilung -, Virchowstraße 30, 67304 Eisenberg, wegen         Sonstiges (Informationsfreiheitsgesetz)
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-2- hat der 10. Senat des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz in Koblenz aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 12. Februar 2010, an der teilgenommen haben Vizepräsident des Oberverwaltungsgerichts Steppling Richter am Oberverwaltungsgericht Hennig Richterin am Oberverwaltungsgericht Brink ehrenamtliche Richterin Marketingassistentin Schnell ehrenamtlicher Richter Elektromeister Weitzel für Recht erkannt: Die Berufung der Beklagten gegen das aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 17. September 2009 ergangene Urteil des Verwaltungs- gerichts Neustadt an der Weinstraße wird zurückgewiesen. Die Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagten wird nachgelassen, eine Vollstreckung des Klägers durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abzuwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet. Die Revision wird nicht zugelassen. Tatbestand Der Kläger begehrt Einsicht in von der Beklagten geführte Akten. Mit Beschluss vom 16. Mai 2008 eröffnete das Amtsgericht Montabaur das Insolvenzverfahren über das Vermögen von Herrn R…. (im Folgenden: Insolvenzschuldner) und bestellte den Kläger zum Insolvenzverwalter. Dieser machte im Wege der Insolvenzanfechtung gegenüber der Beklagten, einer in Form einer Körperschaft des öffentlichen Rechts geführten Krankenkasse, wegen der     Zahlung     rückständiger     Sozialversicherungsbeiträge    durch    den Insolvenzschuldner in Höhe von 2.228,50 € vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens einen Rückgewähranspruch nach §§ 129 Abs. 1, 133 Abs. 1, 143 Abs. 1 der Insolvenzordnung – InsO – geltend. Nachdem die Beklagte den Anspruch mit der -3-
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-3- Begründung zurückgewiesen hatte, der Kläger müsse zur Darlegung des Anfech- tungsanspruchs nähere Angaben zu den Voraussetzungen des § 129 Abs. 1 InsO machen, verlangte der Kläger von der Beklagten die Vorlage der bei ihr geführten Akte des Insolvenzschuldners zum Zwecke der Akteneinsicht. Mit Bescheid vom 10. Dezember 2008 lehnte die Beklagte die Aktenvorlage ab. Nach erfolgloser Durchführung des Widerspruchsverfahrens hat der Kläger Klage erhoben. Zur Begründung hat er im Wesentlichen darauf verwiesen, er habe gegenüber der Beklagten einen Anspruch auf Herausgabe der bezüglich des In- solvenzschuldners geführten Akte zum Zwecke der Akteneinsicht nach Maßgabe der Vorschriften des (rheinland-pfälzischen) Landesgesetzes über die Freiheit des Zugangs zu Informationen (Landesinformationsfreiheitsgesetz - LIFG -). Der Kläger hat beantragt, die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheides vom 10. Dezember 2008 und des Widerspruchsbescheides vom 31. März 2009 zu verpflichten, die Akte Betriebsnummer …. betreffend den Insolvenzschuldner R. zum Zwecke der Akteneinsicht an ihn herauszugeben. Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat geltend gemacht, der Anspruch auf Zugang zu amtlichen Informationen nach § 4 Abs. 1 LIFG werde im vorliegenden Fall durch vorrangige Regelungen und Grundsätze der Insolvenz- und der Zivilprozessordnung verdrängt. Das Verwaltungsgericht hat der Klage mit der Begründung stattgegeben, der Kläger habe auf der Grundlage des § 4 Abs. 1 Satz 1 LIFG einen Anspruch auf den begehrten Zugang zu den Akten der Beklagten. Dieser Informationsanspruch werde auch nicht nach § 4 Abs. 2 LIFG durch spezielle insolvenzrechtliche oder zivilrechtliche Auskunftsrechte verdrängt. Des Weiteren sei das Auskunftsver- langen des Klägers nicht missbräuchlich i.S.d. § 7 Abs. 4 LIFG. Die in § 9 LIFG -4-
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-4- aufgezählten Ausnahmetatbestände seien eng auszulegen und vorliegend nicht einschlägig. Mit ihrer vom Verwaltungsgericht zugelassenen Berufung trägt die Beklagte weiter vor, der Insolvenzverwalter müsse sich nach dem in der Insolvenz- und der Zivilprozessordnung geltenden Beibringungsgrundsatz seine Informationen zur Vorbereitung eines Gerichtsverfahrens selbst beschaffen. Die Insolvenzordnung gebe ihm hierfür nur die Auskunfts- und Mitwirkungspflichten des Insolvenz- schuldners nach den §§ 20, 97 InsO an die Hand. Die Insolvenzordnung werde von dem Grundsatz der absoluten Gläubigergleichbehandlung beherrscht, so dass es keinerlei Vorrechte der Sozialversicherungsträger gebe. Diese müssten sich daher im Gegenzug wie jede andere Prozesspartei in den von den Insolvenzver- waltern    zur Masseanreicherung     geführten  Anfechtungsprozessen    auf   die Verfahrensregelungen der Zivilprozessordnung und der Insolvenzordnung berufen können. Wenn auch die Beklagte formal dem Landesinformationsfreiheitsgesetz unterliege, gebiete dieses vorliegend nicht die Zubilligung eines Auskunfts- anspruchs. Denn das Landesinformationsfreiheitsgesetz diene der Förderung der demokratischen Meinungs- und Willensbildung und Verwaltungstransparenz für die breite Öffentlichkeit; darum gehe es dem Kläger aber nicht. Das Auskunfts- begehren sei zudem auch missbräuchlich im Sinne des § 7 Abs. 4 LIFG, weil sich der Kläger unter Verletzung des Gläubigergleichbehandlungsgrundsatzes den Umstand zunutze mache, dass die Beklagte grundsätzlich dem Anwendungs- bereich des Landesinformationsgesetzes unterfalle. Darüber hinaus führe eine aufgrund des Auskunftsanspruchs erfolgte Anfechtung dazu, dass Abgaben zur gesetzlichen Sozialversicherung unzulässigerweise nicht zur Deckung der den Trägern der gesetzlichen Sozialversicherung obliegenden Aufgaben, sondern zur die Bewältigung der Folgen einer ausschließlich privatrechtlich zu beurteilenden Insolvenz eines privaten Rechtsträgers verwendet würden. Des Weiteren sei § 9 Abs. 1 Nr. 2 LIFG analog anzuwenden. Die Vorschrift spreche zwar von „anhängigen Gerichtsverfahren“, sie müsse aber nach ihrem Sinn und Zweck auch dann zur Anwendung kommen, wenn eine Auskunft erst die Grundlagen für ein Prozessverfahren schaffen solle. Die angeforderten Daten zum Zahlungsverhalten des Insolvenzschuldners stellten zudem ein besonderes Amtsgeheimnis im Sinne des § 9 Abs. 1 Nr. 4 LIFG dar. Außerdem würden wirtschaftliche Interessen der -5-
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-5- Beklagten bzw. der Beitragszahler im Sinne des § 9 Abs. 1 Nr. 6 LIFG beein- trächtigt.  Mit   einem   unbegrenzten   Informationsoffenlegungsanspruch     der Insolvenzverwalterschaft zur Vorbereitung ihrer Anfechtungsprozesse werde die Einnahmesituation der Sozialversicherungen stark beeinträchtigt. § 9 Abs. 1 Nr. 6 LIFG diene nicht dem Schutz der Sozialversicherung vor Mitbewerbern, sondern ihrer Einnahmen an sich. Würden die Beiträge durch Anfechtungen wieder aus dem Gesundheitsfonds herausgelöst, stünden diese Einnahmen nicht mehr zur Deckung der Leistungsausgaben der Krankenkassen zur Verfügung. Schließlich sei die Ablehnung des Informationszugangs auch auf der Grundlage der §§ 11 und 12 LIFG gerechtfertigt. Die Beklagte beantragt, unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts Neustadt an der Weinstraße vom 17. September 2009 die Klage abzuweisen. Der Kläger beantragt, die Berufung zurückzuweisen. Er verteidigt das angefochtene Urteil. Die weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten ergeben sich aus den zur Gerichtsakte gereichten Schriftsätzen und den vorgelegten Verwaltungsvorgängen. Sämtliche Unterlagen waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung. Entscheidungsgründe Die zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat einen Anspruch des Klägers gegen die Beklagte auf Zugang zu der bei dieser geführten Akte des Insolvenzschuldners zu Recht bejaht. -6-
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-6- Der ablehnende Bescheid der Beklagten vom 10. Dezember 2008 und der hierzu ergangene Widerspruchsbescheid sind rechtswidrig und verletzen den Kläger in seinen Rechten (vgl. § 113 Abs. 5 Satz 1 der Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO -). Rechtsgrundlage für das Begehren des Klägers ist § 4 Abs. 1 Satz 1 LIFG. Hiernach hat jede natürliche oder juristische Person nach Maßgabe des Landes- informationsfreiheitsgesetzes gegenüber den in § 2 LIFG genannten Behörden Anspruch auf Zugang zu den dort vorhandenen amtlichen Informationen. Die tatbestandlichen Voraussetzungen dieser Vorschrift sind gegeben. Der Kläger wird auch in seiner Eigenschaft als Insolvenzverwalter als natürliche Person tätig und ist daher grundsätzlich anspruchsberechtigt. Als rechtsfähige Körperschaft des öffentlichen Rechts, deren Zuständigkeit sich auf das Gebiet des Landes Rheinland-Pfalz beschränkt und die der Aufsicht des Ministeriums für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Familie und Frauen bzw. des Landesamtes für Soziales, Jugend und Versorgung unterliegt, ist die Beklagte Behörde im Sinne des § 2 Abs. 1 LIFG und daher Anspruchsgegnerin. Die in der den Insolvenzschuldner betreffenden Akte niedergelegten Informationen – insbesondere über die Zahlung von Sozialversicherungsbeiträgen – sind des Weiteren dienstlichen Zwecken dienende Aufzeichnungen (vgl. § 3 Nr. 1 LIFG) und damit bei der Beklagten vorhandene    amtliche   Informationen.   Da   der  Senat   der    entsprechenden Begründung des Verwaltungsgerichts folgt, sieht er insoweit von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab (vgl. § 130b Satz 2 VwGO). Der hiernach eröffnete Anspruch auf Informationszugang besteht unabhängig davon, aus welchem Interesse der Kläger diesen geltend macht. In der Begründung zum Gesetzentwurf des LIFG (LT-Drucks. 15/2085, S.1) wird die Informationsfreiheit als eine der wichtigsten Voraussetzungen der freiheitlichen Demokratie angesehen. Durch das Landesinformationsfreiheitsgesetz sollen die Beteiligungsrechte der Bürgerinnen und Bürger durch eine Verbesserung der Informationszugangsrechte gestärkt und die demokratische Meinungs- und Willensbildung nachhaltig unterstützt werden. Die Transparenz politischer und behördlicher Entscheidungen soll deren Nachvollziehbarkeit und Akzeptanz erhöhen. Da unabhängig von einer individuellen Betroffenheit Sachkenntnisse -7-
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-7- entscheidende Voraussetzung für eine Beteiligung der Bürger an staatlichen Entscheidungsprozessen sind, ist der Informationsanspruch umfassend und voraussetzungslos (LT-Drucks. 15/2085, S.1, 9, 11, 12, so auch die Begründung zum Entwurf des Informationsfreiheitsgesetzes des Bundes – IFG -, BT-Drucks. 15/4493, S. 1, 7); die Informationsfreiheit wird um ihrer selbst willen gewährt (vgl. Schoch, IFG, 2009, § 1 Rn. 19). Das mit der Informationserlangung verfolgte Ziel des Klägers – hier die Aufdeckung von nach dem Insolvenzrecht anfechtbaren Vermögensverschiebungen – ist demnach im Rahmen des § 4 Abs. 1 Satz 1 LIFG ohne Belang. Der somit grundsätzlich bestehende Informationsanspruch des Klägers ist nicht nach § 4 Abs. 2 LIFG ausgeschlossen. Hiernach gehen, soweit besondere Rechtsvorschriften den Zugang zu amtlichen Informationen regeln, diese den Bestimmungen des Landesinformationsfreiheitsgesetzes vor. Es können also nur solche Vorschriften das Landesinformationsfreiheitsgesetz verdrängen, die denselben sachlichen Regelungsgegenstand, nämlich Zugang zu amtlichen Informationen, haben (vgl. LT-Drucks. 15/2085, S.12: „fachrechtliche Auskunfts- ansprüche und –beschränkungen“; BT-Drucks. 15/4493, S. 8: „spezialgesetzliche Informationszugangsregelungen“). Die Begründung des Entwurfs des LIFG nennt als Beispiele das Landesumweltinformationsgesetz, das Verbraucherinformations- gesetz und § 111 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (LT-Drucks. 15/2085, S 12). Vorrang haben darüber hinaus nur solche fachgesetzlichen Regelungen, die den identischen Sachverhalt abschließend – sei es in der gleichen Weise, sei es abweichend – regeln; inwieweit dies der Fall ist, muss jeweils im Einzelfall entschieden werden (LT-Drucks. 15/2085, S. 12; vgl. auch OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 28.Juli 2008 – 8 A 1548/07 -, juris). Die hier in Betracht kommenden insolvenz– und zivilrechtlichen Auskunftsrechte erfüllen diese Voraussetzungen nicht. §§ 97, 101 InsO regeln die Auskunfts- und Mitwirkungspflichten des Insolvenz- schuldners bzw. seiner Organe und Angestellten gegenüber dem Insolvenzgericht, dem Insolvenzverwalter, dem Gläubigerausschuss und auf Anordnung des Gerichts der Gläubigerversammlung. Damit treffen sie nicht nur zur Auskunfts- pflicht der Insolvenzgläubiger gegenüber dem Insolvenzverwalter keine Aussage, -8-
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-8- sondern verdrängen den Anspruch aus § 4 Abs. 1 Satz 1 LIFG schon deshalb nicht, weil ihr Regelungsgegenstand nicht der Zugang zu amtlichen Informationen ist. Vielmehr sind die über §§ 97, 101 InsO erlangbaren Informationen - wenn auch nicht immer im Einzelfall, so doch typischerweise - nichtamtliche Aufzeich- nungen von Privatpersonen (vgl. hierzu VG Stuttgart, Urteil vom 18. August 2009 - 8 K 1011/09 -, juris; VG Hamburg, Urteil vom 23. April 2009 - 19 K 4199/07 -, juris). Auch § 242 des Bürgerlichen Gesetzbuchs - BGB – schließt den Informations- zugangsanspruch des Klägers nicht aus. Nach der Rechtsprechung des Bundes- gerichtshofs kann der Insolvenzverwalter nach dieser Vorschrift für die Insolvenz- anfechtung grundsätzlich keine Auskunft von dem Insolvenzgläubiger verlangen. Etwas anderes gilt nur für den Fall, dass der Anfechtungsanspruch dem Grunde nach bereits feststeht (BGH, Urteil vom 6. Juni 1979 – VII ZR 255/78 -, juris; Urteil vom 15. Januar 1987 – IX ZR 4/86 -, juris). In Anbetracht des unspezifischen Regelungsgehalts des § 242 BGB stellt die Norm keine besondere Rechtsvor- schrift über den Zugang zu amtlichen Informationen im Sinne des § 4 Abs. 2 LIFG dar. Vielmehr geht es bei der Bestimmung um die Art der Leistungsbewirkung im Zivilrechtsverkehr, nämlich nach Treu und Glauben. Bei der Ableitung eines Auskunftsanspruchs aus § 242 BGB handelt es sich um eine Fortbildung der Rechtsprechung, die § 242 BGB selbst nicht zu einer Informationszugangsnorm werden lässt (vgl. Schoch, a.a.O., § 1 IFG, Rn. 192 unter Verweis auf OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 19. Juni 2002 – 21 B 589/02 -, NVwZ-RR 2003, 800). Selbst wenn aber die genannten insolvenzrechtlichen Auskunftsregelungen sowie § 242 BGB als vorrangige Vorschriften über den Informationszugang im Sinne des § 4 Abs. 2 LIFG anzusehen wären, verdrängten sie nicht den Informations- anspruch aus § 4 Abs. 1 Satz 1 LIFG. Denn fachgesetzliche Spezialvorschriften gehen, wie dargelegt, nur vor, wenn und soweit sie den Informationszugang abschließend regeln. Das ist hier nicht der Fall. Den zitierten Vorschriften ist nicht zu entnehmen, dass (weitergehende) Informationsrechte des Insolvenzverwalters gegenüber den Insolvenzgläubigern generell gesperrt sein sollen. -9-
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-9- §§ 97, 101 InsO sollen verhindern, dass der über alle das Insolvenzverfahren betreffenden Verhältnisse in der Regel am besten informierte Insolvenzschuldner bzw. seine Organe und Angestellten durch ihr Schweigen die Arbeit des Insolvenzverwalters und der weiteren genannten Personen und Gremien unnötig erschweren und Gläubigeransprüche über das vorhandene Maß hinaus weiter gefährdet werden. Die nach diesen Vorschriften anspruchsberechtigten Personen oder Einrichtungen sollen sich über die wirtschaftlichen und rechtlichen Verhältnisse des Schuldners umfassend informieren können, um im Hinblick auf die Gläubigerbefriedigung das Insolvenzverfahren sachgerecht und effektiv durchführen zu können. Ein auf § 4 Abs. 1 Satz 1 LIFG gestützter weitergehender Auskunftsanspruch läuft diesem Schutzzweck nicht entgegen. Vielmehr fördert er diesen Schutzzweck, indem er eine weitere Anreicherung der Insolvenzmasse wahrscheinlicher macht (vgl. Dauernheim/Behler/Heutz, ZIP 2008, 2296, 2299). Ein abschließender Charakter lässt sich daher §§ 97, 101 InsO nicht entnehmen, auch nicht vor dem Hintergrund der bereits zitierten Rechtsprechung des Bundes- gerichtshofs (Urteil vom 6. Juni 1979, a.a.O.; Urteil vom 15. Januar 1987, a.a.O.), nach welcher Auskunftsansprüche des Insolvenzverwalters im Hinblick auf eine mögliche Insolvenzanfechtung nur ausnahmsweise (nach § 242 BGB) bestehen. Der Bundesgerichtshof hat in den genannten Entscheidungen lediglich auf der Grundlage des damals geltenden Insolvenzrechts wegen des im Zivilprozessrecht geltenden Beibringungsgrundsatzes - danach ist es Sache der Parteien, die notwendigen Tatsachenbehauptungen aufzustellen und Beweismittel zu benennen - die in den insolvenzrechtlichen Vorschriften geregelten Informationsrechte grundsätzlich als abschließend angesehen. Anhaltspunkte dafür, dass damit auch allgemeine Auskunftsansprüche ausgeschlossen sein könnten, finden sich in der Entscheidung     dagegen     nicht. Vielmehr   hat    der  Bundesgerichtshof     das Ausforschungsverbot ausdrücklich als durch materiell-rechtliche Vorschriften überwindbar angesehen (Beschluss vom 7. Februar 2008 – IX ZB 137/07, juris, m.w.N.). Im Übrigen hat der Gesetzgeber mit dem Landesinformationsfreiheits- gesetz für die öffentliche Verwaltung das Prinzip der Aktenöffentlichkeit eingeführt, dem der Gedanke eines Ausforschungsverbots insoweit fremd ist. Das Landes- informationsfreiheitsgesetz ist Folge der Sonderstellung der öffentlichen Hand, die besondere Transparenzpflichten mit sich bringt. Diese besondere Pflichtenstellung bleibt auch dort bestehen, wo Teile der Staatsverwaltung im Einzelfall zugleich am - 10 -
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- 10 - Insolvenzverfahren als Insolvenzgläubiger teilnehmen. Dabei nimmt das Landes- informationsfreiheitsgesetz es in Kauf, dass Ansprüche aus der Insolvenzan- fechtung gegen die öffentliche Hand unter erleichterten Bedingungen geltend gemacht werden können (OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 28. Juli 2008, a.a.O.; VG Hamburg, Urteil vom 23. April 2009, a.a.O.). Die insolvenzrechtlichen Auskunftsvorschriften sind schließlich, anders als die Beklagte meint, nicht deshalb abschließend, weil ein auf das Landesin- formationsfreiheitsgesetz gestützter Auskunftsanspruch dem die Insolvenzordnung beherrschenden Grundsatz der Gläubigergleichbehandlung widersprechen würde. Auch wenn die Insolvenzordnung Sozialversicherungsträgern keine Vorrechte bei der Anfechtung des Einzugs von Sozialversicherungsbeiträgen nach § 76 Sozial- gesetzbuch IV einräumt, lässt dies nicht den Schluss zu, dass sie als Körper- schaften   des   öffentlichen  Rechts    nicht  besonderen    Informationspflichten gegenüber dem Insolvenzverwalter unterliegen. Nach alledem scheidet eine Verweigerung des Zugangs zur Akte des Insolvenz- schuldners auf der Grundlage des § 4 Abs. 2 LIFG aus. Der Anspruch des Klägers auf Informationszugang nach § 7 Abs. 4 LIFG scheitert auch nicht daran, dass der Antrag offensichtlich missbräuchlich gestellt worden ist. Weder ist die Akte dem Insolvenzverwalter bereits zugänglich gemacht worden (§ 7 Abs. 4 LIFG a.E.) noch kann die Beklagte geltend machen, der Kläger mache sich unter Verletzung des Gläubigergleichbehandlungsgrundsatzes der Insolvenz- ordnung und des Ausforschungsverbotes der Zivilprozessordnung den Umstand zunutze, dass sie – die Beklagte – grundsätzlich dem Anwendungsbereich des Landesinformationsfreiheitsgesetzes unterfalle. Hat der Gesetzgeber der öffent- lichen Hand – und auch den öffentlich-rechtlichen Körperschaften – besondere Transparenzpflichten auferlegt und damit bewusst eine gewisse Benachteiligung der Sozialversicherungsträger im insolvenzrechtlichen Anfechtungsverfahren in Kauf genommen sowie darüber hinaus den Auskunftsanspruch nach dem Landesinformationsfreiheitsgesetz ausdrücklich voraussetzungslos gewährt, kann dessen Geltendmachung nicht rechtsmissbräuchlich sein. Die Beklagte kann in diesem Zusammenhang auch nicht erfolgreich darauf verweisen, eine aufgrund des Auskunftsanspruchs erfolgte Anfechtung führe dazu, dass Abgaben zur - 11 -
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