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Information

Aktenzeichen
4 LB 30/04
Datum
22. Juni 2005
Gericht
Oberverwaltungsgericht Schleswig-Holstein
Gesetz
Informationszugangsgesetz Schleswig-Holstein (IZG-SH)
Informationszugangsgesetz Schleswig-Holstein (IZG-SH)

Beschluss: Oberverwaltungsgericht Schleswig-Holstein am 22. Juni 2005

4 LB 30/04

Bei von den Eichbehörden beanstandeten Füllmengenunterschreitungen handelt es sich um Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse der betroffenen Unternehmen. Diese haben aus Wettbewerbsgründen ein berechtigtes wirtschaftliches Interesse an der Geheimhaltung der Prüfdaten, welches das Offenbarungsinteresse der Öffentlichkeit überwiegt. Dem steht auch nicht die mögliche Rechtswidrigkeit der Abfüllpraxis entgegen. Die Berufung gegen das Urteil der Vorinstanz wird damit zurückgewiesen. (Quelle: LDA Brandenburg)

Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse Interessenabwägung Begriffsbestimmung

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Anonymisierung aktualisiert am: 18. Juli 2005

SCHLESWIG-HOLSTEINISCHES
OBERVERWALTUNGSGERICHT

AR

R

   

MET Fa m ER rn ot.

Az.: 4LB 30/04
12 A 289/03

BESCHLUSS

In der Verwaltungsrechtssache

der ...

Kläger und Berufungskläger,
Proz.-Bev.: Rechtsanwälte ...
gegen

die Eichdirektion Nord,
Düppelstraße 63, 24105 Kiel

Beklagte und
Berufungsbeklagte,

Streitgegenstand: Auskunft nach dem Informationsfreiheitsgesetz

hat der 4. Senat des Schleswig-Holsteinischen Oberverwaltungsgerichts in Schleswig am
22. Juni 2005 beschlossen:

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Schleswig-
Holsteinischen Verwaltungsgerichts — 12. Kammer — vom
24. Juni 2004 wird zurückgewiesen.
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Die Kosten des Verfahrens hat der Kläger zu tragen.

Der Beschluss ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Dem Kläger wird nachgelassen, die Vollstreckung gegen Si-
cherheitsleistung des zu vollstreckenden Betrages abzuwen-
den, wenn nicht die Beklagte zuvor Sicherheit in gleicher Höhe
leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Der Kläger begehrt von der Beklagten Auskunft über Beanstandungen bei Füllmengen-
kontrollen der Eichbehörden.

Die schleswig-holsteinischen Eichämter führten für das Jahr 2001 Füllmengenkontrollen
an Fertigpackungen verschiedener Hersteller durch. Dabei wurde in vielen Fällen eine
unkorrekte Abfüllpraxis der Unternehmen in Form von unterfüllten Verpackungen festge-
stellt. Zur Ahndung der Verstöße wurden gegen verschiedene Unternehmen Ordnungs-
widrigkeitenverfahren eingeleitet, die in Verwarnungen gemäß $ 56 OWiG oder Bußgeld-
bescheiden gemäß 8 65 OWiG mündeten.

Am 04.12.2002 beantragte der Kläger als Dachverband der deutschen Verbraucherorga-
nisationen vom ursprünglich beklagten Ministerium für Wirtschaft pp. des Landes Schles-
wig-Holstein als Aufsichtsbehörde Auskunft über die konkreten Beanstandungen bei den
Füllmengenkontrollen der Eichbehörden durch Einsichtnahme in die der Beklagten vorlie-
genden Ergebnisprotokolle. Zur Begründung trug er vor, die Verbraucher hätten einen
Anspruch darauf, zu erfahren, welche Betriebe mit welchen Produkten wegen Nichtbe-

achtung rechtlicher Bestimmungen von den Eichämtern beanstandet worden seien.

Das vormals beklagte Ministerium lehnte das Auskunftsbegehren mit Bescheid vom
23.12.2002 ab. Das Begehren des Klägers sei nicht nach dem schleswig-holsteinischen
Informationsfreiheitsgesetz (IFG-SH), sondern nach der für das Bußgeldverfahren vorran-
gigen bundesrechtlichen Regelung des 8 46 OWIG i.V.m. 8 475 Abs. 4 StPO zu beurtei-
len. Gemäß 8 475 Abs. 4 StPO könnten Privatpersonen nur Auskünfte erteilt werden,

wenn sie ein berechtigtes Interesse darlegten und der Betroffene kein schutzwürdiges

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Ein Anspruch aus & 475 Abs. 4 StPO scheitere jedoch am gemäß Art. 14 GG besonders
geschützten Interesse der betroffenen Unternehmen an der Bewahrung ihrer Betriebs-
und Geschäftsgeheimnisse, zu denen die Kontrollergebnisse zählten. Eine Offenbarung
dieser Geheimnisse könne nur zum Schutz eindeutig höherwertiger Rechtsgüter der All-
gemeinheit wie etwa Leib oder Leben in Betracht kommen, nicht aber aus Gründen des

Verbraucherschutzes.

Aus denselben Gründen sei ein Auskunftsanspruch des Klägers aus & 4 IFG-SH abzuleh-
nen. Die gemäß 8 11 IFG-SH vorzunehmende Interessenabwägung wegen des besonde-
ren Schutzes der Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse der betroffenen Unternehmen

müsse ebenfalls zuungunsten des Klägers ausfallen.

Zudem lägen die Daten über Beanstandungen bei den Füllmengenkontrollen 2001 dem
vormals beklagten Ministerium als Aufsichtsbehörde weder in elektronischer noch in Pa-

pierform vor.

Auf den Antrag des vormals beklagten Ministeriums vom 30.01.2004 hat das Verwal-
tungsgericht das Rubrum formlos geändert. Der Beklagtenwechsel ist zurückgegangen
auf die Landesverordnung zur Übertragung von Zuständigkeiten im Bereich des gesetzli-
chen Mess- und Eichwesens und des Beschusswesens vom 10.12.2003 (GVOBI. S. 691)
i.V.m. dem Staatsvertrag über die Errichtung der Eichdirektion Nord vom 11.12.2003
(GVOBI. S. 662).

Das Verwaltungsgericht hat die Klage mit Urteil vom 24.06.2004 als unbegründet abge-

wiesen.

Zwar sei die Möglichkeit einer Rechtsverletzung des Klägers gemäß $ 42 Abs. 2 VwGO
gegeben, weil ein Anspruch nach IFG-SH grundsätzlich bestehen könne und nicht an
weitere Voraussetzungen gebunden sei. Der Beklagte habe jedoch im Ergebnis keinen

Auskunftsanspruch.

8 46 Abs. 1 OWiG i.V.m. $ 475 Abs. 4 i.V.m. Abs. 1 StPO komme als Anspruchsgrundla-
ge nicht in Betracht, weil es sich bei den von den Eichämtern durchgeführten Maßnahmen
nicht ausschließlich um solche zur Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten gehandelt habe.
Rechtsgrundlage dieser Maßnahmen sei die „Richtlinie zur Füllmengenprüfung von Fer-

tigpackungen und Prüfung von Maßbehältnissen durch die zuständigen Behörden“ (RFP),

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Der Kläger hat mit Schriftsatz vom 21.10.2004 die Zulassung der Berufung beantragt.
Dem Antrag hat der Senat durch Beschluss vom 06.12.2004 stattgegeben.

Der Kläger nimmt Bezug auf sein erstinstanzliches Vorbringen und trägt ergänzend vor,
dass das Verwaltungsgericht bei der Überprüfung der Interessenabwägung gemäß 8 11
Abs. 1 IFG-SH rechtsfehlerhaft zu einem Vorrang der Belange der betroffenen Unterneh-
mer gekommen sei. Das Verwaltungsgericht hätte bereits der Frage nachgehen müssen,
ob die Geheimhaltung gesetz- oder sittenwidriger Tatsachen zu den „schutzwürdigen Be-
langen“ i.S.d. $ 11 Abs. 1 IFG-SH zähle. Zumindest aber überwiege der durch den Aus-
kunftsanspruch aus dem IFG-SH zum Ausdruck kommende besondere Schutz des Offen-
barungsinteresses der Allgemeinheit das wegen der Gesetzeswidrigkeit der Unterfüllun-
gen nur eingeschränkt schutzwürdige Geheimhaltungsinteresse der betroffenen Unter-
nehmen. Zudem könne nicht auf die geringfügigen Nachteile einzelner Verbraucher durch
Unterfüllungen abgestellt werden, sondern es sei der Schaden der Verbraucher insge-
samt zu berücksichtigen. Auch könne es nicht gegen einen grundsätzlichen Informations-
anspruch des Klägers sprechen, dass die Prüfprotokolle die genauen Ursachen der Un-
terfüllungen nicht erkennen ließen und die Zahlen aus 2001 stammten. Diese Faktoren
werde der Kläger nämlich bei der späteren Veröffentlichung der Informationen hinreichend
berücksichtigen. Etwaige negative Folgen der Verwertung und Publikation erlangter In-
formationen seien für die Frage des Bestehens des Informationszugangsanspruchs ohne-
hin nicht erheblich. Gegen spätere Veröffentlichungen könnten die betroffenen Unterneh-

mer vielmehr im Einzelfall wettbewerbsrechtlichen Rechtsschutz suchen.

Der Kläger beantragt,

unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts Schleswig vom 24.06.2004
den Bescheid der Beklagten vom 23.12.2002 aufzuheben und die Beklagte zu
verpflichten, dem Kläger Auskunft über die konkreten Beanstandungsfälle zur
Füllmengenkontrollstatistik für das Jahr 2001 aus Schleswig-Holstein zu erteilen

durch Vorlage der maßgeblichen Ergebnisprotokolle.

Die Beklagte beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.

Sie nimmt Bezug auf ihr erstinstanzliches Vorbringen und trägt ergänzend vor, dass der
Kläger bereits kein im Rahmen des ihrer Ansicht nach einschlägigen $ 475 Abs. 4 StPO
erforderliches berechtigtes Informationsinteresse schlüssig dargelegt habe. Bei der auch
im Rahmen des 8 475 Abs. 4 StPO vorzunehmenden Interessenabwägung überwiege das
verfassungsrechtlich geschützte Geheimhaltungsinteresse der betroffenen Unternehmen
das nur einfachgesetzlich ausgeprägte Informationsinteresse des Klägers mangels Be-
troffenheit hochwertiger Rechtsgüter auch dann, wenn es sich um gesetzeswidrige Tatsa-
chen handele. Etwas anderes könne auch nicht für eine Interessenabwägung nach dem

vom Verwaltungsgericht herangezogenen $ 11 Abs. 1 IFG-SH gelten.

Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf

den Inhalt der Gerichtsakten Bezug genommen.

Die Parteien sind auf die Möglichkeit einer Entscheidung im Wege des Beschlusses
gemäß 8 130 a VwGO hingewiesen worden. Ihnen wurde Gelegenheit zur Stellungnahme
gegeben.

Die zulässige Berufung ist unbegründet.

I. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Erteilung der begehrten Auskünfte. Der hier einzig
in Betracht kommende Informationsanspruch aus $ 4 IFG-SH scheitert an entgegen ste-
henden schutzwürdigen Belangen Dritter gemäß 8 11 Abs. 1 IFG-SH.

1. Zu Recht ist das Verwaltungsgericht davon ausgegangen, dass das Informationsbegeh-
ren des Klägers allein nach dem IFG-SH zu beurteilen ist. Entgegen der Auffassung der
Beklagten ist die Frage eines möglichen Informationsanspruchs nicht nach 8 475 Abs. 4

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StPO zu beurteilen, weil der Kläger keine Informationen aus einem Bußgeldverfahren
i.S.d. 8 46 Abs. 1 OWiG begehrt.

Gemäß 8 475 Abs. 4 i.V.m. Abs. 1 StPO können Privatpersonen bei Darlegung eines be-
rechtigten Interesses Auskünfte aus den Akten eines Strafverfahrens verlangen, wenn der
Betroffene kein schutzwürdiges Interesse an der Versagung hat. Nach $ 46 Abs. 1 OWiG
sind die Vorschriften der StPO auch auf das Bußgeldverfahren anzuwenden. Die An-
wendbarkeit des 8 475 StPO folgt allerdings aus dem speziell Auskunftsrechte regelnden
849 b OWiG, der am 01.10.2002 in Kraft getreten ist.

a) Wie das VG zutreffend ausführt, handelt es sich jedoch bei den vom Kläger begehrten
Informationen nicht um solche aus einem Bußgeldverfahren, sondern aus einem davon zu

trennenden Verwaltungsverfahren der Eichbehörden.

Der Kläger verlangt Einsicht in die Protokolle der von den Eichämtern 2001 durchgeführ-
ten Füllmengenprüfung, er begehrt keine Auskünfte über die Sanktionierung einzelner

Unternehmen wegen beanstandeter Füllmengenunterschreitungen.

Die Füllmengenprüfung geht zurück auf die Regelungen des Gesetzes über das Mess-
und Eichwesen (EichG), der „Verordnung über Fertigpackungen“ (FertigPackV) sowie der
„Richtlinie zur Füllmengenprüfung von Fertigpackungen und Prüfung von Maßbehältnis-
sen durch die zuständigen Behörden“ (RFP). Gemäß 8 16 Abs. 2 EichG bzw. 8 34 Abs. 1
FertigPackV haben die zuständigen Behörden die Einhaltung der in den genannten Vor-
schriften festgesetzten Vorgaben für die Befüllung von Fertigpackungen stichprobenartig
nachzuprüfen. Dem entsprechend regelt Ziff. 5 RFP die Durchführung von Füllmengen-

prüfungen.

Zwar sind die an die Hersteller von Fertigpackungen gerichteten Füllmengenvorgaben
bußgeldbewenhrt, vgl. & 19 EichG, 8 35 FertigPackV und Ziff. 12 RFP. Dem entsprechend
haben die der Beklagten unterstehenden Eichämter in mehreren bei der Überprüfung
2001 beanstandeten Fällen Bußgeldverfahren eingeleitet. Insofern ist es auch unerheb-
lich, ob diese Verfahren in einen Bußgeldbescheid mündeten oder es bei einer Verwar-
nung blieb, weil auch das Verwarnungsverfahren gemäß $8 56 ff. OWiG zum Bußgeld-
verfahren im weiteren Sinne zählt (Göhler, OWiG, 13. Aufl., 2002, 8 62, Rn 5). Dies folgt

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bereits aus der systematischen Stellung der 88 56 ff. OWiG als Unterabschnitt des das
Bußgeldverfahren regelnden Zweiten Teils des OWiG (Göhler, a.a.O, 8 56, Rn 37).

Das führt jedoch nicht dazu, dass die Durchführung der Füllmengenprüfungen als Teil des
Bußgeldverfahrens zu betrachten wäre. Bereits aus der Systematik der einschlägigen
Vorschriften ergibt sich, dass deutlich zwischen der Füllmengenprüfung an Fertigpackun-
gen nach dem EichG und der FertigPackV auf der einen und der etwaigen Bußgeldsank-
tion auf der anderen Seite zu unterscheiden ist. Zutreffend verweist das Verwaltungsge-
richt insofern auf die Präambel und den Aufbau der RFP, die diese Unterscheidung deut-
lich machen. Bei den im Jahre 2001 von den schleswig-holsteinischen Eichämtern durch-
geführten Kontrollen handelte es sich um planmäßigen Füllmengenprüfungen i.S.d. Ziff.
5.3.1 RFP, mithin um präventive Maßnahmen im Rahmen eines selbständigen Verwal-
tungsverfahrens. Die Einleitung eines Bußgeldverfahrens als repressive Maßnahme gem.
Ziff. 12 RFP konnte in den jeweiligen Beanstandungsfällen erst aufgrund der Prüfungser-
gebnisse erfolgen. Ein Ermittlungsverfahren i.S.d. OWiG kann die Verwaltungsbehörde
nämlich erst einleiten, wenn konkrete Tatsachen vorliegen, die Anhaltspunkte für eine
Ordnungswidrigkeit darstellen (Göhler, OWiG, 13. Aufl., 2002, vor 8 59, Rn 27). Erst dann
erhält der Verdächtige die Stellung des „Betroffenen“ eines Ordnungswidrigkeitenverfah-
rens (Göhler, a.a.O.). Bis zu diesem Zeitpunkt wurden die Eichbehörden allein im Rah-
men eines ordnungsbehördlichen Verwaltungsverfahrens nach der FertigPackV tätig.

b) Für eine Anwendbarkeit des $ 49 b OWiG i.V.m. 8 475 Abs. 4 StPO lässt sich auch
nicht anführen, dass die präventiven Kontrollmaßnahmen hier unmittelbar in das Buß-
geldverfahren übergegangen sind. Denn im Verhältnis zum Verwaltungsverfahren ist das
Bußgeldverfahren grundsätzlich unabhängig (Göhler, a.a.O., vor 859, Rn 1 b). Aus dieser
Trennung von Bußgeldverfahren und Verwaltungsverfahren folgt, dass Verwaltungsakte,
die im Verwaltungsverfahren vor Einleitung eines Bußgeldverfahrens erlassen werden,
nicht als Maßnahme des Bußgeldverfahrens anzusehen sind, auch wenn sie für die Be-
urteilung des Sachverhaltes unter dem Gesichtspunkt einer möglichen Ordnungswidrigkeit
von Bedeutung sein können (Göhler, a.a.O., vor 8 59, Rn 1b unter Hinweis auf BVerwG,
Urt. v. 07.05.1987 - 3 C 53/85, NVwZ 1988, 430 (430), das ebenfalls eine klare Trennung
der Verfahren vornimmt). Dies muss auch für die vorliegenden Kontrollmaßnahmen unab-

hängig von deren Verwaltungsaktqualität gelten.

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Für dieses Ergebnis spricht auch, dass andernfalls Informationsbegehren über Verwal-
tungsverfahren, die auf bußgeldbewehrte ordnungsrechtliche Normen zurückgehen, im
Falle des Vorliegens oder der bloßen Möglichkeit einer Ordnungswidrigkeit immer dem
& 475 Abs. 4 StPO unterlägen, so dass für eine Anwendung des $& 4 IFG-SH kaum noch
Raum bliebe. Auf einen so weiten Anwendungsbereich lässt der Wortlaut des $ 49 b
OWiG, der allein auf das Bußgeldverfahren, nicht aber auf ein dem vorhergegangenes
Verwaltungshandeln abstellt, nicht schließen.

Im Übrigen zeigt ein Blick in & 9 Nr. 2 IFG-SH, dass auch der Landesgesetzgeber eine
deutliche Trennung zwischen Verwaltungsverfahren und einem etwaigen darauf folgen-
den Ordnungswidrigkeitenverfahren vornimmt, indem er einen Informationsanspruch aus
$ 4 IFG-SH dann ausschließt, wenn durch die Bekanntgabe der Informationen der Ablauf
eines Ordnungswidrigkeitenverfahrens beeinträchtigt würde.

c) Die Gewährung von Informationen aus einem vorgelagerten Verwaltungsverfahren oh-

ne Preisgabe von Informationen aus einem anschließenden Ordnungswidrigkeitenverfah-

ren erscheint auch grundsätzlich möglich. Dabei kann das Problem der Unmöglichkeit der

Offenlegung bereits vernichteter Prüfprotokolle offen bleiben. Denn entgegen dem Vor-
bringen der Beklagten ist zumindest nicht ersichtlich, dass eine Abtrennung der Ergebnis-

protokolle der Füllmengenprüfungen von den Akten des Ordnungswidrigkeitenverfahrens
grundsätzlich undurchführbar wäre. Zu einer solchen Abtrennung hat die Behörde viel-
mehr in der Lage zu sein. Insofern sei auf den Rechtsgedanken des 8 15 IFG-SH verwie-
sen, der die Behörden verpflichtet, geeignete organisatorische Vorkehrungen zu treffen,
um ohne unverhältnismäßigen Aufwand gemäß 88 9 ff. IFG-SH geschützte Informationen

von gemäß 8 4 IFG-SH herauszugebenden Informationen trennen zu können.

2. Der Kläger kann auch aus $ 4 IFG-SH keinen Auskunftsanspruch herleiten.

a) Zwar ist der Kläger als juristische Person des Privatrechts grundsätzlich Anspruchsbe-
rechtigter 1.S.d. 8 4 IFG-SH. Auch ist die Beklagte als rechtsfähige Anstalt (auch) des
Landes Schleswig-Holstein mögliche Anspruchsgegnerin, weil ihre Organe Behörden ge-
mäß 8 3 Abs. 1 IFG i.V.m. 88 3 Abs. 2, 12, 41 Abs. 1 LVwG sind. Die begehrten Informa-
tionen sind bei der Beklagten auch zumindest grundsätzlich „vorhanden“ i.S.d. 8 A IFG-
SH, weil die Beklagte aufgrund der Landesverordnung zur Übertragung von Zuständig-
keiten im Bereich des gesetzlichen Mess- und Eichwesens und des Beschusswesens

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vom 10.12.2003 i.V.m. dem Staatsvertrag über die Errichtung der Eichdirektion Nord vom
11.12.2003 an die Stelle der regionalen Eichämter getreten ist.

Weitere Anforderungen stellt 8$ 4 IFG-SH nicht, insbesondere kommt es auf ein rechtli-
ches, berechtigtes oder anders geartetes Interesse nicht an (Friedersen/Lindemann in:
PdKVw, Bd. A2, IFG-SH, 8 4, Nr. 1). Auf das von dem Beklagten ins Feld geführte Argu-
ment, die hier streitbefangenen Unterlagen seien bei ihm tatsächlich nicht mehr vorhan-

den, kommt es aus folgenden Gründen nicht an:

b) Das Verwaltungsgericht hat einen Informationsanspruch des Klägers zu Recht an 8 11
Abs. 1 IFG-SH scheitern lassen, weil dem Anspruch schutzwürdige Betriebs- und Ge-
schäftsgeheimnisse der bei den Füllmengenprüfungen beanstandeten Unternehmen ent-
gegenstehen. Gemäß 8 11 Abs. 1 IFG-SH ist ein Antrag auf Informationszugang abzuleh-
nen, soweit durch die Übermittlung der Information ein Betriebs- oder Geschäftsgeheimnis
offenbart wird und die schutzwürdigen Belange des Betroffenen das Offenbarungsinteres-
se der Allgemeinheit überwiegen. Das ist hier der Fall.

aa) Bei den beanstandeten Füllmengenunterschreitungen handelt es sich um Betriebs-
und Geschäftsgeheimnisse der betroffenen Unternehmen.

Weil $ 11 Abs. 1 IFG-SH den Begriff der Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse nicht defi-
niert, ist insofern auf Rechtsprechung und Schrifttum zu anderen Vorschriften, die diesen
Rechtsbegriff verwenden — insbesondere $ 17 UWG - zurückzugreifen (Frieder-
sen/Lindemann, a.a.O., IFG-SH, & 11, Nr. 1; Fischer/Fetzer in: Fluck/Theuer, IF-R/UIG,
Stand: 11/04, IFG-SH, 8 11, Rn 54; vgl. auch die Gesetzesbegründung, LT-Drucks.
14/2374, S. 18). Danach ist ein Geschäfts- oder Betriebsgeheimnis jede im Zusammen-
hang mit einem Geschäftsbetrieb stehende, nicht offenkundige, sondern nur einem be-
grenzten Personenkreis bekannte Tatsache, an deren Geheimhaltung der Betriebsinhaber
ein berechtigtes wirtschaftliches Interesse hat und die nach seinem bekundeten oder doch
erkennbaren Willen auch geheim bleiben soll (st. Rspr. d. BGH seit Urt. v. 15.03.1955 - |
ZR 111/53, GRUR 1955, 424 (425); Köhler/Piper, UWG, 3. Aufl. 2002, $ 17, Rn 4).

Die festgestellten Füllmengenunterschreitungen sind Tatsachen, die im Zusammenhang

mit dem Geschäftsbetrieb der betroffenen Fertigpackungshersteller stehen. Diese Tatsa-

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chen sind nicht offenkundig, da sie nur den Eichbehörden und den Unternehmen selbst

bekannt sind.

Die beanstandeten Unternehmen haben auch ein berechtigtes wirtschaftliches Interesse
an der Geheimhaltung der Prüfdaten. Ein solches Interesse ist bereits dann gegeben,
wenn die Geheimhaltung der Tatsache für die Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens
von Bedeutung ist, etwa, wenn ihr Bekanntwerden den eigenen Wettbewerb schwächen
kann (Köhler/Piper, UWG, 3. Aufl. 2002, 8 17, Rn 7; Baumbach/Hefermehl, UWG, 22.
Aufl. 2001, 8 17, Rn 2). Entscheidend ist insoweit allein die objektive Interessenlage des
Geheimnisträgers, die einer Güterabwägung nicht zugänglich ist (vgl. für 8 8 UIG:
Fluck/Theuer, IF-R/UIG, Stand: 11/04, UIG, 8 8, Rn 280).

Das Verwaltungsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass die Offenbarung der je-
weiligen Füllmengenunterschreitungen sich negativ auf die Wettbewerbsfähigkeit der be-
troffenen Unternehmen auswirken kann. Es liegt nahe, dass das Bekanntwerden einer
solchen Abfüllpraxis den Ruf der betroffenen Unternehmen zumindest zeitweilig beein-
trächtigen und das Verbraucherverhalten entsprechend beeinflussen würde, was Umsatz-
einbußen zur Folge hätte.

Einem berechtigten Geheimhaltungsinteresse der betroffenen Unternehmen steht auch
nicht die mögliche Rechtswidrigkeit der Abfüllpraxis entgegen. Denn wie das Verwal-
tungsgericht zutreffend ausführt, kann zumindest nicht jedes rechtswidrige Verhalten ohne
weiteres aus dem Schutzbereich des Geschäfts- und Betriebsgeheimnisses ausgeschlos-
sen sein. Zwar ist im wettbewerbsrechtlichen Schrifttum umstritten, ob der sitten- oder
gesetzwidrige Inhalt eines Geheimnisses grundsätzlich bedeutungslos ist (so Köh-
ler/Piper, UWG, 3. Aufl. 2002, 8 17, Rn 7), oder ob Geheimnisse, deren Verwendung ge-
gen die öffentliche Ordnung oder die guten Sitten i.S.d. 82 Nr. 1 S. 1 PatG verstoßen
würde, vom wettbewerbsrechtlichen Schutz ausgenommen sind (so Baum-
bach/Hefermehl, UWG, 22. Aufl. 2001, 8 17, Rn 8). In der Unterfüllung von Fertigpackun-
gen liegt jedoch kein Verstoß gegen die öffentliche Ordnung oder die guten Sitten i.S.d. 8
2 Nr. 1S. 1 PatG. Denn wie 8 2 Nr. 1 S. 1 HS. 2 PatG selbst klarstellt, kann ein solcher
Verstoß nicht allein aus einem Verstoß gegen Verbote in Gesetzen oder Verwaltungsvor-
schriften hergeleitet werden. Es bedarf dazu vielmehr eines Rechtsverstoßes, der gleich-
zeitig tragende Grundsätze der Rechtsordnung berührt (Schulte, PatG, 7. Aufl. 2005, & 2,
Rn 23). So ist nach der patentrechtlichen Literatur und Rechtsprechung ein Verstoß ge-
gen die Öffentliche Ordnung etwa anzunehmen, wenn die Grundlagen des deutschen

staatlichen oder wirtschaftlichen Lebens betroffen sind, wozu auch die wesentlichen Ver-

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