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Aktenzeichen
T-237/02
Datum
14. Dezember 2006
Gericht
Gericht der Europäischen Union
Gesetz
Verordnung (EG) Nr. 1049/2001 (Transparenzverordnung)
Verordnung (EG) Nr. 1049/2001 (Transparenzverordnung)

Urteil: Gericht der Europäischen Union am 14. Dezember 2006

T-237/02

Der Streithelfer kann zwar andere Argumente als die Partei, die er unterstützt, anführen, aber diese dürfen den Rahmen des Rechtsstreits nicht verändern und müssen die gestellten Anträge stützten. Das europäische Organ hat in dem Fall, in dem Dokumente durch eine Ausnahme geschützt sein könnten, zunächst zu prüfen, ob der Zugang zu dem Dokument das geschützte Interesse tatsächlich konkret verletzt und in den einschlägigen Varianten ein höherrangiges öffentliches Interesse an der Verbreitung des Dokuments besteht. Zudem muss die Gefahr einer Beeinträchtigung eines geschützten Interesses absehbar und nicht nur rein hypothetisch sein. (Quelle: LDA Brandenburg)

Interessenabwägung Ablehnungsbegründung

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Seite 1 von 15 WICHTIGER RECHTLICHER HINWEIS: Für die Angaben auf dieser Website besteht Haftungsausschluss und Urheberrechtsschutz. URTEIL DES GERICHTS (Fünfte Kammer) 14. Dezember 2006(*) „Zugang zu Dokumenten – Verordnung (EG) Nr. 1049/2001 – Verfahren zur Kontrolle staatlicher Beihilfen – Ausnahme zum Schutz des Zwecks von Untersuchungstätigkeiten – Stillschweigende Verweigerung – Pflicht zur Vornahme einer konkreten und individuellen Prüfung − Streithilfe – Anträge, Angriffs- und Verteidigungsmittel und Argumente des Streithelfers“ In der Rechtssache T-237/02 Technische       Glaswerke        Ilmenau     GmbH      mit    Sitz in    Ilmenau      (Deutschland), Prozessbevollmächtigte: zunächst Rechtsanwälte G. Schohe und C. Arhold, dann Rechtsanwälte C. Arhold und N. Wimmer, Klägerin, unterstützt durch Königreich Schweden, vertreten durch A. Kruse und K. Wistrand als Bevollmächtigte, und durch Republik Finnland, vertreten durch T. Pynnä als Bevollmächtigte, Streithelfer, gegen Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch V. Kreuschitz, V. Di Bucci und P. Aalto als Bevollmächtigte, Beklagte, unterstützt durch Schott Glas mit Sitz in Mainz (Deutschland), Prozessbevollmächtigter: Rechtsanwalt U. Soltész, Streithelferin, betreffend einen Antrag auf Nichtigerklärung der Entscheidung der Kommission vom 28. Mai 2002, mit der der Klägerin der Zugang zu Dokumenten verweigert wurde, die Verfahren zur Kontrolle staatlicher Beihilfen betreffen, erlässt DAS GERICHT ERSTER INSTANZ DER EUROPÄISCHEN GEMEINSCHAFTEN (Fünfte Kammer) unter Mitwirkung des Präsidenten M. Vilaras sowie der Richter F. Dehousse und D. Šváby, Kanzler: K. Andová, Verwaltungsrätin, aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 15. Juni 2006, folgendes http://curia.europa.eu/jurisp/cgi-bin/gettext.pl?where=&lang=de&num=79938785T19... 21.10.2010
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Seite 2 von 15 Urteil Sachverhalt und Verfahren 1       Die Technische Glaswerke Ilmenau GmbH ist eine deutsche Gesellschaft mit Sitz in Ilmenau im Freistaat Thüringen. Sie wurde 1994 mit dem Ziel gegründet, vier der zwölf Produktionslinien (Schmelzwannen) für die Herstellung von Glas der früheren Ilmenauer Glaswerke GmbH zu übernehmen, die von der Treuhandanstalt (der späteren Bundesanstalt für vereinigungsbedingte Sonderaufgaben, im Folgenden: BvS) in Liquidation überführt worden war. 2       Mit Schreiben vom 1. Dezember 1998 notifizierte die Bundesrepublik Deutschland der Kommission verschiedene Maßnahmen zur finanziellen Konsolidierung der Klägerin, darunter einen teilweisen Verzicht der BvS auf die Zahlung des Kaufpreises für die Schmelzwannen und ein vom Freistaat Thüringen über die landeseigene Thüringer Aufbaubank (im Folgenden: TAB) gewährtes Darlehen. 3       Mit Schreiben SG (2000) D/102831 vom 4. April 2000 eröffnete die Kommission in Bezug auf den Zahlungsverzicht und das Darlehen der TAB ein förmliches Prüfverfahren nach Artikel 88 Absatz 2 EG, das unter dem Aktenzeichen C 19/2000 geführt wurde. 4       Im Rahmen des förmlichen Prüfverfahrens erhielt die Kommission zusätzlichen Informationen von der Bundesrepublik Deutschland sowie eine Stellungnahme der Firma Schott Glas, einer Konkurrentin der Klägerin. 5       Am 12. Juni 2001 erließ die Kommission die Entscheidung 2002/185/EG über die staatliche Beihilfe Deutschlands zugunsten der Technischen Glaswerke Ilmenau GmbH (ABl. 2002, L 62, S. 30), in der sie ihre Beurteilung auf den Zahlungsverzicht beschränkte. Sie befand, dass diese Maßnahme nicht dem Verhalten eines privaten Investors entspreche und eine mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbare staatliche Beihilfe darstelle. 6       Mit Schreiben vom 3. Juli 2001 eröffnete die Kommission ein zweites förmliches Prüfverfahren nach Artikel 88 Absatz 2 EG, das unter dem Aktenzeichen C 44/2001 geführt wurde. Gegenstand dieses Verfahrens waren die Prüfung des Aufschubs der Zahlung des Restkaufpreises für die Schmelzwannen, die Umwandlung der für diese Zahlung gestellten Bankbürgschaft und das Darlehen der TAB. 7       Mit am 28. August 2001 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangener Klageschrift erhob die Klägerin Klage auf Nichtigerklärung der Entscheidung der Kommission vom 12. Juni 2001 (Rechtssache T-198/01). 8       Mit Schreiben vom 24. Oktober 2001 nahm die Klägerin im Rahmen des zweiten förmlichen Prüfverfahrens Stellung und beantragte bei der Kommission, ihr Einsicht in eine nicht vertrauliche Fassung der Akten zu gewähren und ihr anschließend erneut Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Dieser Antrag wurde von der Kommission mit Schreiben vom 23. November 2001 abgelehnt. 9       Mit Schreiben vom 1. März 2002 beantragte die Klägerin auf der Grundlage der Verordnung (EG) Nr. 1049/2001 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 30. Mai 2001 über den Zugang der Öffentlichkeit zu Dokumenten des Europäischen Parlaments, des Rates und der Kommission (ABl. L 145, S. 43) Zugang zu folgenden Dokumenten: –      „alle Dokumente in den Akten der Kommission in allen [ihr] Unternehmen … betreffenden Beihilfen und insbesondere in der Beihilfensache C-44/2001;“ –      „alle Dokumente in den Akten der Kommission, die staatliche Beihilfen zugunsten des Unternehmens Schott Glas, Jena, Deutschland, Inhaber: Carl-Zeiss-Stiftung, Hessenweg 18, D-89522 Heidenheim a. d. Brenz betreffen, jeweils mit Ausnahme von Geschäftsgeheimnissen anderer Unternehmen.“ 10      Mit Schreiben vom 27. März 2002 lehnte die Kommission den Antrag auf Zugang unter Hinweis u. a. darauf ab, dass die angeforderten Dokumente unter die Ausnahme nach Artikel 4 Absatz 2 der http://curia.europa.eu/jurisp/cgi-bin/gettext.pl?where=&lang=de&num=79938785T19... 21.10.2010
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Seite 3 von 15 Verordnung Nr. 1049/2001 fielen, der u. a. vorsehe, dass der Zugang zu einem Dokument verweigert werde, wenn durch dessen Verbreitung der Zweck von Inspektions-, Untersuchungs- und Audittätigkeiten beeinträchtigt würde, es sei denn, es bestehe ein überwiegendes öffentliches Interesse an der Verbreitung. Die Kommission verwies ferner darauf, dass die die Klägerin betreffenden „Dokumente … Teil des laufenden förmlichen Prüfverfahrens C 44/2001 sind“. 11      Mit Schreiben vom 15. April 2002 richtete die Klägerin an das Generalsekretariat der Kommission einen Zweitantrag auf Zugang nach Artikel 7 Absatz 2 der Verordnung Nr. 1049/2001. 12      Mit Schreiben vom 28. Mai 2002 lehnte der Generalsekretär der Kommission diesen Antrag mit folgenden Ausführungen ab (im Folgenden: Entscheidung): „… vielen Dank für Ihr Schreiben vom 15. April 2002, das am selben Tag bei uns eingetragen wurde. Sie ersuchten mich darin, Ihren Antrag auf Zugang zu folgenden Dokumenten neuerlich zu prüfen: die Dokumente über die staatliche Beihilfe an die Technische Glaswerke Ilmenau …, die Dokumente über eine mögliche staatliche Beihilfe an Schott Glas. Der erste Teil Ihres Antrags betrifft den Briefwechsel zwischen den deutschen Behörden und der Generaldirektion [GD] Wettbewerb der Kommission sowie Bemerkungen des Begünstigten der Beihilfe, [Technische Glaswerke Ilmenau], und eines Konkurrenten, Schott Glas. Der zweite Teil Ihres Antrags betrifft eine Voranmeldung unter dem multisektoralen Rahmen für neue wichtige Investitionsvorhaben der Schott Glas in den neuen Bundesländern. Nach Prüfung Ihres Antrags muss ich leider die Ablehnung der GD Wettbewerb bestätigen, da durch eine Verbreitung dieser Dokumente der Schutz des Zwecks von Inspektions- und Untersuchungstätigkeiten beeinträchtigt werden könnte. Diese Ausnahme zum Recht auf Zugang zu Dokumenten ist ausdrücklich in Artikel 4 Absatz 2 dritter Anstrich der Verordnung Nr. 1049/2001 vorgesehen. Im Rahmen der laufenden Untersuchungen über die Vereinbarkeit einer staatlichen Beihilfe mit dem Gemeinsamen Markt sind eine loyale Zusammenarbeit und gegenseitiges Vertrauen zwischen der Kommission, dem Mitgliedstaat und den betreffenden Unternehmen unverzichtbar, damit sich die Parteien frei äußern können. Eine Verbreitung der Dokumente könnte diesen Dialog stören und somit die Prüfung der Beschwerde beeinträchtigen. Darüber hinaus könnte der Zugang zu den gewünschten Dokumenten eine schwere Beeinträchtigung der geschäftlichen Interessen der Schott Glas darstellen, da in der Voranmeldung eine ausführliche Projektbeschreibung enthalten ist. Die geschäftlichen Interessen werden durch eine Ausnahme zum Recht auf Zugang zu Dokumenten in Artikel 4 Absatz 2 der genannten Verordnung ausdrücklich geschützt. Weiterhin wurde die Möglichkeit geprüft, die nicht den Ausnahmen unterliegenden Teile der angeforderten Dokumente freizugeben. Es hat sich jedoch ergeben, dass diese Dokumente nicht in vertrauliche und nicht vertrauliche Teile getrennt werden können. Im vorliegenden Fall besteht auch kein überwiegendes öffentliches Interesse, das eine Verbreitung der betreffenden Dokumente rechtfertigen könnte. …“ 13      Mit Klageschrift, die am 8. August 2002 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat die Klägerin die vorliegende Klage erhoben. Mit gesondertem Schriftsatz vom selben Tag hat sie auf der Grundlage von Artikel 76a der Verfahrensordnung des Gerichts einen Antrag auf beschleunigtes Verfahren gestellt, der mit Entscheidung vom 12. September 2002 zurückgewiesen worden ist. 14      Mit Schriftsatz, der am 25. Oktober 2002 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat die Firma Schott Glas beantragt, in der vorliegenden Rechtssache als Streithelferin zur Unterstützung der Anträge der Beklagten zugelassen zu werden. Mit Beschluss vom 16. Januar 2003 hat die Präsidentin der Vierten Kammer des Gerichts diesem Antrag stattgegeben. Am 19. Februar 2003 hat Schott Glas ihren Streithilfeschriftsatz eingereicht. http://curia.europa.eu/jurisp/cgi-bin/gettext.pl?where=&lang=de&num=79938785T19... 21.10.2010
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Seite 4 von 15 15      Mit Schriftsätzen, die am 8. und am 15. November 2002 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen sind, haben das Königreich Schweden und die Republik Finnland beantragt, in der vorliegenden Rechtssache als Streithelfer zur Unterstützung der Anträge der Klägerin zugelassen zu werden. Mit Beschlüssen vom 16. Januar 2003 hat die Präsidentin der Vierten Kammer des Gerichts diesen Anträgen stattgegeben. Das Königreich Schweden hat seinen Streithilfeschriftsatz am 3. März 2003 eingereicht. Die Republik Finnland hat auf die Einreichung eines Streithilfeschriftsatzes verzichtet. 16      Mit Klageschrift, die am 17. Dezember 2002 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat die Klägerin Klage auf Nichtigerklärung der am 2. Oktober 2002 zum Abschluss des förmlichen Prüfverfahrens C 44/2001 erlassenen Entscheidung C (2002) 2147 endgültig der Kommission über die staatliche Beihilfe der Bundesrepublik Deutschland zugunsten der Klägerin erhoben (Rechtssache T-378/02). In dieser Entscheidung war die Kommission zu dem Ergebnis gelangt, dass das Darlehen der TAB und die Umwandlung der Bankbürgschaft mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbare staatliche Beihilfen darstellten (vgl. oben, Randnr. 2). 17      Mit   Urteil  vom     8.   Juli  2004    in  der   Rechtssache  T-198/01      (Technische    Glaswerke Ilmenau/Kommission, Slg. 2004, II-2717) hat das Gericht (Fünfte erweiterte Kammer) die Klage der Klägerin in der Rechtssache T-198/01 abgewiesen. 18      Im Zuge der Änderung der Zusammensetzung der Kammern des Gerichts zum 13. September 2004 ist der Berichterstatter der Fünften Kammer als ihr Präsident zugeteilt worden; folglich ist die vorliegende Rechtssache dieser Kammer zugewiesen worden. 19      Am 14. Dezember 2004 hat das Gericht die Klägerin ersucht, zum Gegenstand des vorliegenden Verfahrens insbesondere im Hinblick darauf Stellung zu nehmen, dass sie im Rahmen der Verfahren in den Rechtssachen T-198/01 und T-378/02 verschiedene Dokumente betreffend die Beihilfeprüfverfahren C 19/2000 und C 44/2001 erhalten hatte. 20      In ihrer Antwort, die am 20. Januar 2005 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat die Klägerin bestätigt, im Rahmen der Verfahren in den Rechtssachen T-198/01 und T-378/02 Zugang zu bestimmten, von der Bundesrepublik Deutschland und Schott Glas stammenden Dokumenten betreffend die genannten Beihilfeverfahren erhalten zu haben, darunter die Stellungnahme der Letztgenannten vom 23. Januar 2001 im Hinblick auf das förmlichen Prüfverfahren C 19/2000. Sie sei jedoch der Überzeugung, dass sie nicht von allen Dokumenten, die sich auf diese Verfahren bezögen und im Besitz der Beklagten befänden, Kenntnis habe. Ihr Interesse daran, Zugang zu diesen Dokumenten zu erhalten, sei ungebrochen. 21      Auf Ersuchen des Gerichts hat die Kommission mit Schreiben, das am 13. April 2005 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, ausgeführt, dass sich in ihrem Besitz noch Dokumente befänden, zu denen der Klägerin der Zugang verweigert worden sei und die ihr im Rahmen der Verfahren in den Rechtssachen T-198/01 und T-378/02 nicht übermittelt worden seien. 22      In der Zwischenzeit hat der Präsident der Vierten erweiterten Kammer mit Beschluss vom 3. März 2005 das Verfahren in der Rechtssache T-378/02 bis zur Verkündung des Urteils des Gerichtshofes in der Rechtssache C-404/04 P über das von der Klägerin gegen das Urteil Technische Glaswerke Ilmenau/Kommission (vgl. oben, Randnr. 17) eingelegte Rechtsmittel ausgesetzt. 23      Mit Schreiben, das am 31. Mai 2006 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat die Kommission auf Ersuchen des Gerichts ein vollständiges Verzeichnis der Dokumente vorgelegt, die zur Verwaltungsakte in den Verfahren zur Prüfung der der Klägerin gewährten Beihilfen gehören. 24      In der mündlichen Verhandlung vom 15. Juni 2006 haben die Beteiligten mündlich verhandelt und Fragen des Gerichts beantwortet. Die Kommission wurde gebeten, zu den Auswirkungen des Urteils des     Gerichts    vom      13.   April    2005    in   der   Rechtssache      T-2/03     (Verein    für Konsumenteninformation/Kommission, Slg. 2005, II-1121, im vorliegenden: Urteil VKI) in der vorliegenden Rechtssache Stellung zu nehmen. Anträge der Beteiligten 25      Die Klägerin, unterstützt durch das Königreich Schweden und die Republik Finnland, beantragt, http://curia.europa.eu/jurisp/cgi-bin/gettext.pl?where=&lang=de&num=79938785T19... 21.10.2010
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Seite 5 von 15 –       die Entscheidung für nichtig zu erklären mit Ausnahme des Teils, in dem Zugang zu Dokumenten in unmittelbarem Zusammenhang mit dem anhängigen Beihilfeverfahren betreffend Schott Glas abgelehnt wird; –       die Kommission zur Tragung der Kosten zu verurteilen. 26      Die Kommission, unterstützt durch Schott Glas, beantragt, –       die Klage als unbegründet abzuweisen; –       auszusprechen, dass die Klägerin die Kosten des Verfahrens trägt. Entscheidungsgründe Zur Anwendung der Verordnung Nr. 1049/2001 Vorbringen der Beteiligten 27      Die Klägerin macht geltend, dass der in Artikel 2 Absatz 1 der Verordnung Nr. 1049/2001 niedergelegte Anspruch auf Zugang zu Dokumenten, die sich im Besitz der Kommission befänden, kein gewöhnlicher sekundärrechtlicher Anspruch sei, sondern vielmehr mit Hinblick auf das „Demokratieprinzip“ grundrechtlichen Charakter habe; Ausnahmen davon müssten eng ausgelegt werden. 28      Die Frage, welche Rechte ihr nach der Verordnung Nr. 1049/2001 zustünden, sei von der Frage der Rechte der Beteiligten in einem Beihilfeverfahren zu trennen. Dass ihr als Betroffener des Beihilfeprüfverfahrens von der Rechtsprechung kein originäres Akteneinsichtsrecht zugebilligt werde, könne ihre Rechte als Unionsbürgerin nicht tangieren. 29      Das Königreich Schweden trägt vor, dass die Verordnung Nr. 1049/2001 das allgemeine Instrument zur Wahrung der Rechte der Öffentlichkeit auf Einblick in die Tätigkeit der Union sei. Aus der klaren und deutlichen Definition der Zugangsberechtigten in Artikel 2 Absatz 1 der Verordnung Nr. 1049/2001 ergebe sich, dass die Klägerin unzweifelhaft zu diesen gehöre und somit einen Anspruch darauf habe, dass ihr Antrag nach den Bestimmungen dieser Verordnung geprüft werde. 30      Die Kommission trägt vor, die Einsicht in die Verwaltungsakte durch den Beihilfeempfänger und der Zugang zu Dokumenten nach der Verordnung Nr. 1049/2001 seien zwei völlig verschiedene Sachverhalte. Aus den Schriftsätzen der Klägerin gehe hervor, dass sie sich nur deshalb auf die genannte Verordnung berufen habe, um die Verfahrensregeln im Bereich staatlicher Beihilfen zu umgehen und das Fehlen prozessualer Rechte auszugleichen. Die Verordnung (EG) Nr. 659/1999 des Rates vom 22. März 1999 über besondere Vorschriften für die Anwendung von Artikel [88] des EG- Vertrags (ABl. L 83, S. 1) sehe nämlich überhaupt kein Recht auf Zugang zu Dokumenten bzw. auf Akteneinsicht vor, und nach der Rechtsprechung seien die Verfahrensrechte der Beihilfeempfänger gewahrt, wenn diese im Rahmen des Verwaltungsverfahrens zur Stellungnahme aufgefordert worden seien (Urteil des Gerichtshofes vom 24. September 2002 in den Rechtssachen C-74/00 P und C-75/00 P, Falck und Acciaierie di Bolzano/Kommission, Slg. 2002, I-7869, und Urteil des Gerichts vom 6. März 2002 in den Rechtssachen T-127/99, T-129/99 und T-148/99, Diputación Foral de Álava u. a./Kommission, Slg. 2002, II-1275); dies sei bei der Klägerin im vorliegenden Fall geschehen. 31      Schott Glas trägt vor, die Klägerin wolle die Verordnung Nr. 1049/2001 als Instrument nutzen, um Kenntnis von internen Daten ihres Unternehmens zu erlangen, und die ständige Rechtsprechung der Gemeinschaftsgerichte zu den Rechten von Beteiligten auf Akteneinsicht in Verwaltungsverfahren vor der Kommission umgehen. Es handele sich um ein Vorgehen, das in offenem Widerspruch zum politischen Ziel der Verordnung Nr. 1049/2001 stehe, dem Gemeinschaftsbürger größtmöglichen Einblick in die Entscheidungsprozesse der Gemeinschaftsorgane zu geben. Hinzu komme, dass die Verordnung Nr. 1049/2001 zur Zeit des förmlichen Prüfverfahrens C 58/91 (NN 144/91) betreffend die Privatisierung des Unternehmens Jenaer Glaswerk noch gar nicht existiert habe und sie daher nicht damit habe rechnen müssen, dass ein Wettbewerber später hierin Einsicht nehmen könnte. 32      Die Bestimmungen der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 des Rates vom 16. Dezember 2002 zur Durchführung der in den Artikeln 81 und 82 des Vertrags niedergelegten Wettbewerbsregeln (ABl. http://curia.europa.eu/jurisp/cgi-bin/gettext.pl?where=&lang=de&num=79938785T19... 21.10.2010
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Seite 6 von 15 2003, L 1, S. 1) zum Recht auf Akteneinsicht zeigten, dass diese Verordnung lex specialis zu der Verordnung Nr. 1049/2001 sei. Wäre dem anders, könnten die Verfahrensbeteiligten und sonstigen Dritten die durch Artikel 27 der Verordnung Nr. 1/2003 gesetzten Grenzen des Rechts auf Akteneinsicht unter bloßer Berufung auf die Verordnung Nr. 1049/2001 umgehen. Nichts anderes gelte für das Beihilfeverfahren, in dem sich die Grenzen der Beteiligungsrechte von Dritten einerseits aus der Verordnung Nr. 659/1999 und anderseits aus der Rechtsprechung ergäben. 33      Im Übrigen gehe aus der Verordnung Nr. 1049/2001 hervor, dass „Akteneinsicht“ und „Zugang zu einem Dokument“ keine gleichbedeutenden Begriffe seien und dass das Recht auf Zugang zu einem Dokument einen Antrag voraussetze, in dem das gewünschte Dokument so beschrieben werde, dass es identifiziert werden könne. Die Verordnung räume den Bürgern nicht das Recht ein, die Akten des betreffenden Organs nach für sie möglicherweise interessanten Dokumenten zu sichten, was umso mehr deshalb gelten müsse, als Anträge auf Zugang zu Dokumenten nicht begründet werden müssten. Im vorliegenden Fall habe sich die Klägerin aber auf die lapidare Beantragung des Zugangs zu „allen Dokumenten“ beschränkt, die sich auf das genannte angebliche Beihilfeverfahren bezögen, was nicht verwunderlich sei, da die Klägerin selbst einräume, nach bisher unbekannten Dokumenten zu suchen. 34      Schott Glas kommt zu dem Schluss, dass sich die Klägerin zu Unrecht auf die Verordnung Nr. 1049/2001 berufe und dass ihr Antrag auf Zugang unabhängig von seinem Gegenstand nicht nach den Bestimmungen dieser Verordnung, sondern nach den Regeln für die Gewährung von Akteneinsicht in Beihilfeverfahren zu beurteilen sei. Würdigung durch das Gericht 35      Es steht fest, dass die Klägerin einen auf die Verordnung Nr. 1049/2001 gestützten Antrag auf Dokumentenzugang gestellt hat und dass die Kommission den Zugang zu den angeforderten Dokumenten in der Entscheidung unter ausdrücklicher Berufung auf Artikel 4 Absatz 2 dieser Verordnung       verweigert   hat,   der   zum    Schutz   des   Zwecks     von   Inspektions-    und Untersuchungstätigkeiten sowie zum Schutz der geschäftlichen Interessen einer juristischen Person Ausnahmen vom Recht auf Zugang vorsieht. 36      Auf Nachfrage in der mündlichen Verhandlung, wie ihre Argumentation zu verstehen sei, das „Anliegen [der Klägerin scheine] nicht mehr im Schutzbereich der [V]erordnung [Nr. 1049/2001] zu liegen“, die die Klägerin nur deshalb in Anspruch genommen habe, um die Verfahrensregeln im Bereich staatlicher Beihilfen zu umgehen, hat die Kommission klar geäußert, dass dieser Rechtsakt im vorliegenden Fall in vollem Umfang anwendbar sei, dass es ihr die in Artikel 4 Absatz 2 der Verordnung Nr. 1049/2001 genannte Ausnahme aber gestatte, den Zugang zu Dokumenten wie den von der Klägerin angeforderten, die laufende Beihilfeverfahren beträfen, zu verweigern. 37      In dem vorliegenden Rechtsstreit geht es somit um die Frage, ob die Kommission die in Artikel 4 Absatz 2 der Verordnung Nr. 1049/2001 vorgesehene Ausnahme vom Recht auf Zugang ordnungsgemäß angewandt hat. 38      In ihrem Streithilfeschriftsatz macht Schott Glas im Wesentlichen geltend, dass die Verordnung Nr. 1049/2001 sich nur auf im Gemeinschaftsgesetzgebungsverfahren vorgelegte Dokumente beziehe, dass der Antrag auf Zugang nicht nach den Vorschriften dieser Verordnung, sondern nach den Regeln über die Gewährung von Akteneinsicht in Beihilfeverfahren hätte beurteilt werden müssen und dass die genannte Verordnung schließlich nicht auf Dokumente angewandt werden könne, die vor Beginn ihrer Anwendung, also vor dem 3. Dezember 2001, in den Besitz der Organe gelangt seien. Mit dieser Argumentation soll somit belegt werden, dass die Verordnung Nr. 1049/2001 im vorliegenden Fall nicht anwendbar gewesen sei oder eine rechtswidrige Rechtsgrundlage für die Entscheidung bilde. 39      Diese Argumentation ließe demnach, vorausgesetzt, das Gericht könnte ihr folgen, die Feststellung zu, dass die Entscheidung rechtswidrig ist. Doch ist daran zu erinnern, dass Schott Glas in der vorliegenden Rechtssache als Streithelferin zur Unterstützung der Anträge der Kommission zugelassen worden ist, die die Abweisung der Nichtigkeitsklage beantragt. 40      Nach Artikel 40 Absatz 4 der Satzung des Gerichtshofes, der nach Artikel 53 dieser Satzung auf das Gericht anwendbar ist, können jedoch mit den aufgrund des Beitritts gestellten Anträgen nur die Anträge einer Partei unterstützt werden. Ferner muss der Streithelfer nach Artikel 116 § 3 der Verfahrensordnung des Gerichts den Rechtsstreit in der Lage annehmen, in der dieser sich zur Zeit des Beitritts befindet. Diese Bestimmungen verwehren es einem Streithelfer zwar nicht, andere Argumente als die von ihm unterstützte Partei vorzubringen, dies gilt jedoch nur, soweit diese http://curia.europa.eu/jurisp/cgi-bin/gettext.pl?where=&lang=de&num=79938785T19... 21.10.2010
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Seite 7 von 15 Argumente nicht den Rahmen des Rechtsstreits ändern und die Streithilfe weiterhin die Unterstützung der Anträge dieser Partei bezweckt (vgl. Urteil VKI, oben in Randnr. 24 angeführt, Randnr. 52 und die dort zitierte Rechtsprechung). 41      Da im vorliegenden Fall einerseits die Argumentation von Schott Glas, falls sie stichhaltig wäre, die Feststellung der Rechtswidrigkeit der Entscheidung zuließe und andererseits der Antrag der Kommission auf Abweisung der Nichtigkeitsklage gerichtet ist und nicht durch Angriffs- oder Verteidigungsmittel gestützt wird, die auf die Feststellung der Rechtswidrigkeit der Entscheidung abzielen, würde die Prüfung der genannten Argumentation zu einer Änderung des durch die Klageschrift und die Klagebeantwortung festgelegten Rahmens des Rechtsstreits führen. Daher ist diese Argumentation als unzulässig zurückzuweisen (vgl. in diesem Sinne Urteil VKI, oben in Randnr. 24 angeführt, Randnrn. 53 und 54). Zum Gegenstand des Rechtsstreits Vorbringen der Beteiligten 42      Die Klägerin betont, dass sie Zugang zu den Dokumenten „aller“ Beihilfeverfahren beantragt habe, die sie beträfen, d. h. der Verfahren C 19/2000 und C 44/2001, sowie zu denen, die Schott Glas beträfen, darunter auch das Verfahren in Bezug auf deren Privatisierung. 43      Mit der Entscheidung werde damit der Zugang zu vier unterschiedlichen Dokumentengruppen verweigert, nämlich zu Dokumenten in Bezug auf: –       das abgeschlossene Beihilfeverfahren C 19/2000; –       das laufende Beihilfeverfahren C 44/2001; –       das oder die abgeschlossenen Beihilfeverfahren im Rahmen der Privatisierung der Jenaer Schott Glas; –       das laufende Beihilfeverfahren in Bezug auf die neue Investition von Schott Glas in Thüringen. 44      Sollte die Entscheidung so auszulegen sein, dass sie sich nur auf die Dokumente in Bezug auf das laufende Verfahren C 44/2001 und die Dokumente in Bezug auf das laufende Beihilfeprüfverfahren betreffend Schott Glas beziehe, finde Artikel 8 Absatz 3 der Verordnung Nr. 1049/2001 Anwendung. Danach gelte die Nichtbescheidung des Antrags auf Zugang zu den anderen angeforderten Dokumenten durch die Kommission als abschlägiger Bescheid, der angefochten werden könne. Die Klägerin präzisiert ferner, dass die vorliegende Klage nur auf Nichtigerklärung der Verweigerung des Zugangs zu den ersten drei in der vorstehenden Randnummer genannten Dokumentengruppen gerichtet sei. 45      Sie widerspricht dem Vorbringen der Kommission, dass der Antrag auf Zugang zu den Dokumenten in Bezug auf die dem Unternehmen „Schott Glas Jena“ gewährten staatlichen Beihilfen zu unpräzise formuliert gewesen sei und daher nicht die Dokumente hinsichtlich der Gewährung staatlicher Beihilfen im Rahmen der Privatisierung des Jenaer Glaswerkes im Jahr 1992 habe umfassen können. Der Kommission habe klar sein müssen, dass sich der Antrag auf Zugang auch auf diese Dokumente erstreckt habe, selbst wenn das betreffende Beihilfeverfahren nicht unter „Schott Glas Jena“ geführt worden sei. Das werde dadurch bezeugt, dass die Kommission jedenfalls in ihrer Klagebeantwortung keine Schwierigkeiten gehabt habe, das entsprechende Verfahren zu identifizieren. 46      Die Kommission trägt vor, sie besitze keine Dokumente über dem Unternehmen „Schott Glas, Jena“ – so die in den Anträgen auf Zugang ausdrücklich verwendete Bezeichnung – gewährte staatliche Beihilfen, sondern verfüge über eine Akte über das Verfahren zur Prüfung der Beihilfen, die der Schott Lithotec AG gewährt worden seien. Sie habe angenommen, dass die Klägerin dieses Unternehmen mit „Schott Glas“ bezeichnet habe und daher den Antrag auf Zugang im Hinblick auf das laufende Beihilfeverfahren betreffend die Schott Lithotec AG abgelehnt. Im Übrigen seien diese Erwägungen angesichts der Festlegung des Streitgegenstands in der Klageschrift nicht relevant. 47      Die Beklagte trägt ferner vor, dass sie keine Akte über ein abgeschlossenes Beihilfeverfahren „im Rahmen der Privatisierung der Jenaer Schott Glas“ – so die Klageschrift – besitze, und merkt an, dass das Unternehmen Schott Glas seit 50 Jahren in privater Hand und folglich nicht privatisiert worden sei. Schott Glas habe sich an der Privatisierung des Unternehmens Jenaer Glaswerk beteiligt, indem sie für 1 DM eine Beteiligung an diesem Unternehmen erworben habe; in dem im Januar 1992 http://curia.europa.eu/jurisp/cgi-bin/gettext.pl?where=&lang=de&num=79938785T19... 21.10.2010
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Seite 8 von 15 eingeleiteten förmlichen Prüfverfahren C 58/91 (NN 144/91) sei in diesem Vorgang kein Beihilfeelement gesehen worden. 48      Dass die Klägerin auch Einsicht in die Unterlagen des oben angeführten Verfahrens habe beantragen wollen, sei in dem Antrag auf Zugang nicht einmal erwähnt worden und zeige sich erstmals in der Klageschrift. Daher sei die Kommission zu Recht davon ausgegangen, dass von der Klägerin nur der Zugang zu den Akten des Prüfverfahrens betreffend die der Schott Lithotec AG gewährten Beihilfen beantragt war. Würdigung durch das Gericht 49      Aus der Entscheidung ergibt sich in Verbindung mit den Schriftsätzen der Beklagten, dass diese erstens den Zugang zu den Dokumenten verweigert hat, die die der Klägerin gewährten staatlichen Beihilfen betreffen, d. h. zu den Dokumenten betreffend die Verfahren unter den Aktenzeichen C 19/2000 und C 44/2001. Die Kommission gibt nämlich an, dass es ihr nicht möglich gewesen sei, die Dokumente dieser beiden Verfahren getrennt zu behandeln, da diese Verfahren dieselben Umstrukturierungsmaßnahmen beträfen und auf denselben Dokumenten beruhten. 50      Die Kommission ging zweitens davon aus, dass der Antrag auf Zugang zu „alle[n] Dokumente[n] in den Akten der Kommission, die staatliche Beihilfen zugunsten des Unternehmens Schott Glas, Jena, … betreffen“ eine „Voranmeldung unter dem multisektoralen Rahmen für neue wichtige Investitionsvorhaben der Schott Glas in den neuen Bundesländern“ betreffe. Sie lehnte diesen Antrag unter Berufung auf die in Artikel 4 Absatz 2 der Verordnung Nr. 1049/2001 zum einen zum Schutz des Zwecks von Inspektions-, Untersuchungs- und Audittätigkeiten und zum anderen zum Schutz der geschäftlichen Interessen einer juristischen Person vorgesehenen Ausnahmen vom Recht auf Zugang ab. 51      In ihrer Klageschrift gibt die Klägerin an, dass ihr Zugangsantrag in Bezug auf Schott Glas eine doppelte Bedeutung gehabt habe, da er sich auf Dokumente zu folgenden Vorgängen bezogen habe: a) das oder die abgeschlossenen Beihilfeverfahren im Rahmen der Privatisierung der Jenaer Schott Glas; b) das laufende Beihilfeverfahren in Bezug auf die neue Investition von Schott Glas in Thüringen. 52      Sie trägt ferner vor, dass die vorliegende Klage nicht auf die Nichtigerklärung der Verweigerung des Zugangs zu den unter Buchstabe b der vorstehenden Randnummer genannten Dokumenten gerichtet sei und dass, falls die Entscheidung so auszulegen sein sollte, dass sie sich nur auf diese letztgenannten und nicht auf die unter Buchstabe a genannten Dokumente beziehe, Artikel 8 Absatz 3 der Verordnung Nr. 1049/2001 Anwendung finden müsse. Danach gelte die Nichtbescheidung des Antrags auf Zugang zu den unter Buchstabe a der vorstehenden Randnummer genannten Dokumenten durch die Kommission als stillschweigende Entscheidung über die Verweigerung des Zugangs, die vor dem Gericht angefochten werden könne. 53      Es steht fest, dass die Kommission den Zweitantrag auf Zugang zu den Dokumenten betreffend Schott Glas jedenfalls so, wie sie ihn im Hinblick auf seinen Wortlaut verstanden hat, d. h. als Antrag auf Zugang zu den oben in Randnummer 51 unter Buchstabe b genannten Dokumenten, mit einer ausdrücklichen Entscheidung abgelehnt hat. 54      Was die Existenz einer stillschweigenden Entscheidung über die Verweigerung des Zugangs zu den oben in Randnummer 51 unter Buchstabe a genannten Dokumenten betrifft, so ist zu klären, ob vernünftigerweise davon auszugehen ist, dass die Kommission die doppelte Bedeutung des Zweitantrags auf Zugang zu den Dokumenten betreffend Schott Glas, so wie sie oben in Randnummer 51 dargelegt ist, verstehen konnte. Denn das Schweigen der Verwaltung lässt sich nur dann als ablehnende Entscheidung verstehen, wenn die Verwaltung in der Lage war, sich sachdienlich zu äußern, und demnach verstehen konnte, was von ihr begehrt wurde. 55      Im vorliegenden Fall ist festzustellen, dass sowohl der Erstantrag als auch der Zweitantrag auf Zugang allgemein formuliert sind und dass in keiner Weise auf das Unternehmen Jenaer Glaswerke, seine Privatisierung oder einen bestimmten Zeitraum Bezug genommen wird. 56      Erst in der Klageschrift hat die Klägerin erstmals einen Antrag auf Zugang zu Dokumenten hinsichtlich eines Beihilfeverfahrens betreffend die „Privatisierung der Schott-Glas“ oder der „Jenaer Schott Glas“ erwähnt. In Beantwortung einer Frage des Gerichts zum Gegenstand des vorliegenden http://curia.europa.eu/jurisp/cgi-bin/gettext.pl?where=&lang=de&num=79938785T19... 21.10.2010
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Seite 9 von 15 Rechtsstreits hat die Klägerin zwar vorgetragen, dass es der Kommission habe „klar“ sein müssen, dass sich der Antrag auf Zugang auch auf die Dokumente erstreckt habe, die die Gewährung staatlicher Beihilfen im Rahmen der Privatisierung der Jenaer Glaswerke im Jahr 1992 beträfen, aber eine unzureichende Präzisierung ihres Antrags eingeräumt, indem sie sich das Vorbringen des Königreichs Schweden zu einen Verstoß der Kommission gegen ihre Pflicht zur Hilfeleistung nach Artikel 6 Absatz 2 der Verordnung Nr. 1049/2001 zu eigen gemacht hat. 57      Überdies geht aus der Klagebeantwortung hervor, dass die Kommission den Antrag auslegen musste, um ihm die Bedeutung beizumessen, die tatsächlich, wenn auch nur teilweise, den Erwartungen der Klägerin entsprach. So trägt die Beklagte vor, dass die Klägerin „nicht präzisiert [hat], was sie unter ‚alle Dokumente in den Akten der Kommission, die staatliche Beihilfen zugunsten des Unternehmens Schott Glas, Jena, … betreffen‘“, verstehe, und dass sie „angenommen“ habe, dass die Klägerin irrtümlich die Bezeichnung „Schott Glas“ verwendet habe, obwohl das Unternehmen, dem die Beihilfen gewährt worden seien, die Gegenstand des zur Zeit des Erlasses der Entscheidung laufenden förmlichen Prüfverfahrens gewesen seien, „Schott Lithotec AG“ heiße. 58      Daraus ist der Schluss zu ziehen, dass der Zugangsantrag der Klägerin nicht so formuliert war, dass die Kommission seine doppelte Bedeutung verstehen konnte, und dass sich demnach nicht davon ausgehen lässt, dass die Kommission stillschweigend den Zugang zu den oben in Randnummer 51 unter Buchstabe a genannten Dokumenten verweigert hat. 59      Aus den vorstehenden Erwägungen ergibt sich, dass die Kommission in der Entscheidung den Zugang zu den Dokumenten verweigert hat, die zum einen die Verfahren zur Prüfung der der Klägerin gewährten Beihilfen und zum anderen das laufende Beihilfeprüfverfahren in Bezug auf „die neue Investition von Schott Glas in Thüringen“ betreffen, wobei sich die von der Klägerin erhobene Nichtigkeitsklage nicht auf diesen zweiten Teil der Entscheidung erstreckt. 60      Daher ist die Klage, soweit sie auf die Nichtigerklärung einer angeblichen stillschweigenden Entscheidung über die Verweigerung des Zugangs zu den Dokumenten betreffend „das oder die abgeschlossenen Beihilfeverfahren im Rahmen der Privatisierung der Jenaer Schott Glas“ gerichtet ist, unzulässig. Zum Verstoß gegen Artikel 4 der Verordnung Nr. 1049/2001 in Bezug auf die Ausnahme vom Zugangsrecht aufgrund des Schutzes des Zwecks von Inspektions-, Untersuchungs- und Audittätigkeiten 61      Zur Begründung dieses Nichtigkeitsgrundes macht die Klägerin, unterstützt durch das Königreich Schweden, mehrere Rügen geltend. Erstens habe die Kommission ihr den Zugang zu den angeforderten Dokumenten verweigert, ohne die einzelnen Dokumente konkret zu prüfen. Zweitens habe sich die Beklagte zu Unrecht auf die Rechtsprechung zur Verweigerung des Zugangs zu Dokumenten betreffend Vertragsverletzungsverfahren gegen einen Mitgliedstaat gestützt, da diese nicht mit Beihilfeprüfverfahren vergleichbar seien. Drittens habe die Kommission das Recht auf einen teilweisen Zugang verkannt. Viertens hätte die in Artikel 4 Absatz 2 der Verordnung Nr. 1049/2001 vorgesehene Interessenabwägung zur Freigabe der angeforderten Dokumente führen müssen. 62      Zunächst ist die Rüge einer fehlenden konkreten und individuellen Prüfung der in dem Zugangsantrag bezeichneten Dokumente zu prüfen. Vorbringen der Beteiligten 63      Die Klägerin macht geltend, dass die Begründung der Entscheidung zeige, dass nach Ansicht der Kommission zu Dokumenten, die sich auf laufende Beihilfeverfahren bezögen, der Art nach niemals Zugang gewährt werden könne. Die Beklagte habe somit den Zugang zu den angeforderten Dokumenten unabhängig von dem konkreten Beihilfeverfahren und den betreffenden Dokumenten verweigert. 64      Doch folge sowohl aus dem Wortlaut des Artikels 4 der Verordnung Nr. 1049/2001 als auch aus der Rechtsprechung, dass die Kommission vielmehr in jedem Einzelfall konkret zu prüfen habe, ob der Zugang zu dem fraglichen Dokument tatsächlich geeignet sei, das Untersuchungsverfahren zu beeinträchtigen. Die Klägerin verweist darauf, dass „[d]er bloße Umstand, dass das fragliche Dokument eine Inspektionstätigkeit betrifft, … nicht ausreichen [kann], um die Heranziehung der geltend gemachten Ausnahme zu rechtfertigen“ (Urteil des Gerichts vom 13. September 2000 in der Rechtssache T-20/99, Denkavit Nederland/Kommission, Slg. 2000, II-3011, Randnr. 45). http://curia.europa.eu/jurisp/cgi-bin/gettext.pl?where=&lang=de&num=79938785T19... 21.10.2010
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Seite 10 von 15 65      Die Kommission habe auch nicht nachgewiesen, dass der Zugang zu Dokumenten das die Klägerin betreffende Beihilfeverfahren beeinträchtigen könnte, das zum Zeitpunkt des Zugangsantrags bereits abgeschlossen gewesen sei. Dieser Nachweis könne im Übrigen auch nicht geführt werden. Artikel 4 Absatz 7 der Verordnung Nr. 1049/2001 bestimme ausdrücklich, dass die Ausnahmen des Absatzes 2 nur für den Zeitraum gälten, in dem der Schutzzweck dies rechtfertige. Für Inspektions- und Untersuchungstätigkeiten ergebe sich bereits ihrer Natur nach, dass eine Rechtfertigung einer Zugangsverweigerung nicht mehr in Betracht komme, wenn die entsprechende Untersuchung abgeschlossen sei. 66      Die Klägerin verweist darauf, dass die Kommission einen Teilzugang mit der pauschalen Begründung verweigert habe, dass „diese Dokumente nicht in vertrauliche und nicht vertrauliche Teile getrennt werden können“, wobei sie davon ausgegangen sei, dass alle Informationen bezüglich des Beihilfeverfahrens allein zwischen Kommission und Mitgliedstaat ausgetauscht würden und niemand sonst Zugang erhalten dürfe, auch nicht nach Beendigung des Verfahrens. 67      Das Königreich Schweden trägt vor, dass sich aus der Entscheidung und der Haltung der Beklagten im Rahmen des vorliegenden Verfahrens ergebe, dass die Kommission die in den Dokumenten, zu denen Zugang beantragt worden sei, enthaltenen Informationen nicht konkret beurteilt habe. Der Gerichtshof und das Gericht hätten jedoch unter der Geltung der früheren Regelung in mehreren Fällen klargestellt, dass jeder Antrag auf Einsichtnahme unter Berücksichtigung der Information geprüft werden müsse, die in den einschlägigen Dokumenten enthalten sei, ein Grundsatz, der auch noch im Rahmen der Verordnung Nr. 1049/2001 gelte. Ohne eine entsprechende Prüfung wäre es weder möglich, zu entscheiden, ob ein geschütztes Interesse vorliege, das die vertrauliche Behandlung des Dokuments rechtfertigen könnte, noch wäre es möglich, die Interessenabwägung durchzuführen, die nach Artikel 4 Absatz 2 der Verordnung Nr. 1049/2001 erforderlich sei. Die konkrete Beurteilung sei auch unerlässlich für die Entscheidung über die Möglichkeit eines teilweisen Zugangs. Dies gelte unabhängig davon, um welchen Ausnahmetatbestand es sich handele. 68      Die Kommission macht geltend, dass die Ausführungen des Gerichts in seinem Urteil vom 11. Dezember 2001 in der Rechtssache T-191/99 (Petrie u. a./Kommission, Slg. 2001, II-3677), auf die die Entscheidung gestützt sei, uneingeschränkt auf Beihilfeprüfverfahren anwendbar seien, bei denen es sich unzweifelhaft um „Untersuchungen“ im Sinne des Artikels 4 Absatz 2 der Verordnung Nr. 1049/2001 handele. 69      Wie in Vertragsverletzungsverfahren sei auch in Beihilfeprüfverfahren eine offene und loyale Zusammenarbeit zwischen der Kommission und dem Mitgliedstaat notwendig, was es ausschließe, dass Dritte Zugang zu den diese Verfahren betreffenden Dokumenten erhielten, bevor diese abgeschlossen seien. Solange das Beihilfeprüfverfahren nicht abgeschlossen sei, könne der Öffentlichkeit kein Recht auf Dokumentenzugang gewährt werden, während den Beteiligten an diesem Verfahren, die sich nicht auf Verteidigungsrechte berufen könnten, kein solches Recht zustehe. 70      Der Antrag der Klägerin auf Zugang beziehe sich auf Dokumente, die ein laufendes Beihilfeprüfverfahren beträfen. Die Kommission habe zwei Entscheidungen erlassen, die die beiden Beteiligten an einem globalen Umstrukturierungsvorhaben beträfen, das auch die Klägerin in ihren Schriftsätzen als solches bezeichne. Die Beklagte macht geltend, dass das laufende Beihilfeverfahren C 44/2001 dieselben Umstrukturierungsmaßnahmen betreffe und sich auf dieselben Dokumente wie das Beihilfeverfahren C 19/2000 gründe, und zieht den Schluss, dass demnach die Anträge auf Zugang zu den Akten dieser beiden Verfahren zusammen behandelt werden müssten. 71      Die Kommission trägt vor, der vorliegende Rechtsstreit unterscheide sich von dem, der dem oben in Randnummer 24 zitierten Urteil VKI zugrunde gelegen habe, der eine Verweigerung des Zugangs zu Dokumenten betreffend ein bereits abgeschlossenes Kartellverfahren zum Gegenstand gehabt habe. Da es sich im vorliegenden Fall um einen Antrag auf Zugang zu Dokumenten handele, die ein laufendes Verfahren zur Prüfung staatlicher Beihilfen beträfen, erlaubten die Grundsätze, die im oben in Randnummer 68 zitierten Urteil Petrie u. a./Kommission aufgestellt worden seien, eine globale Antwort, so dass es nicht notwendig gewesen sei, die in dem Antrag bezeichneten Dokumente konkret und individuell zu analysieren. 72      Schott Glas weist darauf hin, dass das Verfahren C 44/2001 noch nicht abgeschlossen gewesen sei, als die Klägerin den Antrag auf Zugang zu den Dokumenten gestellt habe, die sich auf die beiden sie betreffenden Beihilfesachen bezögen. Der enge sachliche Zusammenhang zwischen den beiden Beihilfeverfahren C 19/2000 und C 44/2001 sei von der Klägerin selbst wiederholt betont worden. Die Klägerin habe daher den Dokumentenzugang während laufender Untersuchungstätigkeiten in einem Verfahren begehrt, in dem die Kommission noch keinen Beschluss gefasst habe. http://curia.europa.eu/jurisp/cgi-bin/gettext.pl?where=&lang=de&num=79938785T19... 21.10.2010
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