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Information

Aktenzeichen
26 K 5324/06
Datum
20. April 2007
Gericht
Verwaltungsgericht Düsseldorf
Gesetz
Informationsfreiheitsgesetz Bund (IFG)
Informationsfreiheitsgesetz Bund (IFG)

Urteil: Verwaltungsgericht Düsseldorf am 20. April 2007

26 K 5324/06

Das Informationsfreiheitsgesetz wird als Anspruchsgrundlage für den Informationszugang eines Insolvenzverwalters gegenüber einem Träger der Sozialversicherung nicht durch die Vorschriften der Insolvenzverordnung, mit denen lediglich die Informationspflicht des Insolvenzschuldners gegenüber dem Insolvenzverwalter geregelt wird, verdrängt. Auch steht der Ausnahmetatbestand des Informationsfreiheitsgesetzes zum Schutz der wirtschaftlichen Interessen der Sozialversicherungen dem Zugang nicht entgegen. Auskünfte über die Beitragszahlungen des Insolvenzschuldners vermögen wirtschaftliche Interessen des Versicherungsträgers nicht zu beeinträchtigen. Dem Anspruch steht zudem nicht entgegen, dass der Kläger die Informationen auf dem Wege der Insolvenzanfechtung mit dem Ziel der Rückzahlung von Sozialversicherungsbeträgen nutzen kann. (Quelle: LDA Brandenburg)

Anwendungsbereich/ Zuständigkeit Konkurrierende Rechtsvorschriften Antragsberechtigung Prozessuales

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Verwaltungsgericht Düsseldorf, 26 K 5324/06                                       Seite 1 von 6 Verwaltungsgericht Düsseldorf, 26 K 5324/06 Datum:                   20.04.2007 Gericht:                 Verwaltungsgericht Düsseldorf Spruchkörper:            26. Kammer Entscheidungsart:        Urteil Aktenzeichen:            26 K 5324/06 Tenor:                   Die Beklagte wird unter Aufhebung ihres Bescheides vom 26. April 2006 und ihres Widerspruchsbescheides vom 7. September 2006 verpflichtet, dem Kläger unter Vorlage von geeigneten Nachweisen, insbesondere Kontoauszügen, Auskunft darüber zu erteilen, a. ob und in welcher Höhe die Beklagte unter der Betriebsnummer 00000000 Zahlungen der D GmbH (im Folgenden: D) bzw. der D1 AG bzw. der D2 Personalbüro nach dem 29. Januar 2002 erhalten hat, b. welche Vollstreckungsmaßnahmen die Beklagte gegen die D bzw. die D1 AG bzw. die D2 Personalbüro ergriffen hat und c. wann die Beklagte von der Zahlungsunfähigkeit der D und dem Insolvenzantrag der B- Kasse I vom 25. April 2002 erfahren hat. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens. Die Kostenentscheidung ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar. Tatbestand:                                                                                  1 Durch Beschluss des Amtsgerichts I1 vom 1. Dezember 2002 - 00 IN 000/02 - wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen der D GmbH, weiterer Name: 2 TGmbH, mit Sitz in H eröffnet und der Kläger wurde zum Insolvenzverwalter bestellt. In der Folgezeit verklagte der Kläger die Beklagte im Wege der                               3 Insolvenzanfechtung auf Rückzahlung von Sozialversicherungsbeiträgen und damit verbunden auf Auskunft, um Anfechtungs- und Rückzahlungsansprüche nach der Insolvenzordnung begründen bzw. überhaupt formulieren zu können. Im Verlaufe dieses Rechtsstreites wandte sich der Kläger mit Schriftsatz vom 28. März 2006 an die Beklagte und machte geltend, dass sich der im Zivilrechtswege verfolgte Auskunftsanspruch seit dem 1. Januar 2006 außerdem aus dem Informationsfreiheitsgesetz des Bundes ergebe. Diesen Antrag lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 26. April 2006, zur Post gegeben am 28. April 2006 und ausweislich des Eingangsstempels der Prozessbevollmächtigten des Klägers dort am 3. Mai 2006 eingegangen, ab. Zur Begründung führte sie im Wesentlichen aus: Ein Anspruch auf die begehrten Auskünfte bestehe nicht. Die Auskunftsansprüche des Insolvenzverwalters seien in der Insolvenzordnung abschließend geregelt. Die Insolvenzordnung stelle damit das speziellere Gesetz i.S. des § 1 Abs. 3 IFG dar. http://www.justiz.nrw.de/nrwe/ovgs/vg_duesseldorf/j2007/26_K_5324_06urteil20070... 30.10.2008
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Verwaltungsgericht Düsseldorf, 26 K 5324/06                                        Seite 2 von 6 Den hiergegen am 6. Juni 2006 eingelegten Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 7. September 2006 unter Wiederholung der Gründe                      4 ihres Bescheides vom 26. April 2006 zurück. Der Kläger hat am 5. Oktober 2006 die vorliegende Klage erhoben, zu deren                     5 Begründung er im Wesentlichen geltend macht: Er verlange als Insolvenzverwalter Auskunft darüber, ob die Beklagte anfechtbare Zahlungen der Insolvenzschuldnerin bzw. zweier weiterer mit ihr verbundener Unternehmen erhalten habe. Mit der Insolvenzschuldnerin seien die Firmen D2 Personalbüro und D1 AG eng verbunden gewesen. Die Insolvenzschuldnerin habe die D1 AG als Zahlstelle beauftragt gehabt, die Rückstände der Insolvenzschuldnerin bei verschiedenen Sozialversicherungsträgern zu begleichen. Die D2 Personalbüro sei direkte Rechtsvorgängerin der Insolvenzschuldnerin gewesen. Der bereits am 4. November 2004 gestützt auf § 242 BGB gegenüber der Beklagten geltend gemachte Auskunftsanspruch sei in II. Instanz vom OLG Düsseldorf mit rechtskräftigem Urteil vom 18. Mai 2006 abgewiesen worden, wobei zur informationsrechtlichen Anspruchsgrundlage ausgeführt worden sei, dass er solche Ansprüche nicht im Zivilrechtswege verfolgen könne. - Für den mit Schriftsatz vom 28. März 2006 bei der Beklagten förmlich gestellten Antrag gem. § 7 IFG sei der Verwaltungsrechtsweg gegeben. Das gemäß § 9 Abs. 4 IFG vorgeschriebene Widerspruchsverfahren sei durchgeführt. § 1 Abs. 1 IFG gewähre einen prinzipiell voraussetzungslosen Anspruch auf Informationsgewährung. Die Beklagte sei als Bundesbehörde taugliche Anspruchsgegnerin. Unstreitig dürfte sein, dass die Beklagte Aufgaben der öffentlichen Verwaltung übernehme. Dass Sozialversicherungsträger in den Anwendungsbereich des IFG fielen, folge letztlich auch aus der ausdrücklichen Erwähnung des § 25 SGB X in § 1 Abs. 3 IFG. Eine den Anspruch verdrängende spezialgesetzliche Rechtsgrundlage i.S. des § 1 Abs. 3 IFG sei nicht ersichtlich. Auskunftsansprüche nach der Insolvenzordnung könnten den allgemeinen Informationsgewährungsanspruch schon deshalb nicht verdrängen, weil sie keinen Zugang zu amtlichen Informationen gewährten. §§ 97 f. Insolvenzordnung gewährten nur Ansprüche gegen den Insolvenzschuldner, mithin gegen eine Person des Privatrechts, nicht aber gegen Anfechtungsgegner bzw. Gläubiger. Deshalb seien diese Regelungen auch nicht abschließend. Zivilrechtlich sei lediglich rechtskräftig entschieden, dass der vorliegend geltend gemachte Anspruch nicht auf dem Zivilrechtsweg verfolgt werden könne, nicht aber, dass er überhaupt nicht bestehe. Im Übrigen sei die jetzt im Klageverfahren erfolgte Berufung auf eine entgegenstehende Rechtskraft rechtsmissbräuchlich, nachdem das Verwaltungsverfahren ohne Berufung hierauf durchgeführt worden sei. Schließlich sei im Zivilverfahren § 242 BGB vorrangige Anspruchsgrundlage gewesen, so dass dort auch ein anderer Streitgegenstand vorgelegen habe. § 3 Nr. 6 IFG stehe dem geltend gemachten Anspruch nicht entgegen. Vorliegend könne nämlich von einer Ausforschung durch Wettbewerber, die verhindert werden solle, keine Rede seien. Er verlange lediglich punktuelle Auskünfte über Beitragszahlungen und Vollstreckungshandlungen, die für keinen Dritten von Interesse sein dürften. Der Kläger beantragt,                                                                         6 die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides der Beklagten vom 26. April 2006 in               7 der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 7. September 2006 zu verpflichten, unter Vorlage von geeigneten Nachweisen, insbesondere Kontoauszügen, Auskunft darüber zu erteilen, a. ob und in welcher Höhe die C1kasse unter der Betriebsnummer 00000000 Zahlungen der D GmbH (im Folgenden: D) bzw. der D1 AG bzw. der D2                             8 Personalbüro nach dem 29. Januar 2002 erhielt, b. welche Vollstreckungsmaßnahmen die C1kasse gegen die D bzw. die D1 AG                      9 http://www.justiz.nrw.de/nrwe/ovgs/vg_duesseldorf/j2007/26_K_5324_06urteil20070... 30.10.2008
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Verwaltungsgericht Düsseldorf, 26 K 5324/06                                       Seite 3 von 6 bzw. die D2 Personalbüro ergriff und c. wann die Ckasse von der Zahlungsunfähigkeit der D oder dem Insolvenzantrag 10 der B-Kasse I vom 25. April 2002 erfuhr, hilfsweise,                                                                                 11 Einsicht in die bei der Ckasse im Namen der D bzw. der D1 AG bzw. der D2 Personalbüro geführten Arbeitgeberkonten der Betriebsnummern 00000000,                      12 00000000 zu gewähren. Die Beklagte beantragt,                                                                     13 die Klage abzuweisen.                                                                       14 Zur Begründung führt sie ergänzend zu den Gründen der mit der vorliegenden                  15 Klage angegriffenen Verwaltungsentscheidungen im Wesentlichen aus: Der vorliegend in Rede stehende Auskunftsanspruch sei bereits Gegenstand eines rechtskräftigen Urteils des OLG Düsseldorf vom 18. Mai 2006, mit dem die Klage des Klägers abgewiesen worden sei. Auch wenn das Oberlandesgericht ausgeführt habe, dass Ansprüche nach dem IFG nicht vor den Zivilgerichten zu verfolgen seien, so sei das Verwaltungsgericht doch an die rechtskräftige Entscheidung des Oberlandesgerichts gebunden. Jedenfalls seien die Auskunftsansprüche nach § 1 Abs. 3 IFG ausgeschlossen. Im Übrigen stehe auch § 3 Nr. 6 IFG dem Auskunftsanspruch des Klägers entgegen. Nach der Begründung des Gesetzgebers zu dieser Vorschrift würden durch diese u.a. die bei den Sozialversicherungen vorhandenen anonymisierten Leistungs- und Abrechnungsdaten sowie Mitglieder-, Vertrags- und Finanzdaten geschützt. Vertragspartner, Konkurrenten oder beispielsweise Leistungserbringer sollten keine Kenntnis von wettbewerbserheblichen oder sonstigen Daten erlangen können, die geeignet seien, die wirtschaftliche Leistungserbringung der Krankenkassen zu beeinträchtigen. Auskunftsansprüche der vorliegenden Art würden aber den Wettbewerb unter den Kassen beeinflussen, insbesondere zwischen denjenigen, die dem IFG unterlägen und denjenigen, die das nicht täten. Wegen des weiteren Vorbringens der Verfahrensbeteiligten und des Sachverhaltes im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und des beigezogenen                        16 Verwaltungsvorganges der Beklagten ergänzend Bezug genommen. Entscheidungsgründe:                                                                        17 Die Klage ist zulässig.                                                                     18 Der Verwaltungsrechtsweg ist gegeben, weil es sich um eine öffentlich-rechtliche            19 Streitigkeit nicht verfassungsrechtlicher Art handelt, die nicht durch Bundesgesetz einem anderen Gericht ausdrücklich zugewiesen ist (§ 40 Abs. 1 S. 1 VwGO). Öffentlich-rechtlich ist eine Streitigkeit dann, wenn der in Rede stehende Sachverhalt nach öffentlichem Recht zu beurteilen ist. Öffentliches Recht ist dabei die Gesamtheit jener Rechtssätze, bei denen zumindest ein Zuordnungssubjekt ausschließlich der Staat oder eine seiner Untergliederungen ist. Dies ist bei den Bestimmungen des IFG der Fall, weil § 1 Abs. 1 IFG allein eine einseitige Verpflichtung von Trägern staatlicher Gewalt begründet. Im Übrigen wird dies bestätigt durch § 10 IFG, wenn dort von der Gebührenerhebung für Amtshandlungen nach diesem Gesetz die Rede ist. Das IFG berechtigt und verpflichtet mithin ausschließlich Träger öffentlicher Gewalt. Die vorliegende Streitigkeit ist schließlich auch nicht durch Bundesgesetz einem anderen Gericht ausdrücklich zugewiesen. Auch wenn es sich bei den vom Kläger begehrten Daten um solche einer gesetzlichen Krankenversicherung handelt, handelt es sich gleichwohl nicht um eine Angelegenheit der gesetzlichen Krankenversicherung i.S. des § 51 Abs. 1 Nr. 2 SGG, da nach der Wertung des Gesetzgebers des IFG die Frage der Auskunftsgewährung losgelöst von dem sachlichen Gegenstand der Verwaltungstätigkeit zu sehen ist. Dies folgt zunächst daraus, dass § 1 Abs. 3 IFG http://www.justiz.nrw.de/nrwe/ovgs/vg_duesseldorf/j2007/26_K_5324_06urteil20070... 30.10.2008
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Verwaltungsgericht Düsseldorf, 26 K 5324/06                                       Seite 4 von 6 ausdrücklich anordnet, dass die in § 25 SGB X getroffene Regelung über die Akteneinsicht gegenüber dem IFG nicht vorrangig ist und zum anderen Sozialversicherungen auf Grund ihrer Benennung in § 3 Nr. 6 IFG ausdrücklich als mögliche Auskunftsstellen bezeichnet sind. Dass zudem § 9 Abs. 4 IFG für alle auskunftsverpflichteten Stellen gleichförmig die Durchführung eines Widerspruchsverfahrens nach den Vorschriften des 8. Abschnitts der VwGO vorschreibt, lässt nur den Schluss zu, dass der Gesetzgeber sämtliche Streitigkeiten nach dem IFG ohne Rücksicht auf den sachlichen Tätigkeitsbereich der auskunftsverpflichteten Behörde der Überprüfung im Verwaltungsrechtsweg unterstellen wollte. Dem Ergehen der vom Kläger begehrten Entscheidung steht schließlich auch nicht die Rechtskraft des zwischen den Verfahrensbeteiligten ergangenen Urteils des OLG Düsseldorf vom 18. Mai 2006 entgegen. Nur wenn der Streitgegenstand des früheren rechtskräftig entschiedenen Prozesses mit dem Streitgegenstand des nunmehr zur Entscheidung stehenden Verfahrens identisch ist, ist die Klage ohne Sachprüfung wegen entgegenstehender Rechtskraft als unzulässig abzuweisen                   20 (vgl. §§ 322, 325 ZPO, 121 VwGO). Insbesondere bei klageabweisenden Urteilen sind dabei zur Bestimmung des sachlichen Umfangs der materiellen Rechtskraft immer auch der Tatbestand und die Entscheidungsgründe des Urteils heranzuziehen, unter Umständen auch die Rechtsvorschriften, auf Grund derer die Entscheidung ergangen ist. Vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 14. Auflage 2005, § 121 Rdn. 18.                                   21 Nach dem herrschenden sog. zweigliedrigen Streitgegenstandsbegriff bestimmt sich der Streitgegenstand eines Verfahrens durch den Klageantrag und den                    22 Klagegrund. Vgl. Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 16. Februar 1990 - 9 B 325/89 -,               23 NVwZ 1990, S. 1069. Vorliegend ist zwar der Klagegrund, d.h. der tatsächliche Lebenssachverhalt, aus dem der Kläger die begehrte Rechtsfolge herleitet, mit demjenigen des zivilgerichtlichen Verfahrens identisch. Dies gilt jedoch nicht für den geltend gemachten Klageanspruch, da im zivilgerichtlichen Verfahren ein reiner Leistungsanspruch geltend gemacht wurde, während vorliegend die Verpflichtung der Beklagten zum Erlass eines den Kläger begünstigenden Verwaltungsaktes im Streit ist. Denn nach der in § 9 IFG getroffenen Regelung erfolgt die 24 Informationserteilung nicht durch bloße Leistung der Verwaltung; vielmehr wird über die Leistungsgewährung zuvor durch Verwaltungsakt entschieden mit der Folge, dass im Falle des Ergehens einer ablehnenden Entscheidung nicht die Leistungsklage, sondern - nach Durchführung des vorgeschriebenen Vorverfahrens - die Verpflichtungsklage die richtige Klageart ist. Damit ist das vorliegend in Rede stehende Begehren des Klägers aber im Verhältnis zu demjenigen des zivilgerichtlichen Verfahrens auf ein Aliud gerichtet. Vgl. Kopp/Schenke, a.a.O., § 90 Rdn. 7, wonach für den Begriff und die                      25 Abgrenzung des Streitgegenstandes immer auch die Rechtsschutzform wesentlich ist; vgl. ferner Eyermann, Verwaltungsgerichtsordnung, 12. Auflage 2006, § 121 Rdn. 28: Danach bezieht sich die Entscheidung über die Verpflichtungsklage nicht bloß auf die begehrte Rechtsfolge, sondern stets auch auf die Anspruchsgrundlage (Ermächtigungsgrundlage). Die nach alledem zulässige Klage ist auch begründet.                                        26 Die Ablehnung der Beklagten, dem Kläger auf seinen Antrag vom 28. März 2006                 27 die begehrten Auskünfte zu erteilen, ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 5 S. 1 VwGO). Der Kläger hat einen Anspruch auf die begehrten Auskünfte aus § 1 Abs. 1 S. 1 http://www.justiz.nrw.de/nrwe/ovgs/vg_duesseldorf/j2007/26_K_5324_06urteil20070... 30.10.2008
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Verwaltungsgericht Düsseldorf, 26 K 5324/06                                       Seite 5 von 6 IFG. Nach dieser Vorschrift hat jeder nach Maßgabe des IFG gegenüber den 28 Behörden des Bundes einen Anspruch auf Zugang zu amtlichen Informationen. Der Kläger ist zunächst „Jeder" i.S. dieser Bestimmung. Die Zuordnung zu diesem             29 Begriff ist nicht dadurch in Frage gestellt, dass der Kläger vorliegend in seiner Eigenschaft als bestellter Insolvenzverwalter klagt. Da der Gesetzgeber den Kreis der Informationsberechtigten möglichst weit fassen wollte, um die effektive Wahrnehmung von Bürgerrechten zu ermöglichen, Beteiligungsrechte zu stärken und die demokratische Meinungs- und Willensbildung zu fördern und damit das Verhältnis der Bürger zum Staat regeln wollte, vgl. Berger/Roth/Scheel, Informationsfreiheitsgesetz 1. Auflage 2006, § 1 Rdn. 22,          30 ist allein entscheidend, dass der Kläger in seiner Eigenschaft als                          31 Insolvenzverwalter ungeachtet seiner Bestellung durch ein Gericht jedenfalls nicht dem Bereich des Staates und seiner Einrichtungen zuzuordnen ist, da er über keinerlei hoheitliche Befugnisse verfügt. Die Beklagte ist schließlich auch Behörde i.S. des § 1 Abs. 1 S. 1 IFG. Denn gemäß Artikel 87 Abs. 2 S. 1 GG werden als bundesunmittelbare Körperschaften des öffentlichen Rechts diejenigen sozialen Versicherungsträger geführt, deren              32 Zuständigkeitsbereich sich - wie derjenige der Beklagten, die bundesweit tätig ist - über das Gebiet eines Landes hinaus erstreckt. Vgl. auch Berger/Roth/Scheel, a.a.O., § 1 Rdn. 41.                                          33 Der danach grundsätzlich bestehende Informationsanspruch des Klägers ist nicht durch vorgehende Regelungen in anderen Rechtsvorschriften über den Zugang zu amtlichen Informationen i.S. des § 1 Abs. 3 IFG ausgeschlossen. Dies gilt                   34 zunächst hinsichtlich § 242 BGB, da diese Vorschrift nicht auf die Regelung von Auskunftsansprüchen gegenüber Behörden zielt. Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 19.06.2002 - 21 B 589/02 - NVwZ 2002, S. 441                    35 (443). Aber auch die Vorschriften der Insolvenzordnung über Auskunftsansprüche sind keine abschließenden Spezialregelungen i.S. der genannten Bestimmung. Die insoweit allein in Betracht kommende Vorschrift des § 97 Insolvenzordnung begründet ausschließlich eine Auskunftsverpflichtung des Schuldners gegenüber 36 dem Insolvenzgericht, dem Insolvenzverwalter, dem Gläubigerausschuss und ggf. gegenüber der Gläubigerversammlung. Hieraus kann aber nicht geschlossen werden, dass der Insolvenzverwalter gegenüber weiteren Personen/Stellen mit Auskunftsansprüchen von vornherein ausgeschlossen ist. Die in § 1 Abs. 3 IFG vorgesehene verdrängende Spezialität kommt nur dort in                37 Betracht, wo zwei Normen den selben Sachverhalt regeln; sie müssen also die gleichen Anliegen verfolgen und oder identische Zielgruppen erfassen. Das ist nur dann anzunehmen, wenn ein umfassender Informationsanspruch dem Schutzzweck des Spezialgesetzes zuwider laufen würde. Lässt sich derartiges nicht feststellen, gelangt der Anspruch aus § 1 Abs. 1 IFG zur Anwendung. Vgl. zum IFG NRW: OVG NRW, Beschluss vom 31. Januar 2005 - 21 E 1487/04 -, 38 S. 5 des amtlichen Umdrucks. 39 Die vorgenannte Regelung der Insolvenzordnung hat ersichtlich nur zum Gegenstand zu verhindern, dass der Insolvenzschuldner durch sein Schweigen die Arbeit des Insolvenzverwalters und der weiteren genannten Personen bzw. Gremien unnötig erschwert und Gläubigeransprüche über das bereits vorhandene Maß hinaus weiter gefährdet werden. Dieser Schutzzweck des § 97 Insolvenzordnung wird jedoch durch den vorliegend geltend gemachten Anspruch nach dem IFG nicht beeinträchtigt; vielmehr ist gerade das Gegenteil der Fall, weil durch die begehrte Auskunft sowohl die Tätigkeit des Insolvenzverwalters als auch http://www.justiz.nrw.de/nrwe/ovgs/vg_duesseldorf/j2007/26_K_5324_06urteil20070... 30.10.2008
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Verwaltungsgericht Düsseldorf, 26 K 5324/06                                       Seite 6 von 6 die Durchsetzung eventueller Ansprüche der Gläubiger vereinfacht bzw. erleichtert werden. Dem Anspruch auf Informationszugang steht auch nicht § 3 Nr. 6 IFG entgegen. Nach dieser Vorschrift besteht der Anspruch auf Informationszugang nicht, wenn das Bekanntwerden der Information geeignet wäre ... wirtschaftliche Interessen der Sozialversicherungen zu beeinträchtigen. Ziel der Vorschrift ist die Verhinderung 40 der strukturellen Ausforschung der gesetzlichen Krankenkassen durch Konkurrenten wie z.B. andere Krankenkassen oder Pharmahersteller durch etwa Einsicht in Versorgungsverträge mit Leistungserbringern, kassenintern entwickelte Hausarztmodelle und zusammengefasste Daten ohne Personenbezug. Vgl. Schmitz/Jastrow, Das Informationsfreiheitsgesetz des Bundes, NVwZ 2005, S.             41 984 (992); Rossi, Informationsfreiheitsgesetz, 1. Auflage 2006, § 3 Rdn. 59. Vorliegend begehrt der Kläger von der Beklagten aber nicht die Preisgabe von auch nur im Ansatz wettbewerbserheblichen Daten im vorgenannten Sinne, die geeignet wären, die wirtschaftliche Leistungserbringung der Krankenkasse im Falle ihrer Offenbarung zu beeinträchtigen. Die von dem Kläger begehrten Auskünfte betreffen vielmehr nur Beitragszahlungen der Insolvenzschuldnerin und mit ihr verbundener Firmen bzw. Vollstreckungsmaßnahmen der Beklagten hinsichtlich einer im Verhältnis zur Gesamtzahl der Mitglieder der Beklagten nicht im Geringsten ins Gewicht fallenden Zahl bei der Beklagten krankenversicherter Mitarbeiter der Insolvenzschuldnerin. Inwieweit hierdurch wirtschaftliche Interessen der Beklagten auch nur im Ansatz beeinträchtigt sein könnten, ist von dieser weder          42 substantiiert vorgetragen noch sonst ersichtlich. Das Interesse, sich nach Erteilung der begehrten Auskunft nicht ggf. der insolvenzgerichtlichen Überprüfung bestimmter Zahlungs- bzw. Vollstreckungsvorgänge stellen zu müssen, kann schutzwürdige wirtschaftliche Interessen einer in besonderem Maße an Recht und Gesetz gebundenen Körperschaft des öffentlichen Rechts von vornherein nicht beeinträchtigen. Daher steht dem vorliegend geltend gemachten Anspruch auch nicht entgegen, dass der Kläger die erteilten Informationen je nach deren Inhalt dazu nutzen kann, die Beklagte im Wege der Insolvenzanfechtung auf die Rückzahlung von Sozialversicherungsbeiträgen in Anspruch zu nehmen. Nach alledem war der Klage vollumfänglich im Hauptantrag stattzugeben, so dass              43 sich Ausführungen zum Hilfsantrag erübrigen. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO, die Entscheidung über die 44 Vollstreckbarkeit aus §§ 167 VwGO, 709 ZPO. 45 http://www.justiz.nrw.de/nrwe/ovgs/vg_duesseldorf/j2007/26_K_5324_06urteil20070... 30.10.2008
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