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Aktives Presserecht – Argumente für Auskünfte


Oft verweigern Behörden Auskünfte auf Anfragen von Journalist*innen. Sie berufen sich dabei in der Regel auf angebliche Ausnahmen nach den jeweils gültigen Landespressegesetzen. Häufig ist Unwissen der Grund für die Auskunftsverweigerung und nicht böser Wille. Als Teil des Projektes „Fragen und Antworten - Auskunftsrechte kennen und nutzen“, einer Kooperation mit Netzwerk Recherche, stärkt die Entscheidungsdatenbank das Wissen rundum Auskunftsrechte und hilft besser argumentieren zu können. Journalist*innen können für ihre Recherchen wichtige Urteile, Bescheide und Beschlüsse kostenlos im Volltext eingesehen und durchsuchen.

Information

Aktenzeichen
3 K 3918/03
Datum
18. Juni 2004
Gericht
Verwaltungsgericht Potsdam
Gesetz
Akteneinsichts- und Informationszugangsgesetz Brandenburg (AIG)
Akteneinsichts- und Informationszugangsgesetz Brandenburg (AIG)

Beschluss: Verwaltungsgericht Potsdam am 18. Juni 2004

3 K 3918/03

Bei einer Steuerstrafsachenstatistik der Landesfinanzverwaltung Brandenburg handelt es sich nicht um Akten, die im Rahmen eines Verfahrens nach der Abgabenordnung angefallen sind. Es sind darin keine Daten enthalten, die dem Steuergeheimnis unterfallen könnten, weil kein konkreter Personenbezug hergestellt werden kann. Einer Einsichtnahme stehen weder die Abgabenordnung noch einzelne Ausnahmetatbestände des hier anzuwendenden Akteneinsichts- und Informationszugangsgesetzes entgegen. (Quelle: LDA Brandenburg)

Konkurrierende Rechtsvorschriften Personenbezogene Daten Begriffsbestimmung Prozessuales

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VERWALTUNGSGERICHT POTSDAM
BESCHLUSS
3 K 3918/03
In dem verwaltungsgerichtlichen Verfahren
des Herrn
Klägers,
Prozessbevollmächtigter: Rechtsanwalt
gegen

das Ministerium der Finanzen des Landes Brandenburg, Steinstraße 104/106, 14480 Potsdam
AZ.:

’

Beklagten,

wegen Datenschutzrechts (Akteneinsicht in Steuerstrafsachenstatistik)
hat die 3. Kammer des Verwaltungsgerichts Potsdam
am 18. Juni 2004
durch
die Vorsitzende Richterin am Verwaltungsgericht Vondenhof,
den Richter am Verwaltungsgericht Kirkes und
dıe Richterin Heinrich

beschlossen:

Der Verwaltungsrechtsweg ist zulässig.
1

Der Kläger ist Doktorand an der Universität Augsburg. Mit Schreiben vom 23.6.2003 begehr-
te er vom Beklagten für seine Forschungsarbeit Angaben zur Steuerstrafsachenstatistik des
Landes Brandenburg, insbesondere zur Häufigkeit der nach $$ 153, 153 a StPO eingestellten
Verfahren in Relation zu den pro Jahr insgesamt erledigten Verfahren. Diese Bitte lehnte der
Beklagte zunächst mit Schreiben vom 1.7.2003 ab und verwies darauf, dass die entsprechende
Statistik des Landes Brandenburg zu internen Zwecken erstellt worden sei. Den daraufhin
vom Kläger ausdrücklich gestellten Antrag auf Akteneinsicht nach $ 6 Abs. 1 des Aktenein-
sichts- und Informationszugangsgesetzes (AIG) lehnte der Beklagte mit Bescheid vom
19.11.2003 unter Hinweis auf einen Ausschlussgrund nach $ 4 Abs. 1 Nr. 4 AIG ab. Der
Kläger hat am 11.12.2003 beim Verwaltungsgericht Klage erhoben, mit der er sein Aus-
kunftsbegehren weiter verfolgt.

DI.
Das Gericht hat gem. $ 17 a Abs. 3 Satz 2 des Gerichtsverfassungsgesetzes (GVG) vorab
über die Zulässigkeit des Rechtswegs zu entscheiden, weil der Beklagte die Rechtswegzu-
ständigkeit des Verwaltungsgerichts gerügt und eine Verweisung an das Finanzgericht Cott-

bus beantragt hat.

Der Verwaltungsrechtsweg ist gem. $ 40 Abs. 1 Satz 1 der Verwaltungsgerichtsordnung
(VwGO) eröffnet.
Die Klage ist eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit nichtverfassungsrechtlicher Art, die nicht

durch Bundesgesetz einem anderen Gericht ausdrücklich zugewiesen ist.

Die vorliegende Streitigkeit ist nicht von der Sonderzuweisung des $ 33 der Finanzgerichts-
ordnung (FGO) an die Finanzgerichte erfasst.

In Betracht kommt hier nur eine Zuständigkeit der Finanzgerichtsbarkeit nach $ 33 Abs. I Nr.
1 FGO. Danach ist der Finanzrechtsweg in allen öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten über
Abgabenangelegenheiten, soweit die Abgaben der Gesetzgebung des Bundes unterliegen und

durch Bundes- oder Landesfinanzbehörden verwaltet werden, gegeben.
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Bei dem anhängigen Verfahren handelt es sich schon nicht um eine Streitigkeit in einer Ab-
gabenangelegenheit.

Abgabenangelegenheiten sind nach der Legaldefinition des $ 33 Abs. 2 FGO alle mit der
Verwaltung von Abgaben oder sonst mit der Anwendung der abgabenrechtlichen Vorschriften

durch die Finanzbehörden zusammenhängenden Angelegenheiten.

Die erste Alternative der Definition - mit der Verwaltung von Abgaben zusammenhängende
Angelegenheit- trifft ersichtlich auf das vom Kläger verfolgte Akteneinsichts- bzw. Aus-
kunftsverlangen nicht zu. Die begehrte Statistik über den Abschluss von Straf- und Bußgeld-
verfahren hat keinen Bezug zu der Verwaltung von Steuern, Beiträgen oder Gebühren; sie
stellt vielmehr anonymisiert und losgelöst von dem die jeweilige Abgabe betreffenden Ver-
fahren das Ergebnis von Ermittlungs-, Straf- und Bußgeldverfahren dar.

Auch die zweite Alternative der Definition der Abgabenangelegenheit - mit der Anwendung
der abgabenrechtlichen Vorschriften durch die Finanzbehörden zusammenhängende Angele-
genheit - erfasst das vorliegende Klageverfahren nicht.

Dies wäre nur dann der Fall, wenn der vom Kläger verfolgte Anspruch seine Grundlage im
Abgabenrecht hätte. Diese Voraussetzung ist nicht gegeben. Anspruchsgrundlage für die Ak-
teneinsicht in die Strafsachenstatistik des Beklagten ist das AIG und nicht das Ab gabenrecht.
Die insoweit vom Beklagten angeführte Abgabenordnung (AO) enthält keinen explizit gere-
gelten Anspruch auf Akteneinsicht oder Auskunft gegenüber den Finanzbehörden. Allerdings
wird nach ständiger Verwaltungspraxis Akteneinsicht und Auskunft durch die Finanzbehör-
den im Rahmen der Ausübung pflichtgemäßen Ermessens nach $ 5 AO gewährt (Klein, Ab-
gabenordnung, Kommentar, 8. Auflage, 2003, $ 91 Rdnr.4). Hiermit korrespondiert ein An-
spruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über das Einsichts- bzw. Auskunftsersuchen.
Dieser Anspruch ist in der Regel (soweit nicht ein Strafverfahren anhängig ist, vgl. $ 33 Abs.
3 FGO) gegenüber der Finanzbehörde im Finanzrechtsweg zu verfolgen (Tipke/ Kruse, Ab-
gabenordnung/Finanzgerichtsordnung, Kommentar, Losebl. Stand 11/03, Bd. III, $ 33 Rdnr.
24 ff., 31.).

Der Anwendungsbereich dieses Auskunftsanspruches ist hier aber nicht eröffnet.

Da der Anspruch nach der Abgabenordnung seinen Voraussetzungen und dem Umfang nach
nicht geregelt ist, ist dessen Anwendungsbereich anhand von Sinn und Zweck des Anspruchs
zu ermitteln. Der Anspruch auf ermessenfehlerfreie Entscheidung über die Akteneinsicht

dient der Durchsetzung von Verfahrensrechten von Beteiligten und ggf. Dritten; er ist auf die
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konkreten Verfahrensakten betreffend eine Abgabenerhebung oder -vollstreckung begrenzt.
Dies ergibt sich aus dem Anwendungsbereich der Abgabenordnung selbst. Die Abgabenord-
nung regelt das allgemeine Verfahren zur Erhebung von bestimmten Abgaben und stellt damit
ein reines Verfahrensrecht dar. Das Akteineinsichts- und Auskunftsrecht dient entsprechend
der Regelung des $ 29 des Verwaltungsverfahrensgesetzes für das allgemeine Verwaltungs-
verfahren der Sicherung von Verfahrensrechten, dem Anspruch auf ein faires Verfahren, auf
effektiven Rechtsschutz und auf rechtliches Gehör. Daher kann der aus der Abgabenordnung
hergeleitete Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über ein Auskunfts- oder Ak-
teneinsichtsgesuch auch nur die anlässlich des Verfahrens der Abgabenerhebung und damit
zusammenhängend angefallenen Akten betreffen.

Bei der streitgegenständlichen Statistik handelt es sich aber nicht um Akten, die im Rahmen
eines Verfahrens nach der Abgabenordnung anlässlich der Erhebung einer Abgabe oder deren
Vollstreckung angefallen sind. Die Statistik, deren Einsichtnahme der Kläger begehrt, enthält
keine Informationen über eine konkrete Abgabenerhebung, weder hinsichtlich der Person des
Pflichtigen, der Art der Abgabe oder deren Höhe. Sie betrifft daher kein (laufendes oder ab-
geschlossenes) Verwaltungsverfahren nach der Abgabenordnung. Die statistisch erfassten
Daten stellen abstrahiert und losgelöst vom konkreten Fall die Ergebnisse von Ermittlungs-,
Straf- und Bußgeldverfahren dar, ohne einen irgendwie gearteten Bezug zum Verwaltungsver-
fahren nach der Abgabenordnung aufzuweisen.

Es sind auch sonst keine abgabenrechtlichen Vorschriften bei der vom Kläger begehrten Ak-
teneinsicht oder Auskunftserteilung von einer Finanzbehörde anzuwenden, insbesondere nicht
$ 30 AO, denn in der Statistik sind keine Daten enthalten, die dem Steuergeheimnis unterfal-

len könnten, weil kein konkreter Personenbezug hergestellt werden kann.

Der Anwendungsbereich des AIG ist vorliegend hingegen grundsätzlich eröffnet, denn bei
dem Beklagten handelt es sich um eine Behörde des Landes Brandenburg nach $ 2 Abs. 1
AIG. Er ist nach $ 3 des Landesorganisationsgesetzes und nach $ 2 des Finanzverwaltungsge-

setzes oberste Finanzbehörde.

Rechtsmittelbelehrung

Gegen diesen Beschluss kann innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung schriftlich oder zur Niederschrift des
Urkundsbeamten der Geschäftsstelle Beschwerde bei dem Verwaltungsgericht Potsdam, Allee nach Sanssouci 6,
14471 Potsdam, eingelegt werden.

Vondenhof Kirkes Heinrich
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Das Projekt „Fragen und Antworten - Auskunftsrechte kennen und nutzen“ wird gefördert von: