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Aktenzeichen
4 K 639/09
Datum
17. September 2009
Gericht
Verwaltungsgericht Neustadt an der Weinstraße
Gesetz
Informationsfreiheitsgesetz (Rheinland-Pfalz)
Informationsfreiheitsgesetz (Rheinland-Pfalz)

Urteil: Verwaltungsgericht Neustadt an der Weinstraße am 17. September 2009

4 K 639/09

Das Verwaltungsgericht verpflichtet eine Krankenkasse, dem Insolvenzverwalter eines Betriebes Einsicht in die zu diesem Insolvenzschuldner geführten Akten zu gewähren. Weder die Vorschriften der Insolvenzordnung noch andere zivilrechtliche Auskunftsrechte verdrängen den Informationsanspruch aus dem Informationsfreiheitsgesetz. Eine analoge Anwendung der Ausnahmeregelungen zum Schutz anhängiger auf bevorstehende Gerichtsverfahren kommt nicht in Frage. Auch der Ausnahmetatbestand zum Schutz der Sozialversicherungsträger im Wirtschaftsverkehr findet keine Anwendung, da keine wettbewerbsrelevante Angaben der Krankenkasse in Rede stehen. (Quelle: LDA Brandenburg)

Anwendungsbereich/ Zuständigkeit Konkurrierende Rechtsvorschriften Schutz besonderer Verfahren Antragsberechtigung Fiskalische Interessen

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Verkündet am: 17.09.2009 4 K 639/09.NW Tessé Justizbeschäftigte als Urkunds- beamtin der Geschäftsstelle VERWALTUNGSGERICHT NEUSTADT AN DER WEINSTRASSE URTEIL IM NAMEN DES VOLKES In dem Verwaltungsrechtsstreit des Herrn A. als Insolvenzverwalter des Herrn B., - Kläger - Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte Dillmann, Lanz und Mackenrodt, Schie- de 4, 65549 Limburg, gegen die AOK - Die Gesundheitskasse in Rheinland-Pfalz, Karlstraße 18, 57610 Altenkirchen, - Beklagte - Prozessbevollmächtigter: AOK - Die Gesundheitskasse in Rheinland-Pfalz - Rechtsabteilung -, Virchowstraße 30, 67304 Eisenberg, wegen        Sonstiges (Informationsfreiheitsgesetz)
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-2- hat die 4. Kammer des Verwaltungsgerichts Neustadt an der Weinstraße aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 17. September 2009, an der teilgenommen ha- ben Vorsitzender Richter am Verwaltungsgericht Butzinger Richter am Verwaltungsgericht Kintz Richter am Verwaltungsgericht Bender ehrenamtliche Richterin Hausfrau Koch ehrenamtlicher Richter Werkzeugmacher Lahmers für Recht erkannt: Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheids vom 10. Dezember 2008 und des Widerspruchsbe- scheids vom 31. März 2009 verpflichtet, ihm die Akte betreffend den Insolvenzschuldner …, Betriebsnum- mer …., in geeigneter Weise zugänglich zu machen. Die Kosten des Verfahrens trägt die Beklagte. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreck- bar. Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe der festzusetzenden Kosten abwenden, wenn nicht die Gegenseite vor der Vollstreckung Sicherheit in glei- cher Höhe leistet. Die Berufung wird zugelassen. Tatbestand Der Kläger begehrt als Insolvenzverwalter Einsicht in die von der Beklagten über den Insolvenzschuldner geführten Akten. Der Kläger ist Insolvenzverwalter, die Beklagte ist ein Versicherungsträger, der als rechtsfähige Körperschaft des öffentlichen Rechts betrieben wird und dessen Zu- -3-
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-3- ständigkeit sich gemäß § 1 Abs. 2 seiner Satzung auf das Gebiet des Landes Rheinland-Pfalz beschränkt. Die Beklagte hatte im April 2006 beim Amtsgericht Montabaur einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen von Herrn … (im Folgen- den: Insolvenzschuldner) gestellt, diesen nach Zahlung der geforderten Sozialver- sicherungsbeiträge in Höhe von 2.228,50 € aber wieder zurückgenommen. Wegen neuer Forderungen eines anderen Versicherungsträgers gegen den Insolvenz- schuldner in Höhe von 9.367,54 € eröffnete das Amtsgericht Montabaur mit Be- schluss vom 16. Mai 2008 das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Insol- venzschuldners und bestellte den Kläger zum Insolvenzverwalter. Dieser machte gegenüber der Beklagten wegen der Zahlung des Insolvenzschuldners in Höhe von 2.228,50 € am 2. Juli 2008 einen Rückgewährungsanspruch nach § 129 Abs. 1 der Insolvenzordnung - InsO - geltend. Dies wies die Beklagte mit Schreiben vom 20. August 2008 mit der Begründung zurück, der Kläger müsse zur Darle- gung des Anfechtungsanspruchs nähere Angaben zu den Voraussetzungen des § 129 Abs. 1 InsO machen, entsprechende Belege seien aber nicht eingereicht wor- den. Daraufhin verlangte der Kläger von der Beklagten mehrmals die Vorlage der bezüglich des Insolvenzschuldners geführten Akte zum Zwecke der Akteneinsicht. Zur Begründung berief er sich auf das Informationsfreiheitsgesetz. Mit Bescheid vom 10. Dezember 2008 lehnte die Beklagte die Aktenvorlage ab. Dagegen legte der Kläger am 8. Januar 2009 Widerspruch ein, den die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 31. März 2009 zurückwies. Zur Begründung führte die Beklagte aus, das Informationsfreiheitsgesetz des Bundes sei nicht anwend- bar, da sie – die Beklagte – keine Bundesbehörde sei. Der Kläger könne seinen Anspruch auch nicht aus dem rheinland-pfälzischen Informationsfreiheitsgesetz - LIFG - herleiten. Dem stünden mehrere Vorschriften dieses Gesetzes sowie der im Zivilprozess geltende Beibringungsgrundsatz entgegen. Dem Kläger gehe es weder um die Information der Öffentlichkeit noch um eine Kontrolle der Verwaltung -4-
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-4- im Sinne der Vorbereitung von Amtshaftungsansprüchen. Vielmehr wolle der Klä- ger das LIFG dazu nutzen, über die Rechtsprechung des BGH Anfechtungsan- sprüche zu realisieren. Hintergrund des Anspruchs sei einzig und allein der Aus- gleich von Defiziten im Rechtskreis des Insolvenzverwalters unter Konterkarierung der Verfahrensregelungen für eine laufende oder bevorstehende gerichtliche Aus- einandersetzung. Der Kläger hat am 30. April 2009 Klage zum Verwaltungsgericht Wiesbaden erho- ben. Dieses hat sich mit Beschluss vom 1. Juli 2009 für örtlich unzuständig erklärt und den Rechtsstreit an das erkennende Gericht verwiesen. Der Kläger ist der Auffassung, dass er gegenüber der Beklagten einen Anspruch auf Herausgabe der bezüglich des Insolvenzschuldners geführten Akte zum Zwecke der Aktenein- sicht aus dem LIFG habe. Der Kläger beantragt, die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheids vom 10. Dezember 2008 und des Widerspruchsbescheids vom 31. März 2009 zu verpflichten, die Akte Betriebsnummer … betreffend den Insolvenzschuldner … zum Zwe- cke der Akteneinsicht an ihn herauszugeben. Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen. Zur Begründung bezieht sich die Beklagte auf die ergangenen Bescheide. -5-
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-5- Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Schriftsätze der Beteiligten sowie der Verwaltungsakten des Beklagten ver- wiesen. Dieser war Gegenstand der mündlichen Verhandlung. Entscheidungsgründe Die Klage ist zulässig, insbesondere ist der Verwaltungsrechtsweg gegeben. Der Kläger begehrt die Verpflichtung der Beklagten, ihm Akten auf der Grundlage des Landesgesetzes über die Freiheit des Zugangs zu Informationen – LIFG – vom 26. November 2008 (GVBl. Seite 296) zugänglich zu machen. Für Rechtsstreitigkeiten über Auskunftsansprüche nach dem Landesinformationsfreiheitsgesetz ist gemäß § 8 Satz 1 LIFG der Verwaltungsrechtsweg eröffnet. Die Klage ist auch in der Sache begründet. Der Kläger hat einen Anspruch gegen die Beklagte darauf, dass diese ihm die Akte Betriebsnummer … betreffend den Insolvenzschuldner … zum Zwecke der Akteneinsicht zugänglich macht. Der ab- lehnende Bescheid der Beklagten vom 10. Dezember 2008 und der Wider- spruchsbescheid vom 31. März sind rechtswidrig und verletzen den Kläger in sei- nen Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO). Rechtsgrundlage für das Begehren des Klägers ist die Vorschrift des § 4 Abs. 1 Satz 1 LIFG. Danach hat jede natürliche oder juristische Person des Privatrechts gegenüber den in § 2 genannten Behörden nach Maßgabe dieses Gesetzes An- spruch auf Zugang zu den dort vorhandenen amtlichen Informationen. Die Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 LIFG sind gegeben. Anspruchsberechtigt im Sinne dieser Norm ist u. a. „jede natürliche Person des Privatrechts“. Als solche ist auch der Kläger in seiner Eigenschaft als Insolvenz- -6-
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-6- verwalter anzusehen. Denn der Insolvenzverwalter nimmt seine Aufgaben als Par- tei kraft Amtes wahr. In dieser Funktion handelt er zwar für fremdes Vermögen, aber im eigenen Namen und nicht etwa in Vertretung des Schuldners oder der Gläubiger. Angesichts dessen wird er als natürliche Person tätig und fällt damit unter den von § 4 Abs. 1 Satz 1 LIFG erfassten Personenkreis (ebenso OVG Nordrhein-Westfalen, ZIP 2008, 1542; VG Hamburg, Urteil vom 23. April 2009 - 19 K 4199/07 -, juris; VG Stuttgart, Urteil vom 18. August 2009 - 8 K 1011/09 -, juris). Die Beklagte ist anspruchsverpflichtet. Sie ist eine Behörde des Landes im Sinne des LIFG. Dieses gilt gemäß § 2 Abs. 1 für die Behörden des Landes, der Ge- meinden und Gemeindeverbände sowie der sonstigen der Aufsicht des Landes unterstehenden juristischen Personen des öffentlichen Rechts, soweit sie in öffent- lich-rechtlicher oder privatrechtlicher Form Verwaltungstätigkeit ausüben. Die Be- klagte ist eine rechtsfähige Körperschaft des öffentlichen Rechts, deren Zustän- digkeit sich gemäß § 1 Abs. 2 ihrer Satzung auf das Gebiet des Landes Rhein- land-Pfalz beschränkt. Als landesunmittelbarer Versicherungsträger unterliegt sie der Aufsicht des Landes durch das Ministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Familie und Frauen (Art. 87 Abs. 2 GG, § 90 SGB IV). Der Anspruch besteht nach § 4 Abs. 1 Satz 1 LIFG auf Zugang zu den „dort vor- handenen amtlichen Informationen“. Dabei handelt es sich um alle dienstlichen Zwecken dienende Aufzeichnungen, unabhängig von der Art ihrer Speicherung (s. § 3 Ziff. 1 LIFG). Hier betreffen die Informationen Vorgänge (insbesondere Bei- tragszahlungen zur Krankenkasse), die zur amtlichen Tätigkeit der Beklagten ge- hören und zu diesen Zwecken in der Akte des Insolvenzschuldners aufbewahrt wurden. Soweit die Beklagte einwendet, dem Kläger gehe es weder um die Information der Öffentlichkeit noch um eine Kontrolle der Verwaltung im Sinne der Vorbereitung von Amtshaftungsansprüchen, vielmehr wolle er das LIFG dazu nutzen, über die -7-
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-7- Rechtsprechung des BGH Anfechtungsansprüche zu realisieren, kann sie damit nicht gehört werden. Der Anspruch auf Information besteht nämlich unabhängig davon, aus welchem Interesse der Kläger diesen geltend macht. Das LIFG soll ebenso wie das IFG die demokratische Meinungs- und Willensbildung nachhaltig unterstützen, die Kontrolle staatlichen Handelns verbessern und die Transparenz, Nachvollziehbarkeit und Akzeptanz behördlicher Entscheidungen erhöhen (vgl. Begründung zum Gesetzentwurf des LIFG, LT-Drucksache 15/2085, Seite 1 und 11; sowie Begründung zum Gesetzentwurf des IFG, BT-Drucksache 15/4493 Seite 6). Zu einer effektiven Kontrolle kann dabei aber auch und gerade gehören, dass nach dem Insolvenzrecht anfechtbare Vermögensverschiebungen aufgedeckt werden (s. VG Hamburg, Urteil vom 23. April 2009, a.a.O.; VG Stuttgart, Urteil vom 18. August 2009, a.a.O.). Im Gegensatz zu anderen Anträgen auf Informati- onszugang, die nur nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden sind und für die der Antragsteller ein berechtigtes Interesse geltend machen muss, ermöglicht das LIFG einen Informationszugang ohne Voraussetzungen (s. die Begründung zum Gesetzentwurf, LT-Drucksache 15/2085 Seite 11). Der Informationsanspruch des Klägers ist nicht nach § 4 Abs. 2 LIFG ausge- schlossen. Danach gehen besondere Rechtsvorschriften, soweit diese den Zu- gang zu amtlichen Informationen, die Auskunftserteilung oder die Gewährung von Akteneinsicht regeln, den Bestimmungen dieses Gesetzes vor. Die darin vorgese- hene verdrängende Spezialität ist nur dort einschlägig, wo zwei Normen einen einheitlichen Sachverhalt regeln; sie müssen folglich die gleichen Anliegen verfol- gen und identische Zielgruppen erfassen. Das ist nur dann anzunehmen, wenn ein umfassender Informationsanspruch dem Schutzzweck des Spezialgesetzes zuwi- der laufen würde. Dies ist hier nicht der Fall. Die hier in Betracht kommenden speziellen insolvenzrechtlichen Auskunftsrechte (§§ 97, 101 der Insolvenzordnung - InsO -) oder andere zivilrechtliche Auskunfts- -8-
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-8- rechte (§§ 242, 810 des Bürgerlichen Gesetzbuchs – BGB -) verdrängen den In- formationsanspruch nach § 4 Abs. 1 LIFG jedoch nicht. Nach § 97 Abs. 1 Satz 1 InsO ist der Schuldner verpflichtet, dem Insolvenzgericht, dem Insolvenzverwalter, dem Gläubigerausschuss und auf Anordnung des Ge- richts der Gläubigerversammlung über alle das Verfahren betreffenden Verhältnis- se Auskunft zu geben. Gemäß § 101 InsO gilt § 97 InsO entsprechend für die Or- gane und Angestellten des Schuldners. Die zuletzt genannte Vorschrift soll ver- hindern, dass der über alle das Insolvenzverfahren betreffenden Verhältnisse in der Regel am besten informierte Insolvenzschuldner durch sein Schweigen die Arbeit des Insolvenzverwalters und der weiteren genannten Personen bzw. Gre- mien unnötig erschwert und Gläubigeransprüche über das bereits vorhandene Maß hinaus weiter gefährdet werden (Dauernheim/Heutz, ZIP 2008, 2296, 2299; vgl. auch Kreft, InsO, 5. Auflage 2008, § 97 Rdnr. 1 ff.). Die anspruchsberechtigten Personen oder Einrichtungen sollen sich über die wirtschaftlichen und rechtlichen Verhältnisse des Insolvenzschuldners umfassend informieren können, um im Hin- blick auf die Gläubigerbefriedigung das Insolvenzverfahren sachgerecht und effek- tiv durchführen zu können. Auf § 4 Abs. 1 LIFG gestützte Auskunfts- und Informa- tionsansprüche des Insolvenzverwalters sind aber nicht geeignet, diesen Schutz- zweck zu gefährden; sie fördern ihn vielmehr dadurch, dass sie möglicherweise anfechtbare Handlungen aufdecken und damit eine weitere Anreicherung der In- solvenzmasse wahrscheinlicher machen (Dauernheim/Heutz, ZIP 2008, 2296, 2299). Der Anspruch aus § 4 Abs. 1 LIFG auf Zugang zu amtlichen Informationen bei einer Behörde ist daher schon nicht Gegenstand des § 97 InsO (s. OVG Nordrhein-Westfalen, ZIP 2008, 1542; VG Düsseldorf, Urteil vom 20. April 2007 - 26 K 5324/06 -, juris; VG Hamburg, Urteil vom 23. April 2009, a.a.O.; VG Stutt- gart, Urteil vom 18. August 2009, a.a.O.). Auch § 242 BGB verdrängt das LIFG nicht als speziellere Vorschrift. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (s. z.B. BGH, NJW 1979, 1832) gewährt -9-
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-9- § 242 BGB dem Insolvenzverwalter für die Insolvenzanfechtung nach den Grund- sätzen von Treu und Glauben nur ausnahmsweise einen Auskunftsanspruch, wenn der Anfechtungsanspruch – anders als hier – dem Grunde nach bereits fest- steht und es dem Antragsteller nur noch um die nähere Bestimmung von Art und Umfang des Anspruchs geht (vgl. auch BGH, ZIP 2008, 565). Das setzt voraus, dass der Insolvenzverwalter den Sachverhalt, der den Tatbestand einer Anfech- tungsnorm erfüllt, darlegt und notfalls beweist (BHG, NJW 2000, 3778). Besteht nicht mehr als ein, wenn auch durch bestimmte Umstände begründeter, Verdacht, ein Dritter habe vom Insolvenzschuldner in anfechtbarer Weise etwas erhalten, ist dem Insolvenzverwalter ein Auskunftsanspruch zu versagen, mag der Insolvenz- verwalter auch trotz Ausschöpfung seiner rechtlichen Möglichkeiten (§ 5 Abs. 1 InsO, der die Amtsermittlungspflicht des Insolvenzgerichts regelt, §§ 97, 101 InsO) vom Insolvenzschuldner, dessen Vertretern oder Angestellten sowie von Zeugen ausreichende Auskünfte nicht erhalten haben (Kreft, InsO, a.a.O. § 129 Rdnr. 93 m.w.N.). Es gibt im Zivilprozess keine allgemeine prozessuale Aufklärungspflicht; vielmehr gilt der Beibringungsgrundsatz. Es ist Sache der Parteien, die notwendi- gen Tatsachenbehauptungen aufzustellen und Beweismittel zu benennen. Darauf beruhen auch die Regelungen zur Darlegungs- und Beweislast im Zivilprozess. Keine Partei ist gehalten, dem Gegner das Material für seinen Prozesssieg zu ver- schaffen, wenn nicht materiell-rechtliche Auskunfts- und Vorlagepflichten bestehen oder die Grundsätze der sekundären Darlegungslast eingreifen (BGH, ZIP 2008, 565 m.w.N.). Der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist jedoch nicht zu entnehmen, dass die insolvenzrechtrechtlichen Vorschriften andere Informationsrechte von vornhe- rein verdrängen. Der Bundesgerichtshof hat klargestellt, dass auf der Grundlage des (damals) geltenden Rechts weitergehende Ansprüche aus § 242 BGB nicht bestehen. Soweit der Gesetzgeber inzwischen gegenüber der öffentlichen Hand in § 4 Abs. 1 LIFG (s. auch § 1 Abs. 1 IFG) neue, weitergehende Informationsrechte eingeführt hat, können diese neben dem § 97 InsO eingreifen. Im Übrigen stützt - 10 -
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- 10 - der Bundesgerichtshof seine Entscheidung maßgeblich auf das Verbot der Aus- forschung. Danach ist der Informationszugang gegen den Insolvenzgläubiger in der Insolvenzanfechtung nicht generell gesperrt, sondern nur dann, wenn eine Ausforschung droht. Mit dem LIFG hat der rheinland-pfälzische Gesetzgeber ebenso wie der Bund mit dem IFG für die öffentliche Verwaltung das Prinzip der Aktenöffentlichkeit eingeführt, dem der Gedanke eines Ausforschungsverbots fremd ist (vgl. VG Hamburg, Urteil vom 23. April 2009, a.a.O.; VG Stuttgart, Urteil vom 18. August 2009, a.a.O). Das LIFG ist Folge der Sonderstellung der öffentli- chen Hand, die besondere Transparenzpflichten mit sich bringt. Diese besondere Pflichtenstellung bleibt auch dort bestehen, wo Teile der Staatsverwaltung im Ein- zelfall zugleich am Insolvenzverfahren als Insolvenzgläubiger teilnehmen. Das Insolvenzrecht dispensiert die Behörde nicht von den besonderen Informations- pflichten. Das LIFG nimmt dabei in Kauf, dass etwaige Ersatzansprüche im Insol- venzverfahren (hier Ansprüche aus der Insolvenzanfechtung) gegen die öffentliche Hand unter erleichterten Bedingungen geltend gemacht werden können (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, ZIP 2008, 1542; VG Hamburg, Urteil vom 23. April 2009 - 19 K 4199/07 -, a.a.O.; VG Stuttgart, Urteil vom 18. August 2009 - 8 K 1011/09 -, a.a.O.; VG Düsseldorf, Urteil vom 20. April 2007 - 26 K 5324/06 -, juris; Dauernheim/Heutz, ZIP 2008, 2296). Auch § 810 BGB stellt keine den § 4 Abs. 1 LIFG verdrängende Spezialvorschrift dar. Nach dieser Bestimmung kann derjenige, der ein rechtliches Interesse daran hat, eine in fremdem Besitz befindliche Urkunde einsehen, von dem Besitzer die Gestattung der Einsicht verlangen, wenn die Urkunde in seinem Interesse errichtet oder in der Urkunde ein zwischen ihm und einem anderen bestehendes Rechts- verhältnis beurkundet ist oder wenn die Urkunde Verhandlungen über ein Rechts- geschäft enthält, die zwischen ihm und einem anderen oder zwischen einem von beiden und einem gemeinschaftlichen Vermittler gepflogen worden sind. § 810 BGB scheitert hier schon daran, dass die Vorlage der Akte über den Insolvenz- schuldner nur die letzte Klarheit über einen wahrscheinlichen Anspruch schaffen - 11 -
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