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Information

Aktenzeichen
2 A 29.05
Datum
25. April 2006
Gericht
Verwaltungsgericht Berlin
Gesetz
Informationsfreiheitsgesetz Berlin (IFG)
Informationsfreiheitsgesetz Berlin (IFG)

Urteil: Verwaltungsgericht Berlin am 25. April 2006

2 A 29.05

In einem Streit um den Umfang des Anspruchs auf Einsicht in die Akten des Genehmigungsverfahrens für die Berliner Wassertarife weist das Verwaltungsgericht die Klage ab. Bei den in den Tarifkalkulationen und Wirtschaftsprüfergutachten enthaltenen Daten handelt es sich um Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse. Juristische Personen des öffentlichen Rechts sind vom Ausnahmetatbestand des Informationsfreiheitsgesetzes zum Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen nicht ausgenommen. Dies gilt auch, wenn diesen juristischen Personen kein Grundrechtsschutz zukommt. Den Wasserbetrieben kann aufgrund ihrer Monopolstellung im Rahmen der Wasserver- und Entsorgung zwar kein Wettbewerbsschaden entstehen, sie nimmt jedoch außerhalb des Landes am Wettbewerb teil. Ein überwiegendes Allgemeininteresse an der Offenlegung ist nicht zu erkennen. (Quelle: LDA Brandenburg)

Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse Aussonderungen Interessenabwägung

ger en

Bi VG 2A 29.05 Verkündet am 25. April 2006

Kelm Justizangestellte als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle

VERWALTUNGSGERICHT BERLIN

URTEIL Im Namen des Volkes In der Verwaltungsstreitsache

Klägers

Beklagten

hat das Verwaltungsgericht Berlin, 2. Kammer, aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 25. April 2006 durch

die Präsidentin des Verwaltungsgerichts Xalter, den Richter am Verwaltungsgericht Erckens, den Richter am Verwaltungsgericht Schaefer, die ehrenamtlichen Richterinnen Duhra und Westphal

für Recht erkannt:

Die Klage wird abgewiesen.

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Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Dem Kläger wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn 'nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Berufung wird zugelassen.

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über den Umfang des Einsichtsrechts des Klägers in die Akte des Genehmigungsverfahrens der Berliner Wassertarife für 2004.

Mit Bescheid vom 16. Dezember 2003 genehmigte die Senatsverwaltung für Wirtschaft, Arbeit und Frauen die Tarife der Beigeladenen für Wasser, Schmutzwasser und Nieder-

schlagswasser für die Kalkulationsperiode vom 1. Januar 2004 bis 31. Dezember 2004 in der von der Beigeladenen beantragten Höhe.

Unter dem 16. August 2004 beantragte der Kläger wegen befürchteter Unbilligkeit der Entgeltabrechnungen der Beigeladenen im Trink- und Abwasserbereich unter Berufung auf das Berliner Informationsfreiheitsgesetz bei der Senatsverwaltung für Wirtschaft, Arbeit und

Frauen Einsicht in den dort geführten Vorgang zum Tarifgenehmigungsverfahren. Hierzu von dem Beklagten angehört vertrat die Beigeladene die Auffassung, dass das Informationsfreiheitsgesetz keine Anwendung finde, weil die Tarifentgelte privatrechtlich erhoben würden. Überdies enthielten die dem damaligen Genehmigungsantrag beigefügten Kalkulationsunterlagen Geschäftsgeheimnisse. Mit Bescheid vom 13. November 2004 entsprach die Senatsverwaltung für Wirtschaft, Arbeit und Frauen dem-Akteneinsichtsantrag des Klägers hinsicht-

lich des Vorgangs, der die Dokumentation des Genehmigungsvorgangs und den Genehmigungsbescheid vom 16. Dezember 2003 selbst enthält; hinsichtlich der dem Tarifantrag beigefügten Gutachten und Kalkulationsgrundiagen wies sie den Einsichtsantrag zurück. Es sei bereits zweifelhaft, ob der Anwendungsbereich des Informationsfreiheitsgesetzes diese Anlagen zum Genehmigungsantrag überhaupt erfasse. Im Regelfall erfolge die Prüfung der Geschäftsunterlagen in dem jeweiligern Unternehmen, bei dem sie nach Abschluss der Kontrolle verblieben. Jedenfalls enthielten die Unterlagen Daten aus der Wettbewerbstätigkeit

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der Beigeladenen und damit Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse, deren Offenlegung zudem einen nicht nur unwesentlichen wirtschaftlichen Schaden zur Folge haben könnte. Ein dem Interesse der Beigeladenen an der Geheimhaltung vorrangiges Informationsinteresse des Klägers sei nicht erkennbar. Einsicht in die Antragsunterlagen der Beigeladenen könne auch nicht gewährt werden, wenn zuvor die Daten zur Kosten- und Eriöslage des Wettbewerbsgeschäfts geschwärzt würden. In diesem Falle seien närnlich praktisch alle Zahlenangäben unkenntlich zu machen, da anderenfalls die sensiblen Geschäftsdaten der Beigeladenen aus dem übrigen Datenmaterial rückrechenbar seien.

Nachdem der Kläger Einsicht in die freigegebenen Aktenbestandteile genommen hatte, legte er am 16. Dezember 2004 Widerspruch gegen den Bescheid des Beklagten in seinem ablehnenden Teil ein, mit dem er an seinem weitergehenden Einsichtsbegehren festhielt. Da sich die Tarife für die Wasserversorgung ausschließlich auf die Monopolleistungen der Beigeladenen in Bereich der Berliner Wasserver- und -entsorgung bezögen, sei ein Zusammenhang zwischen Tarifkalkulation und Gesamtwirtschaftsplanung der Beigeladenen nicht erkennbar. Inwiefern dieser durch die Offenlegung der Kalkulation ein erheblicher wirtschaftlicher Schaden entstehen könne, set nicht nachvollziehbar.

Hierzu vom Beklagten angehört erklärte die Beigeladene, die Argumentation des Klägers treffe insoweit zu, als tatsächlich kein innerer Zusammenhang zwischen außerhalb Berlins erzielten Erlösen und den Kosten der Berliner Ver- und Entsorgungsaufgaben bestünde. Die Verknüpfung ergebe sich indes aus den Vorgaben der Wassertarifverordnung. Danach sei Grundlage der Tarifkalkulation die gesamte Wirtschaftsplanung der Beigeladenen, die aber sämtliche Kosten und Erträge umfasse. Bei der konkreten Berechnung des Tarifs würden die

Ansätze des Wettbewerbsgeschäfts indes selbstverständlich herausgerechnet.

Auf dieser Grundlage wies die Senatsverwaltung für Wirtschaft, Arbeit und Frauen den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 20. Januar 2005 (Zustellung: 26. Januar 2005) zurück. Zur Begründung führte sie aus: Da das Informationsfreiheitsgesetz lediglich die Kontrolle staatlichen Handelns ermögliche, werde die Berechnung privatrechtlich erhobener Tarifentgelte nicht erfasst. Die in Rede stehenden Unterlagen seien überdies lediglich "Hilfsmaterial" für die Amtshandlung Tarifgenehmigung, das nach Abschluss des Verfahrens im Regelfall an die Antragsteller zurückgeschickt werde. Hinsichtlich des Zusammenhangs zwischen Tarifkalkulation und gesamter Wirtschaftsplanung machte sich der Beklagte das Vorbringen der Beigeladenen zu Eigen.

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Mit der am 24. Februar 2005 erhobenen Klage verfolgt der Kläger sein Begehren auf vollständige Akteneinsicht unter Vertiefung seiner bisherigen Begründung fort. Die Beigsladene sei als Anstalt des öffentlichen Rechts eine öffentliche Stelle. Daher unterliege sie auch mit ihrer privatwirtschaftlichen Tätigkeit der Akteneinsicht. Die dem Genehmigungsantrag beigefügten Unterlagen dienten auch amtlichen Zwecken, da es um das - öffentlich-rechtliche — Genehmigungsverfahren des Beklagten gehe, Sie seien auch Bestandteil der im Genehmigungsverfahren geführten Akte. Der amtliche Prüfvermerk nehme auf diese Unterlagen Bezug. Im Übrigen sei nicht streitig, dass sich diese Unterlagen tatsächlich als Beiakten noch bei der Tarifgenehmigungsakte befänden. Die Beigeladene sei im Rahmen der Wasserver- und -abwasserentsorgung im Land Berlin Monopolist. Insoweit liege kein Wettbewerbsgeschäft vor, dessen Daten allein Gegenstand eines Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisses sein könnten. Im Übrigen bestünde auch ein vorrangiges Informationsinteresse angesichts der zu Beginn des Jahres 2004 erfolgten Erhöhung der Tarife um durchschnittlich 15 %. Mindestens könne eine beschränkte Akteneinsicht in die nicht geheimhaltungsbedürftigen Teile der Tarifkalkulation erfolgen. Schließlich stehe es der öffentlichen Stelle auch nicht zu, dar- - über zu befinden, ob der Zweck des Antrages bei beschränkter Akteneinsicht noch erfüllt werde. Der Informationsanspruch bedürfe keiner Begründung. Deshalb könne die angegangene Stelle gar nicht erkennen, worin das verfolgte Informationsinteresse liege.

Der Kläger beantragt,

  1. den Bescheid der Senatsverwaltung für Wirtschaft, Arbeit und Frauen vom 15. November 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom-20. Januar 2005 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, dem Kläger vollständige Akteneinsicht in die Beiakten (Kalkulationsunterlagen) zum Genehmigungsvorgang Wassertarife 2004 zu gewähren,

  2. die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig zu erklären.

Der Beklagte und die Beigeladene beantragen, die Klage abzuweisen.

Sie verteidigen ihre Ansicht aus dem Vorverfahren. Der Beklagte verweist ergänzend auf seine - seit etwa zwei Jahren geänderte - Handhabung, antragsbegleitend im Genehmigungsverfahren eingereichte Prüfunterlagen nach Bestandskraft des Genehmigungsbescheides an den jeweiligen Antragsteller zurückzusenden; von dieser Praxis sei vorliegend nur mit Blick auf das anhängige Verfahren und aus Respekt vor dem Gericht abgewichen worden. Die Beigeladene trägt ergänzend zu ihrem vorprozessualen Vorbringen vor, sie

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könne sich unabhängig von ihrer öffentlich-rechtlichen Organisationsform auf den Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen berufen. Nach den Vorgaben der Wassertarifverordnung müsse die Tarifkalkulation auf der Grundlage der gesamten Wirtschaftsplanung und damit auch unter Einschluss der Kosten und Erträge ihrer Wettbewerbstätigkeit im Land Brandenburg erfolgen. Bei dieser Tätigkeit stehe sie gleichrangig mit öffentlichen und privaten Anbietern im Wettbewerb. Der Geheimnisschutz müsse sich aber auch auf die Tarifkal-

kulationsgrundlagen für die Monopoltätigkeit in Berlin erstrecken. Dies folge zum Einen be-

reits daraus, dass bei Offenbarung dieser Daten eine weitgehende Rückrechnung auf die Daten des Wettbewerbsgeschäfts möglich sei. Zum Anderen könne ein Wettbewerber auch

bei isolierter Kenntnis der Kalkulation für das Land Berlin Erkenntnisse über die spezifischen Kosten der Berliner Wasserbetriebe gewinnen und damit Vorteile im Wettbewerb erzielen, da . die spezifischen Kosten im Monopol - und Wettbewerbsgeschäft gleich seien. Auf dieser

Grundlage komme auch eine nur teilweise Offenbarung der Tarifkalkulation nicht in Betracht, da eine sinnvolle Trennung in zu schützende und zu veröffentlichende Teile unmöglich sei. Gleiches gelte auch für das Wirtschaftsprüfergutachten, da dieses im Aufbau der Kalkulation " entspreche und deshalb Schwärzungen im selben Umfang erforderlich mache. Die Daten hätten ihre Wettbewerbsrelevanz auch noch nicht eingebüßt, auch wenn sie sich auf das

Jahre 2004 bezögen. Wegen des geringen zeitlichen Abstandes seien die Daten entweder (z. B. für Abschreibungen) noch mehrere Jahre fortzuschreiben, ansonsten aber problemlos auf die Folgejahre hochzurechnen.

\Wvegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Streitakte, den Verwaltungsvorgang und den offen gelegten Teil des Genehmigungsvorganges der Wassertarife 2004 des Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Verpflichtungsklage ist unbegründet. Der Bescheid der Senatsverwaltung für Wirtschaft, Arbeit und Frauen vom 15. November 2004 in seinem - allein streitgegenständlichen - ablehnenden Teil ist in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. Januar 2005 rechtmä- Rig; der Kläger hat keinen Anspruch auf die weitergehend begehrte Akteneinsicht (8 113 Abs. 5 VwGO).

Das allein in Betracht kommende Gesetz zur Förderung der Informationsfreiheit im Land Ber-

lin (Berliner Informationsfreiheitsgesetz - IFG -), im Folgenden IFG Bin, vom 15. Oktober

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1999 (GVBI. $. 561), geändert durch Gesetz vom 19. Dezember 2005 (GVBl. S. 7919), bietet im Ergebnis keine Grundlage für das klägerische Einsichtsbegehren.

Nach 8 3 Abs. 1 IFG Bin hat jeder Mensch nach Maßgabe dieses Gesetzes gegenüber den in $ 2 genannten öffentlichen Stellen nach seiner Wahl ein Recht auf Einsicht in oder Auskunft über den Inhalt der von der öffentlichen Stelle geführten Akten. Gemäß Satz 2 der Bestimmung können diese Rechte auch von einer juristischen Person, wie sie der Kläger als eingetragener Verein ist, geltend gemacht werden.

Die Preisbildungs- und Preisüberwachungsstelle bei der Senatsverwaltung für Wirtschaft, . Arbeit und Frauen ist als Behörde des Landes Berlin gemäß $ 2 Abs. 1 Satz 1 (FG in Verbin-

dung mit 8 3 Abs. 1 Satz 1 IFG eine öffentliche Stelle. Die zur Genehmigung der Wassertarife der Senatsverwaltung vorgelegten Kalkutationsunterlagen stellen Akten im Sinne des IFG Bin dar. Nach $ 3 Abs. 2 IFG Bin sind Akten im Sinne dieses Gesetzes alle schriftlich, elektronisch, optisch, akustisch oder auf andere Weise festgehaltenen Gedankenverkörperungen und sonstige Aufzeichnungen, insbesondere Schrift-

" stücke, Magnetbänder, Disketten, Filme, Fotos, Tonbänder, Pläne, Diagramme, Bilder und Karten, soweit sie amtlichen Zwecken dienen. Der amtliche Zweck ist hier nicht etwa deshalb

zu verneinen, weil die Wassertarife privatrechtlich gegenüber den Kunden abgerechnet werden. Der Kläger begehrt Einsicht nicht in Unterlagen, die im Verhältnis der Beigeladenen zu ihren Kunden Verwendung gefunden haben. In Rede stehen vielmehr Kalkulation und Gut-

achten für das öffentlich-rechtliche Genehmigungsverfahren der Wassertarife nach der Verordnung über die Tarife der Berliner Wasserbetriebe.

Nicht entscheidungserheblich ist die Frage, ob die Verwaltungspraxis des Beklagten, in Genehmigungsverfahren eingereichte Prüfunterlagen nach Bestandskraft des Genehmigungsbescheides an den jeweiligen Antragsteller zurückzusenden, Einfluss darauf hat, ob diese - Unterlagen von der Genehmigungsbehörde im Sinne des & 3 Abs. 1 IFG Bin geführt werden. - Auch wenn nämlich die tatsächlich im entscheidungserheblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung gegebene Zugehörigkeit der Unterlagen zum Genehmigungsvorgang für sich

genommen bereits als tatbestandsmäßige Aktenführung zu qualifizieren wäre und damit das

Informationsrecht des Klägers im Grundsatz nach Abschnitt 1 des IFG Bin bestünde, wäre es im Ergebnis durch Abschnitt 2 des IFG Bin ausgeschlossen.

Nach $ 7 Satz 1 IFG Bin besteht das Recht auf Akteneinsicht oder Aktenauskunft nicht, so-

weit dadurch ein Betriebs- oder Geschäftsgeheimnis offenbart wird oder dem Betroffenen durch die Offenbarung ein nicht nur unwesentlicher wirtschaftlicher Schaden entstehen kann, es sei denn, das Informationsinteresse überwiegt das schutzwürdige Interesse der Betroffenen an der Geheimhaltung.

Die Beigeladene kann sich auf den Geheimnisschutz nach dieser ar" berufen. : Die Kammer folgt nicht der Auffassung des Klägers, die Beigeladen sel al s juristische Person des öffentlichen Rechts vom Schutz des & 7 Satz 1 IFG Bin prinzipiell ausgenommen. Weder aus der Bestimmung selbst noch aus den übrigen Regelungen des IFG Bin lässt sich ein Anhaltspunkt dafür entnehmen, dass der Geheimnisschutz nur bestimmten Personengruppen zugebilligt werden soll. Auch höherrangiges Recht gebietet eine solche Beschränkung nicht. Dabei kommt es nicht darauf an, ob und ggfs. unter welchen Voraussetzungen sich juristische Personen des öffentlichen Rechts. auf Grundrechte berufen können. Selbst wenn diesen nämlich der Grundrechtsschutz in Gänze zu versagen wäre, würde dies den Gesetzgeber nicht hindern, dieser Personengruppe einfachgesetzlich auch im grundrechtsrelevanten Bereich die gleichen Rechte zuzusprechen wie Grundrechtsträgern. Dies ist vorliegend - wie geschildert - dadurch geschehen, dass Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse ohrn e nähere Eingrenzung des Betroffenen von $ 7 IFG Bin geschützt werden (a.A. Rossi, InformationsfreiheitsG, Handkommentar 2006, $ 6 Rdnr. 68 zum IFG Bund).

Bei den in den Tarifkalkulationen und Wirtschaftsprüfergutachten. enthaltenen Daten handelt es sich.um Geschäftsgeheimnisse. Da dieser Begriff im IFG Bin nicht näher umschrieben ist, ist auf die gängige Definition zurückzugreifen. Danach ist Geschäftsgeheimnis jede (die kaufmännische Unternehmensseite betreffende) Tatsache, die im Zusammenhang mit einem wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb steht, nicht offenkundig ist, nach dem bekundeten Willen des Unternehmers geheim gehälten werden soll und den Gegenstand eines berechtigten wirtschaftlichen Interesses des Unternehmers bildet (BVerfG, Beschluss 14.3.06 - 1 BvR 2087/03 Abs. 87, Juris). Die Voraussetzungen sind in Bezug auf die in Streit stehenden Kalkulationsunterlagen und das hierauf aufbauende Wirtschaftsprüfergutachten erfüllt.

Dass es sich bei der Kalkulation nach Grundlage, hierauf aufbauender Berechnung und Überprüfung um im Zusammenhang mit dem Geschäftsbetrieb der Beigeladenen stehende Tatsachen handelt, liegt auf der Hand und ist zwischen den Beteiligten auch nicht im Streit.

Kalkulation und Gutachten sind auch nicht offenkundig, da sie nur einem begrenzten Personenkreis bekannt sind. Dies ist gleichfalls unbestritten.

Die Beigeladene hat zum Ausdruck gebracht, dass die in Rede stehenden Daten geheim gehalten werden sollen. Daran ändert nichts, dass sie sich vorbehält, die Kalkulationsunterlagen in zivilrechtlichen Streitigkeiten mit einzelnen Tarifkunden - wie bezüglich früherer Tarifperioden bereits geschehen (vgl. KG Berlin, Urteil vom 15. Februar 2005, 7 U 140/04, Ju-

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ris) - nach jeweils individueller Prüfung zum Beleg der Billigkeit der Tarife offen zu legen. Wenn die Beigeladene ihr Interesse, den Entgeltanspruch gegenüber einen bestimmten Tarifkunden durchsetzen zu können, dem Geheimhaltungsinteresse unter Berücksichtigung der jeweiligen Person des Tarifkunden im Einzelfall für vorrangig erachtet, liegt darin nicht gleichzeitig die Erklärung, die Geheimhaltung der sensiblen Daten gänzlich aufgeben zu wol- len.

Der Geheimhaltungswille der Beigeladenen wird von einem objektiv schutzwürdigen Ge- ' heimhaltungsinteresse gedeckt. Hierfür kommt es darauf an, ob das Geheimgehaltene für die Wettbewerbsfähigkeit Bedeutung hat und damit von wirtschaftlichem Interesse ist. Dies

ist vor allem dann der Fall, wenn die Informationen Rückschlüsse auf die Betriebsführung, auf die Wirtschafts- und Marktstrategie oder auf Kostenkalkulation und Entgeltgestaltung des

Unternehmens zulassen (Rossi, a.a.O., 8 6 Ran. 75). So liegen die Dinge hier. Bei der ihr obliegenden Wahrnehmung der öffentlichen Aufgabe der Wasserver- und -entsorgung in Berlin ($ 2 Abs. 1 Satz 1, Abs. 6 BerlBG) kommt der Beigeladenen allerdings eine Monopolstellung zu. Im Hinblick auf diese Betätigung können der Beigeladenen demzufolge wettbe- | werbsbezogene Nachteile aus einer Preisgabe ihrer Kalkulation nicht erwachsen, da die Beigeladene insoweit nicht in Konkurrenz zu Mitanbietern steht. Die Beigeladene nimmt aber entsprechend der gesetzlichen Ermächtigung (8 2 Abs. 1 Satz 3 BerlBG) nach ihren unwi-

dersprochenen Angaben außerhalb Berlins am marktwirtschaftlichen Wettbewerb teil. Da die Beigeladene in diesem Bereich Mitkonkurrenten gleichberechtigt gegenüber steht und damit keine Vorzugstellung aufgrund ihrer Öffentlich-rechtlichen Rechtspersönlichkeit genießt, ist es auch in diesem Zusammenhang unerheblich, dass es sich bei ihr um eine juristische Person des öffentlichen Rechts handelt. In diesem geschäftlichen Rahmen sind die in Rede stehenden Kalkulationsdaten und das hierauf aufbauende Wirtschaftsprüfergutachten von potenzieller Relevanz im oben genannten Sinne für mögliche Konkurrenten. Dies ist letztlich zwischen den Beteiligten unstreitig, soweit es um die originären Daten des wettbewerblichen

Geschäftsbereichs der Beigeladenen geht. Darüber hinaus besteht diese Wettbewerbsrelevanz aber auch in Bezug auf die das Berliner Monopolgeschäft betreffenden Kalkulationsdaten. Die Beigeladene hat schlüssig und plausibel dargelegt, dass sich aus diesen Angaben auf der Grundlage der bekannten Menge des in Berlin geförderten Wassers ihre spezifischen Kosten im Bereich der Wahrnehmung der öffentlichen Aufgaben im Berliner Wasserwesen errechnen lassen. Dass potenzielle Mitbewerber im Wettbewerbsgeschäft aus diesen spezi-

fischen Kosten angebotsrelevante Rückschlüsse auch auf die Kalkulation im Bereich der wettbewerblichen Tätigkeit der Beigeladenen ziehen können, ist gleichfalls nachvollziehbar mit dem Hinweis darauf dargetan, dass sich die spezifischen Kosten von Monopol- und

Wettbewerbsgeschäft nicht maßgeblich unterscheiden. Da der Kläger dem nichts entgegen

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hält, ist auf dieser Basis davon auszugehen, dass sämtliche Daten der Kalkulation und des hierauf aufbauenden Wirtschaftsprüfergutachtens wettbewerbsrelevant sind und deren Geheimhaltung damit von einem objektiven wirtschaftlichen Interesse getragen ist. Daran ändert auch nichts, dass sich die Kalkulation auf einen zurückliegenden Zeitraum bezieht. Da weder Anhaltspunkte erkern nbar noch von dem Kläger vorgebracht sind, dass sich die Betriebsstrukturen der Beigeladenen in den letzten zwei Jahren durchgreifend geändert haben, kann entsprechend dem Vorbringen der Beigeladenen nicht davon ausgegangen werden, dass die kalkulatorischen Grundlagen in ihrer Struktur soweit überholt wären, dass ihnen bereits jetzt - zwei Jahre später - keine Wettbewerbsrelevanz mehr zukäme.

Der Kläger kann auch nicht mit Erfolg gegen die Einschränkung seines Einsichtsrechtes nach 8 7 IFG Bin ins Feid führen, der Beigeladenen entstehe ein nur unwesentlicher wirtschaftlicher Schaden durch die Veröffentlichung von Unternehmensgeheimnissen. Das entsprechende Tatbestandsmerkmal des $ 7 Satz 1 IFG Bin stellt einen selbstständigen Ausschlussgrund dar. Geht es indes um den Akteneinsichtsausschluss wegen der Offenbarung von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen, spielt dieses Merkmal keine Rolle.

Die danach von 8 7 Satz 1 IFG Bin geforderte der vollen gerichtlichen Prüfung unterliegende Abwägung der widerstreitenden Interessen fällt zugunsten des Geheimhaltungsinteresses der Beigeladenen aus. Nach der gesetzgeberischen Ausgestaltung des $& 7 Satz 1 FG Bin ("Das Recht ... besteht nicht, es sei denn das Informationsinteresse überwiegt ..."). stellt der Vorrang des Schutzbedürfnisses an der Geheimhaltung der Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse den Regelfall dar. Anlass, von dieser Regel abzuweichen, bietet der vorliegende Fall nicht.

Ein besonderes Gewicht des Informationsinteresses des Klägers ist weder erkennbar noch vorgetragen. Wenn er seine allein vorgebrachten Bedenken gegenüber der Billigkeit der festgesetzten Tarife auf deren Anstieg gegenüber dem Vorjahr stützt, so rechtfertigt dies einen gesteigertes Informationsinteresse schon deshalb nicht, weil zur Tarifperiode 2004 erstmals die gesetzliche Tarifbegrenzung ($ 3 Abs. 5 des Gesetzes zur Teilprivatisierung der Berliner Wasserbetriebe vom 17. Mai 1999, GVBI. S$. 183) entfiel (Änderungsgesetz vom 11. Dezember 2003, GVBI. S. 59). Ein verstärktes Allgemeininteresse an der Offenlegung der Tarifkalkulation ist ebenfalls nicht dargetan. Im Übrigen ist in diesem Zusammenhang zu berücksichtigen, dass die in Frage stehende Billigkeit der Wassertarife voraussichtlich ohnehin weiterer (gerichtlicher) Prüfung unterliegen wird. Im Rahmen zivilrechtlicher Tarifentgeltstreitigkeiten obliegt es nämlich der Beigeladenen die Billigkeit ihrer Forderung gegebenenfalls darzulegen, wie sie dies in der Vergangenheit gerade anhand der jeweiligen Tarifgenehmi-

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gungsunterlagen getan hat (vgl. KG Berlin a.a.O.). Eme Fortführung dieser Praxis hat die Beigeladene angekündigt. Zweifel hieran hat der Kläger nicht erhoben.

Dem danach durchschnittlichen Informationsinteresse gebührt auch nicht deshalb der Abwägungsvorrang, weil das Schutzbedürfnis der Beigeladenen in entscheidungserheblichem Maße reduziert wäre. Es kann dahinstehen, ob dem Geheimhaltungsinteresse der Beigeladenen als juristischer Person des öffentlichen Rechts grundrechtliches Gewicht beikommt. Den regelmäßigen Vorrang des Schutzbedürfnisses hat der Gesetzgeber in seiner einfachgesetzlichen Ausgestaltung ohne Rücksicht auf den Rechtscharakter des Geheimnisträgers getroffen. Diese gesetzliche Vorgabe ist auch in der vorliegenden Fallkonstellation unbedenklich, da das Informationsinteresse des Klägers nach dem IFG Bin ebenfalls nur einfachgesetzlich gewährt und nicht grundrechtlich abgesichert ist. Gleichfalls spielt es für die Abwägung keine maßgebliche Rolle, dass der Kläger selbst nicht im Wettbewerbsverhältnis zu der Beigeladenen steht. Da es der Kontrolle des Geheimhaltungsträgers entzogen ist, wie mit den sensiblen Daten im Falle der Offenbarung verfahren wird, bemisst sich der Grad des Schutzbedürfnisses nicht an Hand der wettbewerblichen Stellung der einsichtssuchenden Person. Inwieweit sich anderes ergeben würde, wenn der Kläger sich zur Geheimhaltung gegenüber der Beigeladenen verpflichtete, kann dahinstehen. Eine entsprechende Zusicherung, die Daten vertraulich zu behandeln, hat der Kläger im Vorfeld des gerichtlichen Streitverfahrens gerade abgelehnt.

Ist das Recht auf Akteneinsicht oder Aktenauskunft danach gemäß $ 7 Satz 1 IFG Bin ausgeschlossen, soweit dadurch die Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse der Beigeladenen offenbart werden, kann der Kläger auch keine beschränkte Akteneinsicht in die Kalkulation und das Wirtschaftsprüfergutachten gemäß 8 12 IFG Bin begehren, Nach dieser Bestim-. mung besteht ein Recht auf Akteneinsicht oder Aktenauskunft hinsichtlich der anderen Aktenteile, soweit die Voraussetzungen für Einschränkungen der Informationsfreiheit nach den 885 bis 11 nur bezüglich eines Teils einer Akte vorliegen. Dies ist hier indes nicht der Fall, Wie ausgeführt ist die Einsicht des Klägers in das gesamte Zahlenwerk der Kalkulation und der hierauf bezogenen Passagen des Prüfgutachtens mit Blick auf deren Charakter als Unternehmensgeheimnis ausgeschlossen. Eine Kalkulation erfährt ihren Informationsgehait aber gerade durch die einzelnen kalkulatorischen Ausweisungen. Ohne diese bleibt lediglich ein abstraktes Gerüst zurück, das für sich genommen keinen Bezug zu den Unternehmensdaten beinhaltet. Dieser sodann "leeren Hülle" fehlt es infolgedessen am Bezug zu einem konkreten Vorgang. Damit karn n der verbleibende Restbestand der Unterlagen aber nicht als einsichtstauglicher "anderer Aktenteil" im Sinne des 8 12 Satz 1 IFG Bln angesehen werden. Die Zugehörigkeit zu einem konkreten Vorgang ist nämlich Voraussetzung, um Informations-

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träger als Akte im Sinne des $ 3 IFG Bin zu qualifizieren (hierzu grundlegend Urteil der Kammer vom 10. Mai 2005, VG 2 A 178.04, Juris). Entsprechendes gilt für das Wirtschaftsprüfergutachten. Ohne die der Geheimhaltung unterliegenden Aussagen zu den kalkulatorischen Daten bleibt nur ein inhaltsloses Fragment zurück.

Die Kosterientscheidung beruht auf 88 154 Abs. 1, 162 Abs. 3 VwGO, wobei es der Billigkeit entspricht, dem Kläger auch die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen aufzuerlegen, da diese sich mit der Antragstellung am Kostenrisiko beteiligt hat (vgl. 8 154 Abs. 3 Satz 1 VwGO). Trägt der Kläger die Verfahrenskosten, ist seinem Antrag, die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig zu erklären ($ 162 Abs. 2 Satz 2 VwGO), der Boden entzogen. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit und die Abwendungsbefugnis folgt aus $ 167 VwGO in Verbindung mit 8 708 Nr. 11, 71% Zivilprozessord-

nung.

Die Berufung wird gemäß 8 124 a Abs. 1 Satz 1 VwGO zugelassen, weil der Zulassungsgrund des $ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO vorliegt. Die Rechtssache hat mit Blick auf die Klärung der Anwendbarkeit des $ 7 Satz 1 IFG Bin auf juristischen Personen des öffentlichen Rechts

grundsätzliche Bedeutung.

Rechtsmittelbelehrung

Gegen dieses Urteil steht den Beteiligten die Berufung an das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg zu.

Die Berufung ist bei dem Verwaltungsgericht Berlin, Kirchstraße 7, 10557 Berlin, innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils einzulegen. Sie muss das angefochtene Urteil bezeichnen.

Die Berufung ist innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des Urteils zu begründen. Die Begründung ist, sofern sie nicht zugleich mit der Einlegung der Berufung erfolgt, bei dem Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg, Hardenbergstraße 31, 10623 Berlin, einzureichen. Die Begründung muss einen bestimmten Antrag enthalten sowie die im Einzelnen anzuführenden Gründe der Anfechtung (Berufungsgründe).

Für das Berufungsverfahren besteht Vertretungszwang. Danach muss sich jeder Beteiligte durch einen Rechtsanwalt oder einen Rechtslehrer an einer deutschen Hochschule im Sinne des Hochschulranmengesetzes mit Befähigung zum Richteramt als Bevollmächtigten verireten lassen. Juristische Personen des öffentlichen Rechts und Behörden können sich auch durch Beamte oder Angestellte mit Befähigung zum Richteramt sowie Diplomjuristen im hö-

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"i Fon ah - 12 - heren Dienst, Gebietskörperschaften auch durch Beärzte oder Angestellte mit Befähigung zum Richteramt der zuständigen Aufsichtsbehörde oder des jeweiligen kommunalen Spit- zenverbandes des Landes, dem sie als Mitglied zugehören, vertreten lassen. Xalter Schaefer Erckens

er/gr Ausgefertigt Justizangestellte als Urkundsbeamte der Geschäftsstelle

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