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Information

Aktenzeichen
1 A 10886/07
Datum
20. Februar 2008
Gericht
Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz
Gesetz
Umweltinformationsgesetz (Rheinland-Pfalz)
Umweltinformationsgesetz (Rheinland-Pfalz)

Urteil: Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz am 20. Februar 2008

1 A 10886/07

Das OVG hebt das Urteil des VG auf und verurteilt das beklagte Land die Fragen zu Störfallbetrieben im Rahmen des LUIG zu beantworten. Bedeutsame Schutzgüter der öffentlichen Sicherheit stehen nicht entgegen. Die Auswirkungen, die von der bloßen Bekanntgabe der Betreiber, Betriebsbereiche und Anlagen der Störfallbetriebe ohne Mitteilung weitergehender Einzelheiten ausgehen, reichen nicht, um den Ausschlussgrund des Schutzes der öffentlichen Sicherheit zu erfüllen. Zu den Schutzgütern der öffentlichen Sicherheit gehören auch Individualrechtsgüter. Zur Erfüllung dieses Ausschlusstatbestands des LUIG müssen tatsächliche Anhaltspunkte dafür vorhanden sein, dass gerade die Herausgabe der verlangten Informationen die Eingriffswahrscheinlichkeit erhöht. Die begehrten Informationen sind ohnehin zumindest zum Teil bereits nach der Störfall-Verordnung der Öffentlichkeit zugänglich. Die Tatsache der Herausgabe der Informationen kann daher die Eingriffswahrscheinlichkeit nicht erhöhen und folglich eine ernsthafte, konkrete Gefahr für die öffentliche Sicherheit nicht begründen. (Quelle: LDA Brandenburg)

Begriffsbestimmung Sicherheitsaspekte Ablehnungsbegründung

/ 21
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3 K 618/06.MZ A:

Die Entscheidung ist

rechtskräftig!

 

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OBERVERWALTUNGSGERICHT
RHEINLAND-PFALZ

 

URTEIL
IM NAMEN DES VOLKES

In dem Verwaltungsrechtsstreit

wegen Umweltinformation

hat der 1.Senat des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz in Koblenz
aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 20.Februar 2008, an der
teilgenommen haben

Vorsitzender Richter am Oberverwaltungsgericht Zimmer
Richter am Oberverwaltungsgericht Schneider

Richterin am Verwaltungsgericht Brink

ehrenamtlicher Richter Dipl.-Ingenieur Itschert
ehrenamtlicher Richter Kaufmann Knödler

für Recht erkannt:
1

Das Urteil des Verwaltungsgerichts Mainz vom 24. April 2007 wird
abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Das Verfahren wird eingestellt, soweit die Klage zurückgenommen
worden ist.

Der Bescheid vom 20. April 2006 in Gestalt des Widerspruchs-
bescheides vom 28. April 2006 wird, soweit die Fragen zu 1) bis 3)
des Schreibens vom 14. März 2006 betroffen sind, aufgehoben. Der
Beklagte wird verpflichtet, die Fragen zu 1) bis 3) zu beantworten.

Von den Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens tragen der Kläger
2/5 und der Beklagte 3/5.

Der Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte
kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleitung in Höhe der
festzusetzenden Kosten abwenden, wenn nicht der Kläger zuvor
Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.
2

Tatbestand

Der Kläger wendet sich gegen die Ablehnung der Erteilung von

Umweeltinformationen durch den Beklagten.

Mit Schreiben vom 14. März 2006 an den Beklagten bat der Landesarbeitskreis
Umweltchemikalien NW des Klägers, gestützt auf das Landesumweltin-
formationsgesetz und die zugrunde liegende EG-Richtlinie, um Mitteilung u.a.

folgender Informationen:

1. Welche Betreiber unter welcher Adresse unterliegen in Rheinland-Pfalz den
Pflichten nach der Störfall-Verordnung?

2. Welche Betriebsbereiche oder Anlagen dieser Betreiber unter welcher
Adresse unterliegen Pflichten nach der Störfall-Verordnung mit
Grundpflichten oder erweiterten Pflichten?

3. Für welche Anlagen in den genannten Betriebsbereichen wurde aus
welchen Gründen eine Befreiung nach &$ 9 Abs. 6 Störfall-Verordnung

zugelassen?

Der Kläger wies darauf hin, dass ohne die Liste eine gezielte Einsicht in einzelne
Sicherheitsbereiche und Notfallpläne nicht möglich sei. Sie sei somit

Voraussetzung für die Möglichkeit der Wahrnehmung des Informationsrechtes.

Mit Bescheid vom 20. April 2006 lehnte der Beklagte den Antrag ab. Zur Be-
gründung führte er aus, die gewünschten Angaben bezögen sich auf konkrete
Daten aus äußerst sensiblen, sicherheitsrelevanten Bereichen. Diese Infor-
mationen seien gemäß $ 8 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 des Landesinformationsgesetzes

- LUIG - für die Öffentlichkeit nicht zugänglich, da die Bekanntgabe nachteilige
3

Auswirkungen auf bedeutsame Schutzgüter der öffentlichen Sicherheit hätte und
das Geheimhaltungsinteresse überwiege. In Anbetracht der Terrorangriffe vom 11.
September 2001 in den USA und der dadurch angepassten Sicherheitspolitik sei
es nicht vertretbar, einzelne dieser Betriebsdaten zur Weiterverbreitung herauszu-
geben. Die Abwägung mit dem Zugangsinteresse des Klägers führe zu keiner
anderen Bewertung, da der Schutz der Bevölkerung vor der Gefahr von Angriffen
auf Leben, Körper und Gesundheit bzw. auf wertvolle Sachgüter dem Infor-
mationsinteresse vorgehe. Zudem würden durch das Bekanntgeben der Infor-
mationen personenbezogene Daten offenbart. Der Beklagte machte daher nur
Angaben zur Anzahl der in den Fragen zu 1) bis 3) betroffenen Betriebsbereiche

und Anlagen.

Der Widerspruch des Klägers vom 20. Mai 2006 wurde mit Widerspruchsbescheid

vom 28. Juni 2006 zurückgewiesen.

Am 27. Juli 2006 hat der Kläger Klage erhoben, die mit Urteil des
Verwaltungsgerichts Mainz vom 24. April 2007 abgewiesen worden ist. Zur
Begründung .hat das Verwaltungsgericht ausgeführt, dass dem grundsätzlich
berechtigten Auskunftsbegehren des Klägers & 8 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 LUIG in der
aufgrund europarechtlicher Bestimmungen gebotenen engen Auslegung entgegen
stehe. Die Bekanntgabe der in Frage stehenden Informationen stelle eine
ernsthafte, konkrete Gefahr für bedeutsame Schutzgüter der öffentlichen
Sicherheit dar, da sie mitursächlich für einen terroristischen Anschlag auf einen
Störfallbetrieb oder für die Entwendung von gefährlichen Stoffen aus einem
Störfallbetrieb werden könne. Ein überwiegendes Interesse an der Erteilung der
Informationen komme angesichts der Gefährdung zahlreicher Menschenleben
nicht in Betracht. Ein einschränkungsloser Informationsanspruch für den Kläger

lasse sich auch nicht aus den Wertungen der Störfall -Verordnung ableiten.
4

Im Hinblick auf die vom Kläger in seinem Schreiben vom 14. März 2006 mit den
Fragen zu 4) und 5) geforderten Umweltinformationen hat dieser in der
mündlichen Verhandlung vom 24. April 2007 die Klage zurückgenommen, sodass

das Verwaltungsgericht das Verfahren insoweit eingestellt hat.

Mit seiner vom Senat zugelassenen Berufung macht der Kläger geltend:

Der Ausschlussgrund des $ 8 Abs. 1 Satz 1 LUIG fordere das Vorliegen einer
ernsthaften, konkreten Gefahr für die geschützten Belange. Zu berücksichtigen sei
dabei nicht nur Art. 4 Abs. 2 Unterabs. 2 der zugrunde liegenden Richtlinie
2003/4/EG, der ausdrücklich eine enge bzw. restriktive Auslegung der
Ablehnungsgründe verlange, sondern auch der Gesichtspunkt des effet utile. Dies
gelte selbst bei höchstem Gewicht drohender Rechtsgutbeeinträchtigungen;
ansonsten sei nur eine Bedrohungslage vorhanden. Höchstrichterlich würden auch
für eine Dauergefahr konkrete Anhaltspunkte im Tatsächlichen, die eine
Gefahrenlage begründen könnten, gefordert. Es müsse daher geprüft werden, wie
relevant die vom Antragsteller begehrten Daten tatsächlich für terroristische
Planungen seien. Die Adressdaten von Störfallanlagen ließen keinen Aufschluss

darüber zu, inwieweit sich eine Anlage für terroristische Zwecke eigne.

$ 11 der Störfall-Verordnung sehe vor, dass ein Informationsbestand, der weit
über das Auskunftsbegehren des Klägers hinausgehe, öffentlich zugänglich sei.
Es könne nicht geschlussfolgert werden, dass die Weitergabe von jedermann
zugänglichen Informationen eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit sei.
Unabhängig davon ergebe sich der einschränkungslose Zugang zu den erbetenen
Informationen auch aus der Berücksichtigung des Art. 20 der Seveso-Il-Richtlinie
wonach die zuständigen Behörden die gemäß der Richtlinie eingegangenen
Informationen jeder natürlichen und juristischen Person zur Verfügung stellen

müssten.

Außerdem handele es sich bei dem Zugang zu Umweltinformationen um ein
Recht, das aus Art. 174 EG-Vertrag resultiere, der wiederum — übertragen auf die

Maßstäbe das nationalen Rechts — der Staatszielbestimmung Umweltschutz nach

-6-
5

Art. 20 a GG gleichkomme. Das Informationsinteresse des Klägers sei damit nicht

bloß ein einfachgesetzliches.

Mit der Einsichtnahme in die Sicherheitsberichte und Notfallpläne der Betriebe und
deren Auswertung sollten etwaige Sicherheitslücken oder Beanstandungen
sowohl bei den Betreibern als auch bei den Behörden angemahnt und Anstöße zu
deren Beseitigung gegeben werden. Dies trage zu einer höheren Sicherheit von
Störfallanlagen insgesamt bei. Die Rechtsgüter Leib, Leben und Gesundheit seien
nicht nur durch Terrorangriffe auf Störfallbetriebe bedroht, sondern auch Gefahren
durch Sicherheitsmängel und Unfälle in Störfallbetrieben ausgesetzt, deren
Realisierung wesentlich wahrscheinlicher sei. Die Prüfung der Nachteile für
bedeutsame Schutzgüter der öffentlichen Sicherheit im Rahmen der Abwägung
müsse also die Prüfung mit umfassen, ob nicht bedeutsame Schutzgüter der
öffentlichen Sicherheit durch ein Zurückhalten der Informationen stärker
beeinträchtigt werden könnten als durch deren Bekanntgabe. Sensible Daten

würden nicht unkontrolliert veröffentlicht.

Die Herausgabe der Informationen habe auch nicht mit Blick auf den Schutz
personenbezogener Daten verweigert werden dürfen, da dieser nur natürlichen

Personen zugute komme.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Verwaltungsgerichts Mainz vom 24. April 2007 insoweit
abzuändern, als die Fragen zu 1) und 3) betroffen sind, den Bescheid vom
20. April 2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. Juni 2006
aufzuheben, soweit die Fragen zu 1) bis 3) betroffen sind und den

Beklagten zu verpflichten, die Fragen zu 1) bis 3) zu beantworten.
6

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er ist der Ansicht, dass Rechtsgrundlage des Auskunftsbegehrens des Klägers
ausschließlich $ 8 Abs. 1 Nr. 1 LUIG sei. Weder bestehe ein Umsetzungsdefizit
bezüglich des Art. 20 der Seveso-Il-Richtliniie noch enthalte die Störfall-
Verordnung Auskunftspflichten gegenüber der Allgemeinheit. Dass auch der
europäische Richtliniengeber in der Bekanntgabe von Namen oder Firmen von
Störfallanlagen sowie der Anschrift ihres Betriebes und der darin vorgenommenen
Tätigkeiten eine besondere Gefährdung sehe, könne man der Neuregelung des
Art. 19 Abs. 1a der Seveso-Il-Richtlinie in der Fassung der Änderungsrichtlinie
2003/105/EG entnehmen, die den Zugang zu der europäischen Datenbank über
Störfallbetriebe auf ermächtigte Personen beschränke. Daten über Störfallbetriebe
seien nach $ 11 der Störfall-Verordnung nicht allgemein der Öffentlichkeit
zugänglich. Vor Ort Einsicht nehmende Personen könnten jederzeit überprüft
werden. Schon die Preisgabe von Detailinformationen widerspreche dem
Gesichtspunkt der öffentlichen Sicherheit. Für potentielle Straftäter mache es
einen Unterschied, ob er ohne Vorkenntnisse eigene Recherchen durchführen
müsse oder ob ihm eine landesweite Übersicht über die Störfallbetriebe zur

Verfügung stehe.

Die weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes ergeben sich aus den zu
den Gerichtsakten gereichten Schriftsätzen der Beteiligten. Diese waren

Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
7

Entscheidungsgründe

Die zulässige Berufung hat in der Sache Erfolg.

Das Verwaltungsgericht hätte die Klage nicht abweisen dürfen, da dem Kläger ein
Anspruch auf Erteilung der begehrten Informationen durch den Beklagten zusteht.

1. Rechtsgrundlage des klägerischen Auskunftsverlangens ist $ 3 Abs. 1 des
Landesumweltinformationsgesetzes vom 19. Oktober 2005 (GVBl. S. 484;
- LUIG -). Nach dieser Vorschrift hat jede Person nach Maßgabe des
Landesumweltinformationsgesetzes Anspruch auf freien Zugang zu
Umweltinformationen, über die eine informationspflichtige Stelle i.S. des $ 2 Abs. 1
LUIG verfügt, ohne ein rechtliches oder berechtigtes Interesse darlegen zu
müssen. Mit seinem im Wesentlichen auf Bekanntgabe der in Rheinland-Pfalz der
Störfall-Verordnung unterliegenden Betreiber und der Pflichten nach der Störfall-
Verordnung unterliegenden Betriebsbereiche und Anlagen dieser Betreiber
gerichteten Auskunftsverlangen begehrt der Kläger von der Landesregierung als
informationspflichtiger Stelle nach $ 2 Abs. 1 Nr. 1 LUIG die Mitteilung von Daten
über Maßnahmen oder Tätigkeiten, die den Schutz von Umweltbestandteilen wie
Luft, Wasser und Boden bezwecken, und damit die Erteilung von
Umweltinformationen i.S. des $ 2 Abs. 3 Nr. 3 b LUIG. Dies folgt daraus, dass die
Auferlegung von Pflichten nach der 12. Verordnung zur Durchführung des
Bundes-Immissionsschutzgesetzes (Störfall-Verordnung — 12. BImSchV) vom 26.
April 2000 in der Neufassung vom 8. Juni 2005 (BGBl. I S. 1598), wie sich den
Erwägungsgründen der der Störfall-Verordnung zugrunde liegenden Richtlinie
96/82/EG des Rates vom 9. Dezember 1996 zur Beherrschung der Gefahren bei
schweren Unfällen mit gefährlichen Stoffen (ABl. L Nr. 10, S. 13 - Seveso-ll-
Richtlinie) entnehmen lässt, dazu beitragen soll, durch vorbeugende Maßnahmen
schwere Unfälle durch den Einsatz gefährlicher Stoffe bei Industrietätigkeiten zu
verhüten und die Unfallfolgen für Mensch und Umwelt zu begrenzen. Der
besondere Bezug zum Umweltschutz als Schutzziel des Störfallrechts wird auch
dadurch deutlich, dass ein Störfall i.S. des 8 2 Nr. 3 der Störfall-Verordnung auch

ai «
8

dann anzunehmen ist, wenn durch ein Ereignis ausschließlich Umweltgüter
beschädigt werden können (vgl. & 2 Nr. 4 c der Störfall-Verordnung; hierzu:
Hermann/Neuser, Forschungsbericht 20248376 des Bundesministeriums für
Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit, August 2004, S. B- 37).

2. Dem somit dem Kläger grundsätzlich zustehenden Anspruch auf Zugang zu den
von ihm verlangten Umweltinformationen kann ein Ablehnungsgrund nach 88 8, 9
LUIG mit Blick auf die Notwendigkeit des Schutzes öffentlicher oder sonstiger

Belange nicht entgegengehalten werden.

a) Der Zugang zu den begehrten Informationen lässt nachteilige Auswirkungen auf
bedeutsame Schutzgüter der öffentlichen Sicherheit nach $ 8 Abs. 1 Nr. 1 LUIG

nicht befürchten.

Der Beklagte geht davon aus, dass in Anbetracht der durch die Terrorangriffe vom
11. September 2001 in den USA veränderten Sicherheitslage auch in der
Bundesrepublik Deutschland durch die Herausgabe der Daten das Risiko gezielter
terroristischer Anschläge auf der Störfall-Verordnung unterliegende Betriebe
erhöht werde. Dies ziehe erhebliche Gefahren für Leben und Gesundheit einer
unübersehbaren Zahl von Menschen nach sich, zumal die Anlagen nur schwer
gegen Angriffe geschützt werden könnten. Entgegen der Ansicht des Beklagten
reichen aber die Auswirkungen, die von der bloßen Bekanntgabe der Betreiber
sowie der Betriebsbereiche und Anlagen dieser Betreiber unter Einschluss der
Adressen ohne Mitteilung weitergehender Einzelheiten ausgehen, nicht aus, um
den Ausschlusstatbestand des 8 8 Abs. 1 Nr. 1 LUIG zu erfüllen.

aa) $ 8 Abs. 1 Nr. 1 LUIG fordert in der durch europarechtliche Bestimmungen
gebotenen engen Auslegung eine ernsthafte, konkrete Gefährdung der in der
Vorschrift geschützten Belange (so auch OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 2. Juni
2006 - 8 A 10267/06 -, NVwZ 2007, S. 351).

Bereits die Entstehungsgeschichte des Landesumweltinformationsgesetzes macht
deutlich, dass ein möglichst umfassender Zugang zu Umweltinformationen der
Verbesserung des Umweltschutzes dienen sollte. Die Richtlinie 90/313/EWG des

Rates vom 7. Juni 1990 über den freien Zugang zu Informationen über die Umwelt

Re
9

40:

(ABl. L Nr. 158, S. 56), welche durch die Regelungen des ursprünglichen
Umweltinformationsgesetzes vom 8. Juli 1994 (BGBl. I S. 1490; — UIG a.F. —) in
nationales Recht umgesetzt wurde, war daher von der Erwägung getragen, Wege
zur Verbesserung des Zugangs der Öffentlichkeit zu Informationen, über die die
Umweltbehörden verfügen, zu finden (1. Erwägungsgrund). Nur in ganz
bestimmten, genau bezeichneten Fällen konnte es gerechtfertigt sein, erbetene
umweltbezogene Informationen zu verweigern (7. Erwägungsgrund);
dementsprechend konnten die Mitgliedsstaaten nach Art. 3 Abs. 2 der Richtlinie
vorsehen, dass ein Antrag auf Zugang zu Umweltinformationen abgelehnt wird,
wenn diese die öffentliche Sicherheit berühren. Zur Verwirklichung des Ziels der
zugrunde liegenden Richtlinie, Transparenz im Verhältnis Behörde — Bürger zu
schaffen (vgl. Begründung zum Gesetzentwurf der Bundesregierung, BT-Drucks.
12/7138) sah das Umweltinformationsgesetz von 1994 in & 4 Abs. 1 UIG a.F. für
jedermann einen Anspruch auf freien Zugang zu Informationen über die Umwelt,
die bei einer Behörde oder einer Person des Privatrechts nach $ 2 Nr. 2 UlG a.F.
vorhanden sind, vor. & 7 Abs. 1 Nr. 1 UIG a.F. schloss den Anspruch aus, soweit
das Bekanntwerden der Informationen (u.a.) eine erhebliche Gefahr für die
öffentliche Sicherheit verursachen konnte. Die Vorschrift ging damit nur scheinbar
über den Wortlaut von Art. 3 Abs. 2 der Richtlinie 90/313/EWG hinaus; denn
anders als im deutschen Polizei- und Ordnungsrecht, wo bereits jeder Verstoß
gegen eine Rechtsnorm die „öffentliche Sicherheit“ berührt, verlangt das EG-Recht
eine schwere tatsächliche Gefährdung der Grundinteressen der Gesellschaft (vgl.
hierzu insbesondere das Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 14. März 2000
"= C - 54/99 -, Sammlung der Rechtsprechung 2000, S. 1-01335, und die
Gesetzesbegründung BT-Drucks. 12/7138). Die Vorgängervorschriften des
heutigen Landesumweltinformationsgesetzes maßen nach alledem der
Unterrichtung der Öffentlichkeit unter dem Gesichtspunkt angestrebter größerer
Verwaltungstransparenz hohe Bedeutung bei und sahen eine verbesserte
Umweltinformation als Element zum Schutz von Menschen und Umwelt durch
bessere Anwendung von Vorschriften, Entwicklung erforderlicher

Umweltschutzmaßnahmen und deren Akzeptanz durch die Öffentlichkeit an (vgl.

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