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Aktives Presserecht – Argumente für Auskünfte


Oft verweigern Behörden Auskünfte auf Anfragen von Journalist*innen. Sie berufen sich dabei in der Regel auf angebliche Ausnahmen nach den jeweils gültigen Landespressegesetzen. Häufig ist Unwissen der Grund für die Auskunftsverweigerung und nicht böser Wille. Als Teil des Projektes „Fragen und Antworten - Auskunftsrechte kennen und nutzen“, einer Kooperation mit Netzwerk Recherche, stärkt die Entscheidungsdatenbank das Wissen rundum Auskunftsrechte und hilft besser argumentieren zu können. Journalist*innen können für ihre Recherchen wichtige Urteile, Bescheide und Beschlüsse kostenlos im Volltext eingesehen und durchsuchen.

Information

Aktenzeichen
4 K 07.1771
Datum
22. April 2008
Gericht
Bayerisches Verwaltungsgericht Augsburg
Gesetz
Informationsfreiheitsgesetz Bund (IFG)
Informationsfreiheitsgesetz Bund (IFG)

Beschluss: Bayerisches Verwaltungsgericht Augsburg am 22. April 2008

4 K 07.1771

Das Informationsfreiheitsgesetz ist auf die ARGE einer Stadt - eine Gemeinschaftseinrichtung der Bundesagentur für Arbeit und kommunaler Träger für die Beschäftigung nach § 44 Zweites Buch Sozialgesetzbuch - nicht anwendbar. Allein die Beteiligung der Bundesagentur macht die ARGE noch nicht zu einer Bundesbehörde. Das Gericht lehnt einen Antrag auf Prozesskostenhilfe zur Unterstützung des Begehrens auf Offenlegung der Berechnungsgrundlage für den Unterkunftszuschuss ab. (Quelle: LDA Brandenburg)

Anwendungsbereich/ Zuständigkeit

Au 4 K 07.1771

Bayerisches Verwaltungsgericht Augsburg

In der Verwaltungsstreitsache - Kläger - gegen 1) ARGE für Beschäftigung A*-Stadt, 2) Agentur für Arbeit, - Beklagte - wegen Auskunft über die Berechnung von Leistungen hier: Prozesskostenhilfe; erlässt das Bayerische Verwaltungsgericht Augsburg, 4. Kammer, durch die Vorsitzende Richterin am Verwaltungsgericht *** den Richter am Verwaltungsgericht *** die Richterin am Verwaltungsgericht *** ohne mündliche Verhandlung am 22. April 2008

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folgenden Beschluss:

Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe wird abgelehnt.

Gründe:

Dem Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe kann nicht entsprochen werden, weil die Klage nach dem bisherigen Sach- und Streitstand keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (§ 166 VwGO, § 114 ZPO).

Hinsichtlich des Klageziels, den Bescheid der Beklagten zu 1) vom 2. Oktober 2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 3. Dezember 2007 aufzuheben und die Beklagten zu verpflichten, dem Kläger kostenlose Auskunft nach § 1 IFG über die Datenerhebung und Berechnung der angemessenen KDU, getrennt nach Kalt- und Warmmiete einschließlich Warmwasserkosten für den Stadtbereich A* zu erteilen und damit Einsicht in die entsprechenden Unterlagen zu gewähren, um zu sehen, welche Erkenntnismöglichkeiten von der ARGE zur Ermittlung der angemessenen KDU ausgeschöpft worden sind und auf welcher Basis und in welchem Zeitraum dieselben kalkuliert worden sind, fehlt es an hinreichenden Erfolgsaussichten.

  1. Der Kläger ist seit 1.Januar 2005 Empfänger von Leistungen nach dem SGB II. Am 5. November 2005 wurde er von der Beklagten aufgefordert, die Kosten seiner (unangemessenen) Miete in Höhe von 587,-- EUR zu senken. Die angemessene Miete betrage 447,50 EUR. Mit Bescheid vom 11. Mai 2006 wurde die zu erstattende KDU des Klägers auf 447,50 EUR ab 1. Juni 2006 abgesenkt.

Der Kläger hat am 6. September 2007 mit Nachtrag vom 7. September 2007 bei der Beklagten als zuständige Behörde einen Antrag auf Auskunft nach § 1 IFG über die Berechnung der angemessene KDU gestellt. Dieser Antrag wurde mit

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Schreiben vom 2. Oktober 2007 abgelehnt. Der hiergegen eingelegte Widerspruch vom 4. Oktober 2007 blieb erfolglos. Die Beklagte hat mit Widerspruchsbescheid vom 3. Dezember 2007 den Widerspruch als unzulässig zurückgewiesen.

Am 7. Dezember 2007 beantragte der Kläger, ihm im nachstehenden Verfahren Prozesskostenhilfe zu bewilligen. Im Falle der Gewährung von Prozesskostenhilfe werde Klage erhoben mit dem Antrag,

den Bescheid vom 2. Oktober 2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 3. Dezember 2007 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, dem Kläger kostenlose Auskunft nach § 1 IFG über die Datenerhebung und Berechnung der angemessenen KDU, getrennt nach Kalt- und Warmmiete einschließlich Warmwasserkosten für den Stadtbereich A* zu erteilen und damit Einsicht in die entsprechenden Unterlagen zu gewähren, um zu sehen, welche Erkenntnismöglichkeiten von der ARGE zur Ermittlung der angemessenen KDU ausgeschöpft worden sind und auf welcher Basis und in welchem Zeitraum Basis dieselben kalkuliert worden seien.

Hilfsweise werde beantragt, das Verfahren verbindlich an die zuständige Gerichtsbarkeit zu verweisen, falls das Gericht sich hierfür unzuständig erkläre.

Zur Begründung führte der Kläger aus, dass er einen Anspruch auf die gewünschte Auskunft habe.

Am 23. Januar 2008 erweiterte der Kläger seine Klage analog dem Tenor der Klageschrift auf Auskunft gegen die Bundesagentur für Arbeit.

Die Beklagte beantragte,

die Klage als unbegründet abzuweisen.

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Das IFG sei auf die Arge für Beschäftigung A*-Stadt nicht anzuwenden, da es sich um keine Bundesbehörde handle.

  1. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe war abzulehnen, weil er zulässig, aber unbegründet ist (§ 166 VwGO i.V.m. § 114 Abs. 1 ZPO).

Zwar ist der Kläger nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen leistungsunfähig (bedürftig); auch erscheint seine beabsichtigte Rechtsverfolgung nicht mutwillig. Allerdings zeigt eine summarische Prüfung der Hauptsache, dass diese keine Erfolgsaussichten aufweist, so dass dem Antrag nicht stattgegeben werden konnte (§ 114 Satz 1 ZPO). Der Kläger hat gegen die Beklagten keinen Anspruch auf Akteneinsicht nach § 1 IFG.

Das Verwaltungsgericht ist zwar zur Entscheidung über die Klage zuständig. Der Verwaltungsrechtsweg ist gemäß § 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO eröffnet, da sich die streitentscheidenden Normen aus dem Informationsfreiheitsgesetz und damit aus öffentlich-rechtlichen Normen ergeben, denn § 1 Abs. 1 IFG begründet eine einseitige Verpflichtung von Trägern staatlicher Gewalt. Bei der Entscheidung über den Zugang zu amtlichen Informationen handelt es sich um einen Verwaltungsakt, so dass gegen die einen Antrag auf Informationsgewährung ablehnende Entscheidung Widerspruch und Verpflichtungsklage zulässig sind (§ 9 Abs. 4 Satz 1 IFG). Das Schreiben der Beklagten zu 1) vom 2. Oktober 2007, in welchem dem Kläger die Erteilung der von ihm gewünschten Informationen teilweise verweigert wurde, hat demnach Verwaltungsaktsqualität.

Die Klage ist aber nicht begründet, da der Kläger gegen die Beklagte zu 1) keinen Anspruch auf Erteilung der begehrten Auskünfte hat. Ein Anspruch aus § 1 Abs. 1 IFG besteht nicht, da das IFG auf die ARGE für Beschäftigung A*-Stadt nicht anwendbar ist. Nach § 1 Abs. 1 IFG gilt das Informationsfreiheitsgesetz nur für Behörden und Einrichtungen des Bundes. Bei den Arbeitsgemeinschaften für Beschäftigung gemäß § 44 SGB II handelt es sich aber um durch Vertrag begründete Gemeinschaftseinrichtungen der Bundesagentur für Arbeit und kommunaler Trä-

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ger. Allein die Beteiligung der Bundesagentur für Arbeit macht die ARGE noch nicht zu einer Bundesbehörde. Zwar nimmt die ARGE gemäß § 44 b Abs. 3 SGB II die Aufgaben der Agentur für Arbeit als Leistungsträger wahr. Es handelt sich bei der ARGE aber nicht lediglich um eine räumliche Zusammenfassung verschiedener Behörden, sondern um eine gegenüber den beiden Trägern verselbständigte Organisationseinheit. Innerhalb der ARGE sind die Aufgaben der Bundesagentur und der kommunalen Träger untrennbar verbunden und werden ganzheitlich wahrgenommen. Eine Zerlegung der Maßnahmen in Teile, die jeweils einem der Leistungsträger zuzuordnen sind, ist daher grundsätzlich nicht möglich (vgl. BVerfG, Urteil vom 20.12.2007 – 2 BvR 2433/08 und 2 BvR 2434/04 –).

Selbst wenn man im vorliegenden Fall eine derartige Zerlegung vornehmen und das IFG anwenden würde, soweit die ARGE für Beschäftigung Aufgaben wahrnimmt, deren Träger die Bundesagentur ist, führt dies nicht zur Anwendbarkeit des IFG, denn die Übernahme der angemessenen Unterkunftskosten nach dem SGB II sowie deren Berechnung stellt eine kommunale Aufgabe dar (§§ 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, 22 Abs. 1 SGB II). Das Bundesverfassungsgericht hat in dem oben genannten Urteil festgestellt, dass die Aufgabenzuweisung in § 6 SGB II an die kommunalen Träger keinen verfassungsrechtlichen Bedenken begegnet.

Die am 23. Januar 2008 vom Kläger vorgenommene Klageerweiterung insofern, als die Klage auch gegen die Agentur für Arbeit geführt werden soll, ist bereits unzulässig, da der Kläger bei der Agentur für Arbeit bis heute noch keinen Antrag auf Akteneinsicht nach dem IFG gestellt hat. Für die Zulässigkeit einer Verpflichtungsklage ist Voraussetzung, dass der Kläger den Antrag auf Erlass eines Verwaltungsaktes zuerst bei der zuständigen Behörde gestellt hat.

Ein Anspruch auf Gewährung der begehrten Informationen ergibt sich auch nicht aus dem Grundrecht auf Informationsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG). Bei den Berechnungsgrundlagen der angemessenen Kosten der Unterkunft handelt es sich nicht um allgemein zugängliche Informationsquellen, da sie nicht dazu bestimmt sind, der Allgemeinheit Informationen zu verschaffen, sondern vielmehr nur einem individuell bestimmbaren Personenkreis. In erster Linie ist das Grundrecht

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ein Abwehrrecht gegenüber staatlichen Behinderungen des Zugangs zu Informationen, die von Dritten angeboten werden. Einen Anspruch gegen den Staat auf Zugang zu amtlichen Informationen begründet es nur in Verbindung mit zusätzlichen rechtlichen Verpflichtungen amtlicher Stellen, Zugang zu bestimmten Informationsquellen zu gewähren. Verpflichtungen dieser Art sind insbesondere als gesetzliche Konkretisierung des Rechtsstaats – oder des Demokratieprinzips denkbar (vgl. BVerfGE 103, 44 (63 ff.)). Nach Auffassung der Kammer im summarischen Verfahren bietet die Klage keine hinreichende Aussicht auf Erfolg. Der Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe ist daher unbegründet.

Rechtsmittelbelehrung

Gegen diesen Beschluss steht den Beteiligten die Beschwerde an den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zu. Die Beschwerde ist innerhalb von zwei Wochen nach Bekanntgabe der Entscheidung beim Bayerischen Verwaltungsgericht Augsburg, Hausanschrift: Postfachanschrift:

Kornhausgasse 4, 86152 Augsburg, oder Postfach 11 23 43, 86048 Augsburg, schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen. Die Frist ist auch gewahrt, wenn die Beschwerde innerhalb der Frist beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof, Hausanschrift in München: Postfachanschrift in München: Hausanschrift in Ansbach: eingeht.

Ludwigstraße 23, 80539 München, oder Postfach 34 01 48, 80098 München, Montgelasplatz 1, 91522 Ansbach,

Die Beschwerde ist in Streitigkeiten über Kosten, Gebühren und Auslagen nicht gegeben, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200,-- EUR nicht übersteigt.

Der Beschwerdeschrift sollen 4 Abschriften beigefügt werden.

Das Projekt „Fragen und Antworten - Auskunftsrechte kennen und nutzen“ wird gefördert von: