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Aktenzeichen
BUND BVfG 1 BvR 155/85 1988 Art 5
Datum
20. Juli 1988
Gericht
Bundesverfassungsgericht
Gesetz
Art. 5 Grundgesetz
Art. 5 Grundgesetz

Beschluss: Bundesverfassungsgericht am 20. Juli 1988

BUND BVfG 1 BvR 155/85 1988 Art 5

Der Funktion der freien Presse im demokratischen Staat entspricht ihre Rechtsstellung nach der Verfassung. Das Grundgesetz gewährleistet in Art. 5 die Pressefreiheit. Wird damit zunächst - entsprechend der systematischen Stellung der Bestimmung und ihrem traditionellen Verständnis - ein subjektives Grundrecht für die im Pressewesen tätigen Personen und Unternehmen gewährt, das seinen Trägern Freiheit gegenüber staatlichem Zwang verbürgt und ihnen in gewissen Zusammenhängen eine bevorzugte Rechtsstellung sichert, so hat die Bestimmung zugleich auch eine objektiv-rechtliche Seite. Sie garantiert das Institut "Freie Presse". Der Staat ist - unabhängig von subjektiven Berechtigungen Einzelner - verpflichtet, in seiner Rechtsordnung überall, wo der Geltungsbereich einer Norm die Presse berührt, dem Postulat ihrer Freiheit Rechnung zu tragen. Freie Gründung von Presseorganen, freier Zugang zu den Presseberufen, Auskunftspflichten der öffentlichen Behörden sind prinzipielle Folgerungen daraus; doch ließe sich etwa auch an eine Pflicht des Staates denken, Gefahren abzuwehren, die einem freien Pressewesen aus der Bildung von Meinungsmonopolen erwachsen könnten.

Behördenbegriff Rundfunkanstalten

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BVerfG: Auskunftsanspruch gegen öffentlichrechtliche Rundfunkanstalten                        NJW 1989, 382 Auskunftsanspruch gegen öffentlichrechtliche Rundfunkanstalten GG Art. 5I, 12I, 10I 2 Aus Art. 5I 2 GG läßt sich ein Rechtsanspruch der Presse gegenüber einer öffentlichrechtlichen Rundfunkanstalt auf Erteilung von Auskünften nicht herleiten. (Leitsatz der Redaktion) BVerfG ( 1. Kammer des Ersten Senats ), Beschluß vom 20-07-1988 - 1 BvR 155/85 u. a. Zum Sachverhalt: Der Bf., Herausgeber und Redakteur eines monatlich erscheinenden Informationsdienstes, machte gegenüber öffentlichrechtlichen Rundfunkanstalten einen presserechtlichen Auskunftsanspruch geltend, dem nicht entsprochen wurde. Seine Klagen vor den VGen blieben erfolglos (vgl. BVerwG, NJW 1985, 1655). Die dagegen gerichteten Verfassungsbeschwerden wurden mangels hinreichender Erfolgsaussicht nicht zur Entscheidung angenommen. Aus den Gründen: Die angegriffenen Entscheidungen lassen keine Grundrechtsverletzungen erkennen. Die Versagung des vom Bf. geltend gemachten Auskunftsanspruchs verstößt nicht gegen Art. 5I 2 GG. Dabei kann offenbleiben, ob durch diese Verfassungsnorm der Presse ein verfassungsunmittelbarer subjektiver Auskunftsanspruch eingeräumt wird (vgl. BVerfGE 20, 162 (175 f.) = NJW 1966, 1603). Ein solcher Anspruch richtet sich - soweit es um die vom Bf. beanspruchten Auskünfte geht - jedenfalls nicht gegen öffentlichrechtliche Rundfunkanstalten. Art. 5I 2 GG gewährt der Presse Ansprüche allein gegen den Staat. Eine “Dritt-Gerichtetheit” kommt diesem Grundrecht nicht zu (BVerfGE 66, 116 (135) = NJW 1984, 1741). Öffentlichrechtliche Rundfunkanstalten sind jedoch trotz ihrer Rechtsform und der Erfüllung einer “öffentlichen Aufgabe" nicht dem staatlichen Bereich in diesem Sinne zuzuordnen. Sie sind vielmehr selbst Träger der in Art. 5I 2 GG verbürgten Rundfunkfreiheit, die nicht nur staatliche Beherrschung und Einflußnahme ausschließt (BVerfGE 73, 118 (152 f.) = NJW 1987, 239 m. w. Nachw.), sondern die öffentlichrechtliche Rundfunkanstalten im selben Umfang wie die Presse zu Begünstigten staatlicher Informationspflichten werden läßt. Die Zuerkennung eines gegen die öffentlichrechtlichen Rundfunkanstalten gerichteten Auskunftsanspruchs kann wegen der damit verbundenen Verschlechterung ihrer Wettbewerbssituation gegenüber der Presse, vor allem aber gegenüber den neu auftretenden privaten Rundfunkveranstaltern im Hinblick auf die Gleichrangigkeit der verfassungsrechtlichen Gewährleistung von Presse- und Rundfunkfreiheit durch Art. 5I 2 GG jedenfalls nicht von Verfassungs wegen gefordert sein. Dem Auskunftsanspruch käme in diesem Verhältnis eine veränderte Qualität zu, weil er nicht nur im Interesse des Informationsbedürfnisses der Öffentlichkeit, sondern auch zum Zwecke der Verbesserung der eigenen Wettbewerbssituation der mit den öffentlichrechtlichen Rundfunk konkurrierenden privaten Massenmedien geltend gemacht werden könnte. Ob ein Auskunftsanspruch gegen öffentlichrechtliche Rundfunkanstalten ausnahmsweise dann anzuerkennen ist, wenn er sich auf “staatliche” Aufgaben des öffentlichrechtlichen Rundfunks (z. B. den Gebühreneinzug) bezieht, bedarf keiner Entscheidung. Die VGe haben in den angegriffenen Urteilen zutreffend dargelegt, daß das Auskunftsbegehren des Bf. diesen Bereich nicht betrifft. Auch andere Grundrechte werden durch die Versagung des geltend gemachten Auskunftsanspruchs nicht verletzt. Art. 5I 1 GG und Art. 12I GG begründen einen verfassungsunmittelbaren Auskunftsanspruch für den Bf. jedenfalls nicht in weiterreichendem Umfang als Art. 5I 2 GG. Auf Art. 5I 3 GG kann sich der Bf. schon deswegen nicht berufen, weil das Zensurverbot nicht denjenigen schützt, der eine ihm vorenthaltene Information erst beziehen will (BVerfGE 27, 88 (102) = NJW 1970, 238). Soweit der Bf. geltend macht, der begehrte Auskunftsanspruch hätte jedenfalls aufgrund von § 4 des jeweiligen Landespressegesetzes zuerkannt werden müssen, wendet er sich gegen Auslegung und Anwendung von
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einfachem Recht, dessen Beurteilung Aufgabe der Fachgerichte ist. Eine weitergehende Nachprüfung der im Verfahren 1 BvR 1078/85 ergangenen Entschei- BVerfG: Auskunftsanspruch gegen öffentlichrechtliche Rundfunkanstalten (NJW 1989, 382)               383 dungen ist dem BVerfG aufgrund des Berlin-Vorbehalts der Alliierten schon deswegen versagt, weil es hier um die Anwendung von Berliner Landesrecht geht (BVerfGE 7, 192 (193) = NJW 1958, 98 L; st. Rspr.). In den anderen Verfahren haben die Gerichte Bedeutung und Tragweite von Grundrechten des Bf. jedenfalls nicht verkannt. Soweit der VGH Mannheim im Verfahren 1 BvR 155/85 die Anwendbarkeit des Baden- Württembergischen Landespressegesetzes unter Hinweis auf entgegenstehende Regelungen des Staatsvertrages über den Südwestfunk verneint hat, ist dies ohne weiteres nachvollziehbar und vertretbar. Die Nichtanwendung von § 4 des jeweiligen Landespressegesetzes in den Verfahren 1 BvR 1070/85 und 1 BvR 1083/85 verstößt nicht gegen Grundrechte, weil nach dem oben Gesagten ein Auskunftsanspruch des Bf. gegen die öffentlichrechtlichen Rundfunkanstalten von Verfassungs wegen nicht gegeben ist. Auch ein Verstoß gegen Art. 3I GG ist insoweit nicht erkennbar. Die VGe haben zutreffend dargelegt, daß die vom Bf. genannten Fälle keinen Anspruch auf Gleichbehandlung begründen. Soweit der Bf. im Verfahren 1 BvR 1083/85 rügt, wegen des zweimaligen, durch Änderung der Geschäftsverteilung bedingten Wechsels der Senatszuständigkeit während des Berufungsverfahrens sei die Entscheidung des OVG Münster nicht durch den gesetzlichen Richter getroffen worden, ist ein Verstoß gegen Art. 101I 2 GG nicht erkennbar. Dieses Grundrecht schließt - auch zweimalige - Änderungen der Zuordnung anhängiger Verfahren nicht von vornherein aus, sofern dies nicht aus sachwidrigen Gründen geschieht (vgl. auch BVerfGE 24, 33 (54) = NJW 1968, 1467). Anhaltspunkte hierfür sind weder vorgetragen noch ersichtlich. Anm. d. Schriftltg.: Vgl. auch Kull, AfP 1985, 75, und Hoffmann=Riem, JZ 1985, 627.
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