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Information

Aktenzeichen
T-391/03, T-70/04
Datum
6. Juli 2006
Gericht
Gericht der Europäischen Union
Gesetz
Verordnung (EG) Nr. 1049/2001 (Transparenzverordnung)
Verordnung (EG) Nr. 1049/2001 (Transparenzverordnung)

Urteil: Gericht der Europäischen Union am 6. Juli 2006

T-391/03, T-70/04

Dokumente fallen nur insoweit unter die Ausnahme zum Schutz von Gerichtsverfahren als sie für ein bestimmtes Gerichtsverfahren erstellt worden sind. Dies ist nicht der Fall, wenn es allein und vollständig in den Verantwortungsbereich der zuständigen Behörden und Organe fällt, wie sie mit den Informationen verfahren (Verwendung in Gerichtsverfahren oder nicht). Die Ausnahmevorschrift der Verordnung, die "(den Zweck) von Inspektions-, Untersuchungs- und Audittätigkeiten schützen soll", ist nur anwendbar, wenn die Zugänglichmachung der betreffenden Dokumente dazu führen könnte, dass diese Tätigkeiten nicht abgeschlossen werden können. Die im Rahmen der Bearbeitung eines Antrags auf Zugang zu Dokumenten erforderliche Prüfung muss konkret sein. Die Gefahr der Beeinträchtigung eines geschützten Interesses muss absehbar und nicht rein hypothetisch sein und in Bezug auf jedes im Antrag bezeichnete Dokument konkret und individuell geprüft werden. Das besondere Interesse, das ein Antragsteller am Zugang zu einem Dokument geltend machen kann, das ihn persönlich betrifft, kann kein überwiegendes öffentliches Interesse im Sinne der Transparenzverordnung darstellen; es handelt sich nicht um ein allgemeines, sondern ein privates Interesse. (Quelle: LDA Brandenburg)

Drittbetroffenheit (Gesetzliche) Geheimhaltungspflichten Interessenabwägung Begriffsbestimmung Gefährdung des Erfolgs behördlicher Maßnahmen

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CURIA - Dokumente                                                                     Seite 1 von 24 URTEIL DES GERICHTS (Dritte Kammer) 6. Juli 2006(*) „Zugang zu Dokumenten – Verordnung (EG) Nr. 1049/2001 – Untersuchungen des Europäischen Amtes für Betrugsbekämpfung (OLAF) – Eurostat – Zugangsverweigerung – Inspektions- und Untersuchungstätigkeiten – Rechtspflege − Verteidigungsrechte“ In den verbundenen Rechtssachen T-391/03 und T-70/04 Yves Franchet und Daniel Byk, Beamte der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, wohnhaft in Luxemburg (Luxemburg), Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte G. Vandersanden und L. Levi, Kläger, gegen Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch D. Maidani, J.-F. Pasquier und P. Aalto als Bevollmächtigte, Zustellungsanschrift in Luxemburg, Beklagte, wegen Nichtigerklärung der Entscheidungen des Europäischen Amtes für Betrugsbekämpfung (OLAF) und der Kommission, mit denen den Klägern der Zugang zu bestimmten Dokumenten über eine Untersuchung betreffend Eurostat verweigert wurde, erlässt DAS GERICHT ERSTER INSTANZ DER EUROPÄISCHEN GEMEINSCHAFTEN (Dritte Kammer) unter Mitwirkung des Präsidenten M. Jaeger, der Richterin V. Tiili und des Richters O. Czúcz, Kanzler: I. Natsinas, Verwaltungsrat, aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 15. September 2005 folgendes Urteil Rechtlicher Rahmen 1       Artikel 255 EG sieht vor: „(1) Jeder Unionsbürger sowie jede natürliche oder juristische Person mit Wohnsitz oder Sitz in einem Mitgliedstaat hat das Recht auf Zugang zu Dokumenten des Europäischen http://curia.europa.eu/juris/document/document_print.jsf?doclang=DE&text=&pageIn... 05.12.2014
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CURIA - Dokumente                                                                      Seite 3 von 24 „Ein Zweitantrag ist unverzüglich zu bearbeiten. Binnen fünfzehn Arbeitstagen nach Registrierung eines solchen Antrags gewährt das Organ entweder Zugang zu dem angeforderten Dokument und macht es innerhalb dieses Zeitraums gemäß Artikel 10 zugänglich oder teilt schriftlich die Gründe für die vollständige oder teilweise Ablehnung mit. Verweigert das Organ den Zugang vollständig oder teilweise, so unterrichtet es den Antragsteller über mögliche Rechtsbehelfe, das heißt, Erhebung einer Klage gegen das Organ und/oder Einlegen einer Beschwerde beim Bürgerbeauftragten nach Maßgabe der Artikel 230 bzw. 195 des EG-Vertrags.“ 7       Durch den Beschluss 2001/937/EG, EGKS, Euratom der Kommission vom 5. Dezember 2001 zur Änderung ihrer Geschäftsordnung (ABl. L 345, S. 94) wurde der Beschluss 94/90/EGKS, EG, Euratom der Kommission vom 8. Februar 1994 über den Zugang der Öffentlichkeit zu den der Kommission vorliegenden Dokumenten (ABl. L 46, S. 58) aufgehoben, der für die Kommission die Anwendung des Verhaltenskodex für den Zugang der Öffentlichkeit zu Rats- und Kommissionsdokumenten (ABl. 1993, L 340, S. 41, im Folgenden: Verhaltenskodex) sicherstellte, den Rat und Kommission am 6. Dezember 1993 verabschiedet hatten. 8       Artikel 3 des Anhangs des Beschlusses 2001/937 sieht vor: „Behandlung von Erstanträgen … Der Antragsteller wird vom Generaldirektor oder dem Leiter des für den Antrag zuständigen Dienstes oder von einem zu diesem Zweck innerhalb des Generalsekretariats benannten Direktor bzw. von einem innerhalb des OLAF benannten Direktor, sofern sich der Antrag auf Dokumente im Zusammenhang mit in Artikel 2 Absätze 1 und 2 des Beschlusses 1999/352/EG, EGKS, Euratom der Kommission zur Errichtung des OLAF vorgesehenen, von OLAF durchgeführten Maßnahmen bezieht, oder aber von dem Beamten, der zu diesem Zweck bestimmt wurde, darüber unterrichtet, wie sein Antrag beschieden wurde. In jedem, selbst teilweise, ablehnenden Bescheid wird der Antragsteller über sein Recht informiert, innerhalb von 15 Werktagen nach Eingang des Bescheides einen Zweitantrag beim Generalsekretariat der Kommission oder beim Direktor des OLAF, sofern der Zweitantrag Dokumente im Zusammenhang mit in Artikel 2 Absätze 1 und 2 des Beschlusses 1999/352/EG, EGKS, Euratom vorgesehenen, von dem OLAF durchgeführten Maßnahmen betrifft, zu stellen.“ 9       Zur Behandlung von Zweitanträgen sieht Artikel 4 des Anhangs des Beschlusses 2001/937 außerdem vor: „Gemäß Artikel 14 der Geschäftsordnung der Kommission wird die Entscheidungsbefugnis über Zweitanträge dem Generalsekretär übertragen. Betrifft der Zweitantrag allerdings Dokumente im Zusammenhang mit in Artikel 2 Absätze 1 und 2 des Beschlusses 1999/352/EG, EGKS, Euratom vorgesehenen, von dem OLAF durchgeführten Maßnahmen, wird die Entscheidungsbefugnis dem Direktor des OLAF übertragen. Die Generaldirektion oder der Dienst unterstützen das Generalsekretariat bei der Erarbeitung der Entscheidung. Die Entscheidung wird durch den Generalsekretär oder den Direktor des OLAF nach Zustimmung des Juristischen Dienstes getroffen. http://curia.europa.eu/juris/document/document_print.jsf?doclang=DE&text=&pageIn... 05.12.2014
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CURIA - Dokumente                                                                     Seite 5 von 24 12      Artikel 10 der Verordnung Nr. 1073/1999 sieht vor: „Übermittlung von Informationen durch das [OLAF] (1)    Unbeschadet der Artikel 8, 9 und 11 dieser Verordnung und der Bestimmungen der Verordnung (Euratom, EG) Nr. 2185/96 kann das [OLAF] den zuständigen Behörden der betreffenden Mitgliedstaaten jederzeit Informationen übermitteln, die es im Laufe externer Untersuchungen erlangt hat. (2)    Unbeschadet der Artikel 8, 9 und 11 übermittelt der Direktor des [OLAF] den Justizbehörden des betreffenden Mitgliedstaats die bei internen Untersuchungen vom [OLAF] eingeholten Informationen über gegebenenfalls strafrechtlich zu ahndende Handlungen. Vorbehaltlich der Untersuchungserfordernisse unterrichtet er gleichzeitig den betreffenden Mitgliedstaat. (3)    Unbeschadet der Artikel 8 und 9 kann das [OLAF] dem betreffenden Organ, der betreffenden Einrichtung oder dem betreffenden Amt oder der betreffenden Agentur jederzeit Informationen übermitteln, die es im Laufe interner Untersuchungen erlangt hat.“ Sachverhalt 13      Bei den Klägern Yves Franchet und Daniel Byk handelt es sich um einen ehemaligen Generaldirektor und einen ehemaligen Direktor von Eurostat (Statistisches Amt der Europäischen Gemeinschaften). 14      Mehrere interne Audits bei Eurostat ergaben, dass möglicherweise Unregelmäßigkeiten bei der Finanzverwaltung vorlagen. Das OLAF leitete daher mehrere Untersuchungen ein, insbesondere über die Verträge, die Eurostat mit den Gesellschaften Eurocost, Eurogramme und Datashop – Planistat geschlossen hatte, sowie über die diesen Gesellschaften gewährten Zuschüsse. 15      Am 4. Juli 2002 übermittelte das OLAF den luxemburgischen Justizbehörden nach Artikel 10 der Verordnung Nr. 1073/1999 eine Akte über die interne Untersuchung betreffend Eurocost, in der der Kläger Franchet belastet wurde, sowie eine weitere Akte über die externe Untersuchung betreffend Eurogramme. Am 19. März 2003 übermittelte das OLAF den französischen Justizbehörden ferner eine Akte über die Sache Datashop – Planistat, in der beide Kläger belastet wurden. 16      Die Kläger wurden am 21. Mai 2003 auf eigenen Antrag versetzt. 17      Am 11. Juni 2003 wies die Kommission den Internen Auditdienst (IAD) an, im Rahmen der Begleitung des Entlastungsverfahrens die von Eurostat geschlossenen Verträge und gewährten Zuschüsse zu prüfen. Der IAD erstellte drei Berichte, den ersten am 7. Juli, den zweiten am 24. September und den dritten (im Folgenden: Abschlussbericht des IAD) am 22. Oktober 2003. 18      Am 9. Juli 2003 beschloss die Kommission, ein Disziplinarverfahren gegen die Kläger einzuleiten. Dieses Verfahren wurde sogleich ausgesetzt, weil die Untersuchung des OLAF noch lief. Die Kommission richtete außerdem eine multidisziplinäre Task-Force ein. 19      Mit Antrag vom 25. Juli 2003 forderten die Kläger unter Berufung auf den allgemeinen Transparenzgrundsatz und das in Artikel 42 der am 7. Dezember 2000 in Nizza proklamierten Charta der Grundrechte der Europäischen Union (ABl. 2000, C 364, S. 1) http://curia.europa.eu/juris/document/document_print.jsf?doclang=DE&text=&pageIn... 05.12.2014
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CURIA - Dokumente                                                                     Seite 9 von 24 28      Mit Klageschrift, die am 27. November 2003 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, haben die Kläger die Klage in der Rechtssache T-391/03 gegen die Entscheidung vom 18. August 2003 sowie gegen die erste angefochtene Entscheidung erhoben. 29      Mit am selben Tag eingereichtem besonderem Schriftsatz haben sie beantragt, über diese Klage im beschleunigten Verfahren gemäß Artikel 76a der Verfahrensordnung des Gerichts zu entscheiden. 30      Die Vierte Kammer des Gerichts, der die Rechtssache damals zugewiesen worden war, hat den Antrag auf ein beschleunigtes Verfahren mit Beschluss vom 17. Dezember 2003, der den Klägern am 22. Dezember 2003 zugestellt worden ist, zurückgewiesen. 31      Mit Klageschrift, die am 19. Februar 2004 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, haben die Kläger die Klage in der Rechtssache T-70/04 gegen die stillschweigende Entscheidung der Kommission, mit der ihre am 21. und am 29. Oktober 2003 eingereichten Anträge auf Zugang zu verschiedenen Dokumenten abgelehnt wurden, sowie gegen die zweite angefochtene Entscheidung erhoben. 32      Infolge der Änderung der Zusammensetzung der Kammern des Gerichts zu Beginn des neuen Gerichtsjahres ist der Berichterstatter der Dritten Kammer zugeteilt worden, an die die vorliegende Rechtssache deshalb verwiesen worden ist. 33      Durch Beschluss des Präsidenten der Dritten Kammer des Gerichts vom 13. Juli 2005 sind die Rechtssachen T-391/03 und T-70/04 gemäß Artikel 50 der Verfahrensordnung zu gemeinsamem mündlichen Verfahren und zu gemeinsamer Entscheidung verbunden worden. 34      Das Gericht (Dritte Kammer) hat auf Bericht des Berichterstatters die mündliche Verhandlung eröffnet und im Rahmen der prozessleitenden Maßnahmen nach Artikel 64 der Verfahrensordnung den Klägern und der Kommission schriftlich Fragen gestellt. Die Parteien haben diese fristgerecht beantwortet. 35      Die Parteien haben in der Sitzung vom 15. September 2005 mündlich verhandelt und mündliche Fragen des Gerichts beantwortet. 36      Mit Beschluss vom 26. September 2005 gemäß den Artikeln 65 Buchstabe b, 66 § 1 und 67 § 3 Absatz 3 der Verfahrensordnung hat das Gericht der Beklagten aufgegeben, die streitigen Dokumente vorzulegen, und gleichzeitig bestimmt, dass sie in diesem Verfahren den Klägern nicht übermittelt werden. Die Beklagte ist dieser Aufforderung nachgekommen. 37      Die mündliche Verhandlung ist am 8. November 2005 durch eine Entscheidung des Präsidenten der Dritten Kammer des Gerichts geschlossen worden. Anträge der Parteien 38      In der Rechtssache T-391/03 beantragen die Kläger, –      die Entscheidung vom 18. August 2003 sowie die erste angefochtene Entscheidung für nichtig zu erklären; –      der Kommission sämtliche Kosten des Verfahrens aufzuerlegen. 39      Die Kommission beantragt, http://curia.europa.eu/juris/document/document_print.jsf?doclang=DE&text=&pageIn... 05.12.2014
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