Information

Aktenzeichen
1 K 583/08
Datum
23. Oktober 2008
Gericht
Verwaltungsgericht Weimar
Gesetz
Informationsfreiheitsgesetz (Thüringen)
Informationsfreiheitsgesetz (Thüringen)

Urteil: Verwaltungsgericht Weimar am 23. Oktober 2008

1 K 583/08

Ein Antrag auf Einsicht in den bei den Akten eines Thüringer Ministeriums befindlichen Prüfungsvermerk des Thüringer Rechnungshofs kann von dem Ministerium nicht entschieden werden, da ihm die Verfügungsberechtigung fehlt. Das Bundesinformationsfreiheitsgesetz (auf welches das Thüringer Informationsfreiheitsgesetz insoweit verweist) hat zur Vermeidung eines sogenannten "Behörden-Shoppings" mit der Forderung nach der Verfügungsberechtigung ein "zuständigkeitssteuerndes Tatbestandsmerkmal" geschaffen, das über die faktische Verfügungsmöglichkeit der Behörde über die Information hinausgeht. Verfügungsbefugt ist ausschließlich der Rechnungshof. Auch diesem gegenüber besteht kein Zugangsanspruch, da er dem Anwendungsbereich des Thüringer Informationsfreiheitsgesetzes nicht unterfällt und es sich um Informationen aus einem laufenden Verfahren handelt, die das Gesetz vom Zugangsanspruch ausnimmt. (Quelle: LDA Brandenburg)

Anwendungsbereich/ Zuständigkeit Schutz besonderer Verfahren Antragsberechtigung

/ 11
PDF herunterladen
1 K 583/08 We VERWALTUNGSGERICHT WEIMAR IM NAMEN DES VOLKES URTEIL In dem Verwaltungsstreitverfahren der S_____ gGmbH, vertreten durch den Geschäftsführer, D_____, _____ N_____ - Klägerin - Prozessbevollm.: Rechtsanwalt Lauterjung, Joachimstraße 8, 53113 Bonn gegen den Freistaat Thüringen, vertreten durch die Ministerin für Soziales, Familie und Gesundheit, Werner-Seelenbinder-Straße 6, 99096 Erfurt, - Beklagter - beigeladen: der Freistaat Thüringen, vertreten durch den Präsidenten des Thüringer Rechnungshofes, Burgstraße 1, 07407 Rudolstadt, wegen Verfahren nach dem Informationsfreiheitsgesetz (IFG) hat die 1. Kammer des Verwaltungsgerichts Weimar durch die Präsidentin des Verwaltungsgerichts Heßelmann, die Richterin am Verwaltungsgericht Hoffmann und den Richter am Verwaltungsgericht Notzke sowie den ehrenamtlichen Richter die ehrenamtliche Richterin
1

1 K 583/08 We aufgrund der mündlichen Verhandlung am 23. Oktober 2008 für Recht erkannt: Die Klage wird abgewiesen. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtstreits mit Ausnahme der außergerichtli- chen Kosten des Beigeladenen. Das Urteil ist wegen der Kosten für den Beklagten ohne Sicherheitsleistung vor- läufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleis- tung in Höhe des festgesetzten Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet. Tatbestand Die Klägerin begehrt von dem Beklagten die Zulassung der Einsichtnahme in den bei den Akten des Thüringer Ministeriums für Soziales, Familie und Gesundheit befindlichen Prü- fungsvermerk des Thüringer Rechnungshofes. Die Klägerin betreibt unter dem Aktenzeichen 8 K 1396/05.We ein verwaltungsgerichtliches Verfahren vor dem VG Weimar, das auf die Gewährung pauschaler Fördermittel nach § 12 ThürKHG für das Jahr 2005 gerichtet ist. In diesem Verfahren geht es maßgeblich um die Frage, inwieweit die vom Freistaat Thüringen ausgereichten Pauschalen Fördermittel nach § 12 ThürKHG ausreichend und angemessen für die Wieder- bzw. Ergänzungsbeschaffung kurzfristiger Anlagegüter (§ 9 Absatz 4 KHG) sowie die sog. kleinen Baumaßnahmen i.S. § 12 Absatz 3 ThürKHG sind. In diesem Zusammenhang ist der Klägerin zur Kenntnis gelangt, dass der Thüringer Rech- nungshof eine thüringenweite und repräsentative Untersuchung über die Verwendung und Angemessenheit der pauschalen Fördermittel nach § 12 ThürKHG durchgeführt hat. Im Rahmen des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens 8 K 1396/05.We teilte das dort den Be- klagten vertretende Thüringer Landesverwaltungsamt mit Schriftsatz vom 6. Juni 2007 mit, dass dem Thüringer Ministerium für Soziales, Familie und Gesundheit kein Prüfbericht des Thüringer Rechnungshofes im Hinblick auf den Bedarf an pauschalen Fördermitteln vorliege. Es gebe lediglich eine Prüfungsmitteilung des Thüringer Rechnungshofes, zu der es aber noch keine Stellungnahme des geprüften Ministeriums gebe, so dass es sich um ein schwebendes Verfahren handele. 2
2

1 K 583/08 We Da die Prüfungsmitteilungen des Thüringer Rechnungshofes zur Verwendung und Angemes- senheit der Pauschalen Fördermittel nach § 12 ThürKHG im Verfahren 8 K 1396/05.We nicht vorgelegt wurde, beantragte die Klägerin mit Schreiben vom 14. April 2008 bei der Beklagten unter Hinweis auf das Thüringer Informationsfreiheitsgesetz den Informationszugang. Die Prüfungsmitteilung des Thüringer Rechnungshofes sollte durch Übersendung einer Kopie zugänglich gemacht werden. Dieser Antrag ist dem Thüringer Ministerium für Soziales, Fa- milie und Gesundheit am 15. April 2008 zugegangen. Mit Schreiben vom 2. Juni 2008 teilte der Beklagte der Klägerin mit, der Antrag werde zu- ständigkeitshalber an den Thüringer Rechnungshof weitergeleitet. Über den Antrag auf In- formationszugang habe die Behörde zu entscheiden, die zur Verfügung über die begehrten Informationen berechtigt sei. Daher sei bei der Zuleitung zur Stellungnahme im Rahmen der Finanzkontrolle der Thüringer Rechnungshof zuständig. Es handele sich um ein laufendes Verfahren Die Klägerin hat mit Schriftsatz vom 29. Mai 2008, eingegangen beim Verwaltungsgericht Weimar am 2. Juni 2008, Klage erhoben. Gem. § 1 Absatz 1 ThürIFG habe jeder nach Maß- gabe des Gesetzes gegenüber den Behörden des Landes Anspruch auf Zugang zu amtlichen Informationen. Die im IFG vorgesehenen Ausnahmeregelungen zum Schutz von besonderen behördlichen Belangen (§ 3 IFG) und zum Schutz des behördlichen Entscheidungsprozesses (§ 4 IFG) griffen vorliegend nicht. Der Schutz von besonderen behördlichen Belangen nach § 3 Nr. 1 g) IFG sei nicht anwendbar, da diese Vorschrift den Anspruch auf ein „faires Verfah- ren" schütze. Der Zugang zu den Informationen aus der Prüfungsmitteilung des Thüringer Rechnungshofes solle aber gerade ein „faires Verfahren" ermöglichen. Die landesweite Un- tersuchung des Thüringer Rechnungshofes sei in besonderem Maße geeignet, zu objektiven Erkenntnissen über die Verwendung und Angemessenheit der pauschalen Fördermittel nach § 12 ThürKHG im Hinblick auf den von der Klägerin klageweise geltend gemachten Anspruch auf Pauschale Fördermittel für das Jahr 2005 zu gelangen. Auch der Schutz des behördlichen Entscheidungsprozesses nach § 4 IFG sei vorliegend nicht einschlägig, weil Gutachten und Stellungnahmen Dritter, zu denen die Prüfungsmitteilung des Thüringer Rechnungshofes ge- höre, gem. § 4 Absatz 1 Satz 2 IFG nicht der unmittelbaren Entscheidungsvorbereitung dien- ten. Zudem sei der Beklagte im Falle der Antragsablehnung gem. § 9 IFG verpflichtet gewe- sen, die Ablehnung innerhalb der Frist von einem Monat (§ 7 Absatz 5 Satz 2 IFG) mitzutei- len. Der Beklagte sei seiner Aktenvorlagepflicht im vorliegenden Verfahren nicht nachge- kommen, da er die Prüfmitteilung und seine Stellungnahme dazu nicht vorgelegt habe. Auch 3
3

1 K 583/08 We im Verfahren 8 K 1396/05.We habe sich der Beklagte geweigert, diese Unterlagen vorzule- gen. Der Verweis auf die Zuständigkeit des Thüringer Rechnungshofes führe nicht weiter. Der Beklagte befinde sich im Besitz der streitgegenständlichen Informationen. Soweit der Beklagte auf das laufende Verfahren vor der 8. Kammer hinweise, rechtfertige dies nicht die Versagung nach § 3 Nr. 1 g) IFG-Bund, da das Bekanntwerden der Informationen keine nachteiligen Auswirkungen zeitige, sondern gerade dem Verfahren diene. Vom Begriff des laufenden Verfahrens seien Beweisaufnahmen, Gutachten und Stellungnahmen Dritter nicht geschützt, da es sich um abgrenzbare Erkenntnisse Dritter handele, die die Verfahrensherr- schaft nicht beeinträchtigten. Auch der Umstand, dass das Prüfungsverfahren des Rechnungs- hofes noch nicht beendet sei, hindere den Informationszugang nicht. Das Verfahren sei hin- sichtlich des Beklagten mit der Abgabe von dessen Stellungnahme abgeschlossen. Nach der Stellungnahme vom 16. Oktober 2007 sei das Verfahren nach den Ausführungen des Rech- nungshofes beendet. Das Bekanntwerden des Inhalts der Prüfungsmitteilung beeinträchtige die Möglichkeit einer weiteren Stellungnahme des Rechnungshofes nicht. Die Klägerin beantragt, den Beklagten zu verpflichten, den Antrag der Klägerin, in geeigneter Form die Prüfungsmitteilung des Thüringer Rechnungshofes zugänglich zu machen, in wel- cher dieser die Verwendung und Angemessenheit Pauschaler Fördermittel nach § 12 Thüringer Krankenhausgesetz (ThürKHG) im Freistaat Thüringen untersucht hat, positiv zu bescheiden. Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen. Der Beklagte macht zur Begründung seines Antrags geltend, über den Antrag auf Informati- onszugang habe die Behörde zu entscheiden, die zur Verfügung über die begehrten Informati- onen berechtigt sei. Dies sei bei der Zuleitung zur Stellungnahme im Rahmen der Finanzkon- trolle der Thüringer Rechnungshof. Es handele sich zudem um ein laufendes Verfahren, da noch ein Verwaltungsstreitverfahren bezüglich der Gewährung pauschaler Fördermittel an- hängig sei. Die Klägerin habe selbst vorgetragen, dass das Verfahren des Rechnungshofes nicht abgeschlossen sei. Es befinde sich erst im Stadium der Zuleitung der Prüfmitteilung an die geprüfte Behörde (§ 96 LHO). Das Ministerium habe unter dem 16. Oktober 2007 eine Stellungnahme abgegeben und sei einer weiteren Prüfbitte des Rechnungshofes in der Ange- 4
4

1 K 583/08 We legenheit nachgekommen. Aufgrund der thüringer Regelung des § 1 Abs. 3 Nr. 3 ThürIFG greife die Rückausnahme des § 4 IFG-Bund nicht ein. Der Beigeladene hat keinen Antrag gestellt. Er hält sich nicht zur Vorlage der Akten verpflichtet. Zudem sei das Prüfungsverfahren, in dem die Prüfungsmitteilung an das beklagte Ministerium ergangen sei, noch nicht abgeschlos- sen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes nimmt das Gericht Bezug auf die Gerichtsakte des vorliegenden Verfahrens, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung und der Beratung war. Entscheidungsgründe Die Klage ist zulässig. Die Klägerin ist hinsichtlich ihres in der Form der Verpflichtungsklage (vgl. § 9 Abs. 4 S. 1 BundesIFG i.V.m. § 1 Abs. 1 ThürIFG) geltend zu machenden Begehrens auch klagebefugt. Der Klagebefugnis steht nicht entgegen, dass es sich bei der Klägerin um eine juristische Per- son des Privatrechts handelt. Im Gegensatz zum Informationsfreiheitsgesetz des Landes Nordrhein-Westfalen, das die Anspruchsberechtigung ausdrücklich auf natürliche Personen beschränkt (vgl. § 4 Abs. 1 IFG-NRW; vgl. VG Minden, Urteil vom 26.01.2004 - 3 K 1162/02-, Juris; Beckmann DVP 2003, 142), spricht § 1 Abs. 2 ThürIFG ausdrücklich neben dem Wohnsitz auch von dem Sitz des Antragstellers, so dass auch juristische Personen des Privatrechts als grundsätzlich antragsberechtigt anzusehen sind (vgl. LT-Drs. 4/3216, S. 4). Schließlich scheitert die Zulässigkeit der Klage – soweit man die Weiterleitung des Antrags auf Informationszugang an den Thüringer Rechnungshof als konkludente Ablehnung eines gegen das beklagte Ministerium bestehenden Anspruchs wertet - auch nicht daran, dass ein Widerspruchsverfahren nicht durchgeführt worden ist. Zwar handelte auf der Seite des Be- klagten mit dem Ministerium eine oberste Landesbehörde, jedoch ist nach § 9 Abs. 4 S. 2 IFG-Bund i.V.m. § 1 Abs. 1 ThürIFG die Durchführung eines Widerspruchsverfahrens auch bei der Beteiligung einer obersten Landesbehörde abweichend von § 68 VwGO erforderlich. Die Entbehrlichkeit des Widerspruchsverfahrens ergibt sich vorliegend jedoch daraus, dass der Beklagte das Fehlen eines Vorverfahrens nicht gerügt und sich vorbehaltlos auf die Klage eingelassen hat (vgl. BVerwG, Urteil vom 15. Januar 1982 – 4 C 26.78 -, Juris = NJW 1982, 5
5

1 K 583/08 We 1546 ff; Beschluss vom 26. September 1989 – Juris = Buchholtz 310 § 68 Nr. 35). Soweit man die Weiterleitung nicht als einen ablehnenden Bescheid werten will, ist die Klage gemäß § 75 VwGO zulässig, denn das beklagte Ministerium hat jedenfalls nicht binnen 3 Monaten nach der Antragstellung durch die Klägerin einen ablehnenden Bescheid erlassen. Auch am Rechtsschutzinteresse der Klägerin bestehen keine Zweifel. Die Klägerin kann nicht auf die Möglichkeit, den Landesdatenschutzbeauftragten anzurufen, verwiesen wer- den (vgl. dazu: VG Minden, Urteil vom 26.01.2004 - 3 K 1162/02-, Juris ; Urteil vom 24.03.2004 - 3 K 1965/02 – Juris; Urteil vom 18.08.2004 - 3 K 4613/03 -, Juris). Insoweit hat das Thüringer Informationsfreiheitsgesetz ausdrücklich die entsprechenden Bestim - mungen des Informationsfreiheitsgesetzes des Bundes über die Anrufung des Daten- schutzbeauftragten für unanwendbar erklärt (vgl. § 1 Abs. 1 S. 1 ThürIFG i.V.m. § 12 IFG-Bund; LT-Drs. 4/3216, S. 4 f.). Die Klage ist aber nicht begründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Einsicht in die bei dem beklagten Ministerium vorhandene Kopie der Prüfungsmitteilung des Thüringer Rechnungshofesaus §§ 1 Abs. 1 ThürIFG i.V.m. 1 Abs. 1 IFG-Bund. Danach hat jeder nach Maßgabe dieses Gesetzes ge- genüber den Behörden des Landes einen Anspruch auf Zugang zu amtlichen Informationen. Dieser gesetzliche Anspruch besteht im vorliegenden Fall nicht gegenüber dem von der Klä- gerin in Anspruch genommenen Ministerium. Entgegen der Entscheidung des VG Düsseldorf (Urteil vom 27. August 2002 - 3 K 3073/02 -, Juris) ergibt sich ein Ausschluss des Informationsanspruchs der Klägerin jedoch nicht bereits aus § 1 Abs. 3 IFG-Bund i.V.m. § 1 Abs. 1 ThürIFG, wonach Regelungen in anderen Rechts- vorschriften über den Zugang zu amtlichen Informationen dem Informationsfreiheitsgesetz vorgehen. Entgegen der dort vertretenen Auffassung kann aus der Regelung der Landeshaus- haltsordnung über die Empfänger der Prüfungsmitteilungen des Thüringer Rechungshofes keine besondere Regelung über den Zugang zu amtlichen Informationen im Sinne von § 1 Abs. 3 IFG-Bund i.V.m. § 1 Abs. 1 ThürIFG entnommen werden. Diese Auffassung verkennt, dass es sich bei § 1 Abs. 3 IFG-Bund um eine Regelung der verdrängenden Spezialität han- delt, die als solche voraussetzt, dass die Bestimmungen die gleiche Zielsetzung verfolgen (vgl.: Berger/Roth/Scheel, IFG, § 1 Rn. 114 ff.). Während das Informationszugangsgesetz jedoch den Zugang zu Informationen der öffentlichen Verwaltung eröffnen will, dient die 6
6

1 K 583/08 We Beteiligungsbestimmung der Landeshaushaltsordnung allein der abschließenden Entschei- dungsfindung des Thüringer Rechnungshofes. Das Thüringer Ministerium für Soziales, Gesundheit und Familie ist jedoch nicht im Sinne des § 7 Abs. 1 IFG-Bund i.V.m. § 1 Abs. 1 S. 1 ThürIFG verfügungsbefugt hinsichtlich der von der Klägerin begehrten Informationen. Aus diesem Grund kommt ihm auch keine Aus- kunftsberechtigung zu (vgl.: Jastrow/Schlatmann, IFG, § 7 Rn. 10). Nach § 7 Abs. 1 IFG-Bund i.V.m. § 1 Abs. 1 S. 1 ThürIFG entscheidet über den Antrag auf Informationszugang allein die Behörde, die zur Verfügung über die begehrte Information be- rechtigt ist. Für das Tatbestandsmerkmal der Verfügungsberechtigung in diesem Sinne ist die beim be- klagten Ministerium unstreitig gegebene tatsächliche Verfügungsmacht nicht ausreichend. Das Informationsfreiheitsgesetz des Bundes ist insoweit bewusst von den Regelungen der älteren Gesetze über die Informationsfreiheit abgewichen und über die dort gestellten Anfor- derungen hinausgegangen. So besteht nach dem Umweltinformationsgesetz des Bundes vom 22.12.2004 (BGBl. I S. 3704 ff.) der Anspruch auf Zugang zu Umweltinformationen bereits, soweit die informationspflichtige Stelle über diese verfügt (§ 3 Abs. 1 UIG-Bund; ebenso: § 3 Abs. 1 ThürUIG). Nach § 2 Abs. 4 UIG-Bund verfügt eine Behörde über die Informationen, die bei ihr vorhanden sind oder die für sie bereitgehalten werden (ebenso: § 2 Abs. 4 ThürU- IG). Auch § 4 IFG-Schleswig-Holstein gewährt einen Anspruch auf Zugang zu allen bei einer Behörde vorhandenen Informationen, von denen nach § 5 Abs. 2 IFG-Schleswig-Holstein nur die vorübergehend beigezogenen Akten ausgenommen sind. Schließlich stellt auch das In- formationsfreiheitsgesetz von Nordrhein-Westfalen nur auf die tatsächlich vorhandenen amt- lichen Informationen ab (vgl. VG Minden, Urteil vom 26.01.2004 - 3 K 1162/02-, Juris; Ur- teil vom 24.03.2004 - 3 K 1965/02 – Juris; Urteil vom 18. August 2004 - 3 K 4613/03 -, Juris; Innenministerium des Landes NRW, Das Recht auf freien Informationszugang - Leitfaden zum Informationsfreiheitsgesetz des Landes NRW, S. 12). Das Bundesinformationsfreiheitsgesetz hat mit der Forderung nach der Verfügungsberechti- gung ein „zuständigkeitssteuerndes Tatbestandsmerkmal“ geschaffen, das über die faktische Verfügungsmöglichkeit der Behörde über die Information hinausgeht (vgl.: Ber- ger/Roth/Scheel, IFG, § 7 Rn. 4). Ziel der Regelung ist die Vermeidung eines sog. „Behör- den-Shoppings“ (vgl.: Jastrow/Schlatmann, IFG, § 7 Rn. 9) bzw. die Konzentration der Ver- fahren bei der Behörde, die die größte Sachnähe zu der begehrten Information und damit auch 7
7

1 K 583/08 We zur Entscheidung über die Ausnahmen von dem Informationszugang nach dem IFG hat (vgl.: Berger/Roth/Scheel, IFG, § 7 Rn. 5). Entsprechend dieser Intentionen stellt der Begriff der Verfügungsbefugnis höhere Anforderungen über die Kriterien der älteren gesetzlichen Rege- lungen hinaus. Teilweise wird für die Bejahung der Verfügungsbefugnis gefordert, dass ne- ben dem tatsächlichen Vorhandensein der Informationen bei der Behörde, die Behörde tat- sächlich befugt sein muss, über die Informationen zu verfügen (vgl. Rossi, IFG, § 7 Rn. 19). Eine Behörde soll in diesem Sinne zum einen für ihre eigenen, von ihr selbst erhobenen In- formationen verfügungsbefugt sein. Zum anderen soll die Verfügungsbefugnis für die Infor- mationen Dritter und von anderen Behörden bzw. Einrichtungen gegeben sein, wenn ihr kraft Gesetzes oder kraft Vereinbarung ein eigenes Verfügungsrecht zusteht (vgl.: BT-Drs. 15/4493, S. 14; Berger/Roth/Scheel, IFG, § 7 Rn. 3). Nach anderer Ansicht soll für die Frage der Verfügungsberechtigung auf Kriterien der Verwaltungsorganisation abgestellt werden. Entscheidend ist danach die Federführung im Vergleich zu anderen Behörden oder die Sach- nähe zur Entscheidung über etwaige Ausnahmen (vgl.: Jastrow/Schlatmann, IFG, § 7 Rn. 9). Gemessen an diesem Maßstab ist das beklagte Ministerium nicht verfügungsberechtigt über die von der Klägerin begehrte Prüfungsmitteilung. Die bloße und zwischen den Beteiligten unstreitige Verfügungsmacht des beklagten Ministeriums über die bei ihren Akten befindliche Prüfungsmitteilung begründet noch nicht deren Verfügungsberechtigung. Über die in der Prü- fungsmitteilung enthaltenen Informationen war zunächst der Thüringer Rechungshof verfü- gungsbefugt, da die Informationen aus seinen Erhebungen resultierten. Diese Verfügungsbe- fugnis über die Prüfungsmitteilung ist weder durch Vereinbarung noch durch Gesetz auf das beklagte Ministerium übergegangen. Für eine Vereinbarung in diesem Sinn sind keine An- haltspunkte erkennbar. Auch aus den hier allein einschlägigen Bestimmungen der Landes- haushaltsordnung über die Rechnungsprüfung durch den Thüringer Rechnungshof ergibt sich keine Übertragung der Verfügungsbefugnis auf das beklagte Ministerium. Nach § 96 Abs. 1 LHO wird das Ergebnis der Prüfung durch den Rechnungshof den zuständigen Stellen allein zur Äußerung im Rahmen der Rechungsprüfung mitgeteilt. Eine Weitergabeberechtigung ist danach nicht vorgesehen. Auch soweit man auf die Federführung bzw. auf die Sachnähe ab- stellt, ergibt sich hier kein abweichendes Ergebnis. Die Einräumung einer Stellungnahme- möglichkeit für das beklagte Ministerium ändert nichts daran, dass es sich um einen Teil des Rechungsprüfungsverfahrens des Thüringer Rechnungshofes handelt und dieser die sach- nächste Behörde ist. 8
8

1 K 583/08 We Da die Antragstellung durch die Klägerin bei der unzuständigen Behörde erfolgte, hat das beklagte Ministerium über seine Pflicht zur Erteilung eines entsprechenden Hinweises hinaus den Antrag weitergeleitet. Auch eine - unter Zugrundelegung der vorstehenden Ausführungen - gegen den Thüringer Rechnungshof gerichtete Klage wäre unbegründet. Nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 2. Alt. ThürIFG besteht ein Anspruch auf Informationszugang gegenüber dem Thüringer Rechnungshof nicht. Eine teleologische Reduktion dieses Tatbestands kommt nicht in Betracht. Verfassungsrecht- liche Anforderungen, die zu einer restriktiven Auslegung von anspruchsausschließenden Tat- bestandsmerkmalen zwingen würden, sind nicht gegeben (vgl. VG Düsseldorf, Urteil vom 03.02.2006 - 26 K 1585/04 -, Juris = NWVBl 2006, 305 f.; Urteil vom 03.02.2006 - 26 K 3045/04 -, Juris; Schmitz/Jastrow NVwZ 2005, S. 984 ff.; Stollmann NWVBl. 2002, S. 216 ff.). Ein verfassungsrechtlicher Anspruch auf Auskunft unmittelbar aus der Verfassung folgt weder aus dem Demokratiegebot (Art. 20 Abs. 1 GG) noch aus der Volkssouveränität (Art. 20 Abs. 2 GG), da aus ihnen kein Individualrecht ableitbar ist. Auch aus Art. 12 Abs. 1 GG folgt kein solcher Anspruch. Er enthält in erster Linie ein Abwehrrecht gegen staatliche Eingriffe. Ein solches Abwehrrecht macht die Klägerin aber nicht geltend. Sie begehrt vielmehr eine staatliche Leistung. Ein nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesverwaltungsgerichts zwar grundsätzlich auch aus den Grundrechten ableitbarer An- spruch auf staatliches Handeln reicht aber nicht weiter als es zur Ermöglichung der grund- rechtlich geschützten Freiheit unerlässlich ist. Nach Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG hat jeder das Recht, sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Dieses Grund- recht umfasst aber kein Recht auf die Bekanntgabe von nicht allgemeinen zugänglichen In- formationen (VG Berlin Urteil vom 07.06.2007 - 2 A 130.06 -, Juris). Für diese Auslegung des § 1 Abs. 3 Nr. 1 2. Alt. ThürIFG spricht auch die historische Ausle- gung des Gesetzes. Im § 3 Abs. 4 Nr. 5 des Entwurfs der SPD Landtagsfraktion für ein Thü- ringer Informationsfreiheitsgesetz (LT-Drs. 4/2284, S. 4, 12), auf den die Thüringer Landes- regierung mit ihrem Entwurf reagierte, war eine Beschränkung des Anspruchsausschlusses auf die Tätigkeit des Thüringer Rechnungshofes in richterlicher Unabhängigkeit vorgenom- men worden. Zumal bereits auch nach dieser Fassung zweifelhaft ist, ob in der hier gegeben Fallkonstellation ein Informationszugangsanspruch gegeben sein könnte, kann hiernach je- denfalls ausgeschlossen werden, dass der Gesetzestatbestand des § 1 Abs. 3 Nr. 1 2. Alt. Thü- rIFG im Sinne des Oppositionsentwurfes einschränkend auszulegen wäre. 9
9

1 K 583/08 We Die Klage kann auch deshalb keinen Erfolg haben, weil die Klägerin Informationen aus einem laufenden Verfahren begehrt. Nach § 1 Abs. 3 Nr. 3 ThürIFG besteht ein Anspruch auf In- formationszugang unbeschadet der Bestimmungen des § 3 IFG nicht für Informationen aus einem laufenden Verfahren. Entgegen der Ansicht der Klägerin ist bei der Frage des laufen- den Verfahrens nicht auf das noch vor dem Verwaltungsgericht Weimar anhängige Klagever- fahren wegen der Höhe der pauschalen Förderung abzustellen. Maßgeblich ist vielmehr das Prüfungsverfahren des Thüringer Rechnungshofes. Ziel dieses Tatbestandsmerkmals ist es nämlich, den Entscheidungsprozess der Behörden von Störungen frei zu halten. Eine solche Störung kann hier in einer gesetzgeberischen Handlungsbedarf begründenden Weise allein hinsichtlich der Prüfung durch den Rechnungshof, nicht aber hinsichtlich des Verfahren an- genommen werden, in dem die erlangten Informationen verwendet werden sollen. Das Prüf- verfahren des Thüringer Rechnungshofes ist noch nicht abgeschlossen. Die Vertreter des Bei- geladenen haben in der mündlichen Verhandlung ausführlich dargelegt, dass es sich bei der Beendigung eines Prüfungsverfahrens um einen förmlichen Akt handelt, der in der Akte des Thüringer Rechungshofes dokumentiert wird. Ihrem Vortrag, dass ein solcher Abschlussver- merk in der das streitgegenständlichen Prüfungsverfahren betreffenden Verfahrenakte fehle, ist die Klägerin nicht entgegengetreten. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1, 162 Abs. 3 VwGO. Die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen waren nicht für erstattungsfähig zu erklären, da er keinen Antrag gestellt und sich damit nicht dem Kostenrisiko des §§ 154 Abs. 3 VwGO ausgesetzt hat. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 167 VwGO i.V.m. 708 Nr. 11, 711 ZPO. Gründe für eine Zulassung der Berufung nach §§ 124a Abs. 1, 124 Abs. 2 Nr. 3, 4 VwGO liegen nicht vor. Rechtsmittelbelehrung Gegen dieses Urteil steht den Beteiligten die Berufung an das Thüringer Oberverwaltungsge- richt zu, wenn sie von diesem zugelassen wird. Die Zulassung der Berufung kann innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils be- antragt werden. Der Antrag ist bei dem Verwaltungsgericht Weimar zu stellen. Der Zulassungsantrag ist innerhalb zweier Monate nach Zustellung des Urteils zu begründen. Die Begründung ist - wenn sie nicht bereits mit dem Zulassungsantrag erfolgt - beim Thürin- ger Oberverwaltungsgericht, Kaufstraße 2 - 4, 99423 Weimar einzureichen. 10
10

Zur nächsten Seite