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Information

Aktenzeichen
BUND BVfG 1 BvR 653/96 1999 LPG
ECLI
ECLI:DE:BVerfG:2001:rs20010117.1bvr065396
Datum
17. Januar 2001
Gericht
Bundesverfassungsgericht
Gesetz
Art. 5 Grundgesetz
Art. 5 Grundgesetz

Urteil: Bundesverfassungsgericht am 17. Januar 2001

BUND BVfG 1 BvR 653/96 1999 LPG

1. Die von dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG geschützte Privatsphäre ist nicht auf den häuslichen Bereich beschränkt. Der Einzelne muß grundsätzlich die Möglichkeit haben, sich auch an anderen, erkennbar abgeschiedenen Orten von Bildberichterstattung unbehelligt zu bewegen. 2. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht ist nicht im Interesse einer Kommerzialisierung der eigenen Person gewährleistet. Der Schutz der Privatsphäre vor Abbildungen tritt zurück, soweit sich jemand selbst damit einverstanden zeigt, daß bestimmte, gewöhnlich als privat angesehene Angelegenheiten öffentlich gemacht werden. 3. Die in Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG enthaltene Gewährleistung der Pressefreiheit umfaßt auch unterhaltende Publikationen und Beiträge sowie deren Bebilderung. Das gilt grundsätzlich auch für die Veröffentlichung von Bildern, die Personen des öffentlichen Lebens in alltäglichen oder privaten Zusammenhängen zeigen.

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6/6/2014                                                          Das Bundesverfassungsgericht Entscheidungen Zitierung: BVerfG, 1 BvR 653/96 vom 15.12.1999, Absatz-Nr. (1 - 120), http://www.bverfg.de/entscheidungen/rs19991215_1bvr065396.html Frei für den privaten Gebrauch. Kommerzielle Nutzung nur mit Zustimmung des Gerichts. L e i t sä t z e zum Urteil des Ersten Senats vom 15. Dezember 1999 - 1 BvR 653/96 - 1. Die von dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG geschützte Privatsphäre ist nicht auf den häuslichen Bereich beschränkt. Der Einzelne muß grundsätzlich die Möglichkeit haben, sich auch an anderen, erkennbar abgeschiedenen Orten von Bildberichterstattung unbehelligt zu bewegen. 2. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht ist nicht im Interesse einer Kommerzialisierung der eigenen Person gewährleistet. Der Schutz der Privatsphäre vor Abbildungen tritt zurück, soweit sich jemand selbst damit einverstanden zeigt, daß bestimmte, gewöhnlich als privat angesehene Angelegenheiten öffentlich gemacht werden. 3. Der Schutzgehalt des allgemeinen Persönlichkeitsrechts von Eltern oder Elternteilen erfährt eine Verstärkung durch Art. 6 Abs. 1 und 2 GG, soweit es um die Veröffentlichung von Abbildungen geht, die die spezifisch elterliche Hinwendung zu den Kindern zum Gegenstand haben. 4. Die in Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG enthaltene Gewährleistung der Pressefreiheit umfaßt auch unterhaltende Publikationen und Beiträge sowie deren Bebilderung. Das gilt grundsätzlich auch für die Veröffentlichung von Bildern, die Personen des öffentlichen Lebens in alltäglichen oder privaten Zusammenhängen zeigen. BUNDESVERFASSUNGSGERICHT - 1 BvR 653/96 - Verkündet am 15. Dezember 1999 Krenitz Regierungsobersekretärin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle Im Namen des Volkes In dem Verfahren über die Verfassungsbeschwerde der C., - Bevollmächtigte: Rechtsanwälte Dr. Matthias Prinz und Partner, Tesdorpfstraße 16, Hamburg - http://www.bundesverfassungsgericht.de/entscheidungen/rs19991215_1bvr065396.html                                                      1/19
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Das sei dann der Fall, wenn er den Betreffenden gleichsam durch das Schlüsselloch beobachte und ihn auf diese Weise heimlich mit der Anfertigung von Bildern überrasche. Gleiches gelte, wenn die Bildaufnahme zwar offen, aber so überrumpelnd geschehe, daß sich der Betreffende darauf nicht mehr einrichten könne. Die Eingrenzung rechtfertige sich aus der Erwägung, daß der Schutz der Privatsphäre an einer Örtlichkeit in Anspruch genommen werde, deren Zutritt an sich jedermann offenstehe, und der Betreffende daher nur durch die Heimlichkeit und Überrumpelung in unzulässiger Weise in seiner Privatheit getroffen werden könne. 34 Eine an diesen Grundsätzen orientierte Güter- und Interessenabwägung ergebe, daß die Beklagte des Ausgangsverfahrens mit der Veröffentlichung der in der "Freizeit Revue" Nr. 30/93 abgedruckten Fotos unzulässig in die geschützte Privatsphäre der Beschwerdeführerin eingegriffen habe. Die Bilder und der Begleittext ließen erkennen, daß sich die Beschwerdeführerin in die verborgene Atmosphäre eines Gartenlokals zu einem Privatgespräch zurückgezogen habe. Damit habe sie sich zwar einer begrenzten Öffentlichkeit ausgesetzt, denn die übrigen Gäste des Lokals und sonstige Personen hätten sie - auch bei denjenigen Verhaltensweisen, die Gegenstand der Fotos seien - wahrnehmen und beobachten können. Es mache aber einen Unterschied, ob jemand lediglich von den zufällig anwesenden Personen seiner Umgebung gesehen und beobachtet werden könne oder ob in einer solchen Situation Fotografien von ihm zu dem Zweck hergestellt würden, diese in der Öffentlichkeit zu verbreiten. 35 Die Abgeschiedenheit und Vertraulichkeit des Ortes und das von persönlichsten Lebensäußerungen gekennzeichnete Zusammensein mit ihrem Begleiter habe unschwer erkennen lassen, daß die Beschwerdeführerin bei dem Gespräch für sich sein wollte. In den so umrissenen Privatbereich habe der Fotoreporter nicht eindringen dürfen. Die Fotos seien versteckt und für die Beschwerdeführerin unbemerkt aus großer Entfernung mit weitreichenden Teleobjektiven aufgenommen worden; sie besäßen daher belauschenden Charakter. Die Heimlichkeit habe zum einen dazu gedient, die fehlende Einwilligung der Beschwerdeführerin zu unterlaufen und ihr die Möglichkeit zu nehmen, sich gegen die Aufnahmen in diesen Augenblicken zu wehren. Zum anderen habe sie dazu gedient, persönlichste Regungen durch die Ausnutzung der Arglosigkeit und Unbefangenheit zu erhaschen. 36 Die Revision habe dagegen keinen Erfolg, soweit es um die Bilder in den übrigen Zeitschriften gehe. Diese Bilder berührten die Beschwerdeführerin nicht in ihrer geschützten Privatsphäre. Die Fotos seien an jedermann zugänglichen Orten der Öffentlichkeit aufgenommen worden. Die Beschwerdeführerin habe sich in diesen Fällen in die Öffentlichkeit begeben und sei damit ein Teil der Öffentlichkeit geworden. Weder habe sie sich erkennbar in eine von der breiten Öffentlichkeit abgegrenzte Abgeschiedenheit zurückgezogen noch hafte den abgebildeten Situationen ein privater Charakter im beschriebenen Sinn an. Als Person der Zeitgeschichte müsse die Beschwerdeführerin es hinnehmen, daß die Allgemeinheit ein berechtigtes Interesse daran habe zu erfahren, wo sie sich aufhalte und wie sie sich in der Öffentlichkeit gebe, sei es beim Einkaufen auf dem Marktplatz, in einem Café, bei sportlicher Betätigung oder sonstigen Tätigkeiten. 37 Das gelte auch für das in einer Gaststätte angefertigte Bild, auf dem die Beschwerdeführerin mit anderen Personen an einem Tisch sitzend zu sehen sei. Diese Aufnahme unterscheide sich von den im Gartenlokal von Saint-Rémy aufgenommenen Bildern dadurch, daß hier die Merkmale fehlten, die bei jenen zur Unzulässigkeit der Veröffentlichung führten: Weder habe sich die Beschwerdeführerin auf diesem Bild in der Gaststätte an einen von der breiten Öffentlichkeit abgeschiedenen Ort begeben, noch hafte der Situation, in der sie betroffen wurde, ein irgendwie gearteter privater Charakter in dem zuvor beschriebenen Sinn an. Die Tatsache, daß auch die hier in Rede stehenden Fotografien unbemerkt aufgenommen worden seien, sei für sich genommen kein hinreichender Grund, die Unterlassung der Veröffentlichung zu verlangen: Personen der Zeitgeschichte müßten sich im allgemeinen die unbemerkte oder gar heimliche Anfertigung von Fotografien gefallen lassen, wenn sie sich in der http://www.bundesverfassungsgericht.de/entscheidungen/rs19991215_1bvr065396.html                                     6/19
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II. 39 Die Beschwerdeführerin wendet sich mit der Rüge einer Verletzung von Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG, insbesondere des Rechts am eigenen Bild und des Rechts auf Achtung der Privatsphäre, gegen sämtliche zivilgerichtlichen Entscheidungen, soweit die zukünftige Verbreitung der Fotos nicht untersagt worden ist. Die angegriffenen Entscheidungen hätten bei der Anwendung einfachen Rechts die Bedeutung und Tragweite der Grundrechte verkannt. Sie verkürzten mit ihrer Einordnung als "absolute Person der Zeitgeschichte" die gebotene Abwägung unzulässig oder beurteilten die nach § 23 Abs. 2 KUG zu berücksichtigenden berechtigten Interessen anhand von Kriterien, die der verfassungsrechtlichen Überprüfung nicht standhielten. 40 Eine Betrachtung der Aufnahmen mache deutlich, daß die jeweils bildlich festgehaltenen Situationen zu ihrer Privatsphäre zählten. Allen Aufnahmen sei gemein, daß diese in Kenntnis des bekannten entgegenstehenden Willens der Beschwerdeführerin als "Paparazzi-Fotos" aus weiter Entfernung mit leistungsstarken Teleobjektiven unbemerkt aufgenommen worden seien. Alle Aufnahmen zeigten sie bei privaten, teilweise alltäglichen Anlässen in ihrer Freizeit außerhalb ihres häuslichen Bereichs. Bei allen Aufnahmen sei deutlich erkennbar, daß sie sich zum Zeitpunkt der Aufnahmen bewußt nicht der Öffentlichkeit stelle und keinerlei Anlaß gebe, öffentliches Interesse auf sich zu ziehen. 41 Es gehöre zu den Grundbedingungen der von Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG geschützten Persönlichkeitsentfaltung, daß der Einzelne einen Raum besitze, in dem er unbeobachtet sich selbst überlassen sei oder mit Personen seines besonderen Vertrauens ohne Rücksicht auf gesellschaftliche Verhaltenserwartungen oder sonstige äußere Einflüsse verkehren könne. Zu diesem autonomen Bereich privater Lebensgestaltung gehöre auch das Recht, ein Eindringen oder Einblicke durch andere auszuschließen. Den so verstandenen Schutz der Privatsphäre habe das Bundesverfassungsgericht auch auf das Recht am eigenen Bild und das Verfügungsrecht über Darstellungen der Person bezogen. Jeder dürfe grundsätzlich selbst bestimmen, ob und inwieweit andere sein Lebensbild im ganzen oder bestimmte Vorgänge aus seinem Leben öffentlich darstellten. 42 Der Schutz gegen Fotoveröffentlichungen sei nicht räumlich beschränkt. Der Ort des Verhaltens - Innenraum oder Außenwelt - habe lediglich einen indizierenden Orientierungswert. Die Grenze der Privatsphäre sei thematisch zu fassen: Es komme auf den Bildinhalt an. Deswegen schließe nicht allein der Umstand, daß ein Foto an einem öffentlich zugänglichen Ort hergestellt werde, dieses Bildnis vom Schutz der Privatsphäre aus. Der Schutz erstrecke sich auch auf Vorgänge aus dem familiären oder alltäglichen Bereich, welche sich notwendigerweise an öffentlich zugänglichen Orten abspielten. Der Privatsphärenschutz könne in der Öffentlichkeit zwar nicht unbeschränkt sein. Ihre Beschränkung erfahre die Privatsphäre aber durch das eigene Handeln des Betroffenen. Sofern er in Kommunikation mit anderen trete und auf das Gemeinschaftsleben einwirke, entstehe ein Sozialbezug, der zu Einschränkungen seines ausschließlichen Bestimmungsrechts führen könne. 43 Gemessen an diesen Grundsätzen fielen alle in Rede stehenden Abbildungen unter den grundrechtlichen Schutz der Privatsphäre. Richtigerweise habe der Bundesgerichtshof die in der "Freizeit Revue" Nr. 30/93 auf der Titelseite und auf den Innenseiten veröffentlichten Fotos aus dem Gartenlokal der Privatsphäre zugeordnet und darauf hingewiesen, daß dem daraus folgenden Schutz nicht der Umstand entgegenstehe, daß es sich um einen öffentlichen Ort handele, an dem die Beschwerdeführerin auch von den zufällig in der Umgebung anwesenden Personen habe beobachtet werden können. Die Bedeutung und Tragweite des verfassungsrechtlichen Schutzes der Privatsphäre sei aber verkannt worden, soweit der Bundesgerichtshof und die Instanzgerichte die übrigen http://www.bundesverfassungsgericht.de/entscheidungen/rs19991215_1bvr065396.html                                  7/19
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Zwischen der Persönlichkeitsrechtsverletzung bei der Veröffentlichung der Bildnisse und denen bei der Herstellung bestehe ein direkter Zusammenhang. Nur wenn Verlage für derartige Fotos hohe Honorare zahlten, fühlten sich die Fotografen animiert, sie zu beschaffen. 45 Des weiteren verletze die Veröffentlichung der Fotografien den Selbstbestimmungsgedanken des sie schützenden allgemeinen Persönlichkeitsrechts. Der Einzelne solle - ohne Beschränkung auf seine Privatsphäre - grundsätzlich selbst entscheiden können, wie er sich Dritten oder der Öffentlichkeit gegenüber darstellen wolle, ob und inwieweit von Dritten über seine Persönlichkeit verfügt werden könne. Ein Eingriff in das Selbstbestimmungs- und Selbstdarstellungsrecht liege vor, wenn sich Dritte des Verfügungsrechts über personenprägende Informationen bemächtigten und so Vorgänge der Öffentlichkeit preisgäben, die nach dem Willen der betroffenen Personen nicht für die Allgemeinheit bestimmt gewesen seien. Im Wege der mittelbaren Drittwirkung gelte dies auch gegenüber Privaten. 46 Die veröffentlichten Abbildungen seien nicht durch ein überwiegendes Allgemeininteresse gedeckt. Die Pressefreiheit bestehe nicht unbeschränkt. Zu den allgemeinen Gesetzen, die sie beschränkten, zählten die verfassungsrechtlich nicht zu beanstandenden Vorschriften der §§ 22, 23 KUG. Keines der im Rahmen der Auslegung und Anwendung dieser Normen zu berücksichtigenden Grundrechte könne grundsätzlichen Vorrang beanspruchen; jedoch dürfe die durch eine öffentliche Darstellung bewirkte Einbuße an "Personalität" nicht außer Verhältnis zur Bedeutung der Veröffentlichung für die freie Kommunikation stehen. 47 Diesen Aspekt hätten die Instanzgerichte nicht hinreichend berücksichtigt. Das Landgericht habe die Beschwerdeführerin ohne nähere Begründung als "absolute Person der Zeitgeschichte" eingeordnet. Die berechtigten Interessen nach § 23 Abs. 2 KUG habe es nicht durchgreifen lassen, da es unzutreffenderweise davon ausgegangen sei, eine Privatsphäre könne es an öffentlichen Orten nicht geben. Aspekte der Würde und des Selbstbestimmungsrechts habe das Gericht nicht erwogen. Das Oberlandesgericht habe zumindest klargestellt, daß es für die Anwendung des § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG nicht auf die Zuordnung zur "absoluten Person der Zeitgeschichte" ankomme, sondern ein "zeitgeschichtlicher" Inhalt des Bildnisses vorauszusetzen sei, der durch ein anzuerkennendes Informationsinteresse begründet werde. Die Privatsphäre habe es dann jedoch ausnahmslos an der Haustür enden lassen. 48 Im Gegensatz dazu habe der Bundesgerichtshof zwar die Ausstrahlungswirkung des Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG insoweit berücksichtigt, als er den Schutz der Privatsphäre auch außerhalb des häuslichen Bereichs anerkannt habe. Die von ihm vorgenommene Einordnung als "absolute Person der Zeitgeschichte" sowie die entwickelten Abgrenzungskriterien der Privatsphäre in der Öffentlichkeit trügen aber der Bedeutung des Grundrechts nicht hinreichend Rechnung. Er habe sich der verfassungsrechtlich bedenklichen Auffassung angeschlossen, daß bei sogenannten absoluten Personen der Zeitgeschichte ein generelles öffentliches Interesse an allen Einzelheiten aus ihrem Leben bestehe, welches nur im Ausnahmefall des § 23 Abs. 2 KUG begrenzt werden dürfe. 49 Sollte die Rechtsfigur der absoluten und relativen Person der Zeitgeschichte nicht gänzlich verabschiedet werden, so müsse in die Güterabwägung zumindest einfließen, ob die Abbildung in einem Zusammenhang mit den Umständen stehe, die die zeitgeschichtliche Bedeutung ausmachten und das öffentliche Interesse an der abgebildeten Person rechtfertigten. Es fehle aber an jeglichem funktionalen Zusammenhang bei Abbildungen, die sie nicht bei der Wahrnehmung von Repräsentationsaufgaben als monegassische Prinzessin, sondern in ihrem Privatleben zeigten. Der Bundesgerichtshof stelle - wie schon das Oberlandesgericht - bei der Anwendung des § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG undifferenziert auf ihre geburtsmäßige Stellung als älteste Tochter des regierenden Fürsten von Monaco ab. 50 http://www.bundesverfassungsgericht.de/entscheidungen/rs19991215_1bvr065396.html                                     8/19
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Neugier, Voyeurismus und bloßes Unterhaltungsinteresse seien nicht als schützenswert anzuerkennen. 51 Die Definition der Privatsphäre durch den Bundesgerichtshof, nach der es eine geschützte Privatsphäre nur geben könne, wenn sich jemand in eine örtliche Abgeschiedenheit zurückgezogen habe, in der er objektiv erkennbar für sich allein sein wolle und in der er sich in der konkreten Situation im Vertrauen auf seine Abgeschiedenheit so verhalte, wie er es in der breiten Öffentlichkeit nicht tun würde, verkürze den Schutzbereich des Rechts auf Achtung der Privatsphäre. Dem Betroffenen werde auferlegt, ein Verhalten mit "typisch privatem Charakter" an den Tag zu legen. Bei schlichtem Alltagsverhalten streite sein Persönlichkeitsrecht danach nicht für ihn. Zudem werde der Persönlichkeitsschutz von Zufälligkeiten der fixierten Situation abhängig gemacht. 52 Schon die Anwendung der Kriterien auf die entschiedenen Fälle zeigten die Mängel dieses Abgrenzungsversuchs auf. Bei verfassungskonformem Einsatz der vom Bundesgerichtshof entwickelten Kriterien müßten auch die weiteren Fotoveröffentlichungen untersagt werden. Auch dort sei objektiv deutlich, daß die Beschwerdeführerin für sich allein sein wolle und ein Verhalten mit privatem Charakter an den Tag lege. Wegen dieser Mängel habe die Rechtsprechung nicht erreichen können, daß die Kette des Abdrucks von Paparazzi- Fotos in der sogenannten Frauen- und Unterhaltungspresse abgerissen sei. So seien - wie ergänzend vorgetragen - zahlreiche heimlich aufgenommene Fotos von ihrer 1999 geborenen Tochter veröffentlicht worden, obwohl sie umfassende Maßnahmen ergriffen habe, um sich und ihr Kind vor der Sensationspresse zu schützen. III. 53 Die Beklagte des Ausgangsverfahrens, die ursprünglich ihrerseits Verfassungsbeschwerde gegen das Urteil des Bundesgerichtshofs eingelegt, diese aber ohne Aufgabe ihres Rechtsstandpunkts später zurückgenommen hatte, hat unter Verweis darauf ausgeführt: 54 Als Wesenselement des freiheitlichen Staates sei das Grundrecht der Pressefreiheit für das Funktionieren eines demokratischen Staates und einer demokratischen Gesellschaft schlechterdings unverzichtbar. Es schütze gleichermaßen die rein informatorische und die vorwiegend unterhaltende Berichterstattung und sei somit "ungeteilt". Zwischen Politik und Unterhaltung dürfe nicht grundsätzlich unterschieden werden. In einer großen Gesellschaft müsse die Presse - soziologisch betrachtet - die Aufgabe wahrnehmen, die in einer Dorfgemeinschaft einzelnen Bürgern zukomme. Ohne Medien könne es einen Gemeinschaftsbezug nicht geben. Deshalb sei es unverzichtbar, daß die Presse wenigstens aus der Öffentlichkeitssphäre und der Sozialsphäre berichten dürfe. 55 Das Spannungsverhältnis zwischen Pressefreiheit und allgemeinem Persönlichkeitsrecht habe der Gesetzgeber durch die Regelung der §§ 22 ff. KUG aufgelöst. Allerdings sei das grundsätzliche Verbot von Bildpublikationen in § 22 Satz 1 KUG verfassungswidrig. Ein Verbot mit Erlaubnisvorbehalt komme verfassungsrechtlich nicht in Betracht, wenn gleichwertige Güter einander gegenüberstünden. Bildpublikationen seien infolgedessen nicht nur in den Fällen der §§ 23, 24 KUG erlaubt. Außerdem lasse sich nicht rechtfertigen, § 23 Nr. 1 KUG als Ausnahme eng auszulegen oder auch nur enger auszulegen, als es der Gesetzgeber gewollt habe. Der Bereich der "Zeitgeschichte" umfasse alle Erscheinungen, die von der Öffentlichkeit beachtet würden, ihre Aufmerksamkeit fänden und Gegenstand der Teilnahme oder Wißbegier weiter Kreise seien. 56 Die Beschwerdeführerin sei eine absolute Person der Zeitgeschichte. Das habe der Bundesgerichtshof ausdrücklich bestätigt. Unter diesen Begriff fielen alle Personen, die sich durch Geburt, Stellung oder Leistungen außergewöhnlich aus dem Kreis der Mitmenschen heraushöben und die deshalb im Blickpunkt der Öffentlichkeit stünden. Es sei anerkannt, daß hierzu Angehörige fürstlicher Häuser zählten. Somit könne an der Beurteilung der Stellung der Beschwerdeführerin kein vernünftiger Zweifel bestehen. Ihre von der Allgemeinheit als "märchenhaft" bezeichnete Stellung als Prinzessin von Monaco lasse die Öffentlichkeit an ihrem gesamten Lebenslauf großen http://www.bundesverfassungsgericht.de/entscheidungen/rs19991215_1bvr065396.html                                    9/19
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Abbildungen zum vorbildlichen Lebensstil der First Lady, wie sie hier in Streit stünden, hätten mit den Funktionen der First Lady des Fürstentums Monaco zu tun. 58 Man müsse auch fragen, ob Prominente mit ihren Prozessen zum Recht am eigenen Bild und anderen Persönlichkeitsrechten nicht oft nur versuchten, die Presse zu steuern und sich Berichte zusätzlich vergüten zu lassen. In den USA seien die Prominenten mit solchen Bestrebungen weit fortgeschritten. Nach Meinung vieler Journalisten sei das Recht eines Menschen am eigenen Bild zum Verwertungsrecht verkommen. Die Schutzfunktion des Art. 5 GG stehe einer solchen Verkehrung gerade entgegen. Auch die Beschwerdeführerin habe Fotos exklusiv an Zeitschriften vergeben. 59 Auch der Bundesgerichtshof halte an dem Grundsatz fest, absolute Personen der Zeitgeschichte dürften dann, wenn sie sich in der Öffentlichkeit zeigten, ohne ihre Einwilligung fotografiert und abgebildet werden. Nur ausnahmsweise sei ein schützenswerter Bereich außerhalb der privaten Räume anzuerkennen. Allerdings habe der Bundesgerichtshof den Begriff der Privatsphäre bei der Entscheidung über die Fotos aus dem Gartenlokal verkannt. Dieser Begriff meine den Menschen in seinem häuslichen, familiären Kreis und seinem sonstigen, dem öffentlichen Einblick entzogenen Privatleben. Das sei bei einer Person der Zeitgeschichte nur dann der Fall, wenn sie sich in ihren eigenen Bereich zurückziehe. Trete sie dagegen in die Öffentlichkeit, müsse über die Ereignisse, die dort stattfänden, grundsätzlich auch berichtet werden dürfen. 60 Das vom Bundesgerichtshof aufgestellte Kriterium, wonach es darauf ankomme, ob sich die absolute Person der Zeitgeschichte im konkreten Fall unbeobachtet wähnt oder nicht, sei irrelevant und stelle einen gravierenden Eingriff in die Pressefreiheit dar. Die Presse dürfe über alle Ereignisse von zeitgeschichtlichem Wert berichten, unabhängig davon, ob dies für den Betroffenen eine "gute" oder eine "schlechte" Presse sei. Alles andere komme einer Zensur gleich und legalisiere Irreführungen. Personen der Zeitgeschichte könnten dann erreichen, daß einerseits das ihnen Positive veröffentlicht werde, andererseits das ihnen negativ Erscheinende wegen der Persönlichkeitsrechte dagegen nicht. Es gebe kein Recht auf Zeichnung eines einseitig günstigen Persönlichkeitsbildes durch die Presse nach den eigenen Vorstellungen des Einzelnen. 61 Den Fotos fehle auch nicht die zeitgeschichtliche Bedeutung. Die Beschwerdeführerin müsse es als absolute Person der Zeitgeschichte hinnehmen, daß die Allgemeinheit ein berechtigtes Interesse daran habe zu erfahren, wo sie sich aufhalte und wie sie sich in der Öffentlichkeit gebe. Es gehöre zu der auch von der Unterhaltungspresse wahrgenommenen Aufgabe der Presse, diesem Interesse nachzukommen und die Öffentlichkeit darüber in Wort und Bild zu informieren. Dies sei keineswegs lediglich Befriedigung eines untergeordneten, voyeuristischen Unterhaltungsinteresses. Das Begehren der Beschwerdeführerin, nur noch in der Funktion abgebildet zu werden, die angeblich allein eine zeitgeschichtliche Bedeutung ausmache, nämlich in der ihr von Geburt aus anhaftenden Funktion als Repräsentantin des Monegassischen Fürstenhauses, sei mit Art. 5 Abs. 1 GG unvereinbar. 62 Bei den Fotos handele es sich ausnahmslos um Bildnisse, die die Beschwerdeführerin in Alltagsszenen zeigten. Sie fixierten keine Situation "abgeschiedener Öffentlichkeit" und hätten keinen "familiären vertraulichen Charakter". Vielmehr werde die Beschwerdeführerin jeweils in der allgemeinen Öffentlichkeit gezeigt. Alle Fotos seien ihrer Sozialsphäre zuzuordnen, nicht ihrer Privatsphäre. Es sei nicht ersichtlich, wie unter diesen Umständen ihre Würde verletzt sein könne. Daß es sich um Paparazzi-Fotos handele, ändere am Ergebnis nichts. Auch ein Tourist hätte die Szenen fotografieren können. 63 Die Beklagte des Ausgangsverfahrens hat außerdem zur Begründung ihrer Position zwei Gutachten vorgelegt. Das Gutachten von Professor Dr. Heldrich befaßt sich aus rechtswissenschaftlicher Sicht mit der Zulässigkeit der Text- und Bildberichterstattung über prominente Persönlichkeiten. Das Gutachten von Professor Dr. Langenbucher und Dr. Geretschlaeger befaßt sich aus kommunikationswissenschaftlicher Sicht mit der gesellschaftlichen http://www.bundesverfassungsgericht.de/entscheidungen/rs19991215_1bvr065396.html                                    10/19
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