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Information

Aktenzeichen
7 K 1138/05
Datum
9. März 2006
Gericht
Verwaltungsgericht Minden
Gesetz
Informationsfreiheitsgesetz Nordrhein-Westfalen (IFG)
Informationsfreiheitsgesetz Nordrhein-Westfalen (IFG)

Urteil: Verwaltungsgericht Minden am 9. März 2006

7 K 1138/05

Die dienstliche Stellungnahme eines Beamten oder Richters zu einer gegen ihn gerichteten Dienstaufsichtsbeschwerde stellt sich regelmäßig als zwischen dem Beamten oder Richter und dem Dienstvorgesetzten ausgetauschte Meinungsäußerung über den Beschwerdevorwurf und dessen Bewertung dar. Es handelt sich bei der Stellungnahme vorliegend nicht um eine bloße Sachverhaltsinformation. Somit liegt der Ausschlussgrund zum Schutz des Prozesses der Willensbildung innerhalb von und zwischen öffentlichen Stellen vor. Die Frage der Anwendbarkeit des Informationsfreiheitsgesetzes kann dabei dahinstehen. Auch kommt es nicht auf die Frage an, ob der Schutz personenbezogener Daten der Einsicht entgegensteht. (Quelle: LDA Brandenburg)

Anwendungsbereich/ Zuständigkeit Konkurrierende Rechtsvorschriften Personenbezogene Daten Beratungsgeheimnis (behördlicher Entscheidungsprozess)

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Verwaltungsgericht Minden, 7 K 1138/05                                              Seite 1 von 5 Verwaltungsgericht Minden, 7 K 1138/05 Datum:                   09.03.2006 Gericht:                 Verwaltungsgericht Minden Spruchkörper:            7. Kammer Entscheidungsart:        Urteil Aktenzeichen:            7 K 1138/05 Tenor:                   Das Verfahren wird eingestellt, soweit die Beteiligten die Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt haben. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages anwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet. Tatbestand:                                                                                 1 Der Kläger betreibt vor dem Amtsgericht S. mehrere familiengerichtliche                     2 Verfahren. Unter dem 10.03.2004 erhob die Ehefrau/Kindesmutter Dienstaufsichtsbeschwerde gegen den zuständigen Richter am Amtsgericht (Amtsrichter) mit der Begründung, dass ihrer Ansicht nach die Verfahren nicht wie geboten gefördert würden. Nach Einsichtnahme in die Sachakten des Familiengerichts und Einholung einer                3 dienstlichen Stellungnahme des von der Dienstaufsichtsbeschwerde betroffenen Amtsrichters - datiert auf den 05.04.2004 und ergänzt unter dem 19.04.2004 - beschied der Präsident des Landgerichts C. die Dienstaufsichtsbeschwerde der Ehefrau/Kindesmutter am 13.05.2004. Mit Schriftsatz vom 10.10.2004 forderte der Kläger im familiengerichtlichen                 4 Verfahren 7 F 224/02 vor dem Amtsgericht S. eine Erklärung darüber, "welche Kenntnis das Gericht über die Veranlassung des Präsidenten des Landgerichts zur Einsichtnahme in die Streitakten hat und welchen Inhalt die dienstliche Stellungnahme des Amtsrichters habe". http://www.justiz.nrw.de/nrwe/ovgs/vg_minden/j2006/7_K_1138_05urteil20060309.h... 24.09.2009
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Verwaltungsgericht Minden, 7 K 1138/05                                           Seite 2 von 5 Mit Beschluss vom 20.10.2004 - 7 F 224/02 - führte der Amtsrichter aus, dass             5 die Aktenanforderung durch den Präsidenten des Landgerichts im Rahmen der Dienstaufsicht erfolgt sei. Die angesprochene dienstliche Stellungnahme sei Bestandteil des beim Präsidenten des Landgerichts C. entstandenen Verwaltungsvorgangs und somit kein Bestandteil der Gerichtsakte. Gegenüber dem Präsidenten des Landgerichts C. erklärte der Amtsrichter am                6 gleichen Tage, dass er einer evtl. Einsichtnahme in den Vorgang der Dienstaufsichtsbeschwerde durch den Kläger widerspreche. Unter dem 11.11.2004 machte der Kläger gegenüber dem Präsidenten des                     7 Landgerichts C. ein berechtigtes Interesse an der Einsicht in den entstandenen Vorgang zur Dienstaufsichtsbeschwerde der Ehefrau/Kindesmutter geltend. Mit Schreiben vom 09.12.2004 verweigerte der Präsident des Landgerichts C.               8 die vom Kläger begehrte Akteneinsicht. Dem Informationsbegehren stünden die Regelungen des § 7 Abs. 1 und Abs. 2 Buchst. a) des Gesetzes über die Freiheit des Zugangs zu Informationen für das Land Nordrhein-Westfalen - IFG NRW - entgegen. Ablichtungen der Dienstaufsichtsbeschwerde der Ehefrau/Kindesmutter vom 10.03.2004 und des Bescheides vom 13.05.2004 könnten jedoch gemäß § 7 Abs. 3 IFG NRW zur Verfügung gestellt werden. Eine gegen die Entscheidung des Präsidenten des Landgerichts C. vom Kläger               9 am 15.01.2005 erhobene "Dienstaufsichtsbeschwerde" wies der Präsident des Oberlandesgerichts I. am 16.02.2005 zurück. Die daraufhin vom Kläger gegen den Präsidenten des Oberlandesgerichts I.                10 erhobene weitere Dienstaufsichtsbeschwerde beschied der Beklagte unter dem 04.04.2005. Gleichzeitig lehnte er den Antrag des Klägers auf Informationszugang zu dem dienstaufsichtsrechtlichen Vorgang des Präsidenten des Landgerichts C. ab. Die Vorschriften des IFG NRW seien durch die bereichsspezifischen Regelungen des Beamtenrechts zur Personalaktenführung verdrängt. Am 11.04.2005 erhob der Kläger Widerspruch gegen den Bescheid des                       11 Präsidenten des Landgerichts C. vom 09.12.2004. Zur Begründung verwies er auf eine Stellungnahme der Landesbeauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit Nordrhein-Westfalen (Landesbeauftragte) vom 31.03.2005. Nach deren Auffassung sei der begehrte Informationszugang zu gewähren. Am 27.04.2005 hat der Kläger die vorliegende Klage vor dem                              12 Verwaltungsgericht E. erhoben. Dieses hat den Rechtsstreit mit Beschluss vom 30.05.2005 an das Verwaltungsgericht Minden verwiesen. Zur Begründung seiner Klage führt der Kläger aus, dass er ein berechtigtes              13 Interesse an der erbetenen Akteneinsicht habe. Der vom Akteneinsichtsgesuch erfasste Vorgang betreffe seinen familiengerichtlichen Rechtsstreit vor dem Amtsgericht S. . Die dort zuständige Gerichtsperson habe er wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt. Dabei beruhe die Besorgnis der Befangenheit gerade darauf, dass sich der Landgerichtspräsident in das Gerichtsverfahren eingemischt habe. Im Übrigen bestätige die Landesbeauftragte seine Rechtsauffassung in einer weiteren Stellungnahme vom 16.09.2005. http://www.justiz.nrw.de/nrwe/ovgs/vg_minden/j2006/7_K_1138_05urteil20060309.h... 24.09.2009
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Verwaltungsgericht Minden, 7 K 1138/05                                           Seite 3 von 5 In der mündlichen Verhandlung vom 09.03.2006 haben die Beteiligten den                  14 Rechtsstreit übereinstimmend insoweit für in der Hauptsache erledigt erklärt, als sich das Klagebegehren auf die "Anforderung des Präsidenten des Landgerichts C. vom 25.03.2004" bezog. Der Kläger beantragt,                                                                   15 "den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 04.04.2005 zu                         16 verpflichten, ihm Informationszugang zu der dienstlichen Stellungnahme des Richters am Amtsgericht C1. vom 05.04.2004 sowie zu der Ergänzung vom 19.04.2004 zu gewähren. Der Beklagte beantragt,                                                                 17 die Klage abzuweisen.                                                                   18 Er ist der Ansicht, dass dem Informationsbegehren des Klägers die Regelungen            19 der §§ 7 Abs. 2 Buchst. a) und 9 Abs. 1 IFG NRW entgegenstünden. Im Übrigen seien dienstaufsichtsrechtliche Vorgänge Bestandteile der Personalakten und dem Kläger auch von daher nicht zugänglich. Der umstrittene Beschwerdevorgang werde nicht bei ihm geführt, gleiches gelte hinsichtlich der Personalakte des Amtsrichters. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug                  20 genommen auf den Inhalt der Gerichtsakte und des beigezogenen Verwaltungsvorgangs des Beklagten. E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e:                                                  21 Soweit die Beteiligten den Rechtsstreit übereinstimmend für in der Hauptsache           22 erledigt erklärt haben, ist das Verfahren in entsprechender Anwendung des § 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO einzustellen. Die danach noch anhängige (Verpflichtungs-)Klage                                        23 - vgl. zur Statthaftigkeit der Verpflichtungsklage bei Geltendmachung eines             24 Informationsanspruchs nach dem IFG NRW, VG Minden, Urteil vom 24.03.2004 - 3 K 1965/02 - ist unbegründet.                                                                        25 Der Beklagte hat das Informationsbegehren des Klägers zu Recht abgelehnt.               26 Der Kläger hat keinen Anspruch gegen den Beklagten auf den von ihm nach dem IFG NRW begehrten Informationszugang. Dabei lässt die Kammer die vom Beklagten aufgeworfene Frage nach der                    27 Anwendbarkeit des IFG NRW auf das Informationsbegehren des Klägers dahinstehen. Einem etwaigen Anspruch des Klägers nach § 4 Abs. 1 IFG NRW steht jedenfalls der Ablehnungsgrund des § 7 Abs. 2 Buchst. a) IFG NRW entgegen. Danach soll der Antrag auf Informationszugang abgelehnt werden, http://www.justiz.nrw.de/nrwe/ovgs/vg_minden/j2006/7_K_1138_05urteil20060309.h... 24.09.2009
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Verwaltungsgericht Minden, 7 K 1138/05                                            Seite 4 von 5 wenn sich der Inhalt der Information auf den Prozess der Willensbildung innerhalb von und zwischen öffentlichen Stellen bezieht. So liegt es hier.                                                                        28 Während § 7 Abs. 1 IFG NRW den Bereich der unmittelbaren                                 29 Entscheidungsfindung umfasst, schützt die Regelung des § 7 Abs. 2 Buchst. a) IFG NRW mit dem Ziel des Erhalts der Funktionsfähigkeit der öffentlichen Verwaltung eigenständig den Willensbildungsprozess öffentlicher Stellen. Der Willensbildungsprozess ist ein dynamischer Vorgang der behördlichen Entscheidungsfindung und umfasst den Vorgang des allgemeinen Überlegens, Besprechens und Beratschlagens sowie die Prüfung und Abwägung aller für die Entscheidungsfindung wichtigen Umstände. Er spiegelt insbesondere Bewertungen oder Einschätzungen wider, die intern erst noch beraten werden müssen und unterschiedliche Entscheidungsmöglichkeiten offenlassen. Eine Zugangsverweigerung nach § 7 Abs. 2 Buchst. a) IFG NRW kommt deshalb jedenfalls dann in Betracht, wenn durch die Informationsgewährung interne oder zwischen Behörden ausgetauschte Meinungsäußerungen, Überlegungen und Bewertungen offenbart würden. Nicht geschützt sind hingegen dem Willensbildungsprozess vorgelagerte bloße Sachinformationen. In diesem Sinne auch die Landesbeauftragte für den Datenschutz NRW in ihrer              30 Stellungnahme vom 31.03.2005 - 49.2.3.1-15- 310/05; ferner VG Minden, Urteil vom 26.01.2004 - 3 K 1162/02 -. Nach dem Willen des Gesetzgebers soll die auf § 7 Abs. 2 IFG NRW gestützte               31 Ablehnung des Antrags auf Informationszugang bereits dann gerechtfertigt sein, wenn "behördeninterne Entscheidungsprozesse tangiert sind". Vgl. Lt.-Drs. 13/1311 vom 12.06.2001, Begründung zu § 7.                                 32 Diese Voraussetzung ist im hier gegebenen Fall der dienstlichen Stellungnahme            33 des Amtsrichters zum Beschwerdevorwurf der Ehefrau/Kindesmutter gegeben. Die dienstliche Stellungnahme eines Beamten/Richters zu einer gegen ihn gerichteten Dienstaufsichtsbeschwerde stellt sich regelmäßig als zwischen dem Beamten/Richter und dem Dienstvorgesetzten ausgetauschte Meinungsäußerung über den Beschwerdevorwurf und dessen Bewertung dar. Dass hier Abweichendes gelten könnte, die dienstliche Stellungnahme des Amtsrichters gar als bloße Sachverhaltsinformation gewertet werden könnte, ist nicht ansatzweise zu ersehen. Ebenso fehlt es an Anhaltspunkten für die Annahme, dass eine atypische                   34 Sondersituation vorliegen könnte, die ein Absehen von der Regelverweigerung des § 7 Abs. 2 IFG NRW rechtfertigte. An eine solche ließe sich hier allenfalls für den Fall denken, dass der Beamte/Richter der Einsichtnahme in seine dienstliche Stellungnahme zugestimmt hätte. Das aber ist gerade nicht der Fall. Auf die Frage, ob auch der Schutz personenbezogener Daten - § 9 IFG NRW -                35 dem Informationsbegehren des Klägers entgegenstünde, kommt es nach alledem nicht mehr an. http://www.justiz.nrw.de/nrwe/ovgs/vg_minden/j2006/7_K_1138_05urteil20060309.h... 24.09.2009
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Verwaltungsgericht Minden, 7 K 1138/05                                              Seite 5 von 5 Vgl. zum Regelungsbereich des § 9 IFG NRW OVG NRW, Beschluss vom                           36 23.06.2003 - 8 A 175/03 -. Ergänzend merkt die Kammer an, dass bereits zweifelhaft ist, ob es sich bei den            37 vom Informationsbegehren des Klägers umfassten dienstlichen Stellungnahmen des Amtsrichters vom 05.04. bzw. 19.04.2004 überhaupt um beim Beklagten "amtlich vorhandene Informationen" handelt. Vorhanden im Sinne des § 4 Abs. 1 IFG NRW sind nämlich nur solche Informationen, die Bestandteil der eigenen Verwaltungsunterlagen sind, nicht aber solche, die sich nur in vorübergehend beigezogenen, d.h. fremden Akten befinden. Vgl. zum Begriff des Vorhandenseins VG Minden, Urteil vom 24.03.2004 - 3 K                 38 1965/02 -. Letzteres scheint hier gegeben, denn die dienstlichen Stellungnahmen des                   39 Amtsrichters sind Bestandteil des beim Präsidenten des Landgerichts C. entstandenen eigenen aufsichtsrechtlichen Vorgangs um die Dienstaufsichtsbeschwerde der Ehefrau/Kindesmutter vom 10.03.2004. Darauf hat der Beklagte bereits mit Schriftsatz vom 01.09.2005 zumindest sinngemäß hingewiesen. Ebenso hat die Landesbeauftragte den Präsidenten des Landgerichts C. in ihrer Stellungnahme gegenüber dem Kläger vom 16.09.2005 - 49.2.3.1.15-310/05 - als "auskunftspflichtige Stelle" bezeichnet. Dass dem Kläger aus sonstigen Gründen ein Anspruch gegen den Beklagten auf                 40 die begehrte Informationsgewährung zustehen könnte, ist nicht zu ersehen. Die Kostenentscheidung ergeht gemäß §§ 154 Abs. 1, 161 Abs. 2 Satz 1 VwGO.                 41 Es entspricht der Billigkeit, den Kläger auch hinsichtlich des erledigten Teils mit den Kosten zu belasten, denn der erledigte Teil des Rechtsstreits wirkt sich nicht streitwerterhöhend aus. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO               42 i.V.m. §§ 708 f. ZPO. http://www.justiz.nrw.de/nrwe/ovgs/vg_minden/j2006/7_K_1138_05urteil20060309.h... 24.09.2009
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