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Aktenzeichen
23 A 202.00
Datum
26. Februar 2002
Gericht
Verwaltungsgericht Berlin
Gesetz
Informationsfreiheitsgesetz Berlin (IFG)
Informationsfreiheitsgesetz Berlin (IFG)

Urteil: Verwaltungsgericht Berlin am 26. Februar 2002

23 A 202.00

Der Schutz personenbezogener Daten sowie das Verfolgen überwiegend privater Interessen durch den Antragsteller stehen der Einsicht in einen Dienstaufsichtsbeschwerdevorgang entgegen. Der Schutz personenbezogener Daten bezieht sich auch auf solche Informationen, die der Antragsteller bereits kennt und die er möglicherweise der Behörde selbst zur Kenntnis gegeben hat. Aussonderungen sind aufgrund einer Vielzahl personenbezogener Daten nicht möglich; ansonsten bliebe nur eine leere Hülle zurück. Auch steht dem ein unverhältnismäßig hoher Aufwand entgegen, der durch die Gebühren nicht aufgewogen wird. Im vorliegenden Fall betrieb der Kläger seine eigene Rehabilitierung und hoffte, durch die Einsichtnahme seinen eigenen Verantwortungsbeitrag relativieren zu können. (Quelle: LDA Brandenburg)

Kosten Aussonderungen Personenbezogene Daten

Abschrift

VG 23 A 202.00 Verkündet am 26. Februar 2002 n K. Bischoff Justizobersekretärin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle

VERWALTUNGSGERICHT BERLIN URTEIL

® In der Verwaltungsstreitsache

gegen

Im Namen des Volkes Klägers, Beklagten,

hat das Verwaltungsgericht Berlin, 23. Kammer,

durch den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgericht Wiekenberg den Richter am Verwaltungsgericht Maresch den Richter Dr. Moll die ehrenamtliche Richterin Dr. Kastler den ehrenamtlichen Richter Schuster

auf die mündliche Verhandlung vom 26. Februar 2002 für Recht erkannt: Die Klage wird abgewiesen. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

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Tatbestand

Der Kläger begehrt Akteneinsicht in einen Vorgang der Senatsverwaltung für Wirtschaft und Technologie, der dort zur Bearbeitung einer von dem Kläger angestrengten Dienstaufsichtsbeschwerde angelegt wurde.

Der Kläger hatte als Beamter des Bezirksamtes Zehlendorf von Berlin die Veräuße- rung eines landeseigenen Grundstücks an eine Privatperson vorbereitet und für das Land den notariellen Kaufvertrag unterzeichnet. Gegen den Kläger wurde wegen vermeintlicher Pflichtwidrigkeiten bei der Bearbeitung des Grundstücksgeschäfts ein Disziplinarverfahren eingeleitet, das sich derzeit im Stadium des Widerspruchsver- fahrens befindet und mit Rücksicht auf das hiesige gerichtliche Verfahren ausgesetzt ist. Der Kläger ist der Auffassung, daß sich eine bestimmte Dienstkraft der Senatsver- waltung für Wirtschaft und Technologie, die dort an der Vorbereitung des Grundstücksgeschäfts mitwirkte, pflichtwidrig verhalten habe. Mit Rücksicht hierauf erhob er gegen die Dienstkraft durch Schreiben vom 11. Juni 1998 Dienstaufsichtsbe- schwerde gegenüber der Senatsverwaltung für Wirtschaft und Technologie.

Nach interner Prüfung der Angelegenheit wies die Senatsverwaltung durch Schreiben an den Kläger vom 30. Oktober 1998 die Dienstaufsichtsbeschwerde als unbegründet zurück. Erfolglos wandte sich der Kläger im Anschluß noch zweimal an den Senator, um eine neuerliche Prüfung der Angelegenheit zu erreichen.

Mit Schreiben vom 2. Februar 2000 beantragte der Kläger sodann Akteneinsicht nach dem Informationsfreiheitsgesetz — IFG - In den Dienstaufsichtsbeschwerdevor- gang. Durch Bescheid vom 13. April 2000 lehnte die Senatsverwaltung für Wirtschaft und Technologie den Antrag ab, da durch die Akteneinsicht personenbezogene Da- ten veröffentlicht würden und der Kläger erkennbar Privatinteressen verfolge.

Mit seinem Widerspruch machte der Kläger geltend, die von der Behörde angeführten personenbezogenen Daten könnten kaum über dasjenige hinausgehen, was ihm ohnehin aus seiner dienstlichen Tätigkeit bekannt sei. Notfalls müßten die Daten unkenntlich gemacht werden. Außerdem habe die Behörde offenbar noch nicht versucht, die Zustimmung der von der Dienstaufsichtsbeschwerde betroffenen Dienstkraft zur Einsichtnahme einzuholen. Er, der Kläger, verfolge auch nicht lediglich Privatinteressen, sondern habe ein Interesse an Rehabilitation. Außerdem könne durch

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die Akteneinsicht überprüft werden, ob der Vorgang unparteiisch und gerecht bearbeitet worden sei, wie das Landesbeamtengesetz es als Pflicht eines Amtsträgers vorsehe.

Am 30. Mai 2000 erging ein Zwischenbescheid an den Kläger. Darin wurde die Auffassung vertreten, daß es nicht darauf ankomme, ob der Kläger die zu offenbarenden Daten bereits aus seiner Amtstätigkeit kenne. Ferner könne er den zu der eigentlichen Grundstücksangelegenheit angelegten Vorgang einsehen; die Einsichtnahme in den Vorgang zur Dienstaufsichtsbeschwerde sei dagegen nicht geboten, um die Bearbeitung der Grundstücksangelegenheit aufzuklären.

Mit Schreiben vom 20. Juni 2000 an ihren Dienstherrn verweigerte die von der Dienstaufsichtsbeschwerde betroffene Dienstkraft ihr Einverständnis mit der Akteneinsicht durch den Kläger. Mit der gleichen Argumentation wie in dem Zwischenbescheid wurde der Widerspruch des Klägers schließlich durch Widerspruchsbescheid vom 29. Juni 2000 zurückgewiesen.

Mit seiner Klage macht der Kläger über sein bisheriges Vorbringen hinaus geltend, daß sich aus der ihm zwischenzeitlich zugänglich gemachten Grundstücksakte ein Fehlverhalten der Dienstkraft des Beklagten ergebe; außerdem erhoffe er sich von der Akteneinsicht Aufschlüsse über die Umsetzung von Senatsbeschlüssen, die für die behördliche Bearbeitung des Grundstücksgeschäfts von Bedeutung gewesen 'seien.

In dem Termin zur mündlichen Verhandlung ist der Kläger trotz ordnungsgemäßer Ladung nicht erschienen.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

den Bescheid der Senatsverwaltung für Wirtschaft und Technologie vom 13. April 2000 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 29. Juni 2000 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, ihm Akteneinsicht in den zu seiner Dienstaufsichtsbeschwerde vom 11. Juni 1998 angelegten Vorgang zu gewähren,

Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Er verweist darauf, daß sich in dem Vorgang personenbezogene Daten der betroffenen Dienstkraft in Gestalt der tatbestandlichen Erfassung und dienstlichen Bewertung ihres Verhaltens befänden, und zwar in einem solchen Umfang, daß eine Un-

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kenntlichmachung einzelner Passagen ausgeschlossen sei. Der Hinweis des Klägers auf die von ihm beabsichtigte Überprüfung der Einhaltung dienstrechtlicher Verpflichtungen durch Mitarbeiter der Senatsverwaltung trage sein Begehren nicht, da über diesen Umweg jedes ursprünglich private Interesse zu einem öffentlichen Interesse gemacht werden könne.

Der Beklagte tritt der Auffassung des Berliner Beauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit in dessen Bericht für das Jahr 2000 entgegen, wonach die Sammlung von Material für ein eigenes gerichtliches Verfahren kein privates Interesse sei, das zur Ablehnung eines Akteneinsichtsantrags führen könne. Hiergegen spreche $ 1 IFG, wonach durch die Akteneinsicht die demokratische Meinungs- und Willensbildung gefördert und eine Kontrolle des staatlichen Handelns ermöglicht werden solle.

Schließlich weist der Beklagte auf $ 10 Abs. 4 IFG hin, wonach die Akteneinsicht versagt werden soll, wenn sich der Inhalt der Akten auf den Prozeß der Willensbildung innerhalb der Behörde bezieht. Diese Voraussetzung treffe auf den Dienstaufsichtsbeschwerdevorgang zu, da aus ihm die innerbehördliche Bewertung des Verhaltens der Dienstkraft hervorgehe. $ 10 Abs. 4 IFG gestatte die Verweigerung der Akteneinsicht auch noch nach Abschluß des Verwaltungsverfahrens.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Streitakte sowie den Verwaltungsvorgang des Beklagten verwiesen, der vorgelegen hat und — soweit wesentlich - Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist. Gleiches gilt auch für die Akte, die die Dienstausichtsbeschwerde betrifft.

n Entscheidungsgründe

Über die Klage konnte trotz Ausbleibens des Klägers in der mündlichen Verhandlung entschieden werden, da er bei der Ladung darauf hingewiesen worden ist, daß auch bei seinem Ausbleiben verhandelt und entschieden werden kann, $ 102 Abs. 2 VwGO.

Die Klage ist zulässig, aber unbegründet. Die Verweigerung der Akteneinsicht durch den Beklagten ist nicht rechtswidrig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, 8 113 Abs. 5 VwGO. Denn er hat keinen Anspruch auf Akteneinsicht. Zwar hat nach 83 Abs. 1 Satz 1 IFG jeder Mensch nach Maßgabe des Informationsfreiheitsgeset-

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zes - IFG - das Recht auf Akteneinsicht. Der Dienstaufsichtsbeschwerdevorgang der Senatsverwaltung für Wirtschaft und Technologie ist aber durch $ 6 Abs. 1 IFG von der Akteneinsicht durch den Kläger ausgeschlossen.

Gemäß $ 6 Abs. 1 IFG besteht das Recht auf Akteneinsicht nicht, soweit durch die Akteneinsicht personenbezogene Daten veröffentlicht werden und tatsächliche Anhaltspunkte dafür vorhanden sind, daß überwiegend Privatinteressen verfolgt werden oder der Offenbarung schutzwürdige Belange der Betroffenen entgegenstehen und das Informationsinteresse ($ 1) das Interesse der Betroffenen an der Geheimhaltung nicht überwiegt.

86 Abs. 1 IFG unterscheidet zwei selbständig nebeneinander stehende Varianten. In der ersten Variante werden durch die Akteneinsicht personenbezogene Daten veröffentlicht, und es sind tatsächliche Anhaltspunkte dafür vorhanden, daß überwiegend Privatinteressen verfolgt werden. In der zweiten Variante werden durch die Akteneinsicht personenbezogene Daten veröffentlicht, und der Offenbarung stehen schutzwürdige Belange der Betroffenen entgegen, und das Informationsinteresse ($ 1) überwiegt nicht das Interesse der Betroffenen an der Geheimhaltung. Der letzte Satzteil: "... und das Informationsinteresse ($ 1) das Interesse der Betroffenen an der Geheimhaltung nicht überwiegt" ist nur für diese zweite Variante von Belang. Der letzte Satzteil nimmt die "schutzwürdigen Belangen der Betroffenen" aus dem vorherigen Satzteil auf und macht sie in nur sprachlich veränderter Gestalt als 'Interesse der Betroffenen" zum Gegenstand der Abwägung gegen das Informationsinteresse des Antragstellers. Wenn dagegen durch den Antragsteller überwiegend Privatinteressen verfolgt werden, geht das der Offenbarung personenbezogener Daten entgegenstehende Geheimhaltungsinteresse des Betroffenen nach der Wertung des Gesetzgebers bereits wegen der Privatheit der durch den Antragsteller verfolgten Interessen vor. In diesem Falle kommt es nicht zu einer Abwägung der Interessen des Antragstellers und des Betroffenen.

In bezug auf den Akteneinsichtsantrag des Klägers steht die erste Variante des 86 Abs. 1 IFG dem Anspruch auf Akteneinsicht entgegen. Denn die Akte, in die der Kläger Einsicht nenmen möchte, enthält personenbezogene Daten, und der Kläger verfolgt überwiegend Privatinteressen. Personenbezogene Daten sind nach der Legaldefinition in $ 3 Bundesdatenschutzgesetz - BDSG - Einzelangaben über persönliche oder sachliche Verhältnisse einer bestimmten oder bestimmbaren natürlichen Person. Einzelangaben können alle

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möglichen und denkbaren Angaben sein, unter welchen Aspekten oder Kriterien auch immer sie entstehen. Dazu gehören Tatsachen (z.B. Zahlenangaben über Einkommen, Angaben über mündliche oder schriftliche Äußerungen) genauso wie Werturteile (z.B. Schulzensuren, Beurteilungen über Kreditwürdigkeit), Kennzeichnungen (z.B. "Starker Trinker", "Frauenheld", "übermäßige Spielleidenschaft") oder Angaben zu geschäftlichen Verhältnissen (Auernhammer, BDSG, 3. Auft., 1993, 83 Anm. 4f.).

Die Kammer konnte sich davon überzeugen, daß die Akte, in die der Kläger Einsicht nehmen will, eine Vielzahl personenbezogener Daten enthält. Sie enthält Angaben über die Diensthandiungen der von der Dienstaufsichtsbeschwerde des Klägers betroffenen Dienstkraft sowie Werturteile über ihr Verhalten. Außerdem sind Berichte über andere Personen sowie Bewertungen von deren Verhalten Gegenstand der Akte. Diese Umstände hat die Kammer in einem sogenannten In-camera-Verfahren überprüft. Bei diesem Verfahren überprüft das Gericht die Gründe, die die Behörde für die Verweigerung der Akteneinsicht geltend macht, ohne daß der Kläger Einblick in den Verwaltungsvorgang nehmen darf, um dessen Einsichtnahme gestritten wird. Zwar hat der Kläger als Beteiligter gemäß $ 100 Abs. 1 VwGO grundsätzlich ein Recht auf Einsichtnahme in die dem Gericht vorgelegten Akten. Etwas anderes gilt aber, wenn Streitgegenstand gerade das Recht auf Einsichtnahme ist. In einem solchen Falle würde jede bestehende Geheimhaltungspflicht der Behörden leerlaufen, wenn der Betroffene allein durch Erhebung einer Klage Einsicht in einen ihm ansonsten verschlossenen Vorgang nehmen könnte.

Der Kläger verfolgt mit seinem Antrag auf Akteneinsicht Privatinteressen. Zwar begründet 8 3 Abs. 1 IFG einen grundsätzlichen Anspruch auf Akteneinsicht ohne Ansehung des Motivs des Antragstellers. Die Obliegenheit zur Offenlegung des Interesses und die Befugnis der Verwaltung und des Gerichts zur Bewertung desselben ergibt sich aber aus dem Zweiten und Dritten Abschnitt des IFG. Der Zweite Abschnitt des IFG regelt Einschränkungen des Akteneinsichtsrechts, die in ihrem Umfang von dem Interesse des Antragstellers abhängen. Das aber bedeutet, daß die Behörde über die Interessen informiert sein muß. So schließt $ 6 Abs. 1 IFG die Akteneinsicht aus, wenn überwiegend Privatinteressen verfolgt werden oder wenn schutzwürdige Belange Betroffener dem Informationsinteresse i.S.v. 8 1 IFG vorgehen. Gemäß $ 7 IFG ist bei Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen eine Abwä-

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gung des Geheimhaltungsinteresses der Betroffenen gegen das Informationsinteresse vorzunehmen. Auch die im Dritten Abschnitt des IFG geregelten verfahrensrechtlichen Pflichten der Behörde können nur bei Kenntnis der Motive des Antragstellers wahrgenommen werden. Die Behörde hat nach $ 14 Abs. 1 Satz 2 IFG über die Zulässigkeit des Antrags auf Akteneinsicht zu befinden. Gemäß $ 14 Abs. 2 Satz 1 IEG muß sie beim Vorhandensein schutzwürdiger Belange Betroffener diesen Gelegenheit zur Äußerung geben, wenn sie der Auffassung ist, daß das Informationsinteresse des Antragstellers die Belange der Betroffenen überwiegen Schließlich hat sie die Verweigerung der Akteneinsicht nach $ 15 Abs. 1 IFG schriftlich zu begründen.

Die Verfolgung von Privatinteressen durch den Kläger ergibt sich daraus, daß er seine Rehabilitierung betreibt. Der Kläger erstrebt Informationen über das dienstliche Verhalten der von ihm im Rahmen seiner Dienstaufsichtsbeschwerde belasteten Dienstkraft der Senatsverwaltung für Wirtschaft und Technologie. Er erstrebt ferner Informationen über die Bewertung ihres Verhaltens durch die für Dienstaufsichtsbeschwerden zuständige Stelle. Auf diese Weise hofft er, einen Verantwortungsbeitrag der Dienstkraft zu den Vorgängen um den Verkauf des landeseigenen Grundstücks ermitteln und seinen eigenen Verantwortungsbeitrag relativieren zu können. Um die von ihm erhofften Informationen in dem gegen ihn laufenden Disziplinarverfahren zu seinen eigenen Gunsten verwenden zu können, hat er die Aussetzung des Disziplinarverfahrens bis zum Abschluß des gerichtlichen Verfahrens erwirkt. Privatinteressen werden vom Kläger mindestens überwiegend verfolgt. Dies ist der Fall, wenn nicht mindestens in gleichem Umfang auch die Interessen der Allgemeinheit als ganzes Anlaß für die gewünschte Akteneinsicht sind, der Antragsteller also mehrheitlich in eigenen Angelegenheiten tätig wird. Dies trifft auf den Kläger zu. Die Verfolgung seiner Rehabilitierung ist kein Interesse der Allgemeinheit als ganzes. Der Kläger wird vielmehr in eigenen Angelegenheiten tätig. Ohne Erfolg macht er geltend, er wolle auch überprüfen, ob bei der Bearbeitung seiner Dienstaufsichtsbeschwerde die beamtenrechtliche Pflicht zur Unparteilichkeit eingehalten wurde. Auch das Ergebnis einer solchen Prüfung würde der Kläger sich letztlich nur selbst zunutze machen. Selbst wenn er aber auf diese Weise auch ein Informationsinteresse in Gestalt der Kontrolle staatlichen Handelns zugunsten der Allgemeinheit als ganzes geltend machen könnte, würde dieses Informationsinteresse in seiner Bedeutung gegenüber dem von ihm zu seinen eigenen Gunsten verfolgten Interesse zurücktreten.

Die Akteneinsicht durch den Kläger ist in vollem Umfang ausgeschlossen. Eine Veröffentlichung einzelner Aktenteile des Dienstaufsichtsbeschwerdevorgangs an den Kläger kommt nicht in Betracht. Allerdings darf die aktenführende Behörde dem Antragsteller bei Vorliegen eines Ausschlußgrundes nach 8 6 Abs. 1 IFG nicht ohne weiteres die gesamte Akte vor- "enthalten. Vielmehr sind gegebenenfalls einzelne Aktenteile zugänglich zu machen. Dies folgt aus 8 6 Abs. 1 IFG, der den Ausschluß des Akteneinsichtsrechts nur zuläßt, "soweit" die in $ 6 Abs. 1 IFG geregelten Ausschlußgründe vorliegen. Nur in diesem Umfang also darf die Akteneinsicht versagt werden. In gleichem Sinne besagt $ 12 Satz 1 IFG, daß, "soweit" die Voraussetzungen für Einschränkungen der Informationsfreiheit nach $$ 5 bis 11 IFG vorliegen, ein Recht auf Akteneinsicht hinsichtlich der anderen Aktenteile besteht. Diese Vorschrift hat jedenfalls in bezug auf die Ausschlußgründe des 8 6 Abs. 1 IFG keinen eigenen Regelungsgehalt, sondern stellt nur den Umkehrschluß aus $ 6 Abs. 1 IFG dar.

Der Beklagte war nichtsdestoweniger berechtigt, dem Kläger die Akteneinsicht vollständig zu verweigern. Denn die Akte über den Dienstaufsichtsbeschwerdevorgang enthält eine solche Vielzahl personenbezogener Daten, daß eine Trennung in zu schützende und zu veröffentlichende Teile ausgeschlossen ist. in dem Vorgang sind Tatsachen und Werturteile zu der von dem Kläger bezeichneten Dienstkraft der Senatsverwaltung für Wirtschaft und Technologie sowie zu einer Reihe anderer Personen festgehalten. Dabei stehen die personenbezogenen Daten im Mittelpunkt der Darstellung. Eben dies macht auch die Bedeutung der Akte für den Kläger aus. Er möchte gerade diejenigen personenbezogenen Daten einsehen, die gemäß 8 6 Abs. 1, 1. Alt. IFG vor der Herausgabe zu schützen sind und nicht an ihn gelangen dürfen. An anderem als an der Offenbarung von Tatsachen über die betroffene Dienstkraft und an den von Dritten niedergelegten Werturteilen über diese Tatsachen ist er nicht interessiert. Der Schutz personenbezogener Daten kann dabei nur dadurch gewährleistet werden, daß nicht nur der Name der Dienstkraft unkenntlich gemacht wird, sondern auch alle Aussagen über ihr Verhalten und dessen Bewertung. Die Unkenntlichmachung allein ihres Namens wäre nämlich kein Schutz personenbezogener Daten, da zur Kenntnis aller Beteiligten nur sie als Gegenstand des Verwaltungsvorgangs in Frage kommt. Wenn aber alle personenbezogenen Daten in dem Dienstaufsichtsbeschwerdevorgang unkenntlich gemacht oder abgetrennt werden, bleibt eine leere Hülle zurück, die als solche nicht mehr Gegenstand der Akteneinsicht sein kann. Bei der Bestim-

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mung der zu veröffentlichenden Aktenteile ist der in $ 1 IFG beschriebene Zweck des IFG zu Berücksichtigen. Durch die Veröffentlichung soll die demokratische Meinungs- und Willensbildung gefördert und eine Kontrolle des staatlichen Handelns ermöglicht werden. Die Pflicht der Behörde zur Offenbarung von Aktenteilen setzt in diesem Lichte voraus, daß mit Hilfe der Aktenteile der in 8 1 IFG beschriebene Zweck noch erreicht werden kann. Dies ist nicht der Fall, wenn die Aktenteile infolge derin$ 12 Satz 2 IFG vorgesehenen Unkenntlichmachung oder Abtrennung der schützenswerten Informationen keinen Aufschluß über das staatliche Handeln mehr geben. Der Zweck des Akteneinsichtsrechts besteht nicht darin, nach Unkenntlichmachung oder Abtrennung schützenswerter Aktenteile die übrigen Aktenteile gleichsam als entkernte Hülle zu veröffentlichen. Der Kläger möchte einzelne Aktenteile nicht um ihrer selbst willen besitzen, sondern um sich ein Bild von dem Wissen und Handeln der Senatsverwaltung für Wirtschaft und Technologie zu machen und auf diese Weise den von ihm verfolgten Zweck zu fördern. Hiervon kann keine Rede mehr sein, wenn zu guter Letzt ein zusammenhangloser Torso in Gestalt der von der Unkenntlichmachung oder Abtrennung auszunehmenden Worte zur Veröffentlichung verbleibt.

Zu dem gleichen Ergebnis führen Verhältnismäßigkeitserwägungen. Es kann nicht unberücksichtigt bleiben, welcher Aufwand dem Beklagten durch die Vorbereitung und Durchführung der Akteneinsicht nach dem IFG entsteht und welcher Nutzen dem auf-'seiten des Einsichtberechtigten gegenübersteht. Dieser Gedanke liegt auch $ 19 Abs. 1 Satz 3 BDSG zugrunde. Nach $ 19 Abs. 1 Satz 3 BDSG wird eine Auskunft an den Betroffenen, wenn die personenenbezogenen Daten in Akten gespeichert sind, nur erteilt, wenn der für die Erteilung der Auskunft erforderliche Aufwand nicht außer Verhältnis zu dem von dem Betroffenen geltend gemachten Informationsinteresse steht. Übertragen auf das IFG, ist der Verwaltungsaufwand zur Vorbereitung und Durchführung der Akteneinsicht dann übermäßig, wenn er durch das Informationsinferesse des Antragstellers nicht mehr gerechtfertigt ist. Die Behörde müßte sonst auch bei umfangreichen Akten stets für jede einzelne Seite entscheiden, welche einzelnen Wörter und Sätze sie unkenntlich macht. Das Verwaltungsgericht seinerseits wäre im Anschluß berufen, im Rahmen des In-camera-Verfahrens über die Berechtigung jeder einzelnen Unkenntlichmachung oder Abtrennung zu befinden und sich möglicherweise zu mehreren hundert getrennt zu betrachtenden Einzelpunkten eine Ansicht zu bilden. Das Recht auf Akteneinsicht kann in solchen Fällen in einer Weise ausufern, die im Mißverhältnis zu dem Erkenntnisgewinn der Allgemeinheit steht.

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Die hiernach erforderliche Abwägung zwischen dem durch die Akteneinsicht entstehenden Verwaltungsaufwand zum einen und dem Informationsinteresse des Klägers zum anderen hat zum Ergebnis, daß in Bezug auf den Dienstaufsichtsbeschwerdevorgang die Abtrennung der von der Veröffentlichung ausgeschlossenen personenbezogenen Daten und die nachfolgende Veröffentlichung der verbleibenden Infor- - mationen untunlich ist. \ ieh Der zur Vorbereitung der Akteneinsicht entstehende Verwaltungsaufwand ist erheblich. Wie ausgeführt, betreffen die personenbezogenen Daten den Kern des Dienstaufsichtsbeschwerdevorgangs. Damit ist das Erfordernis umfangreicher Unkenntlichmachung verbunden.

Dieser erhebliche Aufwand wird nicht dadurch aufgewogen, daß der Bürger für die Akteneinsicht ein Entgelt zu entrichten hat. Zwar ist die Akteneinsicht nach dem IFG - im Gegensatz zu der Auskunft nach dem BDSG (8 19 Abs. 7 BDSG) - gemäß 8 16 IFG 1.V.m. $ 6 Abs. 1 des Gesetzes über Gebühren und Beiträge i.V.m. $ 1 Abs. 1 VGebO und der Anlage zu $ 1 Abs. 1 VGebO i.V.m. Tarifstelle 1004 gebührenpflichtig. Nach diesen Vorschriften beträgt die Gebühr für die Gewährung von Akteneinsicht nach dem IFG 20,00 DM bis 1.000,00 DM. Der entstehende Verwaltungsaufwand wird aber nicht notwendig durch die zu zahlende Gebühr aufgewogen. Gemäß 85 VGebO erfolgt die Bemessung der Gebühr nach der Bedeutung des Gegenstands und dem wirtschaftlichen Nutzen für die Beteiligten, nach dem Umfang der Amtshandlung und den Schwierigkeiten, die sich bei der Durchführung der Amtshandlung ergeben, sowie nach den wirtschaftlichen Verhältnissen des Gebührenschuldners. Die Behörde muß bei der Bemessung der Gebühr auch den rechtsstaatlichen Grundsatz des Gewinnerzielungsverbots sowie das Äquivalenzprinzip beachten, wonach die Gebühr in keinem Mißverhältnis zu der öffentlichen Leistung stehen darf. Gerade in solchen Fällen wie dem des Klägers aber, in dem nach umfangreicher, aufwendiger Unkenntlichmachung von Aktenteilen nur eine leere Hülle veröffentlicht würde, müßte bei der Festsetzung der Gebühr auch die dann nur noch geringe Bedeutung des Gegenstands berücksichtigt werden. Ergebnis wäre eine besonders niedrige Gebühr bei besonders hohem Verwaltungsaufwand. Außerdem wären die wirtschaftlichen Verhältnissen des Gebührenschuldners zu berücksichtigen. Auch insoweit könnte die Verwaltung nicht darauf zählen, daß die festzusetzende Gebühr ihren Aufwand deckt.

Dem so beschriebenen Aufwand der Verwaltung steht kein erkennbarer Nutzen auf

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seiten des Klägers gegenüber. Dem Interesse des Klägers könnte nämlich durch die Veröffentlichung von Randbegriffen gar nicht entsprochen werden. Er interessiert sich gerade für die personenbezogenen Daten. Ferner wäre die Veröffentlichung des Dienstaufsichtsbeschwerdevorgangs ungeeignet zur Erreichung des von dem Kläger verfolgten Zwecks. Für das gegen ihn gerichtete Disziplinarverfahren kommt es nur darauf an, ob er seine - eigenen - beamtenrechtlichen Pflichten beachtet hat, und nicht darauf, ob Dritte sich rechtmäßig verhalten haben. Schließlich ist bei der Abwägung der Interessen der Verwaltung und des Klägers zu berücksichtigen, daß 8 6 Abs. 1, 1. Alt. IFG dem Kläger, der überwiegend Privatinteressen verfolgt, von vornherein eine schwächere Rechtsposition einräumt als demjenigen, dessen Ziel der Erkenntnisgewinn der Allgemeinheit als ganzes ist.

Letztlich kommt auch die Herausgabe der von dem Kläger selbst eingesandten Schreiben und Unterlagen nicht in Betracht. Der Dienstaufsichtsbeschwerdevorgang der Senatsverwaltung für Wirtschaft und Technologie wurde angelegt, nachdem der Kläger ein ausführliches Schreiben mit zahlreichen Anlagen eingesandt hatte, in dem er auf das vermeintliche Fehlverhalten der Dienstkraft der Senatsverwaltung für Wirtschaft und Technologie hinwies. Nunmehr allerdings kann der Kläger Akteneinsicht weder in seine eigenen Schreiben noch in die von ihm beigefügten Anlagen erhalten, auch wenn er deren Inhalt bereits kennt. Der Schutz personenbezogener Daten nach $ 6 Abs. 1 IFG bezieht sich nämlich auch auf solche Daten, die der Antragsteller bereits kennt und die er möglicherweise sogar selbst der Behörde zur Kenntnis gegeben hat. Auch diese Daten würden nämlich durch die Akteneinsicht veröffentlicht. Unter der Veröffentlichung personenbezogener Daten i.S.v. 8 6 Abs. 1 IFG ist zu verstehen, daß die personenbezogenen Daten aus dem verwaltungsinternen Bereich herausgegeben werden in die Öffentlichkeit, in die Allgemeinheit nach $ 1 IFG, die nichts anderes ist als das Gegenteil des verwaltungsinternen Bereichs. Alles, was nicht verwaltungsinterner Bereich ist, ist Allgemeinheit und Öffentlichkeit. Der Vorgang der Veröffentlichung i.S.v. $ 6 Abs. 1 IFG ist dabei nicht als presseähnliche Publikation der Information in Richtung auf eine unbestimmte Personenmehrheit zu verstehen, sondern als Offenbarung (8 14 Abs. 2 Satz 1 IFG) gegenüber dem einzelnen Antragsteller. In diesem Sinne gehört auch der Kläger zur Öffentlichkeit, da er die in der Akte enthaltenen Informationen nicht als Amtsträger zu dienstlichem Zwecke zu erhalten wünscht, sondern von außerhalb der Verwaltung ein Jedermann-Recht ausübt.

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Die Offenbarung von Informationen ist ein Vorgang, der auch dann stattfindet, wenn der Adressat die aus dem verwaltungsinternen Bereich herauszugebenden Informationen bereits kennt. Die Veröffentlichung i.S.v. $ 6 Abs. 1 IFG ist nämlich der Veröffentlichungsvorgang von seiten der Verwaltung. Auf den Kenntnisstand des Empfängers kommt es dabei nicht an. "Durch" die Akteneinsicht werden personenbezogene Daten auch dann veröffentlicht, wenn der Adressat sie schon kennt oder gar selbst eingesandt hat. Die Herausgabe der Daten ist ohnehin Voraussetzung dafür, daß der Adressat überhaupt feststellen kann, ob er über die Informationen bereits verfügt. Selbst wenn der Adressat dann feststellt, daß er die Informationen schon aus anderer Quelle kennt, hat die Verwaltung die Informationen in diesem Augenblick bereits an ihn herausgegeben und damit veröffentlicht. Die Behörde und das Gericht haben zudem nicht einmal sicheres Wissen über den Kenntnisstand des Antragstellers. Wenn es nicht gerade um von ihm selbst eingereichte Unterlagen geht, könnte er im Einzelfall behaupten, Umstände bereits zu kennen, obwohl es sich nur um einen Verdacht seinerseits handelt. Es ist nicht Auf. gabe der Behörde und des Gerichts, insoweit Nachforschungen anzustellen. Ebensogut könnte der Antragsteller die Informationen zwar sicher besitzen, aber auf unrechtmäßige Weise erhalten haben. Ein solches Verhalten würde dann noch dadurch belohnt, daß die Behörde die ihr insoweit zur Verfügung stehenden Informationen an den Antragsteller herausgeben müßte. Das IFG zielt gerade darauf ab, unbekannte Vorgänge zu veröffentlichen. Die von $ 1 IFG zum Gesetzeszweck erhobene Kontrolle staatlichen Handelns kann nicht darin bestehen, daß der Antragsteller die grundsätzlich vor der Herausgabe geschützten personenbezogenen Daten Dritter mit der Begründung herausverlangen kann, daß er die Daten schon kenne. Folgerichtig enthält $ 6 Abs. 4 des Akteneinsichts- und Informatiensfreiheitsgesetzes des Landes Brandenburg vom 10. März 1998 (GVBi. I S. 46) eine Auskunftsverweigerungsmöglichkeit für die Behörde, falls der Antragsteller über die von ihm begehrten Informationen bereits verfügt.

Da die Akteneinsicht durch den Kläger bereits durch $ 6 Abs. 1 IFG ausgeschlossen ist, erübrigt sich die Erörterung des weiteren Ausschlußgrundes des 8 10 Abs. 4 IFG, wonach die Akteneinsicht versagt werden soll, wenn sich der Inhalt der Akten auf den Prozeß der Willensbildung innerhalb von Behörden bezieht. Es kann insbesondere dahingestellt bleiben, ob $ 10 Abs. 4 IFG die Geheimhaltung von Verwaltungsakten auch nach Abschluß eines Verwaltungsverfahrens ermöglicht.

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Die Nebenentscheidungen folgen aus 88 154 Abs. 1, 167 VwGO 1.V.m. 8 708 Nr. 11 ZPO.

Rechtsmittelbelehrung

Gegen dieses Urteil steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie von dem Oberverwaltungsgericht zugelassen wird.

Die Zulassung der Berufung ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils zu beantragen. Der Antrag ist bei dem Verwaltungsgericht Berlin, Kirchstraße 7, 10557 Berlin zu stellen. Er muss das angefochtene Urteil bezeichnen.

Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist bei dem Verwaltungsgericht Berlin einzureichen.

Für das Verfahren vor dem Oberverwaltungsgericht besteht Vertretungszwang; dies gilt auch für den Antrag auf Zulassung der Berufung. Danach muss sich jeder Beteiligte, soweit er einen Antrag stellt, durch einen Rechtsanwalt oder einen Rechtslehrer an einer deutschen Hochschule im Sinne des Hochschulrahmengesetzes mit Befähigung zum Richteramt als Bevollmächtigten vertreten lassen. Juristische Personen des öffentlichen Rechts und Behörden können sich auch durch Beamte oder Angestellte mit Befähigung zum Richteramt sowie Dipiomjuristen im höheren Dienst vertreten lassen.

Wiekenberg Dr. Moll Maresch Ma/Va

Ausgefertig/Beglaubigt

Justizangestellte

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