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Information

Aktenzeichen
7 E 1780/07(1)
Datum
5. Dezember 2008
Gericht
Verwaltungsgericht Frankfurt am Main
Gesetz
Informationsfreiheitsgesetz Bund (IFG)
Informationsfreiheitsgesetz Bund (IFG)

Urteil: Verwaltungsgericht Frankfurt am Main am 5. Dezember 2008

7 E 1780/07(1)

Der Informationszugangsanspruch des Informationsfreiheitsgesetzes gilt voraussetzungslos. Das Ziel eines Klägers, die Chancen in einem Zivilprozess zu verbessern, ist daher nicht rechtsmissbräuchlich. Der Einsicht in Unterlagen der Aufsichtsbehörde zur Abwicklung eines unerlaubt betriebenen Anlagengeschäfts zweiter Gesellschaften steht hier auch nicht der Ausnahmetatbestand zum Schutz vor nachteiligen Auswirkungen auf die Kontroll- oder Aufsichtsaufgaben der Finanz-, Wettbewerbs- und Regulierungsbehörden entgegen, da es an einer substantiierten Darlegung der Ablehnungsgründe mangelt. Ein abstrakter Verweis genügt diesen Anforderungen nicht. Der Offenlegung steht jedoch eine bereichsspezifische Verschwiegenheitspflicht aus dem Kreditwesengesetz entgegen. Diese bezweckt den Schutz von Betriebs-und Geschäftsgeheimnissen (hier u.a. Vermögenswerte, durch welche die wirtschaftlichen Verhältnisse eines Betriebs maßgeblich bestimmt werden) sowie von personenbezogenen Daten (hier u.a. Daten tausender von Anlegern) und gilt im Rahmen des Informationsfreiheitsgesetzes absolut und ist einer Relativierung nicht zugänglich. Die Entscheidung enthält auch Ausführungen zur Verhältnismäßigkeit des Aufwands bei der Aussonderung schutzbedürftiger Daten aus einem großen Aktenbestand sowie zu den Grenzen der gerichtlichen Prüfkompetenz im Hinblick auf das in-camera-Verfahren. (Quelle: LDA Brandenburg)

Missbräuchliche Antragstellung Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse Drittbetroffenheit (Gesetzliche) Geheimhaltungspflichten Aussonderungen Konkurrierende Rechtsvorschriften Personenbezogene Daten Aufsichtsaufgaben Internationale Beziehungen

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VERWALTUNGSGERICHT F RANKFURT AM M AIN Geschäftsnummer: 7 E 1780/07(1)                                           Abschrift Verkündet am: 05.12.2008 L. S. Frömelt Urkundsbeamtin URTEIL                                der Geschäftsstelle IM NAMEN DES VOLKES In dem Verwaltungsstreitverfahren pp. wegen        Streitigkeiten nach dem Informationsfreiheitsgesetz hat die 7. Kammer des Verwaltungsgerichts Frankfurt am Main durch den Vors. Richter am VG Dr. Huber, Richterin am VG Ottmüller, Richter am VG Tanzki die ehrenamtliche Richterin Frau Daudel die ehrenamtliche Richterin Frau Ritzheim, aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 05.12.2008 für Recht erkannt: Die Klage wird abgewiesen. Die Kosten des Verfahrens hat der Kläger zu tragen, mit Ausnahme der außerge- richtlichen Kosten der Beigeladenen. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der festzu- setzenden Kosten abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicher- heit in gleicher Höhe leistet.
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-2- Die Berufung wird zugelassen. Die Revision wird zugelassen. T AT B E S T AN D Mit Bescheid vom 12.05.1997 gab das Bundesaufsichtsamt für das Kreditwesen (Vorgän- gerbehörde der Beklagten) der H AG und der E AG die unverzügliche Abwicklung des durch das Abschließen von typisch stillen Beteiligungsverträgen unerlaubt betriebenen An- lagengeschäfts auf. In der Folgezeit wurde das Konkurs-, jetzt Insolvenzverfahren über die Vermögen beider Gesellschaften eröffnet. Der Kläger ist Vorsitzender des Vereins der H E -Geschädigten – n.e.V. Mit Schreiben vom 02.05.2006 beantragte der Kläger uneingeschränkt Akteneinsicht in die Behördenakten betreffend die Abwicklung der H AG und der E AG. Mit Bescheid vom 27.09.2006 lehnte die Beklagte den Antrag des Klägers ab. Zur Begründung führte sie folgendes aus: Dem Informationszugang stehe § 3 Nr. 1 d IFG entgegen, da das Bekanntgeben der Infor- mationen nachteilige Auswirkungen auf die Aufsichtsaufgaben der Beklagten habe. Ein Anspruch auf Informationszugang sei auch nach § 3 Nr. 1 a IFG ausgeschlossen, da das Bekanntwerden der Informationen nachteilige Auswirkungen auf die internationalen Beziehungen haben könne, was bei einer Bekanntgabe des Schriftwechsels mit der nieder- ländischen Aufsicht der Fall wäre. Weiter sei ein Anspruch nach § 3 Nr. 4 Fall 1 IFG i.V.m. § 11 FinDAG i.V.m. § 9 KWG – jedenfalls über die Mitteilungen im Schreiben vom 07.08.2006 hinaus – ausgeschlossen. Die begehrte Information unterliege der Geheimhaltungspflicht nach § 9 Abs. 1 Satz 1 KWG in Bezug auf die Mitarbeiter der Beklagten als auch in Bezug auf die Beklagte selbst. Dem Kläger könne daher keine Einsicht in Unterlagen gewährt werden, aus denen Namen und Adressen von Anlegern hervorgingen. Das gleiche gelte für Anfragen und Ermittlungen der Beklagten bei einbezogenen Kreditinstituten sowie die Korrespondenz mit der nieder- ländischen Aufsichtsbehörde in Bezug auf auch in den Niederlanden angebotenen atypisch und typisch stillen Beteiligungsverträgen. Ferner könne nicht Einsicht gewährt werden in
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-3- die mit den Unternehmen bzw. deren anwaltlichen Vertretern geführte Korrespondenz und in Protokolle über Besprechungen mit den Geschäftsführern, anwaltlichen Vertretern oder Treuhändern der Unternehmen. Die aus der Korrespondenz mit den Unternehmen oder Dritten oder aus Besprechungen gewonnenen Erkenntnisse seien in den Verfügungen vom 12.05.1997 ausführlich dargelegt. Diese Verfügung sei dem Kläger nach eigenen Angaben auch bekannt. Die Geheimhaltung der Informationen liege objektiv im Interesse der be- troffenen Unternehmen bzw. deren ehemaligen Geschäftsführern und Vorständen, nach dem diese im Anschluss an die Verfügungen vom 12.05.1997 Insolvenzantrag gestellt hät- ten. Dies gelte sowohl für Informationen über das Verwaltungsverfahren als auch gegen- über der Bundesanstalt erhobene Beschwerden von Dritten in Bezug auf die Unternehmen oder über Beschwerden von Anlegern gegen den Erlass der Verfügungen vom 12.05.1997. Von der Durchführung eines Verfahrens nach § 8 IFG sei vorliegend abgesehen worden. Es hätten tausende von Anlegern und andere Stellen sowie die alten Geschäftsführer, Vor- stände und Treuhänder angeschrieben werden und über Schriftverkehr zu Vorgängen ge- fragt werden müssen, die lange zurücklägen und zwischenzeitlich teilweise Gegenstand strafrechtlicher Ermittlungen seien. Ein solches Verfahren sei nur dann vorgesehen, wenn private Interessen i.S.d. §§ 5 und 6 IFG betroffen seien. § 3 Nr. 4 IFG diene hingegen dem Schutz öffentlicher Belange, der nicht zur Disposition einzelner, wie etwa den hier betroffe- nen Unternehmen, stehe. Dem Anspruch auf Akteneinsicht stehe auch § 7 Abs. 2 IFG entgegen, da dafür ein unver- hältnismäßiger Verwaltungsaufwand erforderlich wäre. Es müssten sämtliche Aktenbände (58) zunächst vollständig kopiert und sodann müssten die Kopien – soweit im Hinblick auf § 9 KWG erforderlich – anonymisiert (geschwärzt) und erneut kopiert werden. Da eine Vielzahl von Anlegern betroffen wäre und der Kläger nach seinem Schreiben vom 14.08.2006 Einsicht in sämtliche Aktenbände begehrt habe, müsste der größte Teil der Akten derart bearbeitet werden, was einen unverhältnismäßigen Verwaltungsaufwand er- fordere. Darüber hinaus verfüge der Kläger bereits über die begehrten Informationen oder könne sich diese in zumutbarer Weise aus allgemein zugänglichen Quellen beschaffen.
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-4- Mit Schreiben vom 26.10.2006 legte der Kläger gegen den Bescheid vom 27.09.2006 Wi- derspruch ein. Mit Widerspruchsbescheid vom 18.07.2007 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Hinsichtlich der Begründung des Widerspruchsbescheides wird auf Bl. 94 – 117 der Be- hördenakten, Beiakte I) verwiesen. Mit zuvor am 11.05.2007 bei Gericht eingegangenem Schriftsatz hat der Kläger zunächst Untätigkeitsklage gegen die Beklagte erhoben. Nach Erlass des Widerspruchsbescheides vom 18.07.2007 hat der Kläger diesen mit Schriftsatz vom 23.07.2007 in seine Klage ein- bezogen. Er ist der Auffassung, dass ein Ausschlusstatbestand nach § 3 Nr. 1d IFG nicht gegeben sei. Die Beklagte sei nicht auf die Kooperationsbereitschaft der beaufsichtigten Unterneh- men sowie Dritter angewiesen. Diese hätten vielmehr aufgrund der der Beklagten einge- räumten Kontrollrechte die Verpflichtung, jede erforderliche Auskunft zu geben, welche die Beklagte benötige, um ihre Aufgabe erfüllen zu können. Aufgabe der jetzt tätigen Konkursverwalter sei es, Vermögenswerte aufzulösen und die Gläubiger der betroffenen Gesellschaften zu befriedigen. Geschäftsgeheimnisse gebe es daher nicht mehr, weil die Gesellschaften nicht mehr werbend am Markt tätig seien. Die Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse seien daher nicht mehr schützenswert. Soweit die Beklagte von der niederländischen Aufsichtsbehörde Informationen erhalten habe, hätte die Beklagte bei dieser Aufsichtsbehörde anfragen müssen, ob sie der Weiter- gabe der gegebenen Informationen zustimme, was nicht erfolgt sei. Es werde mit Nichtwis- sen bestritten, dass die niederländische Aufsichtsbehörde ausdrücklich klargestellt habe, dass die von ihr übersandten Informationen vertraulich seien und nur für Aufsichtszwecke zur Verfügung gestellt würden. Der Kläger habe nur Kenntnis von den Bescheiden vom 12.05.1997 betreffend die H AG und die E AG. Den weiteren Akteninhalt der Akten der Beklagten kenne er nicht, weshalb insoweit § 9 Abs. 3 IFG nicht greife. Er könne sich diese Informationen auch nicht aus an- deren allgemein zugänglichen Quellen beschaffen. Der Verwaltungsaufwand für die Gewährung des Akteneinsichtsrechts müsse von der Be- hörde hingenommen werden.
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-5- Der Kläger beantragt sinngemäß, die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheides vom 27.09.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.07.2007 zu verpflichten, dem Kläger Akteneinsicht in die Behördenakten der Beklagten betreffend die Abwicklung der H AG und E AG zu gewähren. Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen. Zur Klageerwiderung bezieht sie sich auf die streitgegenständlichen Bescheide und trägt folgendes ergänzend vor. Die Eröffnung von Insolvenzverfahren ändere nichts an der Schutzbedürftigkeit der in den Akten über die H AG und die E AG enthaltenen Informationen, deren Geheimhaltung im Interesse der vorgenannten Gesellschaften liege. Denn der Rechtsträger bestehe nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens bis zur Löschung fort und könne Träger von Rechten und Pflichten sein, weshalb er weiterhin das Recht habe, dass ihn betreffende Informatio- nen nach § 9 KWG geschützt würden. Soweit die Akten vertrauliche Informationen enthielten, welche die Beklagte von der nieder- ländischen Aufsichtsbehörde zu Zwecken der Aufsicht erhalten habe, habe der Kläger mit Schriftsatz vom 04.09.2007 klargestellt, dass eine Einsicht in diese Unterlagen nicht beab- sichtigt sei (Punkt 16 Seite 16 des Schriftsatzes vom 04.09.2007). Im Übrigen beträfen die übermittelten Informationen ebenfalls die H AG und E AG, so dass ein Anspruch auf Infor- mationszugang auch betreffend die von der niederländischen Aufsicht übermittelten Infor- mationen schon nach § 3 Nr. 4 Fall 1 IFG i.V.m. § 9 Abs. 1 Satz 1 KWG ausgeschlossen sei. Weiter verfüge der Kläger teilweise über die begehrten Informationen. So verfüge er nach eigenen Angaben über Kopien der an die Gesellschaft ergangenen Bescheide vom 12.05.1997. In diesen Bescheiden werde auf die Korrespondenz und die Gespräche mit den vorgenannten Gesellschaften eingegangen. Ferner räume der Kläger auf Seite 8 des Widerspruchsschreibens vom 26.10.2006 die Kenntnis weiterer Fakten ein, welche sich aus den Akten betreffend die H AG und die E AG ergeben. Dem Informationsbegehren des Klägers stehe auch der Gedanke des Rechtsmissbrauchs entgegen. So habe der Kläger wiederholt sein Interesse an der Akteneinsicht mit der Ver-
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-6- folgung von Schadensersatzforderungen begründet. Er habe in seinem Widerspruchs- schreiben vom 26.10.2006 (Seite 5) betont, dass er Geld verloren habe und daher die Klä- rung der Frage, ob die Insolvenzverfahren hätten vermieden werden können, für ihn von erheblicher Bedeutung sei. Sein Informationsbegehren ziele darauf, Schadensersatzan- sprüche geltend zu machen (Seite 3 der Klageschrift vom 08.05.2007). Sein Informations- begehren sei daher auf zivilrechtliche Rechtsverfolgung und nicht auf Ausübung seiner Bürgerrechte gerichtet, was der Zielsetzung des IFG entspreche. Weiter ergebe sich die Rechtsmissbräuchlichkeit zum Teil jedenfalls auch daraus, dass die Durchsetzung von Amtshaftungsansprüchen gegenüber der Beklagten nicht mehr erreichbar sei, da gegen die H AG und die E AG zivilgerichtlich bereits rechtskräftig entschieden worden sei. Die diesbezügliche Klage des Klägers sei vom Landgericht Berlin mit Urteil vom 04.04.2001 – Az: 23.0.482/00 – abgewiesen worden. Die Berufung gegen dieses Urteil habe das Kam- mergericht mit Urteil vom 11.03.2003 – 9 U 126/01 - zurückgewiesen. Weiter bestehe der Verwaltungsvorgang der H AG aus 31 Hauptaktenbänden und 24 Bei- akten. Der Verwaltungsvorgang E AG bestehe aus 6 Hauptaktenbänden, 1 Beiakte und 2 Hängetaschen, in welchen sich Prüfberichte einer Wirtschaftsprüfungsgesellschaft für den Zeitraum 1990 bis 1995 befänden. Da der Kläger auch die Beiakten zum Vorgang Z 4 – 173 – 64/91 – einsehen möchte (vgl. Schriftsatz des Klägers vom 04.09.2007, Seite 13; vgl. auch Schreiben des Klägers vom 14.08.2006; vgl. Klageantrag im Schriftsatz vom 23.07.2007 i.V.m. dem Antrag vom 02.05.2006), sei von 62 Bänden auszugehen. Selbst bei Anlegung eines strengen Maßstabes sei bei der Schätzung der Anzahl der zu bearbei- tenden Seiten mindestens von folgendem Umfang auszugehen: Lege man 190 Seiten pro Hauptaktenband zugrunde, seien bei 37 Bänden mindestens 7030 Seiten durchzuarbeiten. Zwar seien die Beiakten zum Teil, jedoch nicht alle, etwas geringer befüllt als die Bände der Hauptakte, aber auch insofern seien für die 25 Beiakten im Durchschnitt mindestens 100 Seiten pro Band zu schätzen. Insofern seien weitere 2500 Seiten und damit insgesamt 9530 Seiten durchzuarbeiten. Selbst wenn man, von nur 160 Seiten pro Hauptaktenband ausginge, wären immer noch – einschließlich der Beiakten – 8420 Seiten durchzuarbeiten. Die Beigeladenen haben keinen Antrag gestellt und sich zum Verfahren nicht geäußert.
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-7- Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Ge- richtsakten (2 Bände) und der von der Beklagten zum Antragsverfahren angelegten Behör- denakten (2 Hefte) verwiesen, die dem Gericht vorgelegen haben und zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht wurden. ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE Die Klage ist zulässig. Sie ist gemäß § 9 Abs. 1 Satz 1 des Gesetzes zur Regelung des Zugangs zu Informationen des Bundes vom 05.09.2005 (BGBl I S. 2722; - Informations- freiheitsgesetz – IFG) in statthafter Weise als Verpflichtungsklage zulässig. Das nach § 9 Abs. 4 Satz 2 IFG zwingend vorgesehene Vorverfahren entsprechend den Vorschriften des 8. Abschnitts der Verwaltungsgerichtsordnung war vorliegend entbehrlich, weil die Behörde den Kläger nach Einlegung seines Widerspruchs am 26.10.2006 und der daraufhin am 11.05.2007 erhobenen Untätigkeitsklage während des Rechtsstreits ableh- nend beschieden hat (vgl. BVerwG, Urteil vom 13.01.1983, BVerwGE 66, 342; BVerwG, Urteil vom 04.06.1991, BVerwGE 88, 254). Danach hat das Verwaltungsgericht in die materiell-rechtliche Prüfung des Begehrens einzutreten, wenn eine Verpflichtungsklage nach § 75 Satz 2 VwGO unter Einhaltung der Sperrfrist von drei Monaten zunächst in zu- lässiger Weise als Untätigkeitsklage erhoben wurde und danach ein die begehrte Leistung ablehnender Bescheid, vorliegend der Widerspruchsbescheid vom 18.07.2007, ergeht (vgl. auch VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 17.07.1995 – 4 S 1610/95 – in Juris). Die ursprünglich als Untätigkeitsklage erhobene Klage ist daher nunmehr als Verpflich- tungsklage statthaft, nachdem der Kläger den Widerspruchsbescheid im Wege der gewill- kürten Klageänderung in das Verfahren einbezogen hat, was sachdienlich war. Die Klage ist jedoch unbegründet. Der angegriffene Bescheid vom 27.09.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.07.2007 ist rechtmäßig und verletzt den Klä- ger nicht in seinen Rechten (vgl. § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO). Der Kläger hat keinen An- spruch auf Akteneinsicht in die Behördenakten der Beklagten betreffend die Abwicklung der H AG und der E AG. Der Kläger hat keinen Anspruch auf die begehrte Akteneinsicht nach § 1 Abs. 1 Satz 1 IFG. Entgegen der Ansicht der Beklagten ist der Anspruch nach § 1 Abs. 1 Satz 1 IFG je-
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-8- doch nicht bereits deshalb ausgeschlossen, weil er mit den gewonnenen Informationen seine Chancen in möglicherweise noch ausstehenden zivilrechtlichen Auseinandersetzun- gen verbessern möchte. Nach § 1 Abs. 1 Satz 1 IFG hat jeder nach Maßgabe dieses Ge- setzes gegenüber den Behörden des Bundes einen Anspruch auf Zugang zu amtlichen Informationen. Dieser Anspruch ist voraussetzungslos (vgl. Entwurf eines Gesetzes zur Regelung des Zugangs zu Informationen des Bundes der Fraktionen SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Deutscher Bundestag, Drucksache 15/4493 vom 14.12.2004, S. 7 zu § 1; Anwendungshinweise des Bundesministerium des Innern zum Informationsfreiheitsge- setz vom 21.11.2005 – V 5a – 130250 -, GMBl. 2005 S. 1346; Scheel, in: Ber- ger/Roth/Scheel, Informationsfreiheitsgesetz, 2006, § 1 Rdnr. 4 ff.). Insbesondere besteht dieser, ohne dass – wie z. B. von § 29 Abs. 1 VwVfG für die Akteneinsicht bei Behörden gefordert – ein rechtliches oder berechtigtes Interesse geltend zu machen ist (BT- Drucksache 15/4493, S. 6 zur Zielsetzung des Gesetzes). Da der Anspruch voraus- setzungslos ist, und kein rechtliches oder berechtigtes Interesse geltend zu machen ist, kann das Ziel des Klägers hier auch nicht als rechtsmissbräuchlich angesehen werden. Der dem Grunde nach voraussetzungslose Informationsanspruch besteht jedoch nicht, wenn es zum Schutz besonderer öffentlicher Belange erforderlich ist, diesen zurücktreten zu lassen (vgl. dazu auch Rossi, IFG, § 1 Rdnr. 27). In § 3 IFG sind bestimmte Fallkonstel- lationen geregelt, in denen der Informationszugang von einer Behörde des Bundes oder einer mit der Wahrnehmung öffentlich-rechtlicher Aufgaben betrauten anderen Stelle (vgl. § 1 Abs. 1 S. 3 IFG) verweigert werden darf. Weitere Ausnahmevorschriften enthalten die §§ 4 bis 6 IFG. § 3 IFG regelt Ausnahmen vom Zugang zu Informationen. Diese Vorschrift ist eng auszu- legen und zudem obliegt es der um Information ersuchten Behörde darzulegen, aus wel- chen Gründen ausnahmsweise der Informationszugang zu verwehren ist (vgl. BT- Drucksache 15/4493, S 9 linke Spalte; Roth, in Berger u. a., IFG, § 3 Rdnr. 17; Rossi, IFG, § 3 Rdnr. 2; Jastrow/Schlatmann, Informationsfreiheitsgesetz, 2006, § 3 Rdnr. 4). Aller- dings ist in diesem Zusammenhang auch zu beachten, dass es denkgesetzlich nicht zwin- gend geboten ist, das Vorliegen einer Ausnahme von der Regel nach rein quantitativen Maßstäben zu bestimmen. Vielmehr hat in jedem Einzelfall eine qualitative Betrachtung zu erfolgen, die es nicht von vornherein ausschließt, dass sogar in der Mehrzahl der Fälle ei-
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-9- ne Ausnahme von der Regel in Betracht kommen kann (VG Frankfurt am Main, Urteil vom 23.01.2008; Az.: 7 E 3280/06(V), unter Hinweis auf BVerwG, Urt. v. 23.10.2007 – 1 C 10/07, NVwZ 20008, 326 Rdnr. 26 zur vergleichbaren Problematik im Ausländerrecht). Entgegen der Ansicht der Beklagten liegen die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 3 Nr. 1 d IFG nicht vor. Wie die Kammer bereits in ihrem Urteil vom 23.01.2008 (Az.: 7 E 3280/06(V) ausgeführt hat, wurde bei der Verabschiedung des Informationsfreiheitsgeset- zes in Kenntnis u. a. der der Beklagten übertragenen und für das Gemeinwesen wichtigen Aufgaben der Finanzaufsicht keine umfassende oder partielle Bereichsausnahme vorge- sehen. Vielmehr hat der Gesetzgeber die im Informationsfreiheitsgesetz insbesondere in den §§ 4-6 IFG vorgesehenen weiteren Vorkehrungen zum Schutz öffentlicher und privater Interessen als ausreichend erachtet, um u. a. die Funktionsfähigkeit der Beklagten zu er- halten. Von der Beklagten wurde nicht in überzeugender Weise dargetan, inwieweit im zu entscheidenden konkreten Fall eine vollständige oder partielle Freigabe der vom Kläger begehrten Informationen geeignet wäre, sich nachteilig auf die Funktionsfähigkeit der Be- klagten auszuwirken. Die Beklagte hätte substantiiert darlegen müssen, welche Akteninhal- te aus welchen Gründen zwingend nicht freigegeben werden können. Ein Verweis auf nicht von vornherein auszuschließende abstrakt gegebene nachteilige Auswirkungen auf die Kontroll- und Aufsichtsausgaben der Beklagten reichen demgegenüber nicht aus, um dem Kläger den begehrten Informationszugang zu verwehren. Der Anspruch auf Informationszugang ist hier jedoch nach § 3 Nr. 1 a IFG ausgeschlossen, weil die Bekanntgabe des Inhalts der Behördenakten insoweit, als dort der Schriftverkehr zwischen der niederländischen Aufsicht und der Beklagten enthalten ist, nachteilige Aus- wirkungen auf internationale Beziehungen haben könnte. Hier ist zunächst fraglich, ob § 3 Nr. 1 a IFG einschlägig ist. Geschützt werden sollen – nach der Gesetzesbegründung – die auswärtigen Belange der Bundesrepublik Deutschland und das diplomatische Vertrauensverhältnis zu ausländi- schen Staaten, zwischen- und überstaatlichen Organisationen. Typischerweise erfasst sind davon Fragen im Bereich des Auswärtigen Amtes, allerdings können auch andere, insbe- sondere oberste Bundesbehörden internationale Belange geltend machen (vgl. Ja- strow/Schlatmann, § 3 Rdnr. 24). Da es sich bei der Beklagten um eine obere Bundesbe- hörde handelt, wäre sie danach vom Schutzbereich des § 3 Nr. 1 a IFG nicht erfasst. Die
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- 10 - kann jedoch dahinstehen, da der Anspruch auf Informationszugang hier nach § 3 Nr. 4 IFG i. V. m. § 9 Abs. 1 S. 8 KWG ausgeschlossen ist. Nach § 9 Abs. 1 S. 8 KWG dürfen Infor- mationen, die aus einem andern Staat stammen, nur mit ausdrücklicher Zustimmung der zuständigen Stelle, die diese Informationen mitgeteilt hat und nur für solche Zwecke an eine andere Stelle weitergegeben werden, wenn die (ausländische) Ausgangsstelle dem zugestimmt hat. Hier enthält der Schriftverkehr mit der niederländischen Aufsicht Informati- onen aus einem ausländischen Staat. Eine ausdrückliche Zustimmung zur Weitergabe der Informationen hat die niederländische Aufsicht nicht erteilt. Das gleiche ergibt sich aus § 7 Abs. 4 S. 5 WpHG i. V. m. § 7 Abs. 4 S. 3 WpHG, wonach eine anderweitige Verwendung der Informationen nur mit Zustimmung der übermittelnden Stelle zulässig ist, die hier nicht vorliegt bzw. ausdrücklich nicht erteilt wurde. Es bestand auch keine Pflicht der Beklagten, die Stellungnahme der ausländischen Auf- sicht einzuholen. Nach § 8 Abs. 1 IFG gibt die Behörde einem Dritten, dessen Belange durch den Antrag auf Informationszugang berührt sind, schriftlich Gelegenheit zur Stellungnahme innerhalb ei- nes Monats, sofern Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass er ein schutzwürdiges Interesse am Ausschluss des Informationszugangs haben kann. Wer Dritter ist, richtet sich nach § 2 Satz 1 Nr. 2 IFG (vgl. BT-Drucksache 15/4493 S. 15). Dritter nach § 2 Satz 1 Nr. 2 IFG ist jeder, dessen in §§ 5, 6, 8 IFG genannten Rechte durch den Informationszugang berührt werden könnten (so BT-Drucksache 15/4493, S. 9). Die Vorschriften der §§ 5, 6 und 8 IFG betreffen den Schutz personenbezogener Daten, den Schutz von Betriebs- und Geschäfts- geheimnissen und den Schutz des geistigen Eigentums. Die Beklagte musste daher der niederländischen Aufsicht nicht schriftlich Gelegenheit zur Stellungnahme geben. Die Beklagte hat sich vorliegend zu Recht auf den Ausschlusstatbestand des § 3 Nr. 4 IFG gestützt. Nach dieser Vorschrift besteht ein Anspruch auf Informationszugang nicht, wenn die Information einer durch Rechtsvorschrift oder durch die allgemeine Verwaltungsvor- schrift zum materiellen und organisatorischen Schutz von Verschlusssachen geregelten Geheimhaltungs- oder Vertraulichkeitspflicht oder einem Berufs- oder besonderem Amts- geheimnis unterliegt.
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