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Information

Aktenzeichen
4 K 1059/09
Datum
16. Dezember 2009
Gericht
Verwaltungsgericht Neustadt an der Weinstraße
Gesetz
Informationsfreiheitsgesetz Bund (IFG)
Informationsfreiheitsgesetz Bund (IFG)

Urteil: Verwaltungsgericht Neustadt an der Weinstraße am 16. Dezember 2009

4 K 1059/09

Das Verwaltungsgericht erkennt das Informationsfreiheitsgesetz als Anspruchsgrundlage für die auf Auskunft über Vollstreckungsaufträge und Zahlungen an Gläubiger (Sozialversicherungsträger) im Rahmen eines Insolvenzverfahrens an den Insolvenzvollstrecker an . Das Aufdecken von nach dem Insolvenzrecht anfechtbaren Vermögensverschiebungen kann zu einer von dem Gesetz beabsichtigten Kontrolle staatlichen Handelns beitragen. Informationen mit Ursprung außerhalb des Bundes werden Bestandteil der amtlichen Informationen des Bundes, wenn sie ihm dauerhaft zugehen. Weder das Steuergeheimnis der Abgabenordnung noch insolvenz- oder zivilrechtliche Auskunftsrechte verdrängen den Anspruch auf der Grundlage des Informationsfreiheitsgesetzes. Die fiskalischen Interessen des Bundes im Wirtschaftsverkehr sind nur dort berührt, wo der Staat als Marktteilnehmer auftritt; die Behörde ist nicht vor jedem finanziellen Verlust geschützt. Auch liegt kein Eingriff in die wirtschaftlichen Interessen der Sozialversicherungen vor, da durch eine mögliche Insolvenzanfechtung deren Interessen im Wirtschaftsverkehr nicht berührt sind. (Quelle: LDA Brandenburg)

Konkurrierende Rechtsvorschriften Begriffsbestimmung Schutz besonderer Verfahren Antragsberechtigung Fiskalische Interessen

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Verkündet am: 16.12.2009 4 K 1059/09.NW gez. Tessé Justizbeschäftigte als Urkunds- beamtin der Geschäftsstelle VERWALTUNGSGERICHT NEUSTADT AN DER WEINSTRASSE URTEIL IM NAMEN DES VOLKES In dem Verwaltungsrechtsstreit des Herrn A., - Kläger - Prozessbevollmächtigte:      Rechtsanwälte BGP Blersch, Goetsch und Partner, Taunusstraße 7 a, 65183 Wiesbaden, gegen die Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch den Präsidenten der Bundesfinanzdirektion Südwest, Wiesenstraße 32, 67433 Neustadt/Wstr., - Beklagte - wegen         Verfahren nach dem Informationsfreiheitsgesetz
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-2- hat die 4. Kammer des Verwaltungsgerichts Neustadt an der Weinstraße aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 16. Dezember 2009, an der teilgenommen haben Vorsitzender Richter am Verwaltungsgericht Butzinger Richter am Verwaltungsgericht Kintz Richter am Verwaltungsgericht Bender ehrenamtlicher Richter Rentner Ungerer ehrenamtliche Richterin Hausfrau Ziegler für Recht erkannt: Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheids vom 16. Juli 2009 und des Widerspruchsbescheids vom 3. September 2009 verpflichtet, dem    Kläger    über   die   anhängigen    und anhängig       gewesenen Vollstreckungsverfahren gegen die „A..............................“, 55116 Mainz, Auskunft zu erteilen durch eine Auflistung sämtlicher Vollstreckungsaufträge unter Angabe, wann an welche Gläubiger und in welcher Höhe Zahlungen seit dem 29. Juli 2008 geleistet worden sind. Die Kosten des Verfahrens trägt die Beklagte. Die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren wird für notwendig erklärt. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe der festzusetzenden Kosten abwenden, wenn nicht die Gegenseite vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet. Die Berufung wird zugelassen. Tatbestand Der Kläger begehrt als Insolvenzverwalter von der Beklagten Auskunft nach dem Informationsfreiheitsgesetz - IFG - . -3-
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-3- Der Kläger ist Insolvenzverwalter über das Vermögen der in der Branche Unternehmensberatung tätigen Firma „A..............................“ aus Mainz. Diese hatte aufgrund verschiedener Vollstreckungsaufträge an das Hauptzollamt Koblenz      geleistet,     das     für     die         gesetzlichen        Krankenkassen Vollstreckungsmaßnahmen durch Einziehung rückständiger Beiträge durchführt. Im Oktober 2008 stellte die Firma „A..............................“ beim Amtsgericht Mainz einen Eigenantrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Mit Beschluss vom 16. Januar 2009 gab das Amtsgericht Mainz dem statt und bestellte den Kläger zum Insolvenzverwalter. Dieser bat das Hauptzollamt Koblenz mit Schreiben vom 28. April    2009    um      Übersendung      einer        Auflistung       der    vorliegenden Vollstreckungsaufträge und darüber hinaus um Mitteilung, wann, an welche Gläubiger und in welcher Höhe Zahlungen seit dem 29. Juli 2008 geleistet worden seien. Mit Bescheid vom 16. Juli 2009 wies das Hauptzollamt Koblenz diesen Antrag mit der Begründung zurück, dem Kläger stehe ein Auskunftsanspruch nicht zu. Bei dem in Rede stehenden Vollstreckungsverfahren handele es sich um ein Verfahren,    beim    dem     das    Steuergeheimnis             zu   wahren    sei.   Dem Auskunftsanspruch       stehe    entgegen,       dass          nur    im    Rahmen      des Anfechtungsanspruchs einer bestimmten Leistung des Insolvenzschuldners der Insolvenzverwalter einen Auskunftsanspruch habe, nicht aber ein allgemeiner Auskunftsanspruch. Einem Insolvenzverwalter dürfe nur Auskunft über die Gründe einer     beim    Hauptzollamt      Koblenz         eingegangenen           Zahlung     des Vollstreckungsschuldners gegeben werden, sofern die Zahlung konkret der Höhe und dem Zeitraum nach benannt werde. Der Insolvenzverwalter habe demzufolge auch    keinen  Anspruch     auf  Erteilung      von      Übersichten     aller  von   dem Insolvenzschuldner an das Hauptzollamt geleisteten Zahlungen. Eine andere Entscheidung sei nur unter Benennung konkreter Forderungen und Sachverhalte möglich, wenn anhand der vorrangig vom Schuldner vorzulegenden Unterlagen eine Forderung nicht nachvollzogen werden könne. Dem Schreiben vom 28. April 2009 würden jedoch konkrete Angaben fehlen. Im Übrigen liege es nahe, dass der Kläger mit der gewünschten Auflistung eine Ausforschung zur Ermittlung weiterer Sachverhalte mit dem Ziel der Anfechtung plane. -4-
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-4- Dagegen legte der Kläger am 29. Juli 2009 Widerspruch ein, den der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 3. September 2009 zurückwies. Der Kläger hat am 1. Oktober 2009 Klage erhoben. Er ist der Auffassung, dass er gegenüber dem Beklagten einen Anspruch auf Auskunft nach dem IFG habe. Er sei     als  Insolvenzverwalter      anspruchsberechtigt,         der      Beklagte    sei anspruchsverpflichtet. Denn das Hauptzollamt Koblenz führe für die gesetzlichen Krankenkassen     Vollstreckungsmaßnahmen       durch      Einziehung       rückständiger Beiträge durch und habe dies auch gegenüber der Insolvenzschuldnerin getan. Der Auskunftsanspruch werde nicht von Normen des Privatrechts überlagert. Weder stelle § 242 BGB eine Regelung dar, die dem Auskunftsbegehren entgegenstehe, noch gebe es eine das IFG verdrängende spezialgesetzliche Bestimmung des Privatrechts. Auch sonstige vorrangige Regelungen, die dem Auskunftsanspruch gemäß § 1 Abs. 3 IFG widersprächen, seien nicht vorhanden. Die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren sei in Anbetracht der rechtlichen Problematik des vorliegenden Falles, insbesondere wegen der Beschäftigung   mit   sozial-    und  verwaltungsrechtlichen         Fragen,    notwendig gewesen. Der Kläger beantragt, die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheids vom 16. Juli 2009 und des Widerspruchsbescheids vom 3. September 2009 zu verpflichten, ihm, dem Kläger,    über      die     anhängigen    und       anhängig          gewesenen Vollstreckungsverfahren gegen die „A..............................“, 55116 Mainz, Auskunft     zu      erteilen    durch    eine       Auflistung         sämtlicher Vollstreckungsaufträge unter Angabe, wann an welche Gläubiger und in welcher Höhe Zahlungen seit dem 29. Juli 2008 geleistet worden sind sowie die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig zu erklären. -5-
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-5- Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen. Sie führt aus, eine Auskunftserteilung an einen Insolvenzverwalter im Rahmen eines laufenden Insolvenzverfahrens würde die Grundsätze des Zivilrechts, wonach jede Partei die für sie günstigen Tatsachen dem Gericht vorzutragen und entsprechende Beweise beizubringen habe, eklatant verletzen. Dies könne der Gesetzgeber bei Erlass des IFG nicht gewollt haben. Die Insolvenzordnung kenne keine      Auskunftspflichten     des     Insolvenzgläubigers    und    möglichen Anfechtungsschuldners gegenüber dem Insolvenzverwalter als dem künftigen Gegner     des   Anfechtungsprozesses.      Das    Verwaltungsgericht  könne    die zivilprozessualen Grundsätze nicht außer Acht lassen. Im Übrigen stehe dem Auskunftsanspruch die Bestimmung des § 3 Nr. 1 g IFG entgegen, wonach ein Anspruch nicht bestehe, wenn die Auskunft ein laufendes Gerichtsverfahren negativ beeinflusse. Nach Sinn und Zweck dieser Norm müsse diese erst recht gelten, wenn ein zivilgerichtliches Verfahren erst bevorstehe. Die    Voraussetzungen     für   die  Hinzuziehung    eines   Bevollmächtigten  im Vorverfahren seien nicht gegeben. Der Kläger sei Insolvenzverwalter und zugleich Rechtsanwalt. Es könne daher unterstellt werden, dass er ausreichend Sachkunde besitze, um seine Rechte im Vorverfahren zu wahren. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Schriftsätze der Beteiligten sowie der Verwaltungsakten des Beklagten verwiesen. Dieser war Gegenstand der mündlichen Verhandlung. Entscheidungsgründe Die Klage ist zulässig, insbesondere ist der Verwaltungsrechtsweg gegeben. Der Kläger begehrt die Verpflichtung der Beklagten, ihm Auskunft auf der Grundlage des Gesetzes zur Regelung des Zugangs zu Informationen des Bundes (Informationsfreiheitsgesetz - IFG -) vom 5. September 2005 (BGBl. I S. 2722) zu erteilen. Für Rechtsstreitigkeiten über Auskunftsansprüche nach dem IFG ist -6-
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-6- gemäß § 9 Abs. 4 IFG, § 40 Abs. 1 der Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO - der Verwaltungsrechtsweg eröffnet. Die Klage ist gemäß § 42 Abs. 1 VwGO als Verpflichtungsklage statthaft, denn bei der Entscheidung über die Erteilung der Information ist nach dem IFG als (begünstigender) Verwaltungsakt ausgestaltet. Das Verwaltungsgericht Neustadt/Weinstraße ist gemäß § 52 Nr. 2 Sätze 1 und 2 VwGO örtlich zuständig, da die Bundesfinanzdirektion Südwest, die die Durchführung der Aufgaben leitet, für deren Erledigung die Hauptzollämter zuständig sind (s. § 8 Abs. 3 des Finanzverwaltungsgesetzs - FVG -), als Bundesbehörde ihren Sitz in Neustadt/Weinstraße (s. § 7 Abs. 1 FVG) und somit im Bezirk des Verwaltungsgerichts Neustadt/Weinstraße hat. Die Klage ist auch in der Sache begründet. Der Kläger hat einen Anspruch gegen die Beklagte darauf, dass diese ihm Auskunft erteilt über die anhängigen und anhängig gewesenen Vollstreckungsverfahren gegen die „A..............................“, 55116 Mainz, durch eine Auflistung sämtlicher Vollstreckungsaufträge unter Angabe, wann an welche Gläubiger und in welcher Höhe Zahlungen seit dem 29. Juli 2008 geleistet worden sind. Der ablehnende Bescheid der Beklagten vom 16. Juli 2009 und der Widerspruchsbescheid vom 03. September 2009 sind rechtswidrig und verletzen den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO). Rechtsgrundlage für das Begehren des Klägers ist die Vorschrift des § 1 Abs. 1 Satz 1 IFG. Danach hat jeder nach Maßgabe dieses Gesetzes gegenüber den Behörden des Bundes einen Anspruch auf Zugang zu amtlichen Informationen. Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt. Der Kläger ist anspruchsberechtigt (1.), die Beklagte ist anspruchsverpflichtet (2.). Sein Begehren ist auf den Zugang zu „amtlichen Informationen“ gerichtet (3.). Dem geltend gemachten Anspruch stehen weder vorrangigen Sonderregelungen außerhalb des IFG (4.) noch Ausschlussgründe nach dem IFG (5.) entgegen. -7-
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-7- 1. Der Kläger ist in seiner Eigenschaft als Insolvenzverwalter „jeder“ im Sinne des § 1 Abs. 1 IFG und damit anspruchsberechtigt. Der Insolvenzverwalter nimmt seine Aufgaben als Partei kraft Amtes wahr. In dieser Funktion handelt er zwar für fremdes Vermögen, aber im eigenen Namen und nicht etwa in Vertretung des Schuldners oder der Gläubiger. Angesichts dessen wird er als natürliche Person tätig und fällt damit unter den von § 1 Abs. 1 Satz 1 IFG erfassten Personenkreis (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, ZIP 2008, 1542 und Beschluss vom 26. August 2009 – 8 E 1044/09 –, juris; VG Neustadt, Urteil vom 17. September 2009 - 4 K 639/09.NW -, juris; VG Hamburg, Urteil vom 23. April 2009 - 19 K 4199/07 -, juris; VG Stuttgart, Urteil vom 18. August 2009 - 8 K 1011/09 -, juris). Der Anspruch auf Information besteht unabhängig davon, aus welchem Interesse der Kläger diesen geltend macht. Das IFG soll die demokratische Meinungs- und Willensbildung nachhaltig unterstützen, die Kontrolle staatlichen Handelns verbessern und die Transparenz, Nachvollziehbarkeit und Akzeptanz behördlicher Entscheidungen erhöhen (vgl. Begründung zum Gesetzentwurf des IFG, BT- Drucksache 15/4493 Seite 6). Zu einer effektiven Kontrolle kann dabei aber auch und     gerade    gehören,     dass   nach     dem    Insolvenzrecht    anfechtbare Vermögensverschiebungen aufgedeckt werden (s. Urteil der Kammer vom 17. September 2009 – 4 K 639/09.NW –; VG Hamburg, Urteil vom 23. April 2009, a.a.O.; VG Stuttgart, Urteil vom 18. August 2009, a.a.O.). Im Gegensatz zu anderen Anträgen auf Informationszugang, die nur nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden sind und für die der Antragsteller ein berechtigtes Interesse geltend machen muss, ermöglicht das IFG einen Informationszugang ohne Voraussetzungen (s. die Begründung zum Gesetzentwurf, BT-Drucksache 15/4493 Seite 7). 2. Die Beklagte ist anspruchsverpflichtet nach § 1 Abs. 1 Satz 1 IFG. Gemäß Art. 87 Abs. 1 GG wird die Bundesfinanzverwaltung in bundeseigener Verwaltung geführt.   Das     Hauptzollamt    Koblenz,    das   die   Vollstreckung   für   die Sozialversicherungsträger nach § 66 SGB X i.V.m. §§ 4, 5 VwVG betreibt, ist in die Hierarchie der Bundesfinanzverwaltung eingegliedert, denn sie untersteht dem Bundesministerium der Finanzen und der Bundesfinanzdirektion Südwest (s. hierzu die §§ 1, 7, 8 und 12 FVG). -8-
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-8- 3. Der Anspruch besteht nach § 1 Abs. 1 Satz 1 IFG auf Zugang zu „amtlichen Informationen“. Dabei handelt es sich nach der Begriffsdefinition des § 2 Nr. 1 IFG um jede amtlichen Zwecken dienende Aufzeichnung, unabhängig von der Art ihrer Speicherung.     Hier   betreffen  die  Informationen  Vorgänge      (Vollstreckung rückständiger Beitragszahlungen an Sozialversicherungsträger), die zur amtlichen Tätigkeit des Beklagten gehören und zu diesen Zwecken aufgezeichnet wurden. Der Kläger begehrt auch gerade über diese Informationen Auskunft und nicht über das tatsächliche Zahlungsverhalten der Insolvenzschuldnerin, auch wenn dieses zum Erhalt der Informationen geführt hat. Der Informationsanspruch besteht unabhängig vom Urheber der Information. Informationen mit Ursprung außerhalb des Bundes werden Bestandteil der amtlichen Information des Bundes, wenn sie dem Bund dauerhaft zugehen (vgl. BT-Drucksache 15/4493, Seite 7). 4. Der Informationsanspruch des Klägers ist nicht nach § 1 Abs. 3 IFG ausgeschlossen. Danach gehen Regelungen in anderen Rechtsvorschriften über den Zugang zu amtlichen Informationen mit Ausnahme des § 29 des Verwaltungsverfahrensgesetzes       und   des   §   25   des     Zehnten     Buches Sozialgesetzbuch - SGB X - vor. Die darin vorgesehene verdrängende Spezialität ist nur dort einschlägig, wo zwei Normen einen einheitlichen Sachverhalt regeln; sie müssen folglich die gleichen Anliegen verfolgen und identische Zielgruppen erfassen.    Das    ist  nur    dann   anzunehmen,     wenn     ein   umfassender Informationsanspruch dem Schutzzweck des Spezialgesetzes zuwider laufen würde (vgl. Schoch, IFG Kommentar, 2009, § 1 Rdnr. 162; OVG Nordrhein- Westfalen, Beschluss vom 26. August 2009 – 8 E 1044/09 –, juris). Dies ist hier nicht der Fall. a. Als gegenüber § 1 IFG vorrangige Spezialvorschrift scheidet zunächst § 30 der Abgabenordnung - AO -, der das Steuergeheimnis regelt, hier aus. Es bedarf keiner Entscheidung, ob die Abgabenordnung bezüglich des Zugangs zu amtlichen Informationen eine abschließende Negativregelung getroffen hat (z.B. BFH/NV 2007, 1141) oder ob § 30 AO selbst keine „andere Rechtsvorschrift über den Zugang zu amtlichen Informationen“ im Sinne des § 1 Abs. 3 IFG ist (so Schoch, IFG Kommentar, a.a.O. § 1 Rdnr. 200 und 211; vgl. auch Liedtke, NVWBl -9-
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-9- 2006, 286, 289). Denn das Steuergeheimnis ist hier nicht betroffen. Die AO findet gemäß     §   1  Abs.   1   nur  Anwendung     auf   „Steuern“,  nicht  aber    auf Sozialversicherungsbeiträge. b. Die in Betracht kommenden insolvenzrechtlichen Auskunftsrechte (§§ 97, 101 der Insolvenzordnung - InsO -) oder andere zivilrechtliche Auskunftsrechte (§§ 242, 810 des Bürgerlichen Gesetzbuchs – BGB -) verdrängen entgegen der Auffassung der Beklagten den Informationsanspruch nach § 1 Abs. 3 IFG ebenfalls nicht. Nach § 97 Abs. 1 Satz 1 InsO ist der Schuldner verpflichtet, dem Insolvenzgericht, dem Insolvenzverwalter, dem Gläubigerausschuss und auf Anordnung des Gerichts der Gläubigerversammlung über alle das Verfahren betreffenden Verhältnisse Auskunft zu geben. Gemäß § 101 InsO gilt § 97 InsO entsprechend für die Organe und Angestellten des Schuldners. Die zuletzt genannte Vorschrift soll verhindern, dass der über alle das Insolvenzverfahren betreffenden Verhältnisse in der Regel am besten informierte Insolvenzschuldner durch sein Schweigen die Arbeit des Insolvenzverwalters und der weiteren genannten Personen bzw. Gremien unnötig erschwert und Gläubigeransprüche über das bereits vorhandene Maß hinaus weiter gefährdet werden (Dauernheim/Heutz, ZIP 2008, 2296, 2299; vgl. auch Kreft, InsO, 5. Auflage 2008, § 97 Rdnr. 1 ff.). Die anspruchsberechtigten Personen oder Einrichtungen sollen sich über die wirtschaftlichen und rechtlichen Verhältnisse des Insolvenzschuldners umfassend informieren können, um im Hinblick auf           die Gläubigerbefriedigung das Insolvenzverfahren sachgerecht und effektiv durchführen zu können. Auf § 1 Abs. 1 IFG gestützte Auskunfts- und Informationsansprüche des Insolvenzverwalters sind aber nicht geeignet, diesen Schutzzweck zu gefährden; sie fördern ihn vielmehr dadurch, dass sie möglicherweise anfechtbare Handlungen aufdecken und damit eine weitere Anreicherung der Insolvenzmasse wahrscheinlicher machen (Dauernheim/Heutz, ZIP 2008, 2296, 2299). Der Anspruch aus § 1 Abs. 1 IFG auf Zugang zu amtlichen Informationen bei einer Behörde ist daher schon nicht Gegenstand des § 97 InsO (s. Urteil der Kammer vom 17. September 2009 – 4 K 639/09.NW – m.w.N.). - 10 -
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- 10 - c. Auch § 242 BGB ist keine gegenüber § 1 Abs. 3 IFG vorrangige Vorschrift. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (s. z.B. BGH, NJW 1979, 1832) gewährt § 242 BGB dem Insolvenzverwalter für die Insolvenzanfechtung nach den Grundsätzen von Treu und Glauben nur ausnahmsweise einen Auskunftsanspruch, wenn der Anfechtungsanspruch – anders als hier – dem Grunde nach bereits feststeht und es dem Antragsteller nur noch um die nähere Bestimmung von Art und Umfang des Anspruchs geht (vgl. auch BGH, ZIP 2008, 565). Das setzt voraus, dass der Insolvenzverwalter den Sachverhalt, der den Tatbestand einer Anfechtungsnorm erfüllt, darlegt und notfalls beweist (BHG, NJW 2000, 3778). Besteht nicht mehr als ein, wenn auch durch bestimmte Umstände begründeter, Verdacht, ein Dritter habe vom Insolvenzschuldner in anfechtbarer Weise etwas erhalten, ist dem Insolvenzverwalter ein Auskunftsanspruch zu versagen, mag der Insolvenzverwalter auch trotz Ausschöpfung seiner rechtlichen Möglichkeiten    (§  5   Abs.   1   InsO,   der  die    Amtsermittlungspflicht   des Insolvenzgerichts regelt, §§ 97, 101 InsO) vom Insolvenzschuldner, dessen Vertretern oder Angestellten sowie von Zeugen ausreichende Auskünfte nicht erhalten haben (Kreft, InsO, a.a.O. § 129 Rdnr. 93 m.w.N.). Es gibt im Zivilprozess keine     allgemeine    prozessuale     Aufklärungspflicht;   vielmehr    gilt   der Beibringungsgrundsatz.     Es   ist   Sache    der   Parteien,   die   notwendigen Tatsachenbehauptungen aufzustellen und Beweismittel zu benennen. Darauf beruhen auch die Regelungen zur Darlegungs- und Beweislast im Zivilprozess. Keine Partei ist gehalten, dem Gegner das Material für seinen Prozesssieg zu verschaffen, wenn nicht materiell-rechtliche Auskunfts- und Vorlagepflichten bestehen oder die Grundsätze der sekundären Darlegungslast eingreifen (BGH, ZIP 2008, 565 m.w.N.). Der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist jedoch nicht zu entnehmen, dass die insolvenzrechtrechtlichen Vorschriften gegenüber anderen Informationsrechten vorrangig sind. Der Bundesgerichtshof hat klargestellt, dass auf der Grundlage des (damals) geltenden Rechts weitergehende Ansprüche aus § 242 BGB nicht bestehen. Soweit der Gesetzgeber inzwischen gegenüber der öffentlichen Hand in § 1 Abs. 1 IFG neue, weitergehende Informationsrechte eingeführt hat, können diese neben dem § 97 InsO eingreifen. Im Übrigen stützt der Bundesgerichtshof seine Entscheidung maßgeblich auf das Verbot der Ausforschung. Danach ist der - 11 -
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