Information

Aktenzeichen
BUND BVwG 6 AV 2.98 1998 LPG
Datum
19. Juni 1998
Gericht
Bundesverwaltungsgericht
Gesetz
Saarländisches Mediengesetz (SMG)
Saarländisches Mediengesetz (SMG)

Beschluss: Bundesverwaltungsgericht am 19. Juni 1998

BUND BVwG 6 AV 2.98 1998 LPG

Der Antrag ist abzulehnen, denn nach § 719 Abs. 2 ZPO ist die einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung nur anzuordnen, wenn die Vollstreckung dem Schuldner einen nicht zu ersetzenden Nachteil bringen würde und nicht ein überwiegendes Interesse des Gläubigers entgegensteht. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs und des Bundesfinanzhofs wird ein Nachteil dann nicht als unersetzlich im Sinne des § 719 Abs. 2 ZPO angesehen, wenn sich der Schuldner durch Unterlassen prozessualer Anträge selbst in die Lage versetzt hat, daß er den zunächst vermeidbaren Nachteil nicht mehr abwenden kann.

Einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung Vollstreckungsschutz

/ 6
PDF herunterladen
BUNDESVERWALTUNGSGERICHT BESCHLUSS BVerwG 6 AV 2.98 OVG 8 R 27/96 In der Verwaltungsstreitsache hat der 6. Senat des Bundesverwaltungsgerichts am 19. Juni 1998 durch den Vorsitzenden Richter    Dr. N i e h u e s und die Richter    A l b e r s   und  Dr. H e n k e l beschlossen: Der Antrag auf einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung aus dem Urteil des Verwal- tungsgerichts des Saarlandes vom 19. Juni 1996 - 1 K 86/95 - wird abgelehnt. Die Antragstellerin trägt die Kosten dieses Verfahrens.
1

- 2 - Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 8 000 DM festgesetzt. G r ü n d e : Die in beiden Vorinstanzen unterlegene Antragstellerin hat gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Ober- verwaltungsgerichts des Saarlandes vom 1. April 1998 Beschwer- de eingelegt. Sie hat diese Beschwerde noch nicht begründet; die Begründungsfrist endet am 30. Juni 1998. Sie beantragt vorab, die Zwangsvollstreckung aus dem Urteil des Verwaltungs- gerichts des Saarlandes vom 19. Juni 1996, das wegen des pres- serechtlichen Auskunftsanspruchs der Antragsgegnerin für vor- läufig vollstreckbar erklärt worden ist, einstweilen einzu- stellen. 1. Der Antrag ist zulässig, denn nach § 167 Abs. 1 VwGO in Verbindung mit § 719 Abs. 2 ZPO kann nach Einlegung der Revi- sion auch im Verwaltungsstreitverfahren gegen ein für vorläu- fig vollstreckbar erklärtes Urteil die einstweilige Einstel- lung der Zwangsvollstreckung beantragt werden. § 719 Abs. 2 ZPO ist allerdings im Verwaltungsstreitverfahren nach § 167 Abs. 1 VwGO  nur    e n t s p r e c h e n d  anzu- wenden. Bei seiner Auslegung und Anwendung sind somit die be- sondere Ausgestaltung des Revisionsverfahrens im Verwaltungs- streitverfahren, insbesondere das dem Revisionsverfahren im Falle der Nichtzulassung der Revision durch das Ausgangsge- richt vorangehende Beschwerdeverfahren nach § 132 ff. VwGO zu berücksichtigen. Ein Antrag nach § 719 Abs. 2 ZPO muß daher im Verwaltungsstreitverfahren bereits im Verfahren der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision durch das Ausgangsge- richt gestellt werden können, weil andernfalls das mit § 719 Abs. 2 ZPO verfolgte Ziel wegen der möglicherweise inzwischen durchgeführten Vollstreckung häufig nicht mehr zu erreichen wäre (siehe BVerwG, Beschluß vom 19. April 1968 - BVerwG 7 B 32.68 - BVerwGE 29, 290; Pietzner, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/ Pietzner, VwGO, § 167 Rn. 155).
2

- 3 - Zuständig für die Entscheidung über den Antrag auf vorläufige Einstellung der Zwangsvollstreckung nach § 719 Abs. 2 ZPO ist das Bundesverwaltungsgericht - und zwar unabhängig davon, ob ihm die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision be- reits vorliegt oder nicht - ab Einlegung der Nichtzulassungs- beschwerde bei dem Gericht, gegen dessen Urteil Revision ein- gelegt werden soll (vgl. § 133 Abs. 2 VwGO). Dies folgt wiede- rum aus dem bereits genannten Grundgedanken, daß das mit § 719 Abs. 2 ZPO verfolgte Ziel oft nicht mehr erreicht werden könn- te, falls die Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts erst dann einträte, wenn das Ausgangsgericht der Beschwerde nicht abgeholfen und die Sache dem Bundesverwaltungsgericht vorge- legt hat (vgl. § 133 Abs. 5 Satz 1 VwGO). 2. Der Antrag ist aber abzulehnen, denn nach § 719 Abs. 2 ZPO ist die einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung nur anzuordnen, wenn die Vollstreckung dem Schuldner einen nicht zu ersetzenden Nachteil bringen würde und nicht ein überwie- gendes Interesse des Gläubigers entgegensteht. Diese Voraus- setzungen sind hier nicht gegeben. Dabei kann dahinstehen, ob der von der Antragstellerin hervor- gehobene Umstand, daß mit der Vollstreckung bereits vollendete Tatsachen geschaffen würden, als nicht zu ersetzender Nachteil anzusehen wäre (vgl. hierzu etwa BGH, Beschluß vom 28. März 1996 - I ZR 14/96 - NJW 1996, 1970 <1971> mit weiteren Nach- weisen). Das gilt auch für ihr Vorbringen, die Vollstreckung würde zur Erledigung der Hauptsache führen und ihr damit die Ausschöpfung des Rechtswegs abschneiden. Denn nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs und des Bundesfinanzhofs wird ein Nachteil dann nicht als unersetzlich im Sinne des § 719 Abs. 2 ZPO angesehen, wenn sich der Schuldner durch Unterlassen prozessualer Anträge selbst in die Lage versetzt hat, daß er den zunächst vermeidbaren Nachteil nicht mehr ab- wenden kann (siehe BGH, Beschluß vom 28. März 1996, a.a.O., S. 1970 sowie BFH, Beschluß vom 15. April 1981 - IV S 3/81 - BFHE 132, 407 <409>, jeweils mit weiteren Nachweisen). Das gilt insbesondere, wenn der Schuldner es versäumt hat, im Be- rufungsverfahren Vollstreckungsschutz nach § 712 ZPO zu bean-
3

- 4 - tragen (siehe auch BGH, Beschluß vom 8. August 1991 - I ZR 141/91 - NJW 1992, 376; BFH, Beschluß vom 23. Juni 1972 - III R 8/71 - BFHE 106, 23 <24 f.>; Pietzner, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, a.a.O., Rn. 156, jeweils mit weiteren Nachweisen). Dieser Rechtsprechung hat sich das Bun- desverwaltungsgericht für den Fall eines mit der Leistungskla- ge verfolgten Zahlungsanspruchs angeschlossen (BVerwG, Be- schluß vom 19. April 1968, a.a.O.). Ihr liegt der Gedanke zu- grunde, daß ein Vollstreckungsschutzantrag beim Revisionsge- richt nur "als letztes Hilfsmittel des Vollstreckungsschuld- ners" in Betracht kommt (siehe etwa BGH, Beschluß vom 8. Au- gust 1991, a.a.O.) und "als äußerster Rechtsbehelf" grundsätz- lich auf die Fälle beschränkt bleiben soll, in denen sich erst nach Erlaß des Berufungsurteils die Notwendigkeit einer Ein- stellung der Vollstreckung zeigt (BVerwG, Beschluß vom 31. Ok- tober 1960 - BVerwG 2 C 165.60 - NJW 1961, 91). Dieser Grund- gedanke gilt ebenso in Verfahren, in denen mit der Leistungs- klage andere als Zahlungsansprüche geltend gemacht werden. Der Senat schließt sich der genannten Rechtsprechung daher auch für den vorliegenden Fall eines mit der Leistungsklage ver- folgten presserechtlichen Auskunftsanspruchs an. Die Beklagte hatte hier die Möglichkeit, im Berufungsverfahren Vollstreckungsschutz nach § 712 ZPO zu beantragen, um dadurch die befürchteten Nachteile abzuwenden. Dies hat sie ausweis- lich des Tatbestands des Berufungsurteils und des Protokolls der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht nicht ge- tan, obgleich sie seit Erlaß des verwaltungsgerichtlichen Urteils jederzeit mit der Vollstreckung des presserechtlichen Auskunftsanspruchs der Antragsgegnerin rechnen mußte. Ein Son- derfall, in dem gleichwohl die Einstellung der Zwangsvollstre- ckung in Betracht kommt, ist entgegen der Ansicht der Antrag- stellerin nicht gegeben. Es ist nicht ersichtlich, daß ihr et- wa die Beantragung von Vollstreckungsschutz im Berufungsver- fahren einen schweren Nachteil zugefügt hätte (vgl. BGH, Be- schluß vom 7. September 1990 - I ZR 220/90 - NJW-RR 1991, 186 <187>), der Antragstellung "erhebliche Hindernisse" entgegen- gestanden hätten (vgl. BFH, Beschluß vom 15. April 1981, a.a.O., S. 410) oder ihr diese aus anderen Gründen nicht zu-
4

- 5 - mutbar gewesen wäre. Die Antragstellerin macht zwar geltend, es sei für sie "wenig sinnvoll" gewesen, beim Berufungsgericht Vollstreckungsschutz zu beantragen, da dieses in der mündli- chen Verhandlung zu erkennen gegeben habe, keinen Grund für die Zulassung der Revision zu sehen. Aus dem Umstand, daß das Berufungsgericht die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision nicht für gegeben erachtet hat, folgt aber nicht zwangsläufig, daß es einen Antrag auf Vollstreckungsschutz - etwa bis zum Eintritt der Rechtskraft seines Urteils - abge- lehnt hätte und es daher für die Antragstellerin unzumutbar gewesen wäre, einen solchen Antrag überhaupt zu stellen. Die Nichtzulassung der Revision durch das Berufungsgericht kann, wie der anwaltlich vertretenen Antragstellerin bekannt sein mußte, mit der Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht ange- fochten werden (§§ 132 ff. VwGO), das die Frage des Vorliegens von Revisionszulassungsgründen anders beurteilen kann als das Berufungsgericht und dessen Entscheidung über die Nichtzulas- sung der Revision folglich aufheben kann. Angesichts dieser auch vom Berufungsgericht zu berücksichtigenden Möglichkeit konnte einem Antrag auf Vollstreckungsschutz nach § 712 ZPO nicht von vornherein jede Aussicht auf Erfolg abgesprochen werden, so daß die Stellung eines solchen Antrags auch nicht als unzumutbar beurteilt werden kann. Die Antragstellerin hat schließlich auch keine erst nach Erlaß des Berufungsurteils aufgetretenen besonderen Umstände vorgetragen, die nunmehr die Notwendigkeit einer einstweiligen Einstellung der Zwangsvoll- streckung durch das Revisionsgericht begründen könnten. 3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 13 Abs. 1 Satz 2, § 14 GKG. Niehues                     Albers                      Henkel
5

Sachgebiet:                              BVerwGE:     nein Verfahrensrecht                          Fachpresse:  ja Rechtsquellen: VwGO § 167 ZPO §§ 712, 719 Abs. 2 Stichworte: Einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung; Verfahren der Beschwerde gegen Nichtzulassung der Revision; presserecht- licher Auskunftsanspruch. Beschluß vom 19. Juni 1998 - BVerwG 6 AV 2.98 Leitsätze: 1. Ein Antrag auf einstweilige Einstellung der Zwangsvollstre- ckung nach § 719 Abs. 2 ZPO ist bereits im Verfahren über die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision zulässig. 2. Das Bundesverwaltungsgericht ist für die Entscheidung über einen solchen Antrag zuständig ab Einlegung der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision bei dem Gericht, gegen dessen Urteil Revision eingelegt werden soll. 3. Ein unersetzlicher Nachteil im Sinne des § 719 Abs. 2 ZPO ist auch dann, wenn es um die Vollstreckung eines presserecht- lichen Auskunftsanspruchs geht, in der Regel nicht gegeben, wenn es der Vollstreckungsschuldner unterlassen hat, in der Vorinstanz einen Antrag auf Abwendung der Zwangsvollstreckung nach § 712 ZPO zu stellen. Beschluß des 6. Senats vom 19. Juni 1998 - BVerwG 6 AV 2.98 I. VG Saarlouis vom 19.06.1996 - Az.: VG 1 K 86/95 - II. OVG Saarlouis vom 01.04.1998 - Az.: OVG 8 R 27/96 -
6