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Information
- Aktenzeichen
- 8 K 1536/90
- Datum
- 5. März 1993
- Gericht
- Verwaltungsgericht Minden
- Gesetz
- Richtlinie 90/313/EWG (Umweltinformationsrichtlinie)
Urteil: Verwaltungsgericht Minden am 5. März 1993
8 K 1536/90
Nach Ablauf der Umsetzungsfrist der Umweltinformationsrichtlinie hat der Antragsteller einen unmittelbar auf die Richtlinie zu stütztenden Anspruch auf Zugang zu Analyseergebnissen von Probebohrungen im Bereich einer Altlast. Zwar ist die genaue Ausgestaltung des Zugangsanspruchs in der Richtlinie nicht geregelt, sie gibt aber einen nicht zu unterschreitenden Mindeststandard vor. Das Gericht verpflichtet den Beklagten insoweit zur Offenlegung der Verwaltungsvorgänge auf dem Wege der Akteneinsicht, weist die Klage aber im Hinblick auf den Wunsch des Klägers, eine schriftliche Auskunft zu erhalten, ab, da dies über den Mindeststandard der Richtlinie hinausgeht. (Quelle: LDA Brandenburg)
VERWALTUNGSGERICHT MINDEN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL Az.: I In dem Verwaltungsrechtsstreit wegen Abfallrechts hat die 8. Kammer aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 5. März 1993 durch
für Recht erkannt: Der Beklagte wird verpflichtet, dem Kläger Einsicht in die vollständigen Unterlagen bezüglich der Durchführung und Ergebnisse von Analysen sämtlicher im Zusammenhang mit der Altlast "Am EN angelegten Probebrunnen zu gewähren. Im übrigen wird die Klage abgewiesen. Die Kosten des Verfahrens tragen der Kläger zu 2/3 und der Beklagte zu 1/3. Tatbestand: Der Kläger ist Miteigentümer des ‚Grundstücks An 69 in GE. Aufgrund eines ihm pis-zum 31.12.1992 eingeräumten Wassergewinnungsrechte$"betreibt er auf dem landwirtschaftlich genutzten benachbarten Grundstück eine unterirdische Trinkwas- sergewinnungsanlage, die mittels einer Zuleitung mit seinem Grundstück verbunden ist. Die Grundflächen befinden sich süd- östlich des Standortes der früheren Deponie "Am EEEEEER". Diese wurde 1971 bis 1988 von den Firmen uns ER. se- nen hierfür abfallrechtliche Genehmigungen erteilt worden wa- ren, mit Bauschutt, Boden, Straßenaufbruch und gewerblichen Ab- fällen verfüllt. Eine natürliche - oder künstliche Basisabdich- tung besitzt diese Deponie nicht. Die einzelnen Deponieab- schnitte wurden nach ihrer Verfüllung von 1975 bis 1990 rekul- tiviert. Zur Zeit wird die Deponieoberfläche landwirtschaftlich genutzt, Seit Oktober 1971 wurden aus dem Umfeld der Deponie in regelmä- Bigen Abständen Grundwasserproben gezogen, Der Kläger bean- tragte erstmalig am 1.8.1981 die Überprüfung des aus seinem Hausbrunnen gewonnen Trinkwassers auf gesundheitsgefährdende Stoffe, da er befürchtete, daß sein Trinkwasser von Deponie-
schadstoffen beeinflußt und deshalb nicht mehr genießbar sei. In der Folgezelt wiederholte er mehrfach seinen Antrag. Das An- sinnen des Klägers wurde jeweils mit der Begründung zurückge- wiesen, sein Hausbrunnen liege nach den Feststellungen des Staatlichen Amtes für Wasser- und Abfallwirtschaft (StAWA) GE GE nicht in der Grundwasserfließrichtung der Deponie, so daß eine Beeinträchtigung des Hausbrunnens durch austretende Depo- nieschadstoffe nicht zu erwarten sei. Nach dennoch veranlaßten Analysen des-Trinkwassers --des--Klägers vom 25.1.1984 und 3.2.1986 wurde dem Kläger mitgeteilt, daß sein Trinkwasser in bakteriologischer Hinsicht einwandfrei sei. Außerdem sei es in bezug auf die Stoffe unauffällig, die im Re- gelfall mit einer Verunreinigung durch Deponiesickerwässer in Verbindung gebracht werden könnten. Allerdings seien die vorge- fundenen Nitratwerte erheblich zu hoch, so daß ein Genuß des Trinkwassers gesundheitsgefährdend sei. Dem Kläger wurde daher seinerzeit aufgegeben, unverzüglich Maßnahmen zur Sanierung der Eigenwasserversorgungsanlage zu treffen, damit der Nitratgrenz- wert wieder eingehalten werde. Im März 1986 wurden im Rahmen von hydrochemischen Routineunter- suchungen im Bereich der Deponie in verschiedenen Hausbrunnen, darunter im Hausbrunnen des Klägers, erhöhte Kohlenwasserstoff- werte festgestellt. Daraufhin richtete die Stadt ig für die betroffenen Brunnenbesitzer eine provisorische Trinkwasser- versorgung ein. Nachdem das Gesundheitsamt des Beklagten auf- grund einer Analyse Es 4, ee een mehrerer Hausbrunnen vom 26.3.1987 eine von "Giesen Gewässern ausgehende Gefahr nicht mehr für gegeben sah, an die provisorische Trinkwasserver- sorgung am 7.7.1987 wieder eingestellt. In der Zwischenzeit beauftragte der Beklagte zur Abschätzung von möglichen Gefahren durch die Altablagerung, "Am Re)" das Institut für Umwelt-Analyse e.V. (IFUA) zus Erstellung ei- nes hydrogeologischen Gutachtens. Das im Dezember 1986 = stetifte Gutachten kam zu dem Schluß, daß sich das Grundwasser a2 Feleräzt.
im Bereich der Deponie von Nordost nach Südwest bewege, wobei sich im Norden des Gebietes ein Umbiegen der Fließrichtung nach Westen andeute. Die südöstlich der Deponie gelegenen Grund- stücke können hiernach von eventuell mit Deponieschadstoffen "yerseuchtem Grundwasser nicht tangiert werden. Allerdings wird in dem Gutachten die theoretische Möglichkeit aufgezeigt, daß aus der Deponie austretende Schadstoffe mit einem höheren spe- zifischen Gewicht weiter absinken und sich als Schadstoffwolke in südwestlicher und südöstlicher Richtung ausbreiten können. Genauere Kenntnisse könne man hierzu nur durch hydrochemische Analysen von Wasserproben aus diesem Bereich gewinnen. In der Folgezeit nahm der Beklagte vermehrt Wasseranalysen aus den Hauswasserbrunnen und Probebrunnen im Umfeld der Deponie vor. Die Trinkwasseruntersuchungen ergaben, daß lediglich im Grundwasser im unmittelbaren Abstrombereich der Deponie stark erhöhte Werte an Al®nium und Kalium vorgefunden wurden. Leicht erhöhte Amoniumwerte des Grundwassers, so auch im Brunnen des Klägers, erwiesen sich als eine generelle Grundbelastung des gesamten EEE) Bereiches. So wurden auch im Oberstrom der Deponie erhöhte Anoöniumwerte gemessen. Bei allen flachen Brun- nen, auch bei denjenigen, die sich nicht im Abstrombereich der Deponie befinden, wurden darüber hinaus stark erhöhte Nitrat- werte festgestellt. Mit Schreiben vom 3.10.1988 beantragte der Kläger bei dem Be- klagten, ihm die Zeitpunkte der Durchführung sowie die Ergeb- nisse sämtlicher vom Beklagten veranlaßten Wasseranalysen sei- nes Hausbrunnens bzw. der angelegten Probebrunnen mitzuteilen. Darüber hinaus begehrte er die unverzügliche Wiederaufnahme der provisorischen Trinkwasserversorgung sowie die Übernahme der Kosten einer Vollanalyse des Wassers seiner Hauswasserversor- gung. Sein Begehren begründete er damit, daß die Analyseergeb- nisse; insbesondere der erhöhte Änonium- und Nitratgehalt, seine Vermutung bestätigen würden, daß sein Hausbrunnen durch die Deponie verunreinigt worden sei.
Mit Schreiben vom 3.11.1988 übersandte der Beklagte dem Kläger sämtliche Uht@rsuchungsergebnisse seines Hausbrunnens. Eine Weitergabe der Analyseergebnisse der im Abstrom der Altablage- rung angelegten Probebrunnen verweigerte er aus datenschutz- rechtlichen Gründen. Im November 1988 wurde ein Probebrunnen (K 17) zwischen der früheren Deponie und dem Hausbrunnen des Klägers angelegt, um im Hinblick auf die von dem Gutachten des IFUA aufgezeigte theoretische Möglichkeit des Bestehens einer Schadstoffwolke, ausgehend von der Deponie in südöstlicher Richtung, Gewißheit zu erhalten. Dieser Brunnen wurde am 8.11.1988 beprobt. Das Un- tersuchungsergebnis, das wiederum erhöhte Nitratwerte aufwies, wurde dem Kläger mitgeteilt. Gleichzeitig wles der Beklagte darauf hin, daß aufgrund der durchgeführten Analyse eine Beein- flussung des beprobten Wassers durch deponiespezifische Bela- stungen, insbesondere durch Sickerwässer, nicht festzustellen sei. Mit Bescheid vom 2.3.1989 lehnte der Beklagte. den weitergehen- den Antrag des Klägers auf Akteneinsicht, Übernahme der Kosten für eine Vollanalyse seines Trinkwassers und Aufnahme der pro- visorischen Trinkwasserversorgung ab. Zur Begründung führte er aus, es sei kein berechtigtes Interesse des Klägers i.S.v. $ 32 Abs. 1 Satz 2 2. Halbsatz Landesabfallgesetz NW (LAbfG NW) an der Übermittlung der weitergehenden Untersuchungsergebnisse al- ler angelegter Probebrunnen erkennbar. Nach den Erkenntnissen des IFUA-Gutachtens sei nicht davon auszugehen, daß das Grund- stück des Klägers oder der von ihm genutzte Hausbrunnen von De- ponieschadstoffen beeinträchtigt werden könnten, weil zum einen das Grundwasser unterhalb der Deponie nicht auf das Grundstück des Klägers zufließe und zum anderen in dem Probebrunnen K 17 keine deponietypischen Schadstoffe hätten festgestellt werden können. 0o
Mit Schreiben vom 21.3.1989 legte der Kläger hiergegen Wider- spruch ein, den der Regierungspräsident u mit Bescheid vom 27.9.1990 als unbegründet zurückwies. Schon vor Erlaß des Widerspruchsbescheides, nämlich am 9,8.1990 erhob der Kläger die vorliegende Klage. Er ist der Ansicht, ihm stehe ein berechtigtes Interesse i.S.d. s 32 Abs. 1 Satz 2 2. Halbsatz LAbfG NW für seinen geltend ge- machten Anspruch auf Übermittlung der Analyseergebnisse zur Seite. Denn nur bei Kenntnis sämtlicher Unterlagen sei ihm die Abschätzung der Gefährdung seiner Hauswasserversorgung durch Sickerwässer der Altlast möglich. Auch sei die ihm aufgegebene Sanierung seines Hausbrunnens wegen der erhöhten Nitratbela- stung nur bei Kenntnis der geforderten Daten möglich, Sein Aus- kunftsanspruch ergebe sich auch aus S 116 Abs. 4 LWG NW, da er durch die seinerzeit festgestellte Belastung des Brunnenwassers mit Kohlenwasserstoffen nachweislich ein Schaden erlitten habe. Schließlich sei sein Auskunftsbegehren auch auf die zu stützen, die nunmehr un- mittelbar anwendbar sei und jedem Bürger ohne Nachweis eines berechtigten Interesses einen Zugang zu Umweltdaten ermögliche. EG-Informationsrichtlinie Darüber hinaus könne er von dem Beklagten auch die wiederauf- nahme der provisorischen Trinkwasserversorgung verlangen, denn dieser habe in rechtswidriger Weise den Betrieb der Deponie auf durchlässigem Sandboden ermöglicht und es unterlassen, diese Altlast zu sanieren. Deshalb sei er auch in der geltend gemach- ten Weise zur Beseitigung der Folgen zu verpflichten. Selbst wenn der festgestellte hohe Nitratgehalt des Grundwassers im Bereich seines Grundstückes nicht von Deponieeinflüssen, son- dern von der landwirtschaftlichen Überdüngung der umgebenden Flächen herrühren sollte, habe der Beklagte dies zu vertreten. Denn dann habe er es pflichtwidrig versäumt, die Einhaltung der Gülle- und Klärschlammverordnung zu überprüfen und im Falle ei- nes Verstoßes gegen die Vorschriften ein Düngeverbot zu verhän- gen. Im Wege der Folgenbeseitigung dieses rechtswidrigen Vorge-
hens habe er die provisorische Trinkwasserversorgung wiederauf- zunehmen, Sein: dahingehender Anspruch stütze sich darüber hin- aus auch auf S$S 11 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 1. Alternative des Bun- desseuchengesetzes (BSeucht). Im Rahmen der Folgenbeseitigung könne er schließlich auch die Übernahme der Kosten für eine Vollanalyse des Wassers seines HRausbrunnens verlangen, denn ohne die von dem Beklagten zu ver- antwortende Gefahrenlage bestünde kein Anlaß für eine solche Maßnahme. Die bislang vorgenommenen Wasseranalysen seien nicht im Hinblick auf alle Schadstoffparameter erfolgt, die zur Beur- teilung der Schädlichkeit des Wassers erforderlich seien. Der Kläger beantragt, 1, ihm die Zeitpunkte der Durchführung sowie die voll- ständigen Ergebnisse der Analysen sämtlicher vom Be- klagten im Rahmen der Gefährdungseinschätzung hin- sichtlich der Mülldeponie, nunmehr Altlast "Am BEE anselesten Probebrunnen (bis auf die Analyse des Brunnens K 17 vom 8.11.1988) schriftlich mitzu- teilen, 2. die provisorische Versorgung seines Haushaltes mit Trinkwasser bis zum Anschluß seines Grundstückes an das Netz der Öffentlichen Wasserversorgung unverzüg- lich wiederaufzunehmen, 3. die Kosten einer Vollanalyse des Wassers seiner Haus- wasserversorgung bei einem anerkannten Institut nach seiner Wahl zu übernehmen. Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen. Qr
Er ist der Ansicht, der Kläger habe als Dritter kein berechtig- tes Interesse i.8.d. 8 32 Abs. 1 Satz 2 2. Halbsatz LAbfG NW an der Übermittlung der begehrten Daten, denn sein Auskunftsbegeh- ren überwiege nicht das Geheimhaltungsinteresse der Betroffe- nen. Dies ergebe sich einmal daraus, daß eine deponiespezifi- sche Beeinflussung nach den vorliegenden Erkenntnissen über die Grundwasserfließrichtung und nach den Ergebnissen des Hausbrun- nens und des Probebrunnens K 17 ausgeschlossen sei. Zum anderen seien die Daten im Zusammenhang mit der Altablagerung besonders geschützt. Da diese Rückschlüsse auf Personen zuließen, handele es sich sogar um besonders geschützte personenbezogene Daten. ob sich ein Anspruch des Klägers auf die genannte EG-Richtlinie stützen lasse, müsse erst geprüft werden, denn auch diese Richtlinie lasse Ausnahmetatbestände zu. Darüber hinaus habe der Kläger keinen Anspruch auf Aufnahme der provisorischen Trinkwasserversorgung. Eine Beeinflussung der Wasserqualität durch Deponiesickerwässer sei nicht zu erkennen, so daß für die Wiederaufnahme kein Anlaß bestehe. Eine Ver- pflichtung, die Benutzer einer eigenen Wasserversorgungsanlage mit einwandfreiem Trinkwasser zu versorgen, bestehe nicht. Eine Sanierung der Anlage wegen der festgestellten erhöhten Nitrat- werte sei vom Kläger selbst durchzuführen. $S 11 Abs. 4 Nr. 2 BSeuchg könne als Anspruchsgrundlage nicht herangezogen werden, denn sie ermächtige nur die zuständige Behörde, Maßnahmen zu ergreifen, um Gefahren für die menschliche Gesundheit abzuwen- den, die von Trinkwasser ausgehen können. Hieraus könne jedoch keine rechtliche Verpflichtung abgeleitet werden, Bezieher von belastetem Trinkwasser mit einwandfreiem Trinkwasser zu versor- gen. schließlich sei auch der Anspruch auf Übernahme der Kosten ei- ner Vollanalyse nicht begründet. Dies stehe dem Kläger weder als Maßnahme der Folgenbeseitigung noch nach dem Bundesseuchen- gesetz ZU.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Ver- waltungsvorgänge des Beklagten Bezug genommen. ve, Entscheidin rün Die Klage hat nur zum Teil Erfolg. Soweit der Kläger die Übermittlung der Daten und Analyseergeb- nisse sämtlicher Probebrunnen im Bereich der Altlast "Am Üssen- pohl" begehrt, ist sein Anspruch - mit geringfügigen Einschrän- kungen - begründet. Anspruchsgrundlage hierfür ist die EG-Richtlinie des Rates vom 7.6.1990 über den freien Zugang zu Informationen über die Um- welt (90/313/EWG). Diese Richtlinie ist bei der Überprüfung des Begehrens des Klä- gers heranzuziehen, da für die Beurteilung der Rechtslage bei Verpflichtungsklagen der vorliegenden Art die Sach- und Rechts- lage im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung maßgeblich ist. Diese Richtlinie ist auch eine taugliche Anspruchsgrundlage für das Begehren des Klägers, da sie seit dem 1.1.1993 in der Bun- desrepublik Deutschland unmittelbar geltendes Recht ist. Gemäß Art. 9 der Richtlinie haben die Mitgliedsstaaten der EG die Rechts- und Verwaltungsvorschriften zu erlassen, die erforder- lich sind, um dieser Richtlinie spätestens am 31.12.1992 nach- zukommen. Diese Frist hat die Bundesrepublik Deutschland ver- streichen lassen, ohne sie in innerstaatliches Recht umzuset- zen. Dennoch kann der Kläger sein Auskunftsbegehren auf diese Richtlinie stützen, weil sie auch ohne den nationalen Umset- zungsakt unmittelbar in der Bundesrepublik Deutschland anwend- bar ist. len der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) und in der Literatur ist anerkannt, daß eine EG-Richtlinie auch ohne nationalen Umsetzungsakt unmittelbar Y
10 dann anwendbar ist, wenn sich ihre Regelungen als "inhaltlich unbedingt" und "hinreichend genau" darstellen und damit ohne weitere Zwischenakte des nationalen Gesetzgebers oder eines Ge- meinschaftsorgans anwendungsfähig sind. So Prof. Dr... Hans-Uve EN. Das Recht auf freien Zugang zu Informationen über die Umwelt, in NVwZ 1992, S. 409 £f. m.w.N. zu der diesbezüg- lichen Rechtsprechung des EuGH. Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt. "Inhaltlich unbedingt" ist eine Regelung dann, wenn sie weder mit einem Vorbehalt noch mit einer Bedingung versehen ist und ihrem Wesen nach keiner weiteren Maßnahme der Gemeinschaftsorgane oder der Mitglieds- staaten bedarf. Damit werden die Bestandteile einer Richtlinie von der unmittelbaren Anwendung ausgeschlossen, deren Umsetzung von einer gestaltenden Entscheidung eines Gemeinschaftsorgans oder der Mitgliedsstaaten abhängt. Darüber hinaus kann die un- mittelbare Anwendung auch entfallen, wenn eine Richtlinie den Mitgliedsstaaten im Hinblick auf das "Wie" ihrer Umsetzung ei- nen Ermessensspielraum gewährt. Die EG-Richtlinie 90/313/EWG gewährt dem Bürger den freien Zu- gang zu den bei den Behörden vorhandenen Informationen über die Umwelt. Gemäß Art. 3 der Richtlinie sollen die Behörden ver- pflichtet werden, allen natürlichen oder juristischen Personen auf Antrag ohne Nachweis eines Interesses Informationen über die Umwelt zur Verfügung zu stellen. Die Mitgliedsstaaten legen die praktischen Regeln fest, nach denen derartige Informationen tatsächlich zugänglich gemacht werden. Nach Art. 3 Abs. 2 kön- nen die Mitgliedsstaaten vorsehen, daß ein Antrag auf Zugang zu einer derartigen Information abgelehnt wird, wenn diese. Folgen- des berührt: - die Vertraulichkeit der Beratungen von Behörden, die in- ternationalen Beziehungen und die Landesverteidigung; - die öffentliche Sicherheit;
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