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Information

Aktenzeichen
8 A 2398/02
Datum
12. März 2003
Gericht
Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
Gesetz
Informationsfreiheitsgesetz Nordrhein-Westfalen (IFG)
Informationsfreiheitsgesetz Nordrhein-Westfalen (IFG)

Urteil: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen am 12. März 2003

8 A 2398/02

Es ist nicht ersichtlich, aus welchem Grund einem Kammerzugehörigen der Einblick in das detaillierte Wahlergebnis zur Vollversammlung der Industrie- und Handelskammer verwehrt werden könnte. Zwar scheitert ein Anspruch auf der Grundlage des Informationsfreiheitsgesetzes Nordrhein-Westfalen im Falle der Klägerin schon daran, dass sie eine juristische Person ist. Die Auskunftserteilung dürfte danach aber im pflichtgemäßen Ermessen der Beklagten stehen. (Quelle: LDA Brandenburg)

Konkurrierende Rechtsvorschriften Antragsberechtigung

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Oberverwaltungsgericht NRW, 8 A 2398/02                                           Seite 1 von 23 Oberverwaltungsgericht NRW, 8 A 2398/02 Datum:                   12.03.2003 Gericht:                 Oberverwaltungsgericht NRW Spruchkörper:            8. Senat Entscheidungsart:        Urteil Aktenzeichen:            8 A 2398/02 Vorinstanz:              Verwaltungsgericht Düsseldorf, 3 K 335/02 Tenor:                   Das Verfahren wird eingestellt, soweit die Klägerin einen Auskunftsanspruch begehrt hat. Insoweit ist das Urteil des Verwaltungsgerichts Düsseldorf vom 7. Mai 2002 wirkungslos. Im Übrigen wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Düsseldorf vom 7. Mai 2002 auf die Berufung der Klägerin geändert. Die Beklagte zu 2. wird unter Aufhebung ihres Bescheides vom 18. Dezember 2001 verpflichtet, die Wahl zur Vollversammlung der Niederrheinischen Industrie- und Handelskammer E. -X. -L. zu E. 2001 für ungültig zu erklären und eine Wiederholungswahl anzuordnen. Die Kosten des Verfahrens in beiden Instanzen tragen die Beklagten. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagten können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet. Die Revision wird nicht zugelassen. Tatbestand:                                                                                1 Die Klägerin ist ein Unternehmen im Bezirk der Beklagten zu 1. und wendet sich             2 gegen die Wahl zur Vollversammlung der Niederrheinischen Industrie- und Handelskammer E. -X. -L. zu E. 2001. http://www.justiz.nrw.de/nrwe/ovgs/ovg_nrw/j2003/8_A_2398_02urteil20030312.html      30.11.2009
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Oberverwaltungsgericht NRW, 8 A 2398/02                                        Seite 2 von 23 Die Kammerzugehörigen wählen nach § 2 der Satzung der Niederrheinischen                 3 Industrie- und Handelskammer E. -X. -L. zu E. vom 2. Dezember 1999 - Satzung - der Beklagten zu 1. vom 2. Dezember 1999 eine Vollversammlung, die aus 82 unmittelbar gewählten Mitgliedern und bis zu 10 mittelbar zugewählten Mitgliedern besteht. Die Mitglieder werden nach § 1 der Wahlordnung vom 5. Dezember 2000 für die Dauer von fünf Jahren gewählt. Aktiv wahlberechtigt sind die Kammerzugehörigen, die nach ihrer Branchenzugehörigkeit in acht Wahlgruppen eingeteilt sind. In jeder Wahlgruppe wird eine in § 7 der Wahlordnung vom 5. Dezember 2000 festgelegte Anzahl von Mitgliedern der Vollversammlung gewählt. Für fünf Wahlgruppen sind Wahlbezirke gebildet worden, denen jeweils eine bestimmte Anzahl an Sitzen zugeordnet worden ist. Der Geschäftsführer der Klägerin trat in der Wahlgruppe VI im Wahlbezirk Kreis L. als Kandidat an und wurde gewählt. Am 5. Dezember 2000 wählte die Vollversammlung die Mitglieder des                       4 Wahlausschusses sowie das Ehrenmitglied T. zu dessen Vorsitzenden nach § 8 der Wahlordnung vom 24. Mai 1977, zuletzt geändert am 11. Dezember 1996 - Wahlordnung a.F. -. In dem nach § 9 der Satzung zugleich als amtliches Verkündungsorgan                     5 dienenden Mitteilungsblatt der Kammer "Thema Wirtschaft" erschien in der Ausgabe Juli/August 2001 die 3. Bekanntmachung des Wahlausschusses mit der Bewerberliste für die Wahl zur Vollversammlung der Kammer 2001. In der gleichen Ausgabe wurden mit Bild und Darstellung des Lebenslaufs vier Vollversammlungsmitglieder vorgestellt, die Ende des Jahres 2000 durch mittelbare Wahl in die Vollversammlung gewählt wurden bzw. nach Ausscheiden von Vollversammlungsmitgliedern nachgerückt waren. Zwei von ihnen kandidierten bei der angefochtenen Wahl. Am 7. September 2001 wurden die Wahlunterlagen versandt. In dem                         6 beigefügten "Wegweiser für die Briefwahl IHK Wahl 2001" wurde unter anderem ausgeführt, dass auf dem Stimmzettel stehe, wie die Stimme abgegeben werden könne (I.1.). Die Stimme sei nur gültig, wenn die Hinweise auf dem Stimmzettel beachtet worden seien (II.2). Der Stimmzettel für die Wahlgruppe VI, Wahlbezirk Kreis L. , enthält den Hinweis: "Es sind 4 Vollversammlungsmitglieder zu wählen. Nach § 13 der Wahlordnung              7 sind Stimmzettel ungültig, a)... c) in denen mehr Bewerber angekreuzt sind, als in dem Wahlbezirk der Wahlgruppe zu wählen sind,..." Die Frist zur Stimmabgabe lief am 5. Oktober 2001, einem Freitag, ab. Am 8.             8 Oktober 2001 fand die Auszählung durch und unter Aufsicht von Mitarbeitern der Beklagten zu 1. statt. Der Vorsitzende und ein weiteres Mitglied des Wahlausschusses waren bei der Auszählung anwesend. Das Ergebnis der Wahl stellte der Wahlausschuss in seiner Sitzung am 22. Oktober 2001 fest. In der November-Ausgabe des Mitteilungsblattes wurde das Wahlergebnis bekannt gemacht. Mit Schreiben vom 8. November 2001 bat die Klägerin um Angaben zur - Anzahl             9 der Wahlberechtigten gesamt - Anzahl der abgegebenen Stimmen gesamt - Wahlbeteiligung in % - Aufgliederung der vorgenannten Daten nach http://www.justiz.nrw.de/nrwe/ovgs/ovg_nrw/j2003/8_A_2398_02urteil20030312.html   30.11.2009
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Oberverwaltungsgericht NRW, 8 A 2398/02                                             Seite 3 von 23 Wahlgruppen - Anzahl der Stimmen pro Kandidat, absolut und in % bezogen auf die jeweilige Wahlgruppe. Die Beklagte zu 1. lehnte das Begehren unter dem 30. November 2001 mit der                  10 Begründung ab, dass ein über die Bekanntmachung nach § 14 Abs. 2 der Wahlordnung hinaus gehender Anspruch nicht bestehe. Durch ein am 3. Dezember 2001 bei der Beklagten zu 1. eingegangenes                         11 Schreiben legte die Klägerin Einspruch gegen die Wahl ein, mit dem sie folgende Rügen erhob: Es sei nicht nachvollziehbar, nach welchen Kriterien die Wahlgruppen aufgestellt worden seien; sie entsprächen jedenfalls nicht der Wirtschaftsstruktur im Kammerbezirk. Es müsse überprüfbar sein, welche Überlegungen zur Einteilung der Wahlgruppen geführt hätten. Die Kriterien müssten abstrakt definiert werden, bevor sie angewendet würden, und auf einen demokratischen Willensbildungsakt der Vollversammlung zurückzuführen sein. Die Bildung der Wahlgruppen mit sehr unterschiedlichen Mitgliederzahlen führe zudem zu sehr unterschiedlichen Bedingungen für Bewerber, die Wahlwerbung betreiben wollten. Damit wirkten sich die unterschiedlich großen Wahlgruppen zwangsläufig auch auf die Wahlchancen aus. Dies hätte bei der Bildung der Gruppen nicht unberücksichtigt bleiben dürfen. Der Grundsatz der Gleichheit der Wahl sei verletzt worden, weil die Stimmen einen unterschiedlichen Erfolgswert hätten. Je unterschiedlicher der Erfolgswert der Stimmen durch das Wahlsystem ausfalle, um so mehr müsse hierfür eine Rechtfertigung vorliegen. Eine solche sei nicht erkennbar. Der Erfolgswert werde zusätzlich dadurch in Frage gestellt, dass die in die Vollversammlung unmittelbar Gewählten weitere Mitglieder in die Vollversammlung hinzuwählen bzw. berufen könnten. Für diese lediglich mittelbare Wahl bestehe keine Notwendigkeit und keine Legitimation durch das IHKG. Der Wählerwille könne so verfälscht werden, weil nicht gewählte Bewerber dennoch in die Vollversammlung aufgenommen werden könnten. In der Wahlordnung fehle auch eine Bestimmung, nach der die Wahl von einem unabhängigen Gremium auf ordnungsgemäße Durchführung, auf das Vorhandensein rechtsstaatlicher Kriterien und deren Anwendung überprüft werde. Der Stimmzettel für die Wahlgruppe VI genüge nicht den formalen Ansprüchen, die sich aus der Wahlordnung ergäben. Die dortige Bestimmung, dass eine bestimmte Anzahl von Kandidaten zu wählen sei, bezeichne nur eine Höchstzahl der zu wählenden Personen. Es könnten aber auch weniger Kandidaten gewählt werden. Darauf sei weder auf den Stimmzetteln noch in den Wahlunterlagen hingewiesen worden. Nachdem der Wahlausschuss beschlossen hatte, dem Einspruch nicht                            12 abzuhelfen, fasste die Vollversammlung der IHK in der alten Zusammensetzung am 11. Dezember 2001 den Beschluss, den Einspruch zurückzuweisen. Dies wurde der Klägerin durch ein als Widerspruchsbescheid bezeichnetes Schreiben vom 18. Dezember 2001 mitgeteilt. Am 16. Januar 2002 hat die Klägerin Klage erhoben. Zur Begründung hat sie                   13 ergänzend vorgetragen: Die Wahlgruppeneinteilung sei rechtlich nicht hinreichend abgegrenzt worden. Die Begriffe "Industrie", "Einzelhandel", "Verkehrsgewerbe" und "sonstige Dienstleistungsgewerbe" seien rechtlich nicht eindeutig. Rechtswidrig sei insbesondere die Tatsache, dass die Wahlgruppen I, II, III, VI und VII jeweils in 3 Wahlbezirke unterteilt und den Bezirken sogar Sitze der Vollversammlung zugeordnet worden seien. Eine Begründung hierfür gehe aus der Wahlordnung nicht hervor. Der Erfolgswert einer Stimme sei dadurch nicht einmal innerhalb der Wahlgruppe gewährleistet. Besondere Kriterien für die http://www.justiz.nrw.de/nrwe/ovgs/ovg_nrw/j2003/8_A_2398_02urteil20030312.html        30.11.2009
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Oberverwaltungsgericht NRW, 8 A 2398/02                                         Seite 4 von 23 Aufteilung der Sitze auf die Wahlbezirke gebe es nicht. Es liege deshalb Willkür vor. Der Hauptgeschäftsführer der Beklagten zu 1. habe mit seinem Rundschreiben vom 7. Dezember 2001 massiv in den Wahlkampf eingegriffen. Dieser Eingriff mache die Wahl rechtswidrig. § 14 der Wahlordnung verstoße gegen das Demokratieprinzip und sei deshalb rechtswidrig. Zur Bekanntgabe eines Wahlergebnisses gehöre die Mitteilung über die Wahlbeteiligung und die Mitteilung der Stimmen, die jeder einzelne Bewerber erhalten habe. Die Klägerin hat beantragt,                                                             14 1. die Beklagte zu 1. zu verurteilen, Auskunft zu geben über a) die Anzahl der          15 Wählerstimmen insgesamt, b) die Anzahl der abgegebenen Stimmen gesamt, c) die Wahlbeteiligung in Prozenten, d) die Aufgliederung der vorgenannten Daten nach Wahlgruppen, e) die Anzahl der Stimmen pro Kandidat, absolut und in Prozenten bezogen auf die jeweilige Wahlgruppe. 2. die Beklagte zu 2. unter Aufhebung des Bescheides vom 18. Dezember 2001              16 zu verpflichten, die Wahl zur Vollversammlung im Jahre 2001 für ungültig zu erklären und insoweit eine Wiederholungswahl anzuordnen. Die Beklagten haben beantragt,                                                          17 die Klage abzuweisen.                                                                   18 Sie haben ergänzend vorgetragen, der Klägerin fehle für ihr Verlangen nach              19 einer detaillierten Auskunft das Rechtsschutzinteresse. Sie habe keinen selbständigen, von der Wahlanfechtung unabhängigen Auskunftsanspruch. Die Forderung der Klägerin, die Wahlunterlagen vorzulegen, scheitere daran, dass der Wahleinspruch nicht ausreichend substantiiert sei und sich die gerichtliche Überprüfung auf diejenigen Punkte beschränke, zu denen rechtzeitig und konkret Mängel des Wahlverfahrens gerügt worden seien. Die Bildung von Wahlgruppen und die Sitzverteilung seien keine                          20 Rechenaufgabe, sondern beruhten auf einer Wertung der wirtschaftlichen Verhältnisse des Kammerbezirks. Insoweit bestehe ein Gestaltungsspielraum. Nach der allgemeinen Erfahrung der Industrie- und Handelskammern sei dazu eine Kombination aus der Zahl der Unternehmen und ihren Gewerbeerträgen bzw. Gewerbesteuermessbeträgen am besten geeignet, im vorliegenden Fall noch ergänzt um die Zahl der Beschäftigten (Arbeitnehmer und Auszubildende). Diese drei Aspekte ergänzten sich gegenseitig und garantierten, dass die Vollversammlung ein Spiegelbild der Bezirkswirtschaft sei. Das Verwaltungsgericht hat die Klage abgewiesen und ausgeführt: Die Klägerin            21 habe keinen Anspruch auf Auskunft über die näheren Einzelheiten des Wahlergebnisses. Eine Rechtsgrundlage für einen Anspruch auf detaillierte Auskünfte sei nicht ersichtlich. Die Klägerin könne sich insbesondere nicht mit Erfolg auf die Erwägung stützen, die verlangten Auskünfte dienten dem Wahlprüfungsverfahren. Neue Anfechtungsgründe könne die Klägerin auf die verlangten Angaben nicht stützen. Gegenstand der Klage sei nicht unmittelbar die Gültigkeit der angefochtenen Wahl, sondern der auf den Einspruch hin ergangene Bescheid. Daraus ergebe sich zugleich, dass der allgemeine Grundsatz des Wahlprüfungsrechts zu beachten sei, der das Verwaltungsgericht auf die Prüfung der innerhalb der Einspruchsfrist vorgetragenen http://www.justiz.nrw.de/nrwe/ovgs/ovg_nrw/j2003/8_A_2398_02urteil20030312.html    30.11.2009
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Oberverwaltungsgericht NRW, 8 A 2398/02                                          Seite 5 von 23 Einspruchsgründe beschränke. Die rechtzeitig erhobenen Rügen der Klägerin zur Wahl seien unbegründet. Auf den Antrag der Klägerin hat der Senat die Berufung durch Beschluss vom               22 21. November 2002 zugelassen. Die Klägerin bezieht sich zur Begründung der Berufung auf ihr bisheriges                 23 Vorbringen und führt ergänzend aus: Der unterschiedliche Erfolgswert auch innerhalb der Wahlgruppen zeige sich besonders in der Wahlgruppe VI. Gründe dafür, Wahlbezirke nicht für alle Gruppen zu bilden, seien nicht gegeben. Der Grund für die Aufteilung in Wahlbezirke sei sachfremd, weil er mit der Neuordnung der Kammerbezirke - E. , Kreis X. und Kreis L. - zusammenhänge. Die in der Wahlordnung niedergelegten Kriterien seien bei der Sitzverteilung auf         24 die einzelnen Wahlgruppen fehlerhaft angewendet worden. Die Beklagte zu 1. habe wertend eingegriffen, indem sie die Gewerbeerträge doppelt in Anrechnung gebracht habe und weitere Kriterien wie z.B. Ausbildungsverhältnisse, Sozialversicherungspflichtigkeit der Beschäftigten oder Umsatz berücksichtigt habe. Hierzu fehle eine Legitimation durch die Wahlordnung. Dass in der Vollversammlung vom 5. Dezember 2000 die Wahlordnung ohne jeden Hinweis auf die zusätzlichen Kriterien zur Abstimmung gestellt worden sei, könne nur als bewusst verkürzende Informationspolitik gedeutet werden. Wegen der weiteren Einwände der Klägerin zu den bei der Sitzverteilung berücksichtigten Kriterien sowie zu der Berechnung der Sitzverteilung und den unterschiedlichen Erfolgswerten der Stimmen wird auf den Schriftsatz der Klägerin vom 25. Februar 2003, Bl. 130 ff. der Gerichtsakte, Bezug genommen. Eine Zuwahl von vier Personen sei mittlerweile erfolgt. Sie stammten, wie zu             25 erwarten gewesen sei, alle aus E. . Zwei davon hätten kandidiert, seien aber nicht gewählt worden. Die Wahl des Vorsitzenden des Wahlausschusses stehe nicht mit der gültigen Wahlordnung in Einklang. Die Wahlordnung a.F. schreibe vor, dass zum Vorsitzenden möglichst ein Mitglied des Präsidiums gewählt werden solle. Dieses könne nur ein Vollversammlungsmitglied sein. Ausweislich der Niederschrift der 4. Sitzung des Wahlausschusses am 11. Dezember 2001 seien neben dem Vorsitzenden, der entgegen der Wahlordnung gewählt worden sei, nur vier weitere Mitglieder anwesend gewesen. Der Ausschuss sei somit nicht beschlussfähig gewesen. Hinsichtlich des Antrags der Klägerin auf Erteilung von detaillierten Auskünften         26 haben die Beteiligten den Rechtsstreit in der mündlichen Verhandlung übereinstimmend für in der Hauptsache erledigt erklärt. Die Klägerin beantragt nunmehr,                                                          27 das Urteil des Verwaltungsgerichts Düsseldorf vom 7. Mai 2002 zu ändern und              28 die Beklagte zu 2. unter Aufhebung des Bescheides vom 18. Dezember 2001 zu verpflichten, die Wahl zur Vollversammlung der Niederrheinischen Industrie- und Handelskammer E. -X. -L. zu E. im Jahre 2001 für ungültig zu erklären und insoweit eine Wiederholungswahl anzuordnen. Die Beklagte zu 2. beantragt,                                                            29 http://www.justiz.nrw.de/nrwe/ovgs/ovg_nrw/j2003/8_A_2398_02urteil20030312.html     30.11.2009
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Oberverwaltungsgericht NRW, 8 A 2398/02                                        Seite 6 von 23 die Berufung zurückzuweisen.                                                           30 Zur Begründung führt sie aus, es gehöre zu den allgemeinen, in ständiger               31 Rechtsprechung bestätigten Wahlrechtsgrundsätzen, dass sich die gerichtliche Nachprüfung von Wahlen auf die konkret, substantiiert und fristgerecht vorgetragenen Wahleinsprüche beschränke. Das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 26. Juni 2002 - 6 C 21.01 -, GewArch 2002, 432, könne daher nur als "Ausreißer" bezeichnet werden. Die Klägerin verkenne, dass es sich nicht um politische Wahlen, sondern um gebündelte Gruppenwahlen handele. Der Gesetzgeber habe bewusst einen weiten Rahmen für die Wahlordnung vorgegeben, um den wirtschaftlichen Besonderheiten der Kammerbezirke gerecht zu werden. Die in der Wahlordnung vom 5. Dezember 2000 neu geregelte Sitzverteilung nach nur vier Jahren zeige, wie stark der Strukturwandel im Kammerbezirk gewesen und wie schnell und genau ihm die Wahlordnung gefolgt sei, damit die Vollversammlung ein Spiegelbild der gewerblichen Wirtschaft bleibe. Die Sitzverteilung folge dabei eng den statistischen Daten, soweit dies möglich sei. Die Aufteilung in Wahlbezirke hänge mit den Besonderheiten einer                       32 Persönlichkeitswahl zusammen. Die aufgeteilten Wahlgruppen seien sehr groß. In der Regel erfolge keine Wahlwerbung der Kandidaten. Nach Möglichkeit solle jedoch ein Großteil der Wähler die Bewerber kennen. Dies werde durch die Bildung von Wahlbezirken wesentlich gefördert. Alle Flächenkammern hätten solche Wahlbezirke gebildet, weil damit zugleich den Besonderheiten des Kammerbezirks Rechnung getragen und die Spiegelbildlichkeit in der Zusammensetzung der Vollversammlung noch verfeinert werde. Die nicht aufgeteilten Wahlgruppen seien so überschaubar, dass die Bildung von Wahlbezirken nicht notwendig sei und vor allem die Zahl der auf sie entfallenden Sitze zu klein würde. Erfahrungsgemäß verringere sich dann die Wahlbeteiligung. Bei der Abgrenzung liege es nahe, auf die wirtschaftlichen Schwerpunkte des Bezirks zurückzugreifen, wie sie auch im Namen der IHK zum Ausdruck kämen. Eine Ungleichbehandlung scheide schon deshalb aus, weil für Wahlgruppen und Wahlbezirke derselbe Maßstab gelte. Die Beanstandungen zum Stimmzettel seien auch deshalb unbegründet, weil es sich durchweg um erfahrene Kaufleute handele, die schon mehrfach an Kammerwahlen teilgenommen hätten und die zitierte Formulierung nicht missverstünden. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den               33 Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge verwiesen. Entscheidungsgründe:                                                                   34 Soweit die Beteiligten das Verfahren hinsichtlich des Auskunftsanspruchs in der        35 Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt haben, ist das Verfahren einzustellen und das angefochtene Urteil für wirkungslos zu erklären (entsprechend § 92 Abs. 3 Satz 1, § 173 VwGO, § 269 Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 2 ZPO). http://www.justiz.nrw.de/nrwe/ovgs/ovg_nrw/j2003/8_A_2398_02urteil20030312.html   30.11.2009
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Oberverwaltungsgericht NRW, 8 A 2398/02                                         Seite 7 von 23 Im Übrigen ist die vom Senat zugelassene und auch sonst zulässige Berufung              36 begründet. Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Unrecht abgewiesen. Die Klage ist zulässig (I.) und begründet (II.). I. Die von der Klägerin als wahlberechtigte Kammerzugehörige (§ 2 Abs. 1                37 Wahlordnung vom 5. Dezember 2000) gegen die Zurückweisung ihres Einspruchs gegen die Wahl zur Vollversammlung 2001 erhobene Klage ist zulässig. 1. Die Klage ist insoweit zutreffend gegen die Beklagte zu 2. gerichtet worden.         38 Es handelt sich bei der Klage betreffend die Gültigkeit einer Kammerwahl nach gefestigter Rechtsprechung um eine Verpflichtungsklage, so dass die Klage gemäß § 78 Abs. 1 Nr. 2 VwGO, § 5 Abs. 2 Satz 1 AG VwGO NRW gegen die Behörde zu richten ist, die den beantragten Verwaltungsakt unterlassen hat bzw. erlassen soll. Vgl. Urteil vom 5. September 1980 - 15 A 538/79 -, OVGE 35, 75 (77) m.w.N;              39 vgl. auch VGH Bad. Württ., Vorlagebeschluss vom 2. Dezember 1997 - 9 S 785/95 -, GewArch 1998, 65 (66). Nach der Wahlordnung der Beklagten zu 1. ist danach die Vollversammlung die             40 richtige Beklagte. Der Wahlausschuss kann nach § 15 Abs. 2 der Wahlordnung einem Einspruch gegen die Wahl abhelfen, andernfalls entscheidet hierüber die Vollversammlung in der alten Besetzung. Diese Regelung erfasst nur den Fall, dass die alte Vollversammlung über den Einspruch vor der Konstituierung der neu gewählten Vollversammlung entscheidet. Eine Beteiligung der Vollversammlung der abgelaufenen Wahlperiode in der damaligen Zusammensetzung kommt demgegenüber im derzeitigen Verfahrensstadium nicht mehr in Betracht. Zur Ungültigerklärung der Wahl und Anordnung einer Wiederholungswahl kann nur die neue Vollversammlung verpflichtet werden. Dass die Klage zunächst nicht gegen die Beklagte zu 2., sondern allein gegen            41 die Beklagte zu 1. als Rechtsträger gerichtet war, ist unschädlich. Nach § 78 Abs. 1 Nr. 1 Halbsatz 2 VwGO genügt zur Bezeichnung des richtigen Beklagten die Angabe der Behörde. Für den hier einschlägigen Fall, dass nach § 78 Abs. 1 Nr. 2 VwGO i.V.m. § 5 Abs. 2 Satz 1 AG VwGO NRW die Klage gegen die Behörde zu erheben und statt dessen die Körperschaft verklagt worden ist, gilt entsprechend, dass zur Bezeichnung der Behörde die Angabe ihrer Körperschaft ausreicht. Die Bezeichnung des Beklagten kann von Amts wegen richtig gestellt werden. Vgl. OVG NRW, Urteil vom 13. März 1991 - 22 A 871/90 -, NJW 1991, 2586;                 42 Meissner, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, § 78 Rdnr. 58. 2. Die Klagebefugnis (§ 42 Abs. 2 VwGO) der Klägerin folgt aus ihrer                    43 Einspruchsberechtigung. Als Kammerzugehörige hat sie ein rechtliches Interesse daran, dass die Wahl ordnungsgemäß durchgeführt und nicht durch Wahlmängel beeinflusst worden ist. Unerheblich ist, ob die Klägerin geltend machen kann, durch die von ihr behaupteten Wahlfehler in eigenen Rechten verletzt worden zu sein. Denn das Wahlanfechtungsverfahren dient nicht in erster Linie dem individuellen Rechtsschutz des einzelnen Wählers oder Wahlbewerbers, sondern dem Schutz des objektiven Wahlrechts. Eine § 101 Abs. 1 Halbsatz 2 Handwerksordnung entsprechende Regelung, dass sich jeder http://www.justiz.nrw.de/nrwe/ovgs/ovg_nrw/j2003/8_A_2398_02urteil20030312.html    30.11.2009
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Oberverwaltungsgericht NRW, 8 A 2398/02                                           Seite 8 von 23 Kammerzugehörige bei den Wahlen zur Vollversammlung nur gegen die Wahl von Mitgliedern seiner eigenen Wahlgruppe wenden kann, enthält weder das IHKG noch die Wahlordnung. Vgl. OVG NRW, Urteil vom 5. September 1980, a.a.O., S. 78 f.; VG Berlin, Urteil           44 vom 7. Oktober 1981 - 4 A 162/80 -, UA S. 6 f.; VG Karlsruhe, Urteil vom 11. April 2002 - 9 K 778/01 -, juris; Frentzel/Jäkel/Junge, IHKG, 6.Aufl. 1999, § 5 Rdnr. 80. 3. Der Zulässigkeit der Klage steht auch nicht entgegen, dass das                         45 vorgeschriebene Vorverfahren (§ 68 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 VwGO) nicht durchgeführt worden ist. Der Einspruch der Klägerin ist kein Widerspruch gegen die Feststellung des Wahlergebnisses; er hat ein eigenständiges Verwaltungsverfahren erst eingeleitet. Die Notwendigkeit zur Durchführung eines Vorverfahrens ist auch nicht wegen der insoweit unrichtigen Rechtsbehelfsbelehrung entfallen. Vgl. VGH Bad. Württ., Urteil vom 23. Juli 1998 - 8 S 3189/96 -, NVwZ-RR 1999,             46 431 (432); VG Karlsruhe, a.a.O. Von der Durchführung des Vorverfahrens kann allerdings nach ständiger                     47 Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts aus Gründen der Prozessökonomie abgesehen werden, wenn sich der Beklagte auf die Klage sachlich eingelassen und deren Abweisung beantragt hat. Entscheidend ist dabei, ob dem Zweck des Vorverfahrens bereits Rechnung getragen ist oder sich sein Zweck ohnehin nicht mehr erreichen lässt. Die Durchführung des Vorverfahrens ist von vornherein zwecklos, wenn erkennbar keine Änderung der angefochtenen Entscheidung herbeigeführt werden könnte. Vgl. BVerwG, Urteil vom 20. April 1994 - 11 C 2.93, NVwZ-RR 1995, 90; VGH                 48 Bad.Württ., Urteil v. 23. Juli 1998, a.a.O., S. 432. So liegt der Fall hier. Die Beklagte zu 2. hat sich auf die Klage eingelassen, ohne       49 das fehlende Vorverfahren zu rügen, und ist der Klage mit Gründen entgegengetreten, aus denen deutlich wird, dass ein Vorverfahren zu keinem anderen Ergebnis geführt hätte. II. Die Wahlanfechtungsklage ist begründet. Der angefochtene Bescheid ist                 50 rechtswidrig. Die Klägerin hat einen Anspruch auf Verpflichtung der Beklagten zu 2., die Ungültigkeit der Wahl zur Vollversammlung 2001 festzustellen und eine Wiederholungswahl anzuordnen (§ 113 Abs. 5 S.1 VwGO). 1. Nach § 14 Abs. 2 der Wahlordnung stellt der Wahlausschuss das                          51 Wahlergebnis fest. Einsprüche gegen die Feststellung des Wahlergebnisses sind nach § 15 Abs. 1 der Wahlordnung zulässig. Nähere Voraussetzungen für die Begründetheit eines Einspruchs nennt die Wahlordnung nicht. Für die Regelung des Wahlrechts und des Wahlprüfungsrechts hat § 5 des Gesetzes zur vorläufigen Regelung des Rechts der Industrie- und Handelskammern vom 18. Dezember 1956 (BGBl. I 920) zuletzt geändert durch Art. 6 des Neunten Euro-Einführungsgesetzes vom 10. November 2001 (BGBl. I 2992) - IHKG - dem Satzungsgeber weitgehende Gestaltungsfreiheit eingeräumt. Zu beachten sind http://www.justiz.nrw.de/nrwe/ovgs/ovg_nrw/j2003/8_A_2398_02urteil20030312.html      30.11.2009
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Oberverwaltungsgericht NRW, 8 A 2398/02                                           Seite 9 von 23 aber die Grenzen, die sich aus den allgemeinen Wahlrechtsgrundsätzen ergeben. Frentzel/Jäkel/Junge, a.a.O. § 5 Rdnr. 28.                                                52 Ob im Hinblick auf das Demokratieprinzip eine einschränkende Auslegung des §              53 15 Abs. 1 der Wahlordnung dahin geboten ist, dass nur ein Verstoß gegen wesentliche Wahlvorschriften, durch den das Wahlergebnis beeinflusst werden kann, zur Ungültigkeit der Wahl führt, kann letztlich dahin stehen. Dafür spricht allerdings, dass der Bestandsschutz einer gewählten Vertretung es ausschließt, Wahlfehler einfacher Art und ohne jedes Gewicht ohne Weiteres zum Wahlungültigkeitsgrund zu erheben. Der Eingriff in die Zusammensetzung einer gewählten Vertretung durch eine wahlprüfungsrechtliche Entscheidung muss vor diesem Bestandserhaltungsinteresse gerechtfertigt werden. Je tiefer und weiter die Wirkungen eines Eingriffs in die Zusammensetzung einer gewählten Vertretung reichen, desto schwerer muss der Wahlfehler wiegen, auf den dieser Eingriff gestützt wird. Vgl. BVerfG, Urteil vom 8. Februar 2001 - 2 BvF 1/00 -, NJW 2001, 1048 (1051              54 f.). Im vorliegenden Verfahren liegt jedenfalls ein Verstoß gegen wesentliche                  55 Wahlvorschriften vor, durch den das Wahlergebnis beeinflusst werden konnte. 2. Rechtsgrundlage für die angefochtene Wahl ist § 5 IHKG in Verbindung mit §             56 2 Abs. 1 der Satzung der Niederrheinischen Industrie- und Handelskammer E. - X. -L. zu E. vom 2. Dezember 1999 sowie der Wahlordnung. Danach wählen die Kammerzugehörigen in gleicher, allgemeiner, unmittelbarer und geheimer Wahl 82 Mitglieder der Vollversammlung, während bis zu weitere 10 Mitglieder in mittelbarer Wahl von den unmittelbar gewählten Vollversammlungsmitgliedern gewählt werden können, § 1 der Wahlordnung. Die Wahl zur Vollversammlung der IHK ist nicht - wie die Klägerin meint - schon           57 deshalb ungültig und zu wiederholen, weil die der Wahlordnung zu Grunde liegende Vorschrift des § 5 Abs. 3 IHKG verfassungswidrig (dazu 2.2.) oder die Wahlordnung der Beklagten zu 1. wegen Verstoßes gegen höherrangiges Recht nichtig (dazu 2.3.) wäre. Die Wahl leidet jedoch an einem ergebnisrelevanten Wahlfehler (dazu 2.4.). Dies führt zur Verpflichtung der Beklagten zu 2., die Wahl für ungültig zu erklären und eine Wiederholungswahl anzuordnen. 2.1. Die Prüfung des Senats ist dabei nicht auf die von der Klägerin innerhalb            58 der Einspruchsfrist vorgebrachten Gründe beschränkt. § 15 der Wahlordnung enthält keine materielle Präklusionsvorschrift, die das Einspruchsrecht des Wahlberechtigten auf rechtzeitig vorgebrachte Einspruchsgründe begrenzt. Nach seinem Wortlaut bestimmt § 15 Abs. 1 der Wahlordnung lediglich die Einspruchsfrist. Anhaltspunkte für eine Präklusionsregelung ergeben sich daraus nicht. Der Vorschrift lässt sich nicht entnehmen, dass nach Ablauf der Einspruchsfrist erhobene Einwendungen keine Bedeutung für die Wahlprüfung haben und dass im gerichtlichen Verfahren nicht auch solche Gesichtspunkte geprüft werden dürfen, auf die sich der jeweilige Kläger nicht gestützt hat. Sinn und Zweck der Bestimmung erfordern auch unter Berücksichtigung der Sicherung der Funktionsfähigkeit der Vollversammlung der IHK keine Auslegung dahin, dass nicht innerhalb der Einspruchsfrist substantiiert geltend gemachte http://www.justiz.nrw.de/nrwe/ovgs/ovg_nrw/j2003/8_A_2398_02urteil20030312.html      30.11.2009
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Oberverwaltungsgericht NRW, 8 A 2398/02                                       Seite 10 von 23 Gründe für eine Wahlanfechtung präkludiert sind. Die Wirksamkeit der Beschlüsse der Vollversammlung wird durch den Einspruch nämlich nicht berührt, solange die Bestellung der Vollversammlungsmitglieder nicht rechtskräftig für ungültig erklärt worden ist. Vgl. BVerwG, Urteil vom 17. Dezember 1998 - 1 C 7.98 -, BVerwGE 108, 169               59 (176 f.). Hätte die Wahlordnung einem gleichwohl noch bestehenden Interesse an der               60 raschen und verbindlichen Klärung der Zusammensetzung des Vertretungsorgans entscheidendes Gewicht beimessen und daher in einem bestimmten Umfang eine Präklusion anordnen wollen, hätte dies angesichts der Tragweite einer solchen Regelung eindeutig und unmissverständlich in der Wahlordnung angeordnet werden müssen. Dies gebieten einerseits die subjektiven Rechte des Anfechtungsberechtigten und andererseits die rechtsstaatlichen Grundsätze der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit. Vgl. BVerwG, Urteil vom 26. Juni 2002 - 6 C 21.01 -, GewArch 2002, 432 (433 f.)        61 zu § 101 Abs. 3 Satz 1 HwO, und Beschluss vom 13. Mai 1998 - 6 P 9.97 -, BVerwGE 106, 378 (380 ff.) zu § 22 LPVG NRW; VG Gelsenkirchen, Urteil vom 17. Februar 1999 - 7 K 8643/97 -, UA S. 9 ff. (zur Wahlordnung der Ärztekammer Nordrhein), Antrag auf Zulassung der Berufung abgelehnt durch Beschluss des Senats vom 14. März 2000 - 8 A 2193/99 -. Zu keinem anderen Ergebnis führt die Rechtsprechung des                                62 Bundesverfassungsgerichts in Wahlprüfungssachen. Vgl. BVerfG, Beschluss vom 11. Oktober 1998 - 2 BvC 5/88 - BVerfGE 79, 50.             63 Das dort anerkannte Gebot, den Wahleinspruch innerhalb der Einspruchsfrist             64 substantiiert zu begründen, findet seine Grundlage in den jeweiligen gesetzlichen Bestimmungen über die Gültigkeit von politischen Wahlen. Nach § 2 Abs. 3, Abs. 4 Satz 1 WahlPrüfG ist der Einspruch schriftlich zu begründen und muss innerhalb der festgelegten Einspruchsfrist beim Bundestag eingehen. Bereits dieser Wortlaut legt eine Auslegung nahe, die Wahlprüfung ausschließlich auf Gründe zu erstrecken, die innerhalb der Einspruchsfrist angeführt wurden. Die Rechtfertigung jenes Gebots ergibt sich aus dem Interesse an der raschen und verbindlichen Klärung der ordnungsgemäßen Zusammensetzung des Parlaments. Vgl. BVerwG, Beschluss vom 13. Mai 1998, a.a.O., S. 383 f.                             65 Demgegenüber bietet die Wahlordnung der Beklagten zu 1. nicht einmal einen             66 Anhalt dafür, dass der Wahleinspruch zu begründen ist. Zur Klarstellung weist der Senat darauf hin, dass es der Dispositionsmaxime und        67 Mitwirkungspflicht der Beteiligten widersprechen würde, wenn die Gerichte ohne erkennbaren und aktenkundigen Anlass Wahlunterlagen beiziehen, um nach Gründen zu forschen, aus denen sich die Ungültigkeit der Wahlergebnisse ergeben könnte. Der Gedanke einer Beschränkung der gerichtlichen Wahlprüfung im Wesentlichen auf das, was durch das Vorbringen der Beteiligten veranlasst worden ist, verdient im Interesse einer schnellen Durchsetzung des Wählerwillens durch Entscheidung über das mit der Antragsbegründung zum http://www.justiz.nrw.de/nrwe/ovgs/ovg_nrw/j2003/8_A_2398_02urteil20030312.html   30.11.2009
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