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Information

Aktenzeichen
4 A 6774/08
Datum
29. Januar 2008
Gericht
Verwaltungsgericht Hannover
Gesetz
Umweltinformationsgesetz Niedersachsen (NUIG)
Umweltinformationsgesetz Niedersachsen (NUIG)

Urteil: Verwaltungsgericht Hannover am 29. Januar 2008

4 A 6774/08

Durch die Herausgabe von Erfassungsbögen über Vogelarten werden keine Urheberrechte der ehrenamtlichen Kartierer verletzt, da die Werke keine "schöpferische Eigentümlichkeit" aufweisen. Auch liegt keine erhebliche Beeinträchtigung der Datenschutzinteressen dieser Personen vor. (Quelle: LDA Brandenburg)

Interessenabwägung Personenbezogene Daten Urheberrecht

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ABSCHRIFT

VERWALTUNGSGERICHT HANNOVER

 

Az: 4A 677405 verkündet am 29.01.2008
Grahl, Justizsekr elärin
als Urkundsosamin der Geschäftsstelle

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL

In der Varwaltungsrechtssache

mu

Proz.-Bev.: Rechtsanwälte Dr. Sellmann und andere,
Stresemannstraße 6, 21335 Lüneburg (78), - 00078/0665 ESM
1.0 -

Klägers,

gegen
den Nedersächsischen Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Nalurschufz -

Betnebsstelle Hannover-Hildesheim-,
Göttinger Chaussee 76, 0453 Hannover, - GB4 ABN4ZH 45 -

Beklagter.

Streitgegenstand: Anspruch auf Zugang von Umwetinfarmationen nach
dem NUIG

hat das Verwaltungsgerichi Hannover - 4, Kammer - auf die mündliche Verhandlung vom
29. Januar 2008 durch den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgericht Behreris, die

-7-
1

-2-

Richterin am Verwaltungsgericht Schraeder, den Richter Matthies sowie die ehrenamtli-
chen Richter Arend und Brennecke für Recht erkannt:

Der Beklagte wird verpflichtet, dem Kläger unter Aufhebung des Be-
scheides vom 19.04.2006 und des Widerspruchsbescheides vom
27.09.2006 die ab dem Jahre 2000 vorhandenen avifaunistischen
Daten zum „Schmarloh“, Landkreis Celle, zugänglich zu machen.

Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Der Vollstreckungsschuldner kann die Vollstreckung durch Sicher-

heitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 % des vollstreck-

baren Betrages abwenden, wenn nicht der Vollstreckungsgläubiger
zuvor Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betra-

ges leistet.

Die Berufung wird zugelassen.
Tatbestand

Der Kläger begehrt auf der Grundlage des Niedersächsischen Umweltinformationsgeset-
zes (NUIG) den Zugang zu avifaunistischen Daten.

Er ist Geschäftsführer einer Firma, die Windenergieanlagen errichtet und betreibt. Die
Firma des Klägers beabsichtigte unter anderem in einem Gebiet der Samtgemeinde La-
chendorf die Errichtung von Windenergieanlagen. Deswegen wandte er sich Mitte 2005
an die Beklagte mit der Bitte um Übermittlung der avifaunistischen Daten für das Gebiet
des geplanten Windparks „Schmarloh“. Daraufhin übermittelte der Beklagte die von der
Staatlichen Vogelschutzwarte bewerteten Daten, lehnte aber die Übersendung des diesen
, Bewertungen zugrunde liegenden Datenmaterials ab. Bei diesen sog. „Rohdaten“ handelt
es sich um von ehrenamtlichen Mitarbeitern gesammelte Daten, die diese auf entspre-
chenden Meldebögen oder in anderer Form der Staatlichen Vogelschutzwarte übermitteln.

Mit Schreiben vom 21.03.2006 und vom 29.03.2006 beantragte der Kläger förmlich die
Herausgabe dieser Daten ab dem Jahre 2000. Mit Bescheid vom 19.04.2006 lehnte der
Beklagte die Herausgabe ab, da insbesondere die Urheberrechte der ehrenamtlichen Kar-
tierer verletzt würden. Die Erfassungs- bzw. Meldebögen seien geschützte Werke der
Wissenschaft im Sinne von $ 2 Abs. 1 Nr. 7 des Urheberrechtsgesetzes (UrhG). Aus
Gründen des Urheberrechts sei der Beklagte gehindert, die Meldebögen an Dritte weiter-
zugeben,
2

-3-

Dagegen legte der Kläger am 26.04.2006 Widerspruch ein.

Am 02.08.2006 hat der Kläger (Untätigkeits-) Klage erhoben. Mit Bescheid vom
27.09.2006 hat der Beklagte den Widerspruch zurückgewiesen.

Der Kläger ist der Auffassung, er habe einen Anspruch auf Zugang zu diesen Umweltin-
formationen (nunmehr) auf der Grundlage von $ 3 des Niedersächsischen Umweltinfor-
mationsgesetzes (NUIG) vom 07.12.2006, durch das die Richtlinie 2003//EG des Euro-
päischen Parlaments und des Rates vom 28. Januar 2003 über den Zugang der Öffent-
lichkeit zu Umweltinformationen (UIRL) umgesetzt wurde. Die vom Beklagten geltend ge-
machten Ablehnungsgründe nach 8 3 Satz 2 NUIG i. V. m. 88 8, 9 UIG lägen nicht vor. Er
stellt klar, dass sein Begehren nicht die Herausgabe gefertigter Lichtbildaufnahmen um-
fasst.

Die Ablehnung könne nicht mit der Verletzung von Urheberrechten (8 9 Abs. 1 Satz 1 Nr.
2 UIG) begründet werden. Die Berichte und Datenzusammenstellungen seien nicht unter
$ 2 Abs. 1 Nr. 7 UrhG einzuordnen, sondern seien Sprachwerke im Sinne von & 2 Abs. 1
Nr, 1 UrhG. Informationen über den Vogelbestand seien aber keine persönlich geistige
Schöpfung im Sinne von $ 2 Abs. 2 UrhG, Es handele sich zwar um geistige Erzeugnisse,
nicht aber um eine persönliche Schöpfung. Um eine persönliche Schöpfung handele es
sich nur dann, wenn das geistige Erzeugnis auch der Fantasie seines Urhebers entsprin-
ge. Das unterscheide die persönliche Schöpfung von wissenschaftlichen Ergebnissen, die
strengen logischen Grundsätzen unterlägen. Ergebnisse, die aufgrund einer Zählung er-
zielt würden, genössen unter keinem urheberrechtlichen Gesichtspunkt einen Urheber-
schutz. Es sei auch zweifelhaft, ob die von den ehrenamtlichen Mitarbeitern angefertigten
Berichte, Karten oder Skizzen als individuell persönlich geistige Schöpfung anzusehen
seien, Ohne Kenntnis dieser Unterlagen sei eine abschließende Prüfung nicht möglich,
Einem wissenschaftlichen Werk werde aber nur unter Berücksichtigung enger Grenzen
eine Eigentümlichkeit zuerkannt. Diese Eigentümlichkeit finde ihren Niederschlag regel-
mäßig in der Form und Art der Sammlung, Einteilung und Anordnung des dargebotenen
Stoffs. Grafische Darstellungen im Sinne von $ 2 Abs. 1 Nr. 7 UrhG seien danach dann
einem Urheberrechtsschutz zugänglich, wenn die formgebende kartografische Leistung
über die bloße Mitteilung der geografischen Tatsachen hinausgehe. Aber selbst wenn zu
Gunsten des Beklagten unterstellt würde, dass diesen Unterlagen Urheberschutz zukom-
me, würde das Urheberrecht durch Überlassung an den Kläger nicht verletzt, weil die Ü-
berlassung der Unterlagen keine Ausübung eines Verwertungsrechts im Sinne der 88 15
ff. UrhG darstelle. Die Überlassung der Unterlagen stelle zunächst keine Verbreitung im
Sinne von $ 17 Abs. 1 UrhG dar, weil - wie sich aus $ 17 Abs. 3 UrhG ergebe - die zeitli-
che Überlassung unmittelbar oder mittelbar Erwerbszwecken dienen müsse. Daran fehle
es hier. Mit der Überlassung verletze der Beklagte auch nicht das Veröffentlichungsrecht
gemäß $ 12 UrhG. Die Überlassung der Unterlagen stelle jedenfalls keine Veröffentli-
chung dar, weil das Werk nicht mehreren Personen zugänglich gemacht werde.
3

-4-

Die Versagung könne auch nicht auf &$ 9 Abs. 1 Nr. 1 UIG gestützt werden. Bei der Be-
kanntgabe von Namen und Adresse der jeweiligen ehrenamtlichen Informanten handele
es sich zwar um personenbezogene Daten. Es sei nicht erkennbar, inwieweit die Interes-
sen der Beobachter beeinträchtigt würden, wenn bekannt werde, dass sie zu einem be-
stimmten Zeitpunkt an einem bestimmten Ort Vögel beobachtet hätten. Aber selbst wenn
durch die Bekanntgabe der Informationen personenbezogene Daten offenbart würden,
wäre der klägerische Antrag nicht schlechthin, sondern nur insoweit abzulehnen gewesen,
als derartige Daten sonst offenbart werden müssten. Der Beklagte könne daher in dem
erforderlichen Umfang Schwärzungen vornehmen, um eine erhebliche Beeinträchtigung
der Interessen der Betroffenen zu verhindern.

$ 9 Abs. 2 UlG stehe dem Ausdrucksverlangen ebenfalls nicht entgegen. Es handele sich
zwar um Umweltinformationen, die private Dritte einer informationspflichtigen Stelle über-
mittelt hätten, ohne dazu rechtlich verpflichtet zu sein. Es sei aber nicht erkennbar, dass
die Offenbarung dieser Informationen nachteilige Auswirkungen auf die Interessen der
Dritten haben könnte. Schließlich könne die Versagung nicht auf 8 8 Abs. 1 Nr. 4 UIG mit
der Begründung gestützt werden, das landesweite Vogelartenerfassungsprogramm werde
ohne die vertrauliche Behandiung der von den Ehrenamtlichen erstellten Daten erhebli-
chen Schaden nehmen. Konkrete Anhaltspunkte für unmittelbar negative Auswirkungen
auf den Vogelschutz mache der Beklagte nicht geltend. Im Hinblick darauf, dass die Aus-
schlussgründe nach der Umweltinformationsrichtlinie eng auszulegen seien, komme auch
nicht jede nachteilige Auswirkung, sondern nur eine ernsthafte Gefährdung als Ableh-
nungsgrund in Betracht. Unabhängig davon gebe es überhaupt keine Anhaltspunkte da-
für, dass die ehrenamtlich mitwirkenden Kartierer generell nicht mehr bereit sein würden,
dem Beklagten wegen des Verlustes der Vertraulichkeit Beobachtungen und Daten mitzu-
teilen.

Der Kläger beantragt,

den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 19.04.2006
und des Widerspruchsbescheides vom 27.09.2006 zu verpflichten,
dem Kläger die bei dem Beklagten ab dem Jahre 2000 vorhande-
nen avifaunistischen Daten zum „Schmarloh“, Landkreis Celle, zu-
gänglich zu machen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.
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-5.

Der Kläger habe keinen Anspruch auf den erstrebten Zugang zu den Meldungen der Vo-
gelbeobachtungen durch ehrenamtliche Kartierer.

Die begehrten avifaunistischen Daten lägen als Berichte, briefliche Datenzusammenstel-
lungen und in Form von handschriftlichen Karten vor. Derartige Materialien genössen als
Werke der Wissenschaft urheberrechtlichen Schutz, weil es sich um Aufzeichnungen wis-
senschaftlicher Art im Sinne von $ 2 Abs. 1 Nr. 7 UrhG handele, die als persönliche geis-
tige Schöpfung anzusehen seien. Die Werke seien sowohl von der Gestaltung her, als
auch in der Sammlung, Auswahl, Einteilung und Anordnung des Stoffes von einer eigen-
schöpferischen Gedankenform und -führung geprägt. Die Berichte und Datenzusammen-
stellungen könnten je nach individueller Gestaltung als Sprachwerke im Sinne von $ 2
Abs. 1 Nr. 1 UrhG oder als Darstellungen wissenschaftlicher Art im Sinne von $ 2 Abs. 1
Nr. 7 UrhG eingeordnet werden. Bei den ornithologischer Rohdaten hänge es von der Art
ihrer Darstellung ab, ob sie schützenswert seien oder nicht. Mit einer Herausgabe der
Unterlagen würde der Beklagte gegen das Vervielfältigungs- und das Verbreitungsrecht
der ehrenamtlichen Kartierer verstoßen. Eine Verbreitung liege nicht nur dann vor, wenn
diese Erwerbszwecken diene. Die Überlassung der Unterlagen an den Kläger sei als Ver-
leihen von Unterlagen eine Verbreitung im Sinne von & 17 UrhG.

Die Melder seien mit der Weitergabe ihrer Unterlagen nicht einverstanden. Sie seien dazu
telefonisch befragt und angehört worden. Bei einer Herausgabe würde das Interesse der
Melder, über die Preisgabe und Verwendung ihrer Unterlagen selbst zu bestimmen, unbe-
rücksichtigt bleiben. Auch eine Schwärzung der Namen führe nicht dazu, dass die Unter-
lagen herausgegeben werden müssten. Anhand der Unterlagen, die individuell, überwie-
gend handschriftlich gestaltet seien und die Zeiträume der Beobachtungen wiedergäben,
sei es ein Leichtes, Rückschlüsse auf die Person und Lebensumstände der Ehrenarmtli-
chen zu ziehen. Daran habe der Kläger offensichtlich großes Interesse.

Die Weitergabe verstoRe gegen $ 9 Abs. 2 UIG. Diese Bestimmung diene dazu, den
Schutz der Informationsquellen der Verwaltung und eine vertrauensvolle Zusammenarbeit
mit Dritten zu gewährleisten. Der hoheitliche Informationsbedarf im Umweltbereich könne
vielfach nur durch eine vertrauensvolle Zusammenarbeit mit Außenstehenden gedeckt
werden. Die Staatliche Vogelschutzwarte sei auf die Zuarbeit von ehrenamtlichen Kartie-
rern angewiesen. Es liege auf der Hand, dass Personen, deren privat erstellten Unterla-
gen ohne Zustimmung herausgegeben würden, keine Meldung mehr abgeben würden.

Im Übrigen seien die Interessen der privaten Dritten nachteilig beeinträchtigt, wenn die
Daten zu einem Zweck verwendet würden, für die der Private sie nicht übermittelt habe.
Die Ehrenamtlichen würden die ornithologischen Daten an den Beklagten weitergeben,
um damit Schutzmaßnahmen für die Arten oder die Erstellung von Artenschutzprogram-
men zu ermöglichen. Würden diese Daten als Umweltinformationen abgerufen, bestehe
die Gefahr, dass sie auch zu Zwecken verwendet würden, die für die Arten nicht vorteil-

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haft sei. Daher könne der Zugang zu diesen Umweltinformationen grundsätzlich verwei-
gert werden. Insofern bestehe auch kein überwiegendes öffentliches Interesse, wenn ein
privater Investor die Daten nutzen wolle, um sich die Kosten einer eigenen Datenerhe-
bung zu ersparen.

Der Beklagte hat zur Veranschaulichung und urheberrechtlichen Beurteilung in anonymi-
sierter Form Musterunterlagen vorgelegt. Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts
und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte und den Verwaltungsvor-
gang Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist als Verpflichtungsklage zulässig und begründet.

Der Beklagte ist verpflichtet, dem Kläger die begehrten avifaunistischen Daten zugänglich
zu machen. Der Kläger hat einen entsprechenden Anspruch aus 8 3 NUIG i.V.m. Bestim-
mungen des UIG. Die angefochtenen Bescheide sind daher rechtswidrig und verletzen
den Kläger in seinen Rechten.

Gemäß 8 3 NUIG hat jede Person, ohne ein Interesse darlegen zu müssen, nach Maßga-
be des NUIG Anspruch auf Zugang zu Umweltinformationen, über die eine informations-
pflichtige Stelle verfügt. Es ist zwischen den Beteiligten nicht streitig, dass es sich bei den
Informationen, deren Zugänglichmachung der Kläger begehrt, um Umweltinformationen
im Sinne dieser Bestimmung handelt.

Dem Begehren des Klägers stehen auch keine Ablehnungsgründe gemäß 8 3 Satz 2
NUIG i.V.m. 88 8 und 9 UIG entgegen.

Durch die Zugänglichmachung der begehrten Informationen werden keine Urheberrechte
verletzt ($ 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 UIG), weil die Aufzeichnungen keinen Urheberschutz ge-
nießen. Sie stellen keine Werke i.S.v. & 2 Abs. 2 UrhG dar, weil es sich nicht um geistige
Schöpfungen handelt.

8 2 UrhG schützt Werke der Literatur, Wissenschaft und Kunst. Bei den Aufzeichnungen
der Hobbyornithologen kommt ein Schutz als wissenschaftliches Werk in Betracht, da sich
der urheberrechtlich geschützte Bereich der Wissenschaft nicht auf Forschung und Lehre
im engeren verfassungsrechtlichen Sinn beschränkt.

Zu den geschützten Werken gehören insbesondere Schriftwerke (8 2 Abs. 1 Nr. 1 UrhG)
und Darstellungen wissenschaftlicher Art wie Zeichnungen, Pläne, Karten, Skizzen, Ta-
bellen und plastische Darstellungen ($ 2 Abs. 1 Nr. 7 UrhG). Der Beklagte hat im gerichtli-

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chen Verfahren exemplarische Unterlagen in anonymisierter Form vorgelegt, anhand de-
rer der urheberrechtliche Schutz beurteilt werden kann. Dabei handelt es sich um Berichte
in Form von Briefen, in denen Beobachtungen mitgeteilt werden, tabellarische Aufstellun-
gen über beobachtete Vögel nach Datum, Uhrzeit, Wetterbedingungen und Sichtverhält-
nissen und Karten, auf denen vermerkt ist, an welchen Stellen die Vögel beobachtet wur-
den. Bei diesen Unterlagen handelt es sich teilweise um Schriftwerke im Sinne von 82
Abs. 1 Nr. 1 UrhG (so etwa bei den Berichten in Briefform) und teilweise um Darstellun-
gen wissenschaftlicher Art im Sinne von $ 2 Abs. 1 Nr. 7 UrhG (so etwa die Tabellen und
Eintragungen in topografischen Karten).

Die Unterlagen genießen aber keinen urheberrechtlichen Schutz, weil es sich nicht um
persönliche geistige Schöpfungen im Sinne von $ 2 Abs. 2 UrhG handelt. Um eine per-
sönliche Schöpfung handelt es sich nur dann, wenn ein Werk eine „schöpferische Eigen-
tümlichkeit“ aufweist. Es muss der Fantasie des Urhebers entspringen. Der Beklagte sieht
diese schöpferische Eigentümlichkeit darin, dass es sich bei dem Erkennen der Vögel um
eine anspruchsvolle geistige Leistung handele, die erhebliche wissenschaftliche Kennt-
nisse voraussetze. Damit verkennt der Beklagte den Begriff der geistigen Schöpfung. An-
gesichts der verfassungsrechtlichen Gewährleistung der Freiheit der wissenschaftlichen
Lehre kann das wissenschaftliche Ergebnis für sich keinen Urheberrechtsschutz bean-
spruchen (vgl. BGH, Urt. vom 21.11.1980, 1 ZR 106/78). Die Aufnahme von wissenschaft-
lichen Ergebnissen in ein Schriftwerk kann daher nur für die Art und Form der Darstellung
Urheberrechtsschutz beanspruchen (vg. BGH, a.a.O.). Das bedeutet: Es kommt urheber-
rechtlich nicht darauf an, wie geistig anspruchsvoll das Erfassen avifaunistischer Daten ist
und welche wissenschaftlichen Vorkenntnisse für die Tätigkeit erforderlich sind. Das Er-
gebnis dieser Tätigkeit genießt keinen urheberrechtlichen Schutz. Urheberrechtlich ge-
schützt kann allenfalls die konkrete Gestaltung und Darstellung der Ergebnisse sein. Dies
ist im vorliegenden Fall zu verneinen. Die Gestaltung und Darstellung der Ergebnisse
weist keine schöpferische Eigentümlichkeit auf. Ein Aufbau oder eine Darstellungsart, die
aus wissenschaftlichen Gründen geboten ist oder in Fragen des behandelten Gebietes
weitgehend üblich ist, kann deswegen nicht als eigentümliche geistige Leistung angese-
hen werden (vgl. BGH, a.a.0.) Bei den vom Beklagten vorgelegten Unterlagen handelt es
sich um schlichte Berichte und Tabellen, denen nach diesen Maßstäben jede Eigentüm-
lichkeit fehlt. Sie erschöpfen sich in der bloßen Wiedergabe der Beobachtungen. Urheber-
rechtlich sind diese Unterlagen nicht anders zu beurteilen, als wenn die Hobbyornitholo-
gen die vom Beklagten vorgehaltenen Brutvogel-Meldebögen ausgefüllt hätten. Das gilt
auch für die Eintragungen, die in Karten vorgenommen wurden. Nach der Rechtspre-
Chung des BGH können zwar kartografische Darstellungen selbst dann, wenn sie in der
Gesamtkonzeption keine schöpferischen Züge aufweisen, urheberrechtlich schutzfähig
sein (BGH, Urt. vom 23.06.2005, 1 ZR 227/02). Die ehrenamtlichen Mitarbeiter haben
aber keine Karte oder Kartengrundmaterial erstellt, sondern - statt die genaue Lage einer
Beobachtung zu bezeichnen - Eintragungen in einer Karte vorgenommen. Solche Darstel-
lungen sind nicht urheberrechtlich geschützt.
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-B-

Die Voraussetzungen des $ 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UIG liegen ebenfalls nicht vor. Danach
ist der Antrag abzulehnen, soweit durch das Bekanntgeben der Informationen personen-
bezogene Daten offenbart und dadurch Interessen der Betroffenen erheblich beeinträch-
tigt würden, es sei denn, die Betroffenen hätten zugestimmt oder das öffentliche Interesse
an der Bekanntgabe überwiegt.

Durch das Bekanntgeben der Informationen werden zwar personenbezogene Daten of-
fenbart, ohne dass die Betroffenen zugestimmt hätten. Mit der Herausgabe der „Rohda-
ten" erfährt der Kläger die Namen der ehrenamtlichen Mitarbeiter und die Information,
wann und wo diese Vögel beobachtet haben, Die Kammer sieht darin aber keine erhebli-
che Beeinträchtigung der Interessen dieser Personen. Auch der Beklagte kann konkrete
Interessen, die beeinträchtigt sein könnten, nicht nennen. Er führt an, ehrenamtliche Mit-
arbeiter könnten in bestimmten Failkonstellationen etwa als Mitarbeiter von Forstverwal-
tungen Probleme mit ihrem Arbeitgeber bekommen oder im Ort oder innerhalb einer sozi-
alen Gruppe (etwa der Jägerschaft oder der Landwirte) angefeindet werden, Eine solche
abstrakte Betrachtung begründet keinen Ablehnungsgrund. Es müssen vielmehr im kon-
kreten Fall Interessen von Betroffenen erheblich beeinträchtigt sein. Das gebietet nicht
zuletzt der Grundsatz, dass Ablehnungsgründe eng auszulegen sind (Art. 4 Abs. 2 Satz 2
UIRL). Eine solche Beeinträchtigung ist nicht erkennbar. Es gibt keine Anhaltspunkte da-
für, dass die ehrenamtlichen Mitarbeiter mit Anfeindungen oder irgendwie gearteten
Nachteilen zu rechnen hätten, wenn der Kläger erführe, wer die Daten erhoben hat.

Im Kern geht es um die Frage, ob der bloße Wunsch der ehrenamtlichen Mitarbeiter, ano-
nym zu bleiben, eine Ablehnung nach 8 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UIG rechtfertigen kann. Dies
ist nach Auffassung der Kammer nicht der Fall. Seibst wenn zu Gunsten des Beklagten
unterstellt würde, dass es sich hierbei um ein im Sinne dieser Vorschrift schützenswertes
Interesse handelte, so würde es jedenfalis an der Erheblichkeit der Beeinträchtigung feh-
len.

Dem Anspruch des Klägers steht auch 8 9 Abs. 2 UIG nicht entgegen. Danach dürfen
Umweltinformationen, die private Dritte einer informationspflichtigen Stelle übermittelt ha-
ben, ohne rechtlich dazu verpflichtet zu sein, und deren Offenbarung nachteilige Auswir-
kungen auf die Interessen der Dritten hätte, ohne deren Einwilligung nicht zugänglich ge-
macht werden, es sei denn, das öffentliche Interesse an der Bekanntgabe überwiegt. Es
ist schon zweifelhaft, ob die Offenbarung der Informationen nachteilige Auswirkungen auf
die Interessen der ehrenamtlichen Mitarbeiter hätte. Jedenfalls überwiegt im vorliegenden
Fall das öffentliche Interesse an der Bekanntgabe.

Zweck des &$ 9 Abs. 2 UIG ist der Schutz der vertrauensvollen Zusammenarbeit informati-
onspflichtiger Stellen mit ihren Informationsgebern (vgl. Reidt/Schiller in: Land-
manr/Rohmer, Umweltrecht, 8 9 UIG Rn. 42). Dieser Schutz geht aber nicht so weit, dass
es im Belieben der Informationsgeber stünde, ob ihre Informationen weitergegeben wer-

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den oder nicht. Der bloße Wunsch der Informationsgeber, die Informationen mögen nicht
weitergeben werden, steht einem Informationsanspruch nicht entgegen. Zwei Vorausset-
zungen müssen dazu kommen. Die Offenbarung muss nachteilige Auswirkungen auf Inte-
ressen der Dritten haben und diese Interessen müssen stärker sein als das öffentliche
Informationsinteresse.

Der Beklagte macht -- über den nach dem Vorstehenden rechtlich nicht erheblichen Ge-
sichtspunkt, dass die Informationsgeber eine Weiterleitung nicht wollen, hinaus - geltend,
die Interessen der Informationsgeber würden beeinträchtigt, wenn die Daten zu einem
anderen Zweck verwendet würden als zu dem, zu dem sie diese Daten erhoben hätten.
Die Informationsgeber machten Aufzeichnungen über die Beobachtung von Vögeln, um
diese zu schützen. Bei einer Weitergabe an Windenergieanlagenbetreiber könnten diese
dazu verwendet werden, Genehmigungen für den Betrieb von Windenergieanlagen zu
erstreiten, was den Bestand der Vögel gefährden könne.

Der Begriff des Interesses ist zwar weit zu verstehen und umfasst jeden nachvollziehba-
ren Belang des Dritten, sofern er nicht offensichtlich schutzunwürdig ist (vgl.
Reidt/Schiller, $ 9 UIG Rn. 49). Das Gewicht der nachteiligen Auswirkungen spielt erst bei
der Abwägung mit dem öffentlichen Informationsinteresse eine Rolle. Gleichwohl begeg-
net es auch bei diesem weiten Verständnis erheblichen Bedenken, diese Belange als In-
teressen privater Dritter anzusehen. Es geht nicht um private Interessen, die betroffen
sind, sondern um ein allgemeines Interesse (den Schutz von Arten), das sich die Informa-
tionsgeber zueigen machen. Dadurch wird dieses rechtlich aber nicht zu einem durch 89
Abs. 2 UIG geschützten privaten Interesse, zumal bei der durch Art. 4 Abs. 2 Satz 2 UIRL
vorgegebenen engen Auslegung der Ablehnungsgründe. Andere Interessen der Informa-
tionsgeber, die berührt sein könnten, sind nicht ersichtlich.

Selbst wenn der Begriff der Interessen privater Dritter weiter zu verstehen wäre, könnte
eine Ablehnung auf $ 9 Abs. 2 UIG nicht gestützt werden, weil das öffentliche Interesse
an einer Bekanntgabe überwiegt. Der Beklagte macht geltend, ein öffentliches Interesse
an der Bekanntgabe der Informationen an den Kläger gebe es nicht, weil dieser lediglich
private Interessen verfolge. Er benötige die Informationen, um sie im Genehmigungsver-
fahren für Windenergieanlagen verwenden zu können. Damit verkennt der Beklagte den
Begriff des öffentlichen Interesses. Zur Auslegung dieses Begriffs ist auf den 1. Erwä-
gungsgrund der UIRL abzustellen (vgl. Reidt/Schiller, a.a.0., 8 8 UIG Rn. 49). Danach
dient die Richtlinie dem erweiterten Zugang der Öffentlichkeit zu umweltbezogenen Infor-
mationen und zur Verbreitung dieser Informationen mit dem Ziel, das Umweltbewusstsein
zu schärfen, einen freien Meinungsaustausch und eine wirksamere Teilnahme der Öffent-
lichkeit an Entscheidungsfragen in Umweltfragen zu ermöglichen und letztendlich so den
Umweltschutz zu verbessern. Der Kläger fungiert nach der Vorstellung des Gesetzgebers
als Repräsentant der Öffentlichkeit und des allgemeinen öffentlichen Interesses (vgl.
Reidt/Schiller, a.a.0.). Es besteht daher ein öffentliches Interesse, das mit dem (unter-
stellten) privaten Interesse der Informationsgeber abzuwägen ist. Diese Abwägung geht

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zu Gunsten des öffentlichen Interesses aus. Nach der den Umweltinformationsgesetzen
des Bundes und des Landes zugrunde liegenden Intention, die sich aus den Erwägungs-
gründen der UIRL ableiten lässt, dient der erweiterte Zugang der Öffentlichkeit zu um-
weltbezogenen Informationen der Verbesserung des Umweltschutzes, wozu auch der
Artenschutz zählt. Diese gesetzliche Wertung kann bei einer Abwägung nicht mit der Er-
wägung, eine Geheimhaltung von Informationen sei besser geeignet, dem Artenschutz zu
dienen, ignoriert werden.

Aus den gleichen Gründen ist auch ein Ablehnungsgrund nach 8 8 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4
UIG nicht gegeben. Danach ist ein Antrag abzulehnen, soweit das Bekanntgeben der In-
formationen nachteilige Auswirkungen auf den Zustand der Umwelt und ihrer Bestandteile
im Sinne des $ 2 Abs. 3 Nr. 1 UIG (dazu zählt unter anderem die Artenvielfalt) hätte, es
sei denn, das öffentliche Interesse an der Bekanntgabe überwiegt. Der Beklagte macht
geltend, Tier- und Pflanzenwelt könnten Schaden nehmen, wenn ehrenamtliche Mitarbei-
ter im Falle einer Herausgabe ihrer Informationen nicht mehr bereit seien, ihre Beobach-
tungen mitzuteilen. Auch dieser Gesichtspunkt trägt eine Ablehnung des klägerischen
Begehrens nicht.

Nachteilige Auswirkungen auf die Umwelt sind zu erwarten, wenn eine Bekanntgabe An-
lass und Auslöser für beeinträchtigende Handlungen von Menschen sein kann, etwa bei
der verbotenen Jagd auf geschützte Tiere, deren Aufenthaltsort bekannt gemacht würde
(vgl. Reidt/Schiller, $ 8 UIG Rn. 41). Darum geht es hier nicht. Es geht um mittelbare Fol-
gen, die vom Schutzzweck des & 8 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 UIG bereits nicht erfasst sind. Das
ergibt sich aus folgender Überlegung: Der Beklagte stellt eine These auf, die den Erwä-
gungen der UIRL zuwider läuft - und überdies bereits in tatsächlicher Hinsicht eine reine
Vermutung darstellt -, und konterkariert damit die gesetzgeberische Wertung. Nach Auf-
fassung des Beklagten dient eine Geheimhaltung von informationen dem Artenschutz
eher als die Bekanntgabe. Dies ist kein tragfähiger Ablehnungsgrund, weil der Beklagte
die Wertung des Gesetzgebers bei der Auslegung des Gesetzes zu beachten hat.

Weitere Ablehnungsgründe sind nicht ersichtlich und werden vom Beklagten auch nicht
(mehr) geltend gemacht.

Die Kostenentscheidung beruht auf $ 154 Abs. 1 VwGO, die Entscheidung über die vor-
läufige Vollstreckbarkeit auf $ 167 VwGO in Verbindung mit 8 708 Nr. 11, $ 711 Satz 1
ZPO,

Die Berufung wird zugelassen, weil der Rechtssache grundsätzliche Bedeutung im Sinne
von $ 124 a Abs. 1 Satz 1, 8 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zukommt.

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