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Information

Aktenzeichen
17 K 885/05
Datum
21. September 2006
Gericht
Verwaltungsgericht Gelsenkirchen
Gesetz
Informationsfreiheitsgesetz Nordrhein-Westfalen (IFG)
Informationsfreiheitsgesetz Nordrhein-Westfalen (IFG)

Urteil: Verwaltungsgericht Gelsenkirchen am 21. September 2006

17 K 885/05

Der in der Abgabenordnung normierte Schutz des Steuergeheimnisses bezieht sich nicht auf eine Verfügung, die Auskunft darüber gibt, dass und aus welchen Gründen ein abstraktes, nicht auf einen konkreten Steuerfall bezogenes Rechtsgutachten zu einem Steuerverfahren hinzugezogen wurde. Eine solche Verfügung ist auf der Grundlage des Informationsfreiheitsgesetzes herauszugeben. Die Abgabenordnung stellt hier keine besondere, vorrangige Rechtsvorschrift dar. (Quelle: LDA Brandenburg)

Auskunftserteilung (Gesetzliche) Geheimhaltungspflichten Konkurrierende Rechtsvorschriften Personenbezogene Daten Prozessuales

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Verwaltungsgericht Gelsenkirchen, 17 K 885/05                                      Seite 1 von 10 Verwaltungsgericht Gelsenkirchen, 17 K 885/05 Datum:                   21.09.2006 Gericht:                 Verwaltungsgericht Gelsenkirchen Spruchkörper:            17. Kammer Entscheidungsart:        Urteil Aktenzeichen:            17 K 885/05 Schlagworte:             Verwaltungsrechtsweg, Finanzrechtsweg, Informationsanspruch, Informationfreiheitsgesetz, Steuergeheimnis Normen:                  IFG NRW § 2, IFG NRW § 4, VwGO § 40, FGO § 33 Abs. 1 Nr. 1, FGO § 33 Abs. 2, AO § 30, AO § 30 Abs. 2 Nr.1 Leitsätze:               Von einem Bekanntwerden von Verhältnissen eines Anderen in einem Verwaltungsverfahren bzw. in einem gerichtlichen Verfahren in Steuersachen ist bei einer am Sinn und Zweck des § 30 Abs. 2 Nr. 1 lit. a AO orientierten Auslegung dieser Vorschrift nur dann auszugehen, wenn durch den Dritten bezogen auf einen Steuerpflichtigen Sachverhalte bzw. Sachverhaltsumstände übermittelt werden. Tenor:                   Das Verfahren wird eingestellt, soweit die Kläger die Klage zurückgenommen haben. Der Beklagte wird unter Aufhebung seines Bescheides vom 8. Februar 2005 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 17. Februar 2005 verpflichtet, den Klägern Auskunft zu erteilen, ob das Gutachten des Prof. Dr. C. vom 19. Juli 2001 dem Beklagten vom Verband der Deutschen Automatenindustrie e. V., dem Deutschen Automaten Großhandelsverband e. V. oder dem Bundesverband Automatenunternehmer e. V. zur Verfügung gestellt wurde, oder, falls dies nicht der Fall sein sollte, ob und gegebenenfalls welche andere juristische Person das genannte Gutachten zur Verfügung gestellt hat. Die Kläger und der Beklagte tragen die Kosten des Verfahrens je zur Hälfte. Das Urteil ist hinsichtlich der Kostenentscheidung vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Kostenschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige Kostengläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet. Tatbestand:                                                                                     1 http://www.justiz.nrw.de/nrwe/ovgs/vg_gelsenkirchen/j2006/17_K_885_05urteil2006... 11.12.2007
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Verwaltungsgericht Gelsenkirchen, 17 K 885/05                                    Seite 2 von 10 Die Kläger begehren im Rahmen des vorliegenden Verfahrens die Erteilung einer Auskunft auf der Grundlage des Gesetzes über die Freiheit des Zugangs zu 2 Informationen für das Land Nordrhein-Westfalen (Informationsfreiheitsgesetz Nordrhein-Westfalen - IFG NRW -). Hintergrund ist ein vor dem Finanzgericht N. ausgetragener Rechtsstreit - 5 K                 3 4280/00.U -, dessen Klagegegenstand Umsatzsteuerbescheide des Beklagten waren. Im Rahmen dieses Verfahrens war streitig, ob Umsätze eines Automatenaufstellers mit Geldspielgeräten steuerfrei sind, weil vergleichbare Umsätze einer öffentlichen Spielbank umsatzsteuerfrei waren. Durch Urteil des Finanzgerichts N. vom 26. Oktober 2001 wurde dem Klagebegehren des dortigen Klägers (M. ) entsprochen. Im Tatbestand des oben genannten Urteils wurde ausgeführt, dass der Beklagte ein Rechtsgutachten vom 19. Juli 2001 vorgelegt habe, das im Auftrag des Bundesverbandes Automatenunternehmer e. V. (BA) und des Verbandes der deutschen Automatenindustrie e. V. (VDAI) erstellt worden sei. Den Urteilsgründen lässt sich entnehmen, dass das Finanzgericht in dem Gutachten vertretene Rechtsansichten zu unmittelbar entscheidungsrelevanten Rechtsfragen nicht teilte. Die von dem Beklagten gegen das Urteil des Finanzgerichts N. eingelegte Revision wurde durch Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 12. Mai 2005 - V R 7/02 - zurückgewiesen. Auf den Inhalt der Entscheidungsgründe wird Bezug genommen (vgl. Bl. 102 ff. der Gerichtsakte). Mit Schreiben vom 12. Januar 2005 beantragte die Interessengemeinschaft der Spielautomatenbetreiber - GbR ( I.d.S. - GbR), deren Gesellschafter die Kläger sind, beim Beklagten die Übersendung der Kopie einer Verfügungsberechtigung bzw. einer Vereinbarung betreffend das Gutachten des Professor Dr. C. vom 19. Juli 2001. Das Begehren werde auf §§ 4 und 5 IFG NRW gestützt. Das Gutachten sei im Auftrag des VDAI und des BA erstellt worden. Es sei nicht nachvollziehbar, 4 dass von Seiten dieser Automatenverbände ein Gutachten zur Verfügung gestellt worden sei, das die Rechtmäßigkeit der Umsatzbesteuerung von Glücksspiel mit Geldeinsatz bestätige. Einige Mitglieder der I.d.S. - GbR, die über eine Mitgliedschaft in Landesverbänden auch zugleich Mitglied des BA seien, hätten über ihre Mitgliedsbeiträge die Kosten des Gutachtens, das ihren Interessen nicht entsprochen habe, mitgetragen. Mit Bescheid vom 08. Februar 2005 lehnte der Beklagte den Antrag auf                          5 Übersendung einer Ablichtung der Verfügungsberechtigung ab. Zur Begründung wurde ausgeführt: § 4 Abs. 1 IFG NRW gewähre jeder natürlichen Person freien Zugang zu den bei öffentlichen Stellen vorhandenen Informationen. Die Erteilung der beantragten Auskunft komme bereits deshalb nicht in Betracht, weil die I.d.S. - GbR keine natürliche Person sei. Im Übrigen werde auf Folgendes hingewiesen: Die Finanzverwaltung unterfalle grundsätzlich dem Anwendungsbereich des IFG NRW (§ 2 IFG NRW). Soweit allerdings besondere Rechtsvorschriften über den Zugang zu amtlichen Informationen, die Auskunftserteilung oder die Gewährung von Akteneinsicht bestünden, gingen sie den Vorschriften des IFG NRW vor (§ 4 Abs. 2 IFG NRW). Das IFG NRW sei somit als Auffanggesetz konzipiert, das nur dann zur Anwendung gelange, wenn und soweit nicht bereits Gesetze des Bundes oder des Landes NRW einen solchen Informationsanspruch fachspezifisch regelten. Das Recht auf freien Zugang zu amtlichen Informationen könne deshalb nicht uneingeschränkt gelten. Hierbei setzten vor allem Datenschutzrechte Dritter dem Informationszugang                    6 Grenzen. Bei § 30 Abgabenordnung (AO) handele es sich um eine fachspezifische Regelung per Bundesgesetz. Landesgesetze könnten nur zur Offenbarung befugen, soweit die Gesetzgebungskompetenz des Landes reiche. Für den Datenschutz sei geklärt und anerkannt, dass § 30 AO den Regelungen über den Datenschutz vorgehe. Damit sei § 30 AO als bereichsspezifischer Datenschutz http://www.justiz.nrw.de/nrwe/ovgs/vg_gelsenkirchen/j2006/17_K_885_05urteil2006... 11.12.2007
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Verwaltungsgericht Gelsenkirchen, 17 K 885/05                                    Seite 3 von 10 anerkannt und vorrangig. Vom Sinn und Zweck her sei § 30 AO die Norm, die den Zugang zu den von den Finanzbehörden erfassten Informationen regele. Das werde bereits aus § 30 Abs. 4 AO deutlich. Danach seien die Voraussetzungen der Ausschlussklausel gemäß § 4 Abs. 2 IFG NRW erfüllt. Insoweit werde auch auf das Urteil des Finanzgerichts N. vom 05. November 2002 - 1 K 7155/00 S - Bezug genommen. Gründe für eine Durchbrechung des Steuergeheimnisses seien im vorliegenden Fall nicht ersichtlich. Gegen diesen Bescheid erhob die I.d.S. - GbR am 14. Februar 2005 Widerspruch.                 7 Auf den Inhalt der Begründung wird Bezug genommen (vgl. Bl. 8 f. der Beiakte Heft 1). Mit Widerspruchsbescheid vom 17. Februar 2005 wies der Beklagte den Widerspruch zurück. Auf den Inhalt des Widerspruchsbescheides wird Bezug                      8 genommen (vgl. Bl. 12 ff. der Beiakte Heft 1). Die I.d.S.-GbR hat am 18. März 2005 Klage erhoben. Im Erörterungstermin am 10.                9 August 2006 haben ihre Gesellschafter erklärt, dass die im Namen der Gesellschaft bürgerlichen Rechts erhobene Klage durch die Kläger fortgeführt werden solle. Der Beklagte hat in die Klageänderung eingewilligt. Die Kläger tragen ergänzend vor: Ihr Begehren sei auf Auskunftserteilung gerichtet. Diese sei für sie im Hinblick darauf von Interesse, dass das Ergebnis des Gutachtens nicht der Zielsetzung des damaligen Klägers (M. ) entsprochen habe, sondern die Rechtsauffassung des Beklagten im damaligen Verfahren bestätigt                 10 habe. Der Arbeitsausschuss Münzautomaten (AMA), dem der VDAI, der Deutsche Automatengroßhandelsverband e. V. (DAGV) sowie der BA angehörten, habe das be sagte Rechtsgutachten auch aus Mitgliedsbeiträgen der Automatenaufsteller -                 11 unter anderem des Klägers zu 3. - finanziert. Mit dem Informationsantrag verfolgten die Kläger das Ziel, einen eventuellen „Mitgliederverrat" durch den BA aufzudecken. Die Kläger haben im Termin zur mündlichen Verhandlung die Klage insoweit zurückgenommen, als diese zunächst auch darauf gerichtet war, Auskunft über 12 den Namen derjenigen (natürlichen) Person zu erhalten, die das Gutachten dem Beklagten zur Verfügung gestellt hat. Die Kläger beantragen nunmehr noch,                                                         13 den Beklagten unter Aufhebung seines Bescheides vom 8. Februar 2005 in der Fassung des Widerspruchbescheides vom 17. Februar 2005 zu verpflichten, ihnen               14 Auskunft zu erteilen, ob das Gutachten des Prof. Dr. C. vom 19. Juli 2001 dem Beklagten vom Verband               15 der Deutschen Automatenindustrie e. V., dem Deutschen Automatengroßhandelsverband e. V. oder dem Bundesverband Automatenunternehmer e. V., zur Verfügung gestellt wurde, oder, falls dies nicht der Fall sein sollte, ob und gegebenenfalls welche andere 16 juristische Person das genannte Gutachten zur Verfügung gestellt hat. Der Beklagte beantragt,                                                                     17 die Klage abzuweisen.                                                                       18 Er trägt ergänzend vor: Er gehe von dem grundsätzlichen Vorrang des § 30 AO                 19 gegenüber etwaigen Informationsansprüchen nach dem IFG NRW aus. Das fragliche Rechtsgutachten sei von dem Beklagten in das damalige finanzgerichtliche Verfahren des Steuerpflichtigen M. eingeführt worden und damit sowohl Teil eines Verwaltungsverfahrens in Steuersachen wie auch eines gerichtlichen Verfahrens in Steuersachen geworden. Die von den Klägern offenbar angestellte Vermutung, ein Verband oder mehrere Verbände der http://www.justiz.nrw.de/nrwe/ovgs/vg_gelsenkirchen/j2006/17_K_885_05urteil2006... 11.12.2007
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Verwaltungsgericht Gelsenkirchen, 17 K 885/05                                     Seite 4 von 10 Automatenindustrie hätten dem Beklagten im Klageverfahren M. Informationen zugespielt, gehe denknotwendigerweise von einem konkreten Verhalten dritter Personen aus, das sich nur in einem Verfah ren in Steuersachen abgespielt haben könne. Der Beklagte habe daher nach Einschätzung der Kläger möglicherweise inzident Kenntnis von einem Mitgliederverrat im Rahmen des gerichtlichen Steuerverfahrens erlangt. Damit seien Verhältnisse eines anderen i. S. d. § 30 Abs. 2 Nr. 1 lit. a) AO betroffen. Verhältnisse von Informanten - dieses Bild liege dem Informationsantrag der Kläger als Zielrichtung zugrunde - unterlägen dem Schutz des § 30 AO. Insoweit werde auf die Entscheidungen des BFH vom 07. Mai 1985 - VII R 25/82 -, Bundessteuerblatt 1985 Teil II, Seite 571 und vom 08. Februar 1994 - VII R 88/92 - , Bundessteuerblatt 1994 Teil II, Seite 552 verwiesen. Der BFH habe das mit dem Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Anzeigenerstatters begründet. Der Antrag der Kläger könne daher denknotwendiger Weise nur auf eine                         20 Verletzung des § 30 AO gerichtet sein. Darüber hinaus werde ergänzend auf Folgendes hingewiesen: Gegenstand des Gutachtens des Prof. Dr. C. seien Rechtsfragen gewesen, die für eine Vielzahl von steuerrechtlichen Verfahren zum damaligen Zeitpunkt bedeutsam gewesen seien; bundesweit seien Verfahren gegen Steuerbescheide, in denen es um die von dem Rechtsgutachter erörterten Fragestellungen gegangen sei, für die Dauer des Verfahrens M. ruhend gestellt worden. Für den Beklagten hätten die Fragestellungen nur im Rahmen des Verfahrens M. Bedeutung gehabt. Wegen § 30 AO könnten keine Angaben darüber gemacht werden, ob das Gutachten speziell zum Verfahren M. übermittelt worden sei oder nicht. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt              21 der Gerichtsakte nebst der beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen. Entscheidungsgründe:                                                                         22 Soweit die Kläger die Klage zurückgenommen haben, war das Verfahren gemäß §                  23 92 Abs. 3 Satz 1 der Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO - einzustellen. Im Übrigen hat die Klage Erfolg.                                                             24 I. Die Klage ist zulässig.                                                                   25 1.                                                                                           26 Für die vorliegende Klage ist der Verwaltungsrechtsweg gemäß § 40 Abs. 1 Satz 1              27 VwGO eröffnet. Danach ist der Verwaltungsrechtsweg in allen öffentlich- rechtlichen Streitigkeiten nichtverfassungsrechtlicher Art gegeben, soweit die Streitigkeiten nicht durch Bundesgesetz einem anderen Gericht ausdrücklich zugewiesen sind. Die Kläger stützen ihr Begehren auf § 4 Abs. 1 IFG NRW. Für die Geltendmachung von Ansprüchen aus § 4 Abs. 1 IFG NRW ist grundsätzlich der Verwaltungsrechtsweg eröffnet. Vgl. Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (OVG NRW), Beschluss vom 08. Mai 2002 - 21 E 349/02 -, Nordhein-Westfälische                            28 Verwaltungsblätter (NWVBl.) 2003, 23. Die vorliegende Streitigkeit ist nicht durch Bundesgesetz einem anderen Gericht              29 ausdrücklich zugewiesen. Denn der Finanzrechtsweg ist nach § 33 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) nicht eröffnet. Nach § 33 Abs. 1 Nr. 1 FGO ist der Finanzrechtsweg gegeben in öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten über Abgabenangelegenheiten, soweit die Abgaben der Gesetzgebung des Bundes unterliegen und durch Bundesfinanzbehörden oder Landesfinanzbehörden verwaltet werden. Nach § 33 Abs. 2 FGO sind Abgabenangelegenheiten im Sinne der Finanzgerichtsordnung alle mit der Verwaltung der Abgaben einschließlich der Abgabenvergütungen oder sonst mit der Anwendung der abgabenrechtlichen http://www.justiz.nrw.de/nrwe/ovgs/vg_gelsenkirchen/j2006/17_K_885_05urteil2006... 11.12.2007
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Verwaltungsgericht Gelsenkirchen, 17 K 885/05                                    Seite 5 von 10 Vorschriften durch die Finanzbehörden zusammenhängenden Angelegenheiten. Das Auskunftsbegehren der Kläger steht nicht im Zusammenhang mit der Verwaltung von Abgaben. Es ist nicht auf Akteneinsicht in eine steuerrechtliche Verfahrensakte bzw. Informationserteilung zu einem mit einem steuerrechtlichen Verfahren untrennbar zusammenhängenden Vorgang gerichtet. Die begehrte Auskunft ist darauf gerichtet, von dem Beklagten Auskunft darüber zu erhalten, ob eine und gegebenenfalls welche juristische Person das Gutachten des Prof. Dr. C. dem Beklagten übermittelt hat. Dabei ist zu Grunde zu legen, dass nach den Angaben des Prozessvertreters des Beklagten im Erörterungstermin am 10. August 2006 für das Gericht offen ist, ob das Gutachten zum Verfahren M. übermittelt worden ist oder nicht. Damit handelt es sich nicht mehr um einen mit der Abgabenverwaltung selbst in direktem Zusammenhang stehenden Vorgang. Für diese Wertung spricht auch, dass das Gutachten selbst unter Hinweis auf den geschilderten Anlassfall ausschließlich Rechtsfragen erörtert, die für eine Vielzahl von steuerrechtlichen Verfahren relevant war. Schließlich geht es vorliegend auch nicht um die Anwendung spezifisch abgabenrechtlicher Vorschriften. Der zur gerichtlichen Entscheidung gestellte Streitstoff unterscheidet sich daher in wesentlicher Hinsicht von Streitgegenständen, die Gegenstand finanzgerichtlicher Entscheidungen waren und die Akteneinsichtsgesuche von an steuerrechtlichen                 30 Verfahren Beteiligten gestützt auf § 4 Abs. 1 IFG NRW betrafen. Das Finanzgericht N. hat in diesen Fällen den Finanzrechtsweg als eröffnet angesehen. Vgl. Finanzgericht N. , Urteil vom 05. November 2002 - 1 K 7155/00 S -,                     31 Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2003, 499 und vom 20. November 2003 - 12 K 6405/02 S -, EFG 2004, 387. 2.                                                                                          32 Der Sachurteilsvoraussetzung des § 68 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 VwGO ist Genüge                 33 getan. Zwar ist das hiernach erforderliche Vorverfahren nicht von den Klägern, sondern von der als Gesellschaft bürgerlichen Rechts organisierten I.d.S. - GbR durchgeführt worden. Nachdem jedoch die Klage auf gerichtlichen Vorschlag hin in sachdienlicher Weise dahin geändert worden ist, dass die Kläger an die Stelle der Gesellschaft bürgerlichen Rechts getreten sind, bedarf es der Durchführung eines Vorverfahrens durch sie nicht mehr. Vorliegend erwiese sich die Durchführung eines weiteren Vorverfahrens als Förmelei, da der Beklagte im Rahmen des von der Gesellschaft bürgerlichen Rechts durchgeführten Vorverfahrens das Begehren nicht nur unter dem Gesichtspunkt der ihr fehlenden Antragsberechtigung, sondern unabhängig davon in der Sache gewürdigt hat. 3.                                                                                          34 Die Kläger haben im Termin zur mündlichen Verhandlung ihren Klageantrag auf                 35 gerichtliche Anregung hin nach Maßgabe des § 86 Abs. 3 VwGO in der aus dem Antrag ersichtlichen Weise konkretisiert. II. Die Klage ist begründet.                                                                36 Die Ablehnung der beantragten Informationserteilung durch den Bescheid des                  37 Beklagten vom 08. Februar 2005 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 17. Februar 2005 ist rechtswidrig und verletzt die Kläger in ihren Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO). Die Kläger haben einen Anspruch gegenüber dem Beklagten auf Erteilung der Auskunft, ob das Gutachten des Prof. Dr. C. vom 19. Juli 2001 dem Beklagten vom VDAI, dem DAGV oder dem BA zur Verfügung gestellt wurde oder, falls dies nicht der Fall sein sollte, ob eine und gegebenenfalls welche andere juristische Person           38 das genannte Gutachten zur Verfügung gestellt hat. Dieser Anspruch ist weder durch speziellere Regelungen nach anderen Gesetzen ausgeschlossen, noch stehen ihm die in den §§ 6 bis 9 IFG NRW benannten Ausschlusstatbestände http://www.justiz.nrw.de/nrwe/ovgs/vg_gelsenkirchen/j2006/17_K_885_05urteil2006... 11.12.2007
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Verwaltungsgericht Gelsenkirchen, 17 K 885/05                                    Seite 6 von 10 entgegen. 1.                                                                                          39 Der von den Klägern geltend gemachte Anspruch auf Informationserteilung ergibt sich aus § 4 Abs. 1 IFG NRW. Danach hat jede natürliche Person - mithin auch die Kläger - nach Maßgabe des Informationsfreiheitsgesetzes gegenüber den in § 2 IFG NRW genannten Stellen Anspruch auf Zugang zu den bei der Stelle 40 vorhandenen amtlichen Informationen. Bei dem Beklagten handelt es sich um eine Behörde im Sinne des § 2 Abs. 1 IFG NRW. Die Finanzämter sind von dem Anmeldungsbereich des Gesetzes nicht ausgenommen (vgl. § 2 Abs. 2 und 3 IFG NRW). 2.                                                                                          41 Die von den Klägern begehrte Auskunft nach dem Informationsfreiheitsgesetz ist 42 nicht durch speziellere Rechtsvorschriften ausgeschlossen. a)                                                                                          43 Nach § 4 Abs. 2 Satz 1 IFG NRW treten die Vorschriften des Informationsfreiheitsgesetzes zurück, soweit besondere Rechtsvorschriften über den Zugang zu amtlichen Informationen, die Auskunftserteilung oder die Gewährung von Akteneinsicht bestehen. Bereits die Formulierung „soweit" zeigt,              44 dass nur solche Vorschriften als vorrangig in Betracht zu ziehen sind, die denselben Sachverhalt abschließend - sei es identisch, sei es abweichend - regeln. Vgl. OVG NRW, Urteil vom 17. Mai 2006 - 8 A 1642/05 -, Gemeindehaushalt                     45 2006,136. 46 Um die Bestimmung des Verhältnisses verschiedener Informationszugangsrechte                 47 untereinander vornehmen zu können, müssen vor allem deren jeweilige Regelungsmaterien berücksichtigt werden. Eine Vorrangigkeit im Sinne einer Ausschließlichkeit ist nur dort anzunehmen, wo die jeweiligen Rechte die gleichen Anliegen verfolgen und/oder identische Zielgruppen erfassen. Eine besondere Rechtsvorschrift i. S. v. § 4 Abs. 2 Satz 1 IFG NRW liegt daher nur dann vor, wenn ihr Anwendungsbereich in sachlicher Hinsicht wegen spezifischer Anforderungen an die Informationen, die der Rechtsvorschrift unterfallen, und/oder in persönlicher Hinsicht wegen spezifischer Anforderungen an die Personen, auf welche die Rechtsvorschrift Anwendung findet, beschränkt ist. Wenn spezialgesetzliche Regelungen für einen gesonderten Sachbereich und/oder für bestimmte Personengruppen einen begrenzten Informationsanspruch vorsehen, ist deshalb im Einzelfall zu untersuchen, ob diese Grenzen auch für den Anspruch aus § 4 Abs. 1 IFG NRW bindend sind. Das ist anzunehmen, wenn ein umfassender Informationsanspruch dem Schutzzweck des Spezialgesetzes zuwiderlaufen würde. Lässt sich derartiges nicht feststellen, besteht ein Anspruch aus § 4 Abs. 1 IFG NRW. Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 31. Januar 2005 - 21 E 1487/04 -, Die Öffentliche 48 Verwaltung (DÖV) 2005, 834. Das Informationsfreiheitsgesetz räumt allen natürlichen Personen unterschiedslos            49 und ohne Anknüpfung an bestimmte Bedingungen vom Grundsatz her einen allgemeinen Zugangsanspruch ein. Demgegenüber sieht die Abgabenordnung für das Verwaltungsverfahren einen Anspruch auf Akteneinsicht bzw. Auskunft nicht vor. Diese Negativregelung des Akteneinsichtsrechts in der für das Besteuerungsverfahren ausschließlich maßgeblichen Abgabenordnung ist im Rahmen der Regelungsreichweite der Abgabenordnung als eine besondere http://www.justiz.nrw.de/nrwe/ovgs/vg_gelsenkirchen/j2006/17_K_885_05urteil2006... 11.12.2007
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Verwaltungsgericht Gelsenkirchen, 17 K 885/05                                    Seite 7 von 10 Rechtsvorschrift im Sinne von § 4 Abs. 2 Satz 1 IFG NRW anzusehen. Der Bundesgesetzgeber hat durch den Erlass der Abgabenordnung von seiner Gesetzgebungskompetenz gemäß Art. 108 Abs. 5 Satz 1 des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland (GG) Gebrauch gemacht, ein von den Landesfinanzbehörden bei der Verwaltung der übrigen Steuern im Sinne des Art. 108 Abs. 2 Satz 1 GG anzuwendendes, abschließendes Verfahrensrecht zu schaffen. Dabei hat er keine Regelungen über die Einsichtnahme in Akten aufgenommen. Er hat davon abgesehen, einen Anspruch, insbesondere der                       50 Steuerpflichten, auf Einsichtnahme in die Steuerakten der Finanzverwaltung beziehungsweise diesbezügliche Auskunftsrechte zu normieren. Dabei handelt es sich um einen absichtsvollen Regelungsverzicht des Gesetzgebers, der als Ausnutzung seiner Regelungskompetenz für die Abgabenordnung zu qualifizieren ist. Soweit es um den Umgang mit den im Besteuerungsverfahren gespeicherten Daten geht, geht der Bundesfinanzhof von einer abschließenden Regelung des Auskunfts- und Akteneinsichtsrechts in der Abgabenordnung aus. Vgl. BFH, Beschluss vom 04. Juni 2003 - VII B 138/01 -, Sammlung der                        51 Entscheidungen des Bundesfinanzhofes (BFHE) 202, 231. Eine in der für das Besteuerungsverfahren maßgeblichen Abgabenordnung zum Ausdruck kommende abschließende Entscheidung des Bundesgesetzgebers kann 52 durch ein Landesgesetz weder geändert noch ergänzt werden. Dies wäre mit Art. 31 GG nicht vereinbar. Vgl. Finanzgericht N. , Urteil vom 20. November 2003 - 12 K 6405/02 S - , a.a.O.            53 Trotz dieser Nichtregelung eines Anspruches auf Akteneinsicht im außergerichtlichen (vgl. im Gegensatz dazu § 78 FGO) Besteuerungsverfahren in der Abgabenordnung wird von der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofes ein Anspruch eines am steuerrechtlichen Verfahren Beteiligten auf pflichtgemäße Ermessensentscheidung der Behörde über ein Akteneinsichtsgesuch anerkannt. In               54 Ausnahmefällen kann sich in Abwägung des allgemeinen Persönlichkeitsrecht des die Akteneinsicht Begehrenden mit dem in § 30 AO geregelten Steuergeheimnis im Wege der Ermessensreduzierung auf Null ein solcher Anspruch auf einen Anspruch auf Akteneinsicht verdichten. Vgl. BFH, Urteil vom 08. Februar 1994 - VII R 88/92 -, BFHE 174, 197.                       55 b)                                                                                          56 Der grundsätzliche Ausschluss eines Akteneinsichts- und Informationsanspruches              57 in der Abgabenordnung mit der soeben genannten Modifizierung durch die Rechtsprechung entfaltet jedoch nur insoweit Wirkung, als die Regelungsreichweite der Abgabenordnung betroffen ist. Die Reichweite ist unter Berücksichtigung von § 1 Abs. 1 AO i.V.m. § 30 AO zu ermitteln. aa)                                                                                         58 Nach § 1 Abs. 1 AO gilt die Abgabenordnung für alle Steuern, einschließlich der             59 Steuervergütungen, die durch Bundesrecht oder Recht der Europäischen Gemeinschaften geregelt sind, soweit sie durch Bundesfinanzbehörden oder durch Landesfinanzbehörden verwaltet werden. Soweit das steuerrechtliche Verfahren M. betroffen war, waren Steuern im Sinne von § 1 Abs. 1 AO Streitgegenstand. Im vorliegenden Verfahren geht es den Klägern aber weder um Akteneinsicht in das steuerrechtliche Verfahren M. noch um eine Auskunft, die sich spezifisch auf das Verfahren M. oder ein anderes steuerrechtliches Verfahren bezieht. Dies spricht bereits für eine fehlende Ausschlussfunktion der Regelungen der Abgabenordnung betreffend das Informationsbegehren der Kläger. bb)                                                                                         60 61 Um die Reichweite des Steuergeheimnisses, das von den Amtsträgern des http://www.justiz.nrw.de/nrwe/ovgs/vg_gelsenkirchen/j2006/17_K_885_05urteil2006... 11.12.2007
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Verwaltungsgericht Gelsenkirchen, 17 K 885/05                                    Seite 8 von 10 Beklagten zu wahren ist, zu ermitteln, ist auf § 30 AO zurückzugreifen. Nach § 30 Abs. 1 AO haben Amtsträger das Steuergeheimnis zu waren. Nach § 30 Abs. 2 Nr. 1 lit. a) AO verletzt ein Amtsträger das Steuergeheimnis, wenn er Verhältnisse eines anderen, die ihm in einem Verwaltungsverfahren, einem Rechnungsprüfungsverfahren oder einem gerichtlichen Verfahren in Steuersachen bekannt geworden sind, unbefugt offenbart oder verwertet und keiner der Ausnahmetatbestände des § 30 Abs. 4 bzw. Abs. 5 AO vorliegt. Bei dem Übersender des Gutachtens handelt es sich um einen Anderen im Sinne des § 30 Abs. 2 Nr. 1 lit. a) AO, dessen Verhältnisse (insbesondere der Umstand der Übermittlung des Gutachtens) im Falle der Auskunftserteilung durch den Beklagten bekannt gemacht werden. Dem Beklagten sind die genannten Verhältnisse des Dritten jedoch nicht in einem Verwaltungsverfahren bzw. einem gerichtlichen Verfahren in Steuersachen bekannt geworden. Auf die an den Vertreter des Beklagten im Erörterungstermin gerichtete Frage, ob das Gutachten speziell zum Verfahren M. übermittelt worden sei, gab er an, dass er darüber wegen § 30 AO keine Angaben machen könne. Eine Berufung auf § 30 Abs. 2 Nr. 1 lit. a) AO setzt jedoch voraus, dass seitens der Steuerbehörde zumindest vorgetragen wird, ihr seien die maßgeblichen Verhältnisse eines anderen in einem            62 Verwaltungsverfahren bzw. einem gerichtlichen Verfahren in Steuersachen bekannt geworden. Soweit der Beklagte vorträgt, er habe das Gutachten in das Verfahren M. eingeführt und es sei damit sowohl Teil eines Verwaltungsverfahrens in Steuersachen wie auch eines gerichtlichen Verfahrens in Steuersachen geworden, knüpft diese rechtliche Beurteilung an eine nach der Übersendung des Gutachtens erfolgte Verhaltensweise des Beklagten an, die von dem Informationsbegehren der Kläger nicht erfasst ist. Dieses bezieht sich lediglich auf den vorgeschalteten Vorgang des Übersendens des Gutachtens an den Beklagten, das nach den Ausführungen des Beklagten im Zusammenhang mit dem Verfahren Linnenweber gestanden haben kann oder auch nicht. Von einem Bekanntwerden von Verhältnissen eines anderen in einem                            63 Verwaltungsverfahren bzw. einem gerichtlichen Verfahren in Steuersachen ist bei einer am Sinn und Zweck des § 30 Abs. 2 Nr. 1 lit. a) AO orientierten Auslegung dieser Vorschrift darüber hinaus nur dann auszugehen, wenn durch den Dritten bezogen auf einen Steuerpflichtigen Sachverhalte bzw. Sachverhaltsumstände übermittelt werden. Der Wortlaut der Vorschrift des § 30 Abs. 2 Nr. 1 lit. a) AO nennt als schützenswert nicht nur - wie § 22 Abs. 2 Nr. 1 der bis Ende 1976 (vgl. § 415 Abs. 1 AO) gültig gewesenen Reichsabgabenordnung - die „Verhältnisse eines Steuerpflichtigen". Der Gesetzgeber hat bei der Schaffung der Abgabenordnung den Anwendungsbereich des Steuergeheimnisses bewusst ausgedehnt. Zum geschützten Personenkreis sollen nach der Begründung des Gesetzentwurfs nicht nur die Steuerpflichtigen, sondern auch andere Personen gehören, deren Verhältnisse einem Amtsträger in einem steuerrechtlichen Verwaltungs- oder Gerichtsverfahren bekannt geworden sind. Insoweit wird in der Begründung zur Gesetzesneufassung des § 30 AO ausgeführt: „Zum geschützten Personenkreis sollen nicht nur die Steuerpflichtigen, sondern auch andere Personen gehören, deren Verhältnisse dem Amtsträger in einem der in Abs. 1 Nr. 1 Buchstaben a bis c genannten Verfahren bekannt geworden sind. Dadurch werden nunmehr eindeutig auch auskunftspflichtige Dritte geschützt." Vgl. Bundestagsdrucksache VI/1982 S. 100.                                                   64 Soweit unter Hinweis auf diese Begründung eine einschränkende Anwendung des                 65 Steuergeheimnisses dahin vertreten wird, dass zum geschützten Personenkreis des § 30 Abs. 2 Nr. 1 lit. a) AO nur Personen gehören, die auskunftspflichtig sind, wird 66 diese Einschätzung vom Bundesfinanzhof nicht geteilt. http://www.justiz.nrw.de/nrwe/ovgs/vg_gelsenkirchen/j2006/17_K_885_05urteil2006... 11.12.2007
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Verwaltungsgericht Gelsenkirchen, 17 K 885/05                                    Seite 9 von 10 Vgl. Urteil vom 08. Februar 1994 - VII R 88/92 -, a.a.O.                                    67 Dieser Streit kann im vorliegenden Fall dahinstehen. Denn die nach der Begründung des Gesetzentwurfes vorgenommene Einschränkung deutet darauf hin, dass jedenfalls nicht solche Angaben von Dritten dem Steuergeheimnis unterfallen, die in keinerlei Hinsicht einen Tatsachenbezug zu steuerrechtlichen Verfahren anderer Personen haben. Mit dem Steuergeheimnis wird darüber hinaus der Zweck verfolgt, durch besonderen Schutz des Vertrauens in die Amtverschwiegenheit die Bereitschaft zur Offenlegung steuerlich relevanter Sachverhalte zu fördern, um so das Steuerverfahren zu erleichtern, die 68 Steuerquellen vollständig zu erfassen und eine gesetzmäßige, insbesondere auch gleichmäßige Besteuerung sicherzustellen. Das Gebot der gleichmäßigen Besteuerung spricht dafür, das Steuergeheimnis auch für Informanten gelten zu lassen, die den Finanzbehörden Kenntnisse über steuerlich relevante Sachverhalte anderer Personen überbringen. Falls diese Informationspersonen Gefahr liefen, dass ihre Namen, die Tatsache der Information durch sie und der Inhalt ihrer Meinung grundsätzlich weitergegeben werden, ließe die Bereitschaft zur Informationserteilung wahrscheinlich nach. Vgl. insoweit BFH, Urteil vom 08. Februar 1994 - VII R 88/92 -, a.a.O.                      69 Die Übermittlung des Gutachtens des Prof. Dr. C. hat bei dem Beklagten nicht zu einem Erkenntniszuwachs hinsichtlich etwaiger steuerlich relevanter Sachverhaltsumstände betreffend das Verfahren M. geführt. Das Gutachten beschäftigt sich in abstrakter Form mit der Rechtsfrage, ob die Umsatzsteuer auf Umsätze aus dem Betrieb von Geldspielgeräten im Sinne von § 33 c der Gewerbeordnung erhoben werden kann. Soweit in dem Gutachten der Anlassfall geschildert wird (vgl. S. 6 f des Gutachtens), wird nur der den Beteiligten des             70 damaligen gerichtlichen Verfahrens M. bekannte Streitstoff in Bezug genommen. Der Anlassfall bietet lediglich die Grundlage für die Ausführungen zur Rechtslage, die sich in steuerrecht-licher Hinsicht aus dem Betrieb von Geldspielautomaten mit Gewinnmöglichkeiten ergeben. Dem Beklagten ist damit nur ein Gutachten zu abstrakten Rechtsfragen übermittelt worden. Die Übersendung des Gutachtens durch den Dritten sollte gege benenfalls „Munition" im Rahmen des steuerrechtlichen Verfahrens M. in Form von             71 rechtlicher Argumentationshilfe liefern. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Rechtsanwendung unter Inanspruchnahme sämtlicher möglicher Erkenntnismittel ohnehin Aufgabe des Beklagten und der Gerichte war und ist. Die durch einen Dritten vorgenommene Übersendung des Gutachtens ist damit weder vom Regelungsbereich des § 30 Abs. 2 Nr.1 lit. a) AO noch von dessen 72 Regelungszweck erfasst; das diesbezügliche Informationsbegehren der Kläger unterliegt daher nicht den Einschränkungen der genannten Regelung. Die Anwendbarkeit des IFG NRW ist daher für den vorliegenden Fall nicht durch               73 besondere Rechtsvorschriften über den Zugang zu amtlichen Informationen, die Auskunftserteilung oder die Gewährung von Akteneinsicht ausgeschlossen. 3.                                                                                          74 75 Dem Anspruch der Kläger aus § 4 Abs. 1 IFG NRW stehen keine der einschränkenden Regelungen aus § 6 ff. IFG NRW entgegen. Soweit der Beklagte vorgetragen hat, § 9 Abs. 1 IFG NRW stehe dem Auskunftsbegehren der Kläger entgegen, kann diesem Vortrag im Hinblick auf die teilweise Klagerücknahme im Termin zur mündlichen Verhandlung nicht mehr gefolgt werden. Nach § 9 Abs. 1 IFG NRW ist der Antrag auf Informationszugang abzulehnen, soweit durch das Bekanntwerden der Information personenbezogene Daten offenbart werden, es sei denn, die unter § 9 Abs. 1 lit. a bis e IFG NRW genannten Voraussetzungen liegen vor. Das noch streitgegenständliche Klagebegehren ist nicht auf http://www.justiz.nrw.de/nrwe/ovgs/vg_gelsenkirchen/j2006/17_K_885_05urteil2006... 11.12.2007
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Verwaltungsgericht Gelsenkirchen, 17 K 885/05                                  Seite 10 von 10 Informationserteilung betreffend personenbezogene Daten gerichtet. Der Begriff der personenbezogenen Daten ist im IFG NRW nicht definiert. Insoweit ist auf die Regelungen des Datenschutzrechts, namentlich des Gesetzes zum Schutz personenbezogener Daten (Datenschutzgesetz Nordrhein-Westfalen - DSG NRW - ) zurückzugreifen. Vgl. Haurand/Stollmann, Gesetz über die Freiheit des Zugangs zu Information für 76 das Land Nordrhein-Westfalen, Kommentar, Stand: April 2003, § 9 Anm. 2. Nach § 3 Abs. 1 DSG NRW sind personenbezogene Daten „Einzelangaben über                    77 persönliche und sachliche Verhältnisse einer bestimmten oder bestimmbaren natürlichen Person". Es muss sich mithin um Angaben über eine natürliche Person han deln, so dass Informationen über juristische Personen oder Personengesellschaften nicht erfasst werden. Die von den Klägern begehrte Information bezieht sich ausschließlich auf juristische Personen, nämlich die in           78 Form von eingetragenen Vereinen organisierten Verbände VDAI, DAGV und BA sowie andere juristische Personen. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs.1, 155 Abs.2, 159 Satz 1 VwGO, §              79 100 der Zivilprozessordnung ( ZPO ). Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO, §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO. 80 http://www.justiz.nrw.de/nrwe/ovgs/vg_gelsenkirchen/j2006/17_K_885_05urteil2006... 11.12.2007
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