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Information

Aktenzeichen
3 A 139/09
Datum
4. Februar 2010
Gericht
Verwaltungsgericht Magdeburg
Gesetz
Informationszugangsgesetz Sachsen-Anhalt (IZG LSA)
Informationszugangsgesetz Sachsen-Anhalt (IZG LSA)

Urteil: Verwaltungsgericht Magdeburg am 4. Februar 2010

3 A 139/09

Die Klägerin hat Anspruch auf Einsicht in ein amtsärztliches Gutachten, das von ihrem Arbeitgeber in Auftrag gegeben worden war. Anhaltspunkte für eine der Herausgabe entgegenstehenden Selbstmordgefahr der Klägerin sieht das Gericht nicht. Speziellere Vorschriften über den Zugang zu amtlichen Informationen im Sinne des Informationszugangsgesetzes Sachsen-Anhalt sind nicht einschlägig. (Quelle: LDA Brandenburg)

Konkurrierende Rechtsvorschriften Personenbezogene Daten

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VERWALTUNGSGERICHT MAGDEBURG

 

Az.: 3A 139/09 MD

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
in der Verwaltungsrechtssache
der Frau A.,
7 A-Straße, A-Stadt,
Klägerin,
Proz.-Bev.: Rechtsanwälte B.,
B-Straße, 39104 Magdeburg,
gegen
den Landkreis C-Stadt, ,
C-Straße, C-Stadt,
Beklagter,
Streitgegenstand: Gewährung von Akteneinsicht.
) Das Verwaltungsgericht Magdeburg - 3. Kammer - hat auf die mündliche Verhandlung

 

vom 4. Februar 2010 durch den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgericht Dr. Vetter
als Einzelrichter für Recht erkannt:

Der Beklagte wird verurteilt, der Klägerin Einsicht in alle
über sie beim Gesundheitsamt des Beklagten geführten
Akten zu gewähren. Die entgegenstehenden Bescheide
des Beklagten vom 26.09.2008, 29.10.2008, 07.01.2009
und 27.04.2009 werden aufgehoben.

Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
1

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Der Beklagte kann die Vollstreckung gegen Sicherheits-
leistung in Höhe des vollstreckbaren Betrages abwenden,
wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit
in gleicher Höhe leistet.

Der Streitwert wird auf 10.000,00 Euro festgesetzt.

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt Akteneinsicht in die beim Gesundheitsamt des Beklagten über sie
geführten Akten.

Der frühere Arbeitgeber der Klägerin, das Fachklinikum U., erteilte mit Schreiben vom
26.05.2008 der Amtsärztin des Beklagten den Auftrag für eine amtsärztliche Begutach-
tung. Hintergrund des Gutachtensauftrages war die Tatsache, dass Zweifel darüber
bestanden, ob die Klägerin zur Leistung der arbeitsvertraglich geschuldeten Pflichten
aufgrund einer möglicherweise vorliegenden psychischen Störung in der Lage war. Die
Klägerin war insoweit auch am 20.05.2008 vom Dienst suspendiert worden.

Die amtsärztliiche Untersuchung wurde am 02.07.2008 durchgeführt und am
07.07.2008 ein Gutachten erstellt. Dem Dienstherrn und der Klägerin wurde das Er-
gebnis der Begutachtung mitgeteilt, jedoch nicht das ausführliche ärztliche Gutachten
als solches vorgelegt. Dieses nahm der Prozessbevollmächtigte der Klägerin zum An-
lass, mit Schreiben vom 31.07.2008 und 19.09.2008 die Vorlage des vollständigen
Gutachtens zu verlangen. Dieses Ansinnen wurde von der Amtsärztin durch Schreiben
vom 26.09.2008 im Wesentlichen mit der Begründung abgelehnt, dass das Gutachten
subjektive Wertungen enthalten würde und dass das Ziel der psychiatrischen Behand-
lung durch Bekanntgabe des Gutachtens gefährdet werden würde. Es bestünde im
konkreten Fall die Gefahr, dass die Klägerin beim Studium der Unterlagen den Prozess
der therapeutischen Verarbeitung ihrer psychischen Ausfälle krankhaft reproduziere.
Da der wesentliche Inhalt des Gutachtens bekannt sei, sei eine Einsicht in das ausführ-
liche Gutachten rechtlich nicht zu fordern.

Die Klägerin begehrte weiter mit Schreiben vom 24.10.2008 die Einsichtnahme in das
vollständige Gutachten und führte im Einzelnen aus, dass aus ihrer Sicht keinerlei
Gründe für eine Verweigerung hinsichtlich der Einsichtnahme bestünden. Mit Schrei-
ben vom 29.10.2008 teilte die Amtsärztin mit, dass sie bei ihrer bereits geäußerten
Rechtsauffassung bleibe. Auch aufgrund eines mit Schriftsatz vom 16.12.2008 noch-
mals ausführlich begründeten Gesuchs auf Gewährung von Akteneinsicht reagierte der
Beklagte in der Weise, dass er mit Schreiben vom 07.01.2009 weiterhin die Gewäh-
rung von Akteneinsicht ablehnte und dies auch nochmals durch Schreiben vom
27.04.2009 bekräftigte.
2

Die Klägerin hat am 14.05.2009 Klage erhoben, mit der sie ihren Antrag auf Gewäh-
rung von Akteneinsicht weiter verfolgt. Zur Begründung führt sie im Wesentlichen aus,
dass die amtsärztliche Begutachtung eine hoheitliche Tätigkeit darstelle und auch die
Führung der Akten beim Gesundheitsamt des Beklagten als hoheitliches Tätigwerden
anzusehen sei. Die Klägerin habe einen Anspruch auf Akteneinsicht. Mit der Verweige-
rung der Akteneinsicht verletze der Beklagte rechtswidrig das Grundrecht auf Selbst-
bestimmung der Klägerin aus Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG. Rechte Dritter
würden durch die begehrte Akteneinsicht nicht berührt.

Die Klägerin beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, der Klägerin Einsicht in alle
über sie beim Gesundheitsamt des Beklagten geführten
Akten zu gewähren.

Die Klägerin beantragt ferner hilfsweise,

den Beklagten zu verurteilen, dem Prozessbevollmächtigten
der Klägerin Einsicht in alle über die Klägerin beim Gesund-
heitsamt des Beklagten geführten Akten zu gewähren.

Die Klägerin beantragt weiter hilfsweise,

den Beklagten zu verurteilen, einem von der Klägerin benannten
approbierten und zugelassenen Arzt in alle über die Klägerin
beim Gesundheitsamt des Beklagten geführten Akten zu gewähren.

Die Klägerin beantragt zudem hilfsweise,

den Beklagten zu verurteilen, einem von der Klägerin benannten
approbierten und zugelassenen Facharzt für Psychiatrie Einsicht
in alle über die Klägerin beim Gesundheitsamt des Beklagten
geführten Akten zu gewähren.

Die Klägerin beantragt ferner hilfsweise,
den Beklagten zu verurteilen, der Klägerin Einsicht in alle über sie beim Ge-
sundheitsamt des Beklagten geführten Akten zu gewähren und insoweit die
entgegenstehenden Bescheide vom 26.09.2008, 29.10.2008, 07.01.2009 und
27.04.2009 aufzuheben.

Die Klägerin beantragt ferner,
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hinsichtlich der anderen drei gestellten Hilfsanträge, ebenfalls noch hilfsweise,
insoweit die entgegenstehenden Bescheide vom 26.09.2008, 29.10.2008,
07.01.2009 und 27.04.2009 aufzuheben.

Die Klägerin beantragt ferner hilfsweise,
den Prozess an das Zivilgericht zu verweisen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage mit allen gestellten Anträgen abzuweisen.

Er ist der Auffassung, dass vorliegend der Verwaltungsrechtsweg nicht eröffnet ist.
Zwar sei Frau Dr. S. als Amtsärztin beim Landkreis beschäftigt, sei im vorliegenden
Fall jedoch nicht als Amtsärztin tätig geworden, da der Dienstherr zur Beurteilung der
arbeitsrechtlichen Leistungsfähigkeit einen Arzt seiner Wahl beauftragen könne. Es
bestünde somit nur ein Rechtsverhältnis zwischen Frau Dr. S. und dem Dienstherrn
der Klägerin. Ein öffentlich-rechtliches Rechtsverhältnis bestünde nicht.

Ferner sei durch die Akteneinsicht die Gesundheit der Klägerin gefährdet, da wegen
der subjektiven Wertungen das Ziel einer psychiatrischen Behandlung gefährdet wür-
de. Es bestünde konkret die Gefahr, dass die Klägerin beim Studium der Unterlagen
den Prozess der therapeutischen Verarbeitung ihrer psychischen Ausfälle krankhaft
reproduziere. Auch sei die Gutachtenerstellung und Aufbewahrung nicht als „amtliche
Information“ zu werten, so dass auch ein Anspruch nach dem Informationszugangsge-
setz nicht bestünde.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteilig-
ten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und des beigezogenen Verwaltungsvorganges
der Beklagten Bezug genommen. Dieser Unterlagen waren Gegenstand der mündli-
chen Verhandlung und Entscheidungsfindung.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist zulässig und begründet. Die Klägerin hat einen Anspruch auf Gewährung
von Akteneinsicht. Die entgegenstehenden Bescheide des Beklagten sind rechtswidrig
und verletzen die Klägerin in ihren Rechten, so dass sie aufzuheben waren und dem
Hilfsantrag der Klägerin zu entsprechen war, wie aus dem Tenor ersichtlich.

Der Verwaltungsrechtsweg ist gemäß 8 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO eröffnet. Es handelt
sich vorliegend um eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit. Äußerungen und Informations-
tätigkeit von Behörden bzw. Amtsträgern sind dann öffentlich-rechtlicher Natur, wenn
sie im Rahmen öffentlich-rechtlicher Aufgabenerfüllung und gestützt auf vorhandene
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oder vermeintliche öffentlich-rechtliche Befugnisse vorgenommen werden, also in ei-
nem funktionalen Zusammenhang mit hoheitlicher Aufgabenerfüllung stehen (vgl.
BVerwG, JZ 1987, 422; NJW 1988, 2399). Frau Dr. S. fertigte das Gutachten unab-
hängig von der Veranlassung in ihrer Funktion als Amtsärztin und damit im Zusam-
menhang mit der Erfüllung öffentlicher Aufgaben an. Frau Dr. S. ist als Amtsärztin des
Gesundheitsamtes gemäß 8 20 Abs. 2 Satz 1 GDG LSA tätig, welches als untere Ge-
sundheitsbehörde zum öffentlichen Gesundheitsdienst gehört. Aufgabe des öffentli-
chen Gesundheitsdienstes ist u. a. nach $ 17 Satz 1 GDG LSA das Erstellen von Gut-
achten.

Im Übrigen ist davon auszugehen, dass der Dienstherr der Klägerin Frau Dr. S. gerade
aufgrund ihrer Funktion als Amtsärztin mit der Begutachtung der Klägerin beauftragte.
Denn grundsätzlich ist von einem Vorrang amtsärztlicher Gutachten gegenüber privat-
ärztlichen Attesten auszugehen (vgl. BVerwG, Urteil v. 11.10.2006 - Az: 1 D 10/05;
BVerwG, Beschluss v. 08.03.2001 - Az: 1 DB 8/01). Das Gesundheitsamt ist nämlich
eine staatliche Behörde, die ihre Aufgaben nach Recht und Gesetz zu erfüllen hat. Ein
Amtsarzt unterliegt den für alle Beamten geltenden Grundpflichten, insbesondere auch
der Pflicht, die übertragenen Aufgaben unparteilich und gerecht zu erfüllen. Der Amts-
arzt kann seine Beurteilung von seiner Aufgabenstellung unabhängig und unbefangen
abgeben, denn er steht dem Dienstherrn und der zur begutachtenden Person glei-
chermaßen fern, während ein Privatarzt bestrebt sein wird, das Vertrauen seines Pati-
enten zu ihm zu erhalten (vgl. zum Vorstehenden: VG Ansbach, Urteil vom 29.07.2008
- Az: AN 1 K 05.04148). Wäre es dem Dienstherrn der Beklagten nicht auf die Amts-
arztfunktion angekommen, hätte vielmehr ein Facharzt beauftragt werden können.

Neben den vorgenannten Kriterien ist darauf zu verweisen, dass die ablehnenden Ent-
scheidungen des Beklagten Verwaltungsakte darstellen, da sie sich als eine Maßnah-
me einer Behörde auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts zur Regelung eines Einzel-
falles mit unmittelbarer Rechtswirkung nach außen darstellen. Der Verwaltungsaktcha-
rakter kommt auch dadurch deutlich zum Ausdruck, dass $ 9 des Informationszu-
gangsgesetzes des Landes Sachsen-Anhalt ausführt, dass gegen die ablehnende Ent-
scheidung Widerspruch und Verpflichtungsklage zulässig sind. Nach Auffassung des
Gerichtes stellt die ablehnende Entscheidung vom 26.09.2008 einen Verwaltungsakt
dar, gegen welche die Klägerin sinngemäß durch Schreiben vom 24.10.2008 bzw. spä-
ter durch Schreiben vom 16.12.2008 Widerspruch eingelegt hat. Die daraufhin ergan-
genen Entscheidungen des Beklagten vom 29.10.2008, 07.01.2009 und 27.04.2009
stellen aus Sicht des Gerichtes dann die Entscheidungen über die Widersprüche der
Klägerin dar, zu deren Entscheidung in Selbstverwaltungsangelegenheiten der Beklag-
te zuständig war gemäß 8 73 Abs. 1 Nr. 3 VwGO. Angesichts der fehlenden Rechtsmit-
telbelehrungen ist die am 14.05.2009 erhobene Klage insbesondere auch fristgerecht
eingereicht, da angesichts der fehlenden Rechtsmittelbelehrung die einmonatige Kla-
gefrist nicht in Gang gesetzt worden ist, unabhängig von der Tatsache, dass diese
durch die Klageerhebung am 14.05.2009 gewahrt sein dürfte, da der letzte „Wider-
spruchsbescheid" vom 27.04.2009 datiert.
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Die zulässige Klage ist begründet. Die Klägerin hat einen Anspruch auf Akteneinsicht
gemäß $ 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 b, Abs. 2 IZG LSA vom 19.06.2008, GVBl. LSA 2008, S.
242).

Speziellere Vorschriften über den Zugang zu amtlichen Informationen im Sinne des $ 1
Abs. 3 IZG LSA sind vorliegend nicht einschlägig. Soweit $ 19 BDSG den Betroffenen
einen Anspruch auf Auskunft über die zu seiner Person gespeicherten Daten gibt, ist
dies keine Regelung über den Zugang zu amtlichen Informationen im Sinne des 1 Abs.
3 1ZG LSA. Bei den Auskunftsansprüchen und Akteneinsichtsrechten Betroffener han-
delt es sich um Ausprägungen des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung, sie
verfolgen demnach nicht die Verwirklichung der Informationszugangsfreiheit und die-
nen somit einem anderen Ziel als das IZG LSA (vgl. Schoch, Kommentar zum Informa-
tionsfreiheitsgesetz, $ 1, Rdnr. 196). Da auch 8 1 Abs. 3 Satz 2 IZG LSA regelt, dass
ein IZG-Anspruch nicht hinter 8 29 VwVfG LSA zurücktritt, ist der Auskunftsanspruch
der Klägerin gegeben.

Nach $ 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 b IZG LSA hat jeder nach Maßgabe des IZG einen An-
spruch auf Zugang zu amtlichen Informationen gegenüber den Kommunen. Die Kläge-
rin ist als natürliche Person des Privatrechts „Jeder“ und damit Anspruchsinhaberin.
Der Beklagte ist als Landkreis eine Kommune, mithin Anspruchsgegner im Sinne der
Vorschrift. Bei den über die Klägerin geführten Akten des Gesundheitsamtes handelt
es sich um amtliche Informationen im Sinne des $2 Nr. 1 IZG LSA, da ein Tätigwerden
als Amtsärztin gegeben ist und die Aufbewahrung des Gutachtens eine amtlichen
Zwecken dienende Aufzeichnung darstellt.

Die entsprechend der Einschränkung „nach Maßgabe dieses Gesetzes ($ 1 Abs. 1 1IZG
LSA)“ zu beachtenden verfahrensrechtlichen Voraussetzungen liegen vor. Insbesonde-
re hat der Prozessbevollmächtigte der Klägerin mit Schreiben vom 19.09.2008 bei der
Beklagten einen Antrag auf Akteneinsicht gemäß 8 7 Abs. 1 Satz 1 IZG LSA gestellt.
Dieser Antrag ist durch die oben erwähnten Bescheide/den Widerspruchsbescheid des
Beklagten vom 27.04.2009 abgelehnt worden, so dass aus verfahrensrechtlicher Sicht
gegen die Gewährung von Akteneinsicht keine Bedenken bestehen.

Es sind auch weiterhin die einem geltend gemachten Anspruch entgegenstehenden
öffentlichen Belange und private Drittinteressen nach den 88 3 ff IZG LSA nicht ein-
schlägig. Nach $ 3 Abs. 1 Nr. 2 IZG LSA besteht der Anspruch auf Informationszugang
nicht, wenn das Bekanntwerden der Information die öffentliche Sicherheit gefährden
kann. Das Schutzgut des $ 3 Abs. 1 Nr. 2 IZG LSA („die öffentliche Sicherheit“) ent-
stammt dem Gefahrenabwehrrecht, so dass gemäß 8 3 Nr. 1 SOG LSA unter den Beg-
riff die Unverletzlichkeit der Rechtsordnung, der subjektiven Rechte und Rechtsgüter
des Einzelnen sowie des Bestandes der Einrichtung und Veranstaltungen des Staates
oder sonstiger Träger der Hoheitsgewalt fallen (vgl. Schoch, Kommentar zum Informa-
tionsfreiheitsgesetz, $ 3 Rdnr. 103). Zwar ist die Gesundheit der Klägerin als Rechtsgut

-7-
6

des einzelnen Schutzgutes der öffentlichen Sicherheit. Dennoch ist mit der Aussage,
dass die Klägerin beim Studium der Unterlagen den Prozess der therapeutischen Ver-
arbeitung ihrer psychischen Ausfälle krankhaft reproduziere, die öffentliche Sicherheit
vorliegend nicht betroffen. Denn im Falle von Selbstgefährdung liegt grundsätzlich kei-
ne Gefährdung der öffentlichen Sicherheit vor. Nach Art. 2 Abs. 1 GG hat jeder das
Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer ver-
letzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt
und damit auch das Recht zur Selbstgefährdung. Das Selbstbestimmungsrecht
schließt die Befugnis ein, selbst darüber zu entscheiden, welchen Gefahren man sich
aussetzen will. Es widerspricht dem Kern des umfassenden Persönlichkeitsrechts,
staatlichen Behörden die Befugnis einzuräumen, dem Bürger vorzuschreiben, was er
im Interesse des Eigenschutzes zu tun hat (BVerwG, Urteil vom 27.04.1989, NJW
1989, 2960). Der Bürger muss selbst entscheiden können, welche Kenntnisse er für
seine Lebensführung erforderlich hält. Eine behördliche Bevormundung braucht er
nicht zu dulden (VGH München, Beschluss vom 08.12.1987, NJW 1988, 1615). Nur in
besonderen Fällen hat eine behördliche Unterrichtung im Interesse des Betroffenen
zwingend zu unterbleiben (vgl. VGH München, a. a. O). Hier liegen aus Sicht des Ge-
richtes jedoch keine Anhaltspunkte für einen derartigen Extremfall vor. Die Befürch-
tung, dass die Klägerin ihre psychischen Ausfälle krankhaft reproduziere, reicht hierfür
nicht aus. Eine Ausnahmesituation könnte vorliegen, wenn die Gefahr bestünde, dass
die Klägerin durch Akteneinsicht zum Selbstmord veranlasst würde oder die Klägerin in
der Fähigkeit krankhaft eingeschränkt wäre, ihren Willen frei zu bestimmen (BVerwG,
Urteil vom 27.04.1989, NJW 1989, 2960 f.). Anhaltspunkte für eine Selbstmordgefahr
oder eine Beeinträchtigung der freien Willensentschließung der Klägerin sind nicht ge-
geben, zumal diese auch weiterhin ärztlich tätig ist.

Der Beklagte hat der Klägerin den Informationszugang in Gestalt der Akteneinsicht zu
gewähren, was sich aus $ 1 Abs. 2 IZG LSA ergibt. Das den Behörden in $ 1 Abs. 2
Satz 1 IZG LSA eingeräumte Ermessen hinsichtlich der Art des Informationszuganges
gilt daher nur dann, wenn aus wichtigem Grund von dem Begehren des Antragstellers
abzuweichen ist oder wenn dieser sein Selbstbestimmungsrecht nicht ausgeübt hat.
Die Klägerin hat hier ihr Bestimmungsrecht ausgeübt, indem sie Akteneinsicht an sich
selbst fordert. Ein wichtiger Grund, aufgrund dessen von diesem Begehren abzuwei-
chen ist, ist nicht ersichtlich (vgl. vorstehende Ausführungen).

Die Kostenentscheidung folgt aus $ 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vor-
läufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus $ 167 VwGO i. V. m. 88 708 Nr. 11, 711 ZPO.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf $ 52 Abs. 1 GKG. Nach Einschätzung des Gerich-

tes kann das vorliegende Gutachten Einfluss auf den beruflichen Werdegang der Klä-

gerin haben, so dass ein Streitwert von 10.000 € angemessen ist.
Rechtsmittelbelehrung:
7

Gegen dieses Urteil steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie von dem Oberver-
waltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt zugelassen wird.

Die Zulassung der Berufung ist innerhalb eines Monats nach Zustellung dieses Urteils
zu beantragen. Der Antrag ist bei dem

Verwaltungsgericht Magdeburg,

Breiter Weg 203 - 206, 39104 Magdeburg,
zu stellen. Der Antrag muss das angefochtene Urteil bezeichnen.

Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung dieses Urteils sind die Gründe darzule-
gen, aus denen die Berufung zuzulassen ist.

Die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, bei
dem Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt, Breiter Weg 203 — 206,
39104 Magdeburg, einzureichen.

Vor dem Oberverwaltungsgericht müssen sich die Beteiligten, außer im Prozesskos-
tenhilfeverfahren, durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für
Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Oberverwailtungsgericht eingelei-
tet wird.

Als Bevollmächtigte vor dem Oberverwaltungsgericht sind zugelassen: Rechtsanwälte,
Rechtslehrer an einer deutschen Hochschule im Sinne des Hochschulrahmengesetzes
mit Befähigung zum Richteramt und die in $ 67 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 bis 7 VwGO be-
zeichneten Personen und Organisationen.

Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ih-
nen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse können
sich durch eigene Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt oder durch Beschäftig-
te mit Befähigung zum Richteramt anderer Behörden oder juristischer Personen des
öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufga-
ben gebildeten Zusammenschlüsse vertreten lassen; eine Vertretung ist auch durch
entsprechend beschäftigte Diplom-Juristen im höheren Verwaltungsdienst zulässig.

Ein Beteiligter, der nach Maßgabe des 8 67 Abs. 4 Sätze 3 und 5 VwGO zur Vertretung
berechtigt ist, kann sich selbst vertreten.

Bei dem Verwaltungsgericht Magdeburg und beim Oberverwaltungsgericht des Landes
Sachsen-Anhalt können in allen Verfahren auch elektronische Dokumente nach MaR-
gabe der Verordnung über den elektronischen Rechtsverkehr bei den Gerichten und
Staatsanwaltschaften des Landes Sachsen-Anhalt vom 1. Oktober 2007 (GVBl. LSA S.
330), geändert durch Verordnung zur Änderung der Verordnung über den elektroni-
schen Rechtsverkehr bei den Gerichten und Staatsanwaltschaften des Landes Sach-
sen-Anhalt vom 9. Februar 2009 (GVBl. LSA S. 44) eingereicht werden.
8

Die Streitwertfestsetzung kann durch Beschwerde an das
Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt,
A-Stadt,
angefochten werden, wenn der Beschwerdewert 200 € (zweihundert Euro) übersteigt.
Sie ist innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache
Rechtskraft erlangt oder sich das Verfahren anderweitig erledigt hat, bei dem
Verwaltungsgericht Magdeburg,
Breiter Weg 203 - 206, 39104 Magdeburg,
schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen.

Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, so
kann die Beschwerde noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mit-
teilung des Beschlusses eingelegt werden. Im Fall der formlosen Mitteilung gilt der Be-
schluss mit dem dritten Tag nach Aufgabe zur Post als bekannt gemacht.

Bei dem Verwaltungsgericht Magdeburg und beim Oberverwaltungsgericht des Landes
Sachsen-Anhalt können in allen Verfahren auch elektronische Dokumente nach Maß-
gabe der Verordnung über den elektronischen Rechtsverkehr bei den Gerichten und
Staatsanwaltschaften des Landes Sachsen-Anhalt vom 1. Oktober 2007 (GVBl. LSA S.
330), geändert durch Verordnung zur Änderung der Verordnung über den elektroni-
schen Rechtsverkehr bei den Gerichten und Staatsanwaltschaften des Landes Sach-
sen-Anhalt vom 9. Februar 2009 (GVBl. LSA S. 44) eingereicht werden.

Dr. Vetter
9

Das Projekt „Fragen und Antworten - Auskunftsrechte kennen und nutzen“ wird gefördert von: