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Information

Aktenzeichen
3 K 3073/02
Datum
27. August 2002
Gericht
Verwaltungsgericht Düsseldorf
Gesetz
Informationsfreiheitsgesetz Nordrhein-Westfalen (IFG)
Informationsfreiheitsgesetz Nordrhein-Westfalen (IFG)

Urteil: Verwaltungsgericht Düsseldorf am 27. August 2002

3 K 3073/02

Das Verwaltungsgericht weist die Klage des Mitglieds einer Vollversammlung der Industrie- und Handelskammer (IHK) auf Einsicht in Unterlagen der Rechnungsprüfungsstelle ab. Die Satzung der IHK sieht ein solches Einsichtsrecht nicht vor. Das Informationsfreiheitsgesetzes ist zwar anwendbar, allerdings stellt die Haushalts- Kassen- und Rechnungslegungsordnung der Kammer eine vorrangige Regelung dar, welche die Vorschriften des Informationsfreiheitsgesetzes verdrängt. (Quelle: LDA Brandenburg)

Anwendungsbereich/ Zuständigkeit Konkurrierende Rechtsvorschriften Antragsberechtigung

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Verwaltungsgericht Düsseldorf, 3 K 3073/02                                        Seite 1 von 3 Verwaltungsgericht Düsseldorf, 3 K 3073/02 Datum:                   27.08.2002 Gericht:                 Verwaltungsgericht Düsseldorf Spruchkörper:            3. Kammer Entscheidungsart:        Urteil Aktenzeichen:            3 K 3073/02 Tenor:                   Die Klage wird abgewiesen. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet. 1 Der Kläger ist Mitglied der Vollversammlung der Beklagten. Mit Schreiben vom 12. Dezember 2001 bat er um Übersendung eines Berichtes der „Sonderprüfungsstelle" der Industrie- und Handelskammer, weil er sich davon überzeugen wolle, dass zahlreiche Behauptungen von dort angeblich protokollierten Unregelmäßigkeiten des Hauptgeschäftsführers bezüglich der Stiftung M Museum nicht zutreffend seien. Mit weiterem Schreiben vom 9. Januar 2002 machte er geltend, er habe als Mitglied der Vollversammlung das Recht, Einblick in die Unterlagen der Rechnungsprüfungsstelle zu nehmen. Die Beklagte lehnte eine Bekanntgabe mit Schreiben vom 20. Dezember 2001 und 12. Februar 2002 ab. Nach § 53 Abs. 3 der Haushalts-, Kassen- und Rechnungslegungsordnung (HKRO) sei der Prüfungsbericht in vier Ausfertigungen zu erstellen, von denen je ein Exemplar dem Präsidenten, dem Hauptgeschäftsführer und dem Ministerium als Aufsichtsbehörde zuzuleiten sei, die vierte Ausfertigung verbleibe bei der Rechnungsprüfungsstelle. Das Exemplar des Präsidenten nutzten auch die ehrenamtlichen Rechnungsprüfer. Dritte könnten aus dem Prüfungsbericht keine Rechte herleiten. Behauptungen von Unregelmäßigkeiten habe lediglich der Kläger aufgestellt. Den hiergegen gerichteten Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 5. Juli 2002 zurück. Dem Landesgesetzgeber habe die Rechtsetzungskompetenz gefehlt, die Anwendbarkeit des Informationsfreiheitsgesetzes für die Industrie- und Handelskammern zu regeln. Die Gesetzgebungskompetenz habe der Bundesgesetzgeber nach Art. 72, 74 Nr. 11 GG. Soweit die Landesgesetzgeber weitere Regelungen treffen dürften bzw. den Kammern Aufgaben übertragen dürften, handele es sich um Aufgaben, die sich für die Selbstverwaltung eigneten und mit dem Grundsatz des Gesetzes, die Wirtschaft zu fördern, zusammenhingen. Hierunter lasse sich das Informationsfreiheitsgesetz nicht subsumieren. § 12 Abs. 1 Nr. 1 bis 9 IHKG definiere abschließend, in welchen Bereichen die Länder ergänzende Vorschriften erlassen dürften. Im Übrigen verwies die Beklagte erneut auf die Regelung des § 53 HKRO, der eine besondere Rechtsvorschrift im Sinne des § 4 Abs. 2 IFG NRW darstelle. Der Prüfungsbericht http://www.justiz.nrw.de/nrwe/ovgs/vg_duesseldorf/j2002/3_K_3073_02urteil200208... 10.01.2007
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Verwaltungsgericht Düsseldorf, 3 K 3073/02                                        Seite 2 von 3 müsse auch vertraulich behandelt werden, weil sonst unter Umständen Geschäfts- bzw. Steuergeheimnisse oder auch geschützte personenbezogene Daten offenbar werden könnten. Die Empfehlung der Rechnungsprüfer, die auf dem Bericht der Rechnungsprüfungsstelle über die unvermutete Kassenprüfung vom 1. bis 5. Oktober 2001 beruhe, könne als Ergebnis des Protokolls vertraulicher Beratungen gemäß § 7 Abs. 3 Satz 2 IFG NRW angesehen werden. Schließlich solle ein Antrag auf Informationszugang nach § 7 Abs. 2 a) IFG NRW abgelehnt werden, wenn sich der Inhalt der Information auf den Prozess der Willensbildung innerhalb von öffentlichen Stellen beziehe. Der Kläger macht geltend, untergeordnetes Satzungsrecht könne dem gesetzlich eingeräumten Informationsanspruch nicht entgegengehalten werden. Er wolle aus dem Bericht keine Rechte herleiten, sondern lediglich Einblick in ihn nehmen. Es sei bedenklich, wenn nur vier Exemplare des Berichts erstellt würden. Schließlich            2 könne die Vollversammlung ihr Kontrollrecht so nur unvollkommen ausüben. Auch die Landesbeauftragte für den Datenschutz vertrete die Ansicht, dass die von der Beklagten angeführten Hindernisse nicht vorlägen. Der Kläger beantragt,                                                                        3 die Beklagte unter Aufhebung des Widerspruchsbescheides vom 5. Juli 2002 zu verpflichten, ihm Einsicht in den Bericht der Rechnungsprüfungsstelle vom Oktober            4 2001 zu verschaffen. Die Beklagte beantragt,                                                                      5 die Klage abzuweisen.                                                                        6 Sie verweist auf die Begründung der angefochtenen Verfügungen. Auch vom                      7 Kläger angeführte Stellungnahmen der Landesbeauftragten für den Datenschutz würden die begrenzte Regelungskompetenz des Landesgesetzgebers nicht ausreichend beachten. Entscheidungsgründe:                                                                         8 Die Klage ist unbegründet.                                                                   9 Der Kläger hat keinen Anspruch auf Einsicht in den Bericht der Rechnungsprüfungsstelle des Deutschen Industrie- und Handelskammertages. Ein solches Recht ergibt sich nicht schon aus der Mitgliedschaft des Klägers in der Vollversammlung der Beklagten. Art und Umfang der Teilhaberrechte der                       10 Vollversammlungsmitglieder an der Rechnungsprüfung ergeben sich aus der Satzung. Ein eigenständiges Einsichtnahmerecht jedes Mitgliedes der Vollversammlung sieht die Satzung der Beklagen nicht vor. Ein Anspruch des Klägers ergibt sich auch nicht aus § 4 Abs. 1 IFG NRW. Nach                11 dieser Regelung hat jede natürliche Person nach Maßgabe des Gesetzes gegenüber den in § 2 genannten Stellen Anspruch auf Zugang bei der Stelle vorhandenen amtlichen Informationen. Das Gesetz gilt nach § 2 Abs. 1 für die Verwaltungstätigkeit unter anderem der sonstigen der Aufsicht des Landes unterstehenden juristischen Personen des öffentlichen Rechts. Eine solche der Aufsicht des Landes unterstehende juristische Person ist die Beklagte. Der Anwendbarkeit des § 2 IFG NRW steht nicht entgegen, dass die Errichtung der Industrie- und Handelskammern sowie ihre Aufgaben bundesrechtlich geregelt sind. Führen die Länder die Bundesgesetze als eigene Angelegenheit aus, so regeln sie gemäß Art. 84 Abs. 1 GG die Einrichtung der Behörden und das Verwaltungsverfahren, soweit nicht Bundesgesetz mit Zustimmung des Bundesrates etwas anderes bestimmen. Der Begriff des Verwaltungsverfahrens im Sinne des Art. 84 Abs. 1 GG beschränkt sich nicht auf Verwaltungsverfahren im Sinne des § 9 der Verwaltungsverfahrensgesetze des Bundes und der Länder, also die nach außen wirkende Tätigkeit der Behörden, die auf die Prüfungen der Voraussetzung, die Vorbereitung und den Erlass eines Verwaltungsaktes oder auf http://www.justiz.nrw.de/nrwe/ovgs/vg_duesseldorf/j2002/3_K_3073_02urteil200208... 10.01.2007
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Verwaltungsgericht Düsseldorf, 3 K 3073/02                                        Seite 3 von 3 den Abschluss eines öffentlich-rechtlichen Vertrages gerichtet ist. Vielmehr umfasst der Begriff des Verwaltungsverfahrens im Sinne des Art. 84 Abs. 1 GG sämtliche das „Wie" des Verwaltungshandelns betreffenden Regelungen, insbesondere Regelungen über Offenbarungs- und Verwertungverbote (vgl. BVerfGE 55, 319 ff.). Die Anwendung des Gesetzes ist auch nicht schon durch § 2 Abs. 2 IFG NRW ausgeschlossen. Danach gilt das Gesetz für den Landesrechnungshof und die staatlichen Rechnungsprüfungsämter nur, soweit sie Verwaltungsaufgaben wahrnehmen, also nicht für die eigentliche Prüfungstätigkeit. Der Landesrechnungshof und die staatlichen Rechnungsprüfungsämter sind indessen nicht mit der Rechnungsprüfung der Beklagten befasst. Diese ist vielmehr gemäß § 12 Nr. 7 IHKG i.V.m. § 4 Abs. 2 IHKG NRW und der hierzu ergangenen Rechtsverordnung Aufgabe der Rechnungsprüfungsstelle des Deutschen Industrie- und Handelskammertages. Bei diesem handelt es sich um einen Verein des Privatrechts, dem eine in ihrer Arbeit unabhängige Rechnungsprüfungsstelle angegliedert ist. Das Informationsfreiheitsgesetz gilt allerdings nach § 2 Abs. 4 auch für juristische Personen des Privatrechts, soweit diese öffentlich-rechtliche Aufgaben wahrnehmen. Die Wahrnehmung der Rechnungsprüfung bei einer juristischen Person des öffentlichen Rechts stellt eine solche öffentlich-rechtliche Aufgabe dar. Gleichwohl unterliegt das Prüfungsergebnis nicht dem Auskunftsanspruch nach dem Informationsfreiheitsgesetz. Dies ergibt sich aus § 4 Abs. 2 IFG NRW. Danach gehen besondere Rechtsvorschriften über den Zugang zu amtlichen Informationen, die Auskunftserteilung oder die Gewährung von Akteneinsicht den Vorschriften des Gesetzes vor. Aus § 53 Abs. 4 HKRO zu den Empfängern des Prüfungsberichts ergibt sich eine besondere Regelung über den Zugang zu amtlichen Informationen im Sinne des § 4 Abs. 2 IFG NRW. Die Regelung sichert nicht nur die Erfüllung der Mindestanforderungen zur internen Haushaltskontrolle, ohne ausdrücklich genannte Dritte von der Einsicht auszunehmen. Einem solchen Verständnis der Regelung über die Zugänglichkeit des Rechnungsprüfungsberichtes steht § 96 Abs. 1 LHO entgegen. Danach teilt der Landesrechnungshof das Prüfungsergebnis den zuständigen Stellen mit. Er hat es darüber hinaus auch anderen Stellen mitzuteilen, jedoch nur, soweit er dies aus besonderen Gründen, insbesondere zur Durchsetzung eines Schadensersatzanspruchs, für erforderlich hält. Von einer Mitteilung kann er absehen, wenn es sich um unerhebliche Mängel handelt oder Weiterungen oder Kosten zu erwarten sind, die in keinem angemessenen Verhältnis zu der Bedeutung der Angelegenheit stehen würden. Der Landesrechnungshof hat mithin durch die Landeshaushaltsordnung die besondere Kompetenz eingeräumt bekommen, zu entscheiden, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang er andere als die regelmäßig zu informierenden Stellen über den Inhalt einer Rechnungsprüfung in Kenntnis setzt. Diese Wertung des Gesetzgebers ist auch bei der ausnahmsweise nicht durch den Leiter des Rechnungshofes und die Rechnungsprüfungsämter durchgeführten Rechnungsprüfung zu beachten. Sie steht einem Verständnis der Informationsregelungen entgegen, nach dem neben den gesetzlich vorgesehenen Kontrollstellen auch beliebige Dritte einen nicht näher rechtfertigungsbedürftigen Anspruch auf Einblick in das Rechnungswesen öffentlicher Stellen erhalten sollen. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, die Entscheidung zur 12 vorläufigen Vollstreckbarkeit auf §§ 167 VwGO, 708 Nr. 11, 711 ZPO. Gründe für eine Zulassung der Berufung nach §§ 124a Abs. 1, 124 Abs. 2 Nr. 3, 4             13 VwGO liegen nicht vor. 14 http://www.justiz.nrw.de/nrwe/ovgs/vg_duesseldorf/j2002/3_K_3073_02urteil200208... 10.01.2007
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