Informationsfreiheit gebündelt, verschlagwortet und digitalisiert.

Die Entscheidungsdatenbank setzt Rechtssprechung in den Fokus und ermöglicht fundierte Recherchen zu aktuellen und vergangenen Urteilen und Entscheidungen rundum Informationsfreiheit.

Aktives Presserecht – Argumente für Auskünfte


Oft verweigern Behörden Auskünfte auf Anfragen von Journalist*innen. Sie berufen sich dabei in der Regel auf angebliche Ausnahmen nach den jeweils gültigen Landespressegesetzen. Häufig ist Unwissen der Grund für die Auskunftsverweigerung und nicht böser Wille. Als Teil des Projektes „Fragen und Antworten - Auskunftsrechte kennen und nutzen“, einer Kooperation mit Netzwerk Recherche, stärkt die Entscheidungsdatenbank das Wissen rundum Auskunftsrechte und hilft besser argumentieren zu können. Journalist*innen können für ihre Recherchen wichtige Urteile, Bescheide und Beschlüsse kostenlos im Volltext eingesehen und durchsuchen.

Information

Aktenzeichen
3 K 2480/03
Datum
13. November 2007
Gericht
Verwaltungsgericht Frankfurt (Oder)
Gesetz
Akteneinsichts- und Informationszugangsgesetz Brandenburg (AIG)
Akteneinsichts- und Informationszugangsgesetz Brandenburg (AIG)

Urteil: Verwaltungsgericht Frankfurt (Oder) am 13. November 2007

3 K 2480/03

Das Akteneinsichts- und Informationszugangsgesetz findet auf Zweckverbände ohne weiteres Anwendung. Der Offenlegung von Protokollen der öffentlichen Vorstandssitzungen und Verbandsversammlungen steht das Steuergeheimnis schon deshalb nicht entgegen, weil in den Sitzungen keine unmittelbar der Abgabenerhebung unterfallenden Vorgänge behandelt werden. Das Gericht erkennt zudem keine Ausschlussgründe zum Schutz überwiegender öffentlicher oder privater Belange, die den Informationszugang beschränken. Die Behörde trägt hierzu außerdem die Beweislast. Selbst wenn, was vom Beklagten nicht geltend gemacht wurde, Informationen über den behördlichen Willensbildungsprozess in den Protokollen vorhanden sein sollten, kann keinesfalls der gesamte Inhalt per se als Darstellung des behördlichen Willensbildungsprozesses angesehen werden. Die entsprechende Ausschlussregelung schützt lediglich den engeren Beratungsvorgang, nicht die ihm zugrundeliegenden Sachinformationen. (Quelle: LDA Brandenburg)

Anwendungsbereich/ Zuständigkeit Beratungsgeheimnis (behördlicher Entscheidungsprozess) Ablehnungsbegründung

/ 12
PDF herunterladen
Verkündet am: 13.11.2007 XXX als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle VERWALTUNGSGERICHT FRANKFURT (ODER) IM NAMEN DES VOLKES URTEIL 3 K 2480/03 In dem verwaltungsgerichtlichen Verfahren des Rechtsanwalts XXX Klägers, Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte XX gegen den Verbandsvorsteher des Zweckverbandes XXX Beklagten, Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte XXX wegen Akteneinsichtsrechts hat die 3. Kammer des Verwaltungsgerichts Frankfurt (Oder) auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 13. November 2007 durch den XXX als Einzelrichter
1

-2- für R e c h t erkannt: Der Beklagte wird verpflichtet, dem Kläger Akteneinsicht in die Protokolle der öffentlichen Vorstandssitzungen sowie in die Protokolle der öffentlichen Verbandsversammlungen jeweils im Zeitraum 1. Januar 1998 bis zum 31. Dezember 2001 zu gewähren. Der Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits. Das Urteil wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Dem Beklagten bleibt nachgelassen, eine Vollstreckung des Klägers durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des beizutreibenden Betrages abzuwenden, falls der Beklagte nicht zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet. Tatbestand Die Beteiligten streiten über die Frage, ob der Kläger in Akten des Beklagten, eines Wasser- und Abwasserzweckverbandes, Einsicht nehmen kann. Hintergrund des vorliegenden Streitverfahrens war zunächst offensichtlich eine zivilrechtliche Streitigkeit über einen Vertrag, den der Beklagte entgegen § 16 Abs. 7 Satz 2 GKGBbg allein durch seinen Verbandsvorsteher      mit  einem    Dritten   zur   dezentralen    Schmutzwasserentsorgung abgeschlossen hatte, wobei der Kläger als Prozessbevollmächtigter des Dritten auftrat und unter Bezugnahme auf eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs geltend machte, dass die fehlende zweite Unterschrift für den Beklagten unbeachtlich sei, wenn der fehlerhafte Vertragsschluss von dessen Verbandsversammlung oder dem Verbandsvorstand genehmigt wurde. Der Kläger beantragte am 27. Oktober 2003 gemäß § 1 AIG beim Beklagten Einsicht in sämtliche Protokolle der öffentlichen Vorstandssitzungen sowie in sämtliche Protokolle der öffentlichen Verbandsversammlungen jeweils im Zeitraum 1. Januar 1998 bis 31. Dezember 2001; an sein - bis heute - unbeschieden gebliebenes Gesuch erinnerte er unter dem 11. November 2003. Am 18. November 2003 hat der Kläger die vorliegende Klage erhoben, zu deren Begründung er im Wesentlichen vorträgt, dass ihm der Beklagte durch ein zwischenzeitliches Schreiben vom 24. November 2003 die Akteneinsicht bereits dem Grunde nach bewilligt habe. Die Darlegung eines besonderen Rechtsschutzbedürfnisses für das Akteneinsichtsgesuch sei nicht -3-
2

-3- erforderlich; möglicherweise könnten aus der Akteneinsicht Erkenntnisse für anderweitige Prozesse gegen den Beklagten gewonnen werden. Der Kläger beantragt, die Beklagte zu verpflichten, ihm Akteneinsicht in die Protokolle der öffentlichen Vorstandssitzungen sowie in die Protokolle der öffentlichen Verbandsversammlungen im Zeitraum 1. Januar 1998 bis 31. Dezember 2001 zu erteilen. Der Beklagte beantragt schriftsätzlich, die Klage abzuweisen. Er lässt im Wesentlichen vortragen, die Klage sei unzulässig, da der Kläger entgegen § 68 Abs. 2, Abs. 1 Satz 1 VwGO kein Vorverfahren durchgeführt habe und bei Klageerhebung die Frist des § 75 Satz 2 VwGO nicht verstrichen gewesen sei. Auch habe der Kläger nicht dargelegt, worin sein Rechtsschutzbedürfnis für die Klage begründet sei, zumal er nicht als "jedermann", sondern vielmehr als Prozessbevollmächtigter Dritter im Zusammenhang mit Rechtsstreitigkeiten mit dem Beklagten auftrete. Es treffe nicht zu, dass die begehrte Akteneinsicht dem Grunde nach bewilligt worden sei; einer solchen stehe bereits entgegen, dass das Akteneinsichts- und Informationszugangsgesetz auf Zweckverbände nicht anwendbar sei, was durch den Verweis des § 2 Abs. 1 AIG auf das Landesorganisationsgesetz und durch die Aufhebung des früheren ersten Teilsatzes in § 5 Abs. 2 GKGBbg belegt werde. Außerdem sei der Beklagte als wirtschaftlich tätige Einrichtung i. S. v. § 18 Abs. 4 Satz 1 GKGBbg i. V. m. § 103 Abs. 1 Satz 1 GO wie jeder Private von einer Akteneinsicht nach dem AIG ausgeschlossen. Da der Kläger Erkenntnisse für gebührenrechtliche Streitigkeiten gewinnen wolle, mache er das Akteneinsichtsgesuch im Rahmen der Abgabenerhebung geltend, wofür nach den einschlägigen abgabenrechtlichen Vorschriften (§§ 4, 6 Abs. 1, 12 Abs. 1 KAGBbg; Abgabenordnung) Einsichtsrechte nicht bestünden. Außerdem stünden dem Akteneinsichtsbegehren des Klägers die Ausschlussgründe in § 4 Abs. 1 Nr. 5, Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 4 AIG sowie in § 5 Abs. 1 Nr. 3 AIG entgegen und bestehe auch sonst kein Akteneinsichtsrecht, etwa nach § 29 VwVfGBbg. -4-
3

-4- Mit Beschluss vom 29. November 2005 hat die Kammer den Rechtsstreit auf den Berichterstatter als Einzelrichter zur Entscheidung übertragen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, der Gerichtsakte 3 L 82/05 bezüglich eines zwischenzeitlichen einstweiligen Rechtsschutzverfahrens sowie auf den Inhalt des dreiseitigen Verwaltungsvorganges des Beklagten Bezug genommen. Die vom Beklagten auf Anforderung des Gerichts vorgelegten Akten mit den umstrittenen Protokollinhalten sind nicht Gegenstand der Erörterung gewesen und dem Kläger entgegen seinem diesbezüglichen Ersuchen an das Gericht nicht offenbart worden. Entscheidungsgründe 1. Über die Klage konnte in der Sitzung am 13. November 2007 verhandelt und entschieden werden, obgleich weder ein Vertreter des Beklagten noch dessen Prozessbevollmächtigte erschienen waren, weil die Beteiligten gemäß § 102 Abs. 2 VwGO in der jeweils bereits im September 2007 zugestellten Ladung entsprechend belehrt worden waren. Das    Gericht   musste   den    Termin    auch    nicht  auf   Grund    der   Anträge    der Beklagtenbevollmächtigten vom 7. und 12. November 2007 verschieben, da die Beklagtenbevollmächtigten - zumal angesichts des bereits Mitte August 2007 erfolgten Ankündigung und in der Ladung im September 2007 erfolgten Mitteilung des Verhandlungstermins - keinen erheblichen Grund (§ 173 Satz 1 VwGO i. V. m. § 227 ZPO) hierfür vorgetragen oder gar glaubhaft gemacht hatten. Einerseits trifft die zur Begründung des Verlegungsantrages angeführte Behauptung augenscheinlich nicht zu, dass der Prozessbevollmächtigte    aus   der   Kanzlei   der    Beklagtenbevollmächtigten,   der   die Verlegungsanträge gestellt hat, alleinbearbeitender Rechtsanwalt in der vorliegenden Sache war, da der das Beklagtenvorbringen eingehend behandelnde Schriftsatz vom 2. November 2007 von einem anderen Mitglied der Kanzlei gezeichnet ist. Es ist daher weder nachvollziehbar dargetan noch gar glaubhaft gemacht, dass nicht ein anderes Mitglied der Kanzlei der Beklagtenbevollmächtigten den Termin hätte wahrnehmen können. Andererseits war den Beklagtenbevollmächtigten bereits in der gerichtlichen Verfügung vom 9. November 2007 "eine Absprache vor Ort" in Aussicht gestellt worden, weil die in den Verlegungsanträgen geltend gemachte Verhinderung wegen einer zeitlich überschneidenden Terminsteilnahme in Sitzungen der 1. Kammer des Gerichts weder in zeitlicher Hinsicht noch vor dem Hintergrund feststand, dass die Beklagtenbevollmächtigten in jenen Verfahren der 1. Kammer sich nicht bestellt hatten und demgemäß dort auch gar nicht geladen worden waren. -5-
4

-5- Soweit der dort für einen anderen Prozessbeteiligten erschienene Prozessbevollmächtigte des Beklagten das Anerbieten des Gerichts ausgeschlagen hat, sich über eine Änderung der Terminsstunde - auch unter Berücksichtigung etwaiger Terminsüberschneidungen nunmehr auf Klägerseite - zu verabreden, nachdem mit Blick auf die Dauer eines ersten Erörterungstermins bei der 1. Kammer zunächst mit dem Eintritt in die mündliche Verhandlung zugewartet, die hiesige Sitzung unterbrochen und über den Berichterstatter der 1. Kammer um Mitteilung des Beklagtenbevollmächtigten bezüglich der hiesigen Terminsteilnahme      nachgefragt    worden    war,    muss    sich   der     Beklagte  diese Vereitelungshandlung seines Prozessbevollmächtigten zurechnen lassen. Im Übrigen war dem Prozessbevollmächtigten des Beklagten noch am selben Tage mehrfach mitgeteilt worden, dass die Sitzung zunächst unterbrochen worden sei und um 17 Uhr fortgesetzt werden sollte; hierzu hatte die Kanzlei der Beklagtenbevollmächtigten über die Geschäftsstelle mitteilen lassen, dass "Einverständnis mit einer Fortführung der Sitzung um 17.00 Uhr erklärt" werde. Daher bestand für das Gericht keinerlei Anlass zu Zweifeln daran, dass keine verfahrensrechtlich relevante Verhinderung der Beklagtenbevollmächtigten (mehr) vorlag. Soweit die Beklagtenbevollmächtigten im Nachgang zur mündlichen Verhandlung u. a. bemängeln, dass ihnen bezüglich eines in der Zwischenzeit angebrachten Ablehnungsgesuchs keine Entscheidung übermittelt worden sei, müssen sie sich entgegen halten lassen, dass angesichts der Bekanntgabe der zu dem Ablehnungsgesuch abgegebenen dienstlichen Erklärung des Einzelrichters durch die mit dem Befangenheitsvorbringen befasste Kammer und die später erfolgte Bestätigung, dass die unterbrochene Verhandlung um 17 Uhr fortgesetzt   werde,   davon    ausgegangen    werden    musste,   dass   die   Kammer    das Ablehnungsgesuch abgelehnt hatte, da andernfalls - wegen der zuletzt erfolgten Unterbrechung der mündlichen Verhandlung - eine Terminsaufhebung durch das Gericht hätte mitgeteilt werden müssen. 2. Die Klage ist zulässig. a) Die Klage ist als Verpflichtungsklage in Gestalt einer Untätigkeitsklage (§§ 42 Abs. 1 - 2. Alt. -, § 75 Satz 1 VwGO) statthaft und auch sonst zulässig. Über      Anträge    auf   Akteneinsicht    nach    Maßgabe      des    Akteneinsichts-   und Informationszugangsgesetzes entscheiden die betroffenen Behörden durch Verwaltungsakt, da sie mit der Stattgabe oder Ablehnung derartiger Anträge Regelungen zum (Nicht-)Bestehen eines solchen Rechts dem Grunde und mit Blick auf von Amts wegen zu beachtende -6-
5

-6- Ausschlussgründe unter Berücksichtigung etwaiger öffentlicher oder privater Interessen Anderer dem Umfang nach treffen. Richtige Klageart in Fällen der vorliegenden Art ist mithin die Verpflichtungsklage (vgl. zu § 4 Abs. 1 IFG NW VG Minden, Urteil vom 3. Mai 2007 - 7 K 1581/06 -, zitiert nach juris; anders: VG Potsdam, Urteil vom 13. November 2001 - 3 K 3376/00 -, LKV 2003, 149: Anfechtungs- und Leistungsklage; offen gelassen: VG Frankfurt [Oder], Gerichtsbescheid vom 13. Februar 2006 - 3 K 1455/98 -). Zwar war die am 18.   November    2003    erhobene     Klage    zunächst  nicht   zulässig,   weil über   den Akteneinsichtsantrag des Klägers noch nicht entschieden und folglich noch kein Vorverfahren nach § 68 Abs. 2, Abs. 1 Satz 1 VwGO durchgeführt worden war; indes hat der Beklagte bis heute keinen Verwaltungsakt zu dem am 27. Oktober 2003 bei ihm angebrachten Akteneinsichtsgesuch erlassen, ohne dass hierfür ein zureichender Grund gegeben wäre. Zumal sich der Beklagte während des anhängigen Klageverfahrens in der Sache zu dem Akteneinsichtsbegehren des Klägers verhalten hat, ist die Klage daher als Untätigkeitsklage unabhängig von dem Vorverfahrenserfordernis zulässig. b) Dem Kläger mangelt es nicht an einem (allgemeinen) Rechtsschutzbedürfnis für die Durchführung    des    Klageverfahrens.     Es   gibt  angesichts  der    aufrecht erhaltenen Verweigerungshaltung des Beklagten außer dem Klageverfahren keine andere rechtsstaatlich zulässige Möglichkeit, die Frage über das umstrittene Akteneinsichtsgesuch mit der Option einer anschließenden Vollstreckung verbindlich zu beantworten. Ein "besonderes" Rechtsschutzbedürfnis im Sinne des Beklagtenvorbringens wird schon mit Blick auf die der Akteneinsicht vermittels Art. 21 Abs. 4 BbgLV zukommende Funktion politischer Mitgestaltung weder vom Gesetz noch nach allgemeinen Prozessrechtserwägungen verlangt. Dies wird hinsichtlich der Akteneinsichtsgesuche nach dem AIG bereits dadurch belegt, dass im ursprünglichen Gesetzgebungsverfahren aus dem Entwurf der Landesregierung der Passus gestrichen wurde, mit dem der Anspruch auf Akteneinsicht von einem berechtigten Interesse abhängig gemacht werden sollte (s. hierzu Breidenbach/Palenda, Das neue Akteneinsichts- und Informationszugangsgesetz des Landes Brandenburg, LKV 1998, 252 [253] m.w.N.). Dies erhellt zudem aus dem Wortlaut von § 1 AIG, wonach es sich bei den Akteneinsichtsregelungen um solche "für einen unbeschränkten Personenkreis" handelt; ein Erfordernis der Darlegung besonderer Akteneinsichtsinteressen wäre hiermit nicht zu vereinbaren. -7-
6

-7- c) Schließlich steht der Zulässigkeit der Klage nicht entgegen, dass sich die Sache etwa erledigt haben könnte. Abgesehen davon, dass dem Schreiben des Beklagten vom 24. November 2003, wonach dem Akteneinsichtsgesuch wegen Arbeitsüberlastung nicht nachgekommen werden könne, nicht der Erklärungswert beigemessen werden kann, hier sei dem Grunde nach dem Akteneinsichtsgesuch entsprochen worden, ist die Akteneinsicht gerade angesichts der ablehnenden Haltung des Beklagten im Klageverfahren nach wie vor nicht erfolgt. Es fehlt daher an einem erledigenden Ereignis. 3. Die Klage hat auch in der Sache Erfolg. Die aufrecht erhaltene Weigerung des Beklagten, dem Kläger Einsicht in die umstrittenen Protokolle zu gewähren, ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten, da er einen entsprechenden Akteneinsichtsanspruch hat (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO). a) Das Akteneinsichts- und Informationszugangsgesetz ist entgegen der Rechtsauffassung des Beklagten auf ihn als einen Zweckverband ohne weiteres anwendbar. Denn nach § 2 Abs. 1 AIG besteht das Akteneinsichtsrecht gegenüber Behörden und Einrichtungen des Landes im Sinne des Dritten Abschnitts des Landesorganisationsgesetzes sowie gegenüber Gemeinden und Gemeindeverbänden. Nach § 5 Abs. 2 GKGBbg wiederum finden Vorschriften, die bestimmen, dass sie für Gemeindeverbände gelten, auf den Zweckverband entsprechende Anwendung, soweit sich aus ihnen oder aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt. Da weder im GKGBbg noch im AIG irgendwelche Vorschriften der danach schon vom Wortlaut her eindeutigen Anwendbarkeit des Akteneinsichtsrechts nach dem AIG auf den Zweckverband entgegen stehen (vgl. VG Minden a.a.O. zur entspr. Rechtslage in NW), geht der Hinweis der Beklagtenbevollmächtigten auf die Regelungen des Landesorganisationsgesetzes ins Leere. Sie übersehen, dass dort die neben den Gemeinden und Gemeindeverbänden betroffenen anderen Behörden und Einrichtungen des Landes genannt werden, auf die das AIG Anwendung findet. Sie irren auch, soweit sie zur Begründung der vermeintlich fehlenden Anwendbarkeit des AIG auf Zweckverbände die Änderung des § 5 Abs. 2 GKGBbg durch das Gesetz vom 7. April 1999 (GVBl. I S. 90) anführen, da die Aufhebung des früheren § 5 Abs. 2 - 1. Hs. - GKGBbg allein terminologische Gründe hatte und nichts an der grundsätzlichen Anwendbarkeit von Rechtsvorschriften auf Zweckverbände geändert hat, in denen der Begriff Gemeindeverband als Sammelbegriff verwendet wird (vgl. LT-Drs. 2/5822 S. 19). Dass ein Zweckverband kein Gemeindeverband ist - worauf die Beklagtenbevollmächtigten hinweisen -, steht außer Frage; wäre er ein solcher, bedürfte es nicht der gesetzlichen Anordnung einer -8-
7

-8- "entsprechenden" Anwendung der maßgeblichen Vorschriften. Ebenso neben der Sache liegt der mit einem Verweis auf §§ 18 Abs. 4 S. 1 GKGBbg, 103 Abs. 1 S. 1 GO verbundene Vortrag der Beklagtenbevollmächtigten, dass Zweckverbände nach rein wirtschaftlichen Grundsätzen geführt würden und daher in Bezug auf das Akteneinsichtsrecht Privaten gleichzustellen seien; sie verkennen, dass Zweckverbände stets dazu dienen, der Erfüllung der den Gemeinden und Gemeindeverbänden zustehenden oder obliegenden Aufgaben zu dienen (§ 4 Abs. 1 GKGBbg) und dass sogar in allen Fällen, in denen sich aktenführende Behörden zur Erledigung hoheitlicher Aufgaben Privater bedienen, das Akteneinsichtsrecht gegenüber den privaten Stellen besteht (§ 2 Abs. 4 AIG). Die Zweckverbände im Land Brandenburg unterliegen - bis zur Grenze des Rechtsmissbrauchs - nach alledem der mit dem Ziel politischer Mitgestaltung von Verfassungs wegen eingeführten Akteneinsicht durch Jedermann. b) Der Akteneinsichtsanspruch des Klägers beruht auf § 1 AIG. Danach hat jeder nach Maßgabe dieses Gesetzes das Recht auf Einsicht in Akten, soweit nicht überwiegende öffentliche oder private Interessen nach den §§ 4 und 5 entgegen stehen oder andere Rechtsvorschriften bereichsspezifische Regelungen für einen unbeschränkten Personenkreis enthalten. aa)    Für  die    Zweckverbände      gibt  es   keine    anderweitigen      bereichsspezifischen Rechtsvorschriften, wie die Beklagtenbevollmächtigten indes unter Verweis auf die im Abgabenverfahren       nach     Maßgabe     des    Kommunalabgabengesetzes           anwendbare Abgabenordnung in Verkennung der sich im vorliegenden Verfahren stellenden Rechtsfragen meinen. Der Kläger hat gerade nicht Akteneinsicht in dem - erweiterten - Steuergeheimnis unterfallende Vorgänge der unmittelbaren Abgabenerhebung (in einem oder mehreren konkreten Fällen) beantragt; weder geht es hier um eine oder mehrere konkrete Gebührenerhebungen i. S. v. § 4 KAGBbg noch um Vorgänge der Erhebung von Benutzungsgebühren i. S. v. § 6 KAGBbg, auf welche nach § 12 Abs. 1 KAGBbg die Vorschriften der Abgabenordnung, insbesondere § 30 AO, Anwendung finden. Auch geht es dem Kläger erkennbar nicht um Einsicht in ein laufendes Verfahren, so dass Akteneinsicht nur nach Maßgabe des anzuwendenden Verfahrensrechts gewährt werden dürfte (§ 2 Abs. 5 AIG), da alle hier relevanten Sitzungen längst erledigt sind. All dies liegt auf der Hand, zumal grundsätzlich weder in den öffentlichen Vorstandssitzungen noch in den öffentlichen Verbandsversammlungen des Beklagten solche Vorgänge behandelt werden; konkrete -9-
8

-9- Gebühren- bzw. Benutzungsgebührenvorgänge sind nahezu ausnahmslos Geschäfte der laufenden Verwaltung und dürften ggf. schon aus Gründen des Datenschutzes jedenfalls nicht öffentlich von den hier interessierenden Gremien behandelt werden. Soweit in der Verbandsversammlung oder im Vorstand allgemeine Grundsätze des Verwaltungshandelns beraten und hierüber Beschlüsse herbeigeführt werden, unterliegen sie offensichtlich nicht dem abgabenrechtlichen Steuergeheimnis und sind sie der Kontrolle im Rahmen des politischen Mitwirkungsanspruchs "für einen unbeschränkten Personenkreis" nach Art. 21 Abs. 4 BbgLV und § 1 AIG nach dem Willen des Landesverfassungsgebers grundsätzlich ohne weiteres zugänglich. bb) Dem Akteneinsichtsgesuch des Klägers stehen keine Ausschlussgründe nach §§ 4, 5 AIG entgegen. Zunächst hat der Beklagte keinerlei Tatsachen angegeben, die in einzelnen oder mehreren konkret benannten Sitzungen protokolliert sind und das Vorliegen eines Ausschlussgrundes begründen sollen. Insoweit ist angesichts der auch dem Gericht von Amts wegen unbekannten Inhalte der betroffenen Akten, in die der Kläger Einsicht nehmen will, zu berücksichtigen, dass der Beklagte nach den allgemeinen Rechtsgrundsätzen im Zweifelsfalle die Darlegungs- und ggf. Beweislast für solche Tatsachen trägt, die das grundsätzlich bestehende Akteneinsichtsrecht ausschließen sollen (vgl. insoweit zum Akteneinsichtsrecht nach dem UIG: VG Frankfurt [Main], Urteil vom 10. Mai 2006 - 7 E 2109/05 -, NVwZ 2006, 1321). Die Amtsermittlung des Gerichts setzt hier erst und nur dort ein, wenn von der Behörde konkrete Tatsachen angegeben werden, die im jeweiligen Einzelfall den Ausschluss des Akteneinsichtsrechts begründen sollen (vgl. allgemein BVerwG, Beschluss vom 4. September 2007 - 9 B 10.07 u. a. -, zitiert nach juris). Allein im Hinblick auf einen solchen eventuellen Vortrag des Beklagten hin hat das Gericht die umstrittenen Akten beim Beklagten angefordert, auf die sich das verwaltungsgerichtliche Akteneinsichtsrecht des Klägers nach § 100 Abs. 1 VwGO schon nach der Natur der Sache nicht erstreckt. Sodann ist auch unabhängig von durch den Beklagten in Bezug auf einzelne Protokollierungen konkret zu benennende Ausschlussgründe im vorliegenden Fall kein Ausschlussgrund ersichtlich. Es ist weder nachvollziehbar vorgetragen worden noch sonst erkennbar, dass der vom Kläger begehrten Akteneinsicht überwiegende öffentliche Interessen i. S. v. § 4 AIG entgegen stehen. - 10 -
9

- 10 - Die streitbetroffenen Vorstands- und Verbandsversammlungsprotokolle sind entgegen der offenkundig rechtsirrigen Auffassung der Beklagtenbevollmächtigten nicht zur Durchführung eines     Gerichtsverfahrens,     eines    strafrechtlichen    oder     disziplinarrechtlichen Ermittlungsverfahrens oder eines Bußgeldverfahrens erstellt worden oder dem Beklagten auf Grund eines solchen Verfahrens zugegangen und dienen dem Beklagten auch nicht zur - ihm gar nicht zustehenden - Aufsicht über eine andere Stelle, so dass § 4 Abs. 1 Nr. 5 AIG hier nicht einschlägig ist. Gleichfalls unergiebig ist der auf § 4 Abs. 2 Nr. 1 AIG abzielende Einwand der Beklagtenbevollmächtigten, der Inhalt der streitbetroffenen Protokolle beziehe sich auf den Prozess der Willensbildung innerhalb des Beklagten. Grundsätzlich dürften in Protokollen der hier betroffenen Art den behördlichen Willensbildungsprozess abbildende Inhalte durchaus enthalten sein können; konkrete Angaben hierzu hat der Beklagte indes nicht gemacht, so dass ein entsprechender - evt. partieller - Ausschlussgrund im vorliegenden Fall nicht erkannt werden kann. Keinesfalls aber kann der gesamte Inhalt derartiger Protokolle per se als Darstellung des behördlichen Willensbildungsprozesses angesehen werden. Zweck der Ausschlussregelung in § 4 Abs. 2 Nr. 1 AIG ist es, die interne Willensbildung insbesondere im behördlichen Bereich zu schützen, so dass nur die Beratungs- und Abwägungsvorgänge, d. h. der Beratungsprozess oder -verlauf selbst, nicht aber die den Beratungen zugrunde liegenden, bereits zuvor vorliegenden Sachinformationen, über die beraten wird (Beratungsgegenstand wie etwa die zur Entscheidung führenden Tatsachen), oder auch die Beratungsergebnisse (wie etwa Gutachten, die die tatsächlichen oder rechtlichen Entscheidungsgrundlagen zusammenstellen), vom Akteneinsichtsrecht ausgenommen sind (vgl. zum Bereich der Umweltinformationen: OVG NW, Urteil vom 5. September 2006 - 8 A 2190/04 -, GewArch 2006, 468; Fluck/Theuer, Informationsfreiheitsrecht, Teil A, § 7 UIG Rn. 50, 58; Reidt/Schiller, in: Landmann/ Rohmer, Umweltrecht, Teil II Nr. 3, § 8 UIG Rn. 21;. OVG SH., Urteil vom 15. September 1998 - 4 L 139/98 -, NVwZ 1999, 670; Schrader, in: Schomerus/Schrader/Wegener, UIG-Handkommentar, 2. Aufl. 2002, § 7 Rn. 9). Inwieweit durch die begehrte Akteneinsicht die ordnungsgemäße Erfüllung der Aufgaben des Beklagten beeinträchtigt würde (§ 4 Abs. 2 Nr. 4 AIG) erschließt sich schon im Ansatz nicht. Zuletzt ist weder nachvollziehbar vorgetragen worden noch sonst ersichtlich, dass der umstrittenen Akteneinsicht überwiegende private Interessen i. S. v. § 5 AIG entgegen stehen. Dass durch die vom Kläger begehrte Akteneinsicht Geschäftsgeheimnisse i. S. v. § 5 Abs. 1 Nr. 3 AIG preisgegeben werden könnten, haben die Beklagtenbevollmächtigten zwar - 11 -
10

Zur nächsten Seite

Das Projekt „Fragen und Antworten - Auskunftsrechte kennen und nutzen“ wird gefördert von: