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Aktives Presserecht – Argumente für Auskünfte


Oft verweigern Behörden Auskünfte auf Anfragen von Journalist*innen. Sie berufen sich dabei in der Regel auf angebliche Ausnahmen nach den jeweils gültigen Landespressegesetzen. Häufig ist Unwissen der Grund für die Auskunftsverweigerung und nicht böser Wille. Als Teil des Projektes „Fragen und Antworten - Auskunftsrechte kennen und nutzen“, einer Kooperation mit Netzwerk Recherche, stärkt die Entscheidungsdatenbank das Wissen rundum Auskunftsrechte und hilft besser argumentieren zu können. Journalist*innen können für ihre Recherchen wichtige Urteile, Bescheide und Beschlüsse kostenlos im Volltext eingesehen und durchsuchen.

Information

Aktenzeichen
NRW OLG 1 VAs 7/80 1980 LPG
Datum
14. Juli 1980
Gericht
Oberlandesgericht Hamm
Gesetz
Pressegesetz für das Land Nordrhein-Westfalen (Landespressegesetz NRW)
Pressegesetz für das Land Nordrhein-Westfalen (Landespressegesetz NRW)

Beschluss: Oberlandesgericht Hamm am 14. Juli 1980

NRW OLG 1 VAs 7/80 1980 LPG

Der Senat ist der Auffassung, Dass das Steuergeheimnis, Insbesondere wegen des bedeutenden objektiven öffentlichen Interesses, Den in § 4 Abs. 2 Nr 2 LPG NRW angesprochenen Geheimhaltungsvorschriften zuzuordnen ist. Ist grundsätzlich davon auszugehen, Dass ein Anspruch auf Auskunftserteilung wegen § 4 Abs. 2 Nr. 2 LPG NRW nicht besteht, So muss doch im vorliegenden Fall das Steuergeheimnis de § 30 AO in einem bestimmten Umfang zurücktreten, Weil insoweit wegen § 30 Abs. 4 Nr. 5 AO der Anspruch des Antragstellers aus § 4 Abs. 1 LPG NRW Vorrang genießt. 2. Gemäß § 30 Abs. 4 Nr. 5 ist die Offenbarung der gemäß Abs. 2 erlangten Kenntnisse zulässig, Soweit hierfür ein zwingendes öffentliches Interesse besteht. Der Begriff ist im Gesetz nicht definiert. 3. Nach § 30 Abs. 4 Nr. 5 b ist das zwingende öffentliche Interesse hinsichtlich der Offenbarung von Kenntnissen zu bejahen, Die für die Verfolgung solcher Wirtschaftsstraftatenerforderlich sind, Die nach ihrer Begehungsweise oder wegen des Umfangs des durch sie verursachten Schadens eine erhebliche Störung der wirtschaftlichen Ordnung herbei führen oder eine erhebliche Erschütterung des Vertrauens der Allgemeinheit auf die Redlichkeit des geschäftlichen Verkehrs oder die ordnungsmäßige Arbeit der Behörden oder öffentlichen Einrichtungen verursachen können.

Kollision zwischen Informationsrecht der Presse und Steuergeheimnis Hier: Verweigerung der Auskunftserteilung durch Staatsanwaltschaft Parteispenden-Affäre Wahrnehmung von Bürgerrechten

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OBERLANDESGERICHT HAM!v1 BESCI-ILUSS 1 VAs 7/8o OLG Hamrn 2 AR {VA) 4/8o GStA Harun Justizverwaltun0ssache . betreffend den ------- vertreten durch Rechtsamvälte ____ - ivegen      Rech trnäßi0kei t von r-1aßnahrrlen der Justizbehörden (hier: Ablehnuncr der Erteilun<J von Presseauskünften durch den Leitenden Oberstaatsanwalt in Bann). Auf den Antrag des Betroffenen voM 16. Januar 19Ba auf gericht- liche Entscheidung gemäß §§ 23 ff.      E~GVG   gegen den Bescheid des Leitenden Oberstaatsanwalts in Bann vorn 18. Dezer.ber 1979 hat der 1. Strafsenat des Oberlandesqerichts Barrun arn 14. ,Juli 198o durch den Vorsitzenden Richter an Oberlandesnericht Kuck   und die Richter am Oberlandesgericht Pellnv und Prinz nach Anhörunq des Generalstaatsanwalts beschlossen:
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-    2 - Der angefochtene Bescheid wird aufgehoben. Der Leitende Oberstaatsanwalt in Bonn wird verpflichtet, den Antragsteller un- ter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats zu bescheiden. Dieie Entscheidung ergeht gerichtsgeblihren- frei. Die dem Antragsteller erwachsenen notwendigen Auslagen werden der Staats- kasse auferleqt. Der Geschäftswert wird auf S.ooo,-- DM festgesetzt'.' G r U n d e I. - Der Antragsteller is~t:_,==----~--- er gehört dern _ _ _ _ _ __., des _ _.."b.n und rnoderiert verschiedene politische I1agazinsendungen. Im Zusammenhang rnit seiner journa- listischen Tätigkeit beschäftigt sich der Antragsteller           ~it 11 der sogenannten "Parteispenden-Affäre". In dieser            Affäre" sind staatsanwaltschaftliehe Errnittlungen gegen einen größeren Kreis von Personen eingeleitet worden, die Geldspenden zuqunsten ei- ner politischen Partei gewährt und diese Spenden unter Ver- schleierung des wahren Zahlungszwecks in steuerlich unzulHssi- ger l'l'eise bei der Besteuerung ihres Einkor:r.1ens als Betr lebsaus- gaben geltend gernacht haben sollen. Die Pressestelle des Lei- tenden Oberstaatsanwalts in Bonn hat die        ~ledien zun~chst   über Umfang und Ausmaß des Ernittlunnsverfahrens unterrichtet. Nach- dem sie weitere Auskünfte ablehnte, hat der Antragsteller mit Schreiben von 11. 12. 1979 förr'1lich un Beantuortuncr folgender auf die    anh~ngigen Ernittlunnsverfahren !Jezogene Fraqen ge- beten:
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- 3 - \1 1• )  ~~--~~~e~a~e~n~~d~i~e Herr.,e~n~·. .~~~~~ _                und~      j wegen des verdac ts er e~hilfe zur Steuerver- kürzung eingeleitete Ermittlungsverfah- ren noch anhängig ? Gegen welche wei- teren Personen i.Yird irrt selben ZusaJ'1Il'ten- hang ermittelt ? 2.) Was ist konkret der Gegenstand des Errrlittlungsverfahrens, insbesondere welcher Sachverhalt ist bishe; als feststehend ermittelt worden · 3.) v'lann ist mit einem Abschluß der Ermitt- lungen zu rechnen ? 4 • ) Wird die Staatsanwaltschaft Bann in- teress1erte Vertreter der Presse wie üblich nach Abschluß des Ermittlungs- verfahrens unterrichten, und darf ich gegebenenfalls mit einer Benachrichti- gung von Ihnen rechnen ?       11 Der Leitende Oberstaatsanwalt in Bann hat die              Erteilun~ der Auskunft nit Bescheid vom 18. 12. 1979 abgelehnt. Er hat zur Begründung aus<Jefi.ihrt: "1.) Das bei der Staatsanwaltschaft Bann qeqen 1                                  I und lwegen des Verdachts der Beihilfe 11111 ~z~u r~s"t,.le•ue~ve~kiirzung anhängige Ermitt- lungsverfahren ist noch nicht abgeschlos- sen. Die Staatsanwaltschaft sieht sich durch § 3o der Abgabenordnung an einer Auskunft über den weiteren Personenkreis der Beschuldigten gehindert. Namen können nämlich in ~teuerstrafsachen generell allenfalls auf Anfrage b e s t ä t i g t werden. 2.) Einer Mitteilung des Verfahrensgegen- standes bzw. des bisherigen Ermittlungs- ergebnisses steht § 3o Abgabenordnunq entgegen.· 3.) Ein Abschluß der Ermittlun~en ist z.zt. noch nicht abzusehen. 4.) Der Pressestelle der Staatsanwaltschaft ist es durch § 3o AO verwehrt, die Me- dien im Falle der Anklaneerhebun0 oder eines Antrac::rs auf Erlaß eines Strafbe- fehls zu unterrichten. An eine Mitteilunn des Errrtittlun~sergehnisses könnte allen- falls bei einer Einstellunrr. des Verfah-
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- 4 - rens gedacht werden, weil die in Be- tracht kommenden Personen dann durch die Veröffentlichung nicht beschwert wären." Hiergegen richtet sich der Betroffene mit seinen Antrag auf ge- richtliche Entscheidung. Er beantragt, "den Antragsgegner unter Aufhebung sei- nes Bescheides vom 18. Dezember 1979 zu verpflichten, dem Antragsteller Aus- kunft zu folgenden Fragen zu erteilen: 1.) Gegen welche Personen ermittelt die Staatsanwaltschetft Bonn iM ZusCU'l'lP'\en- hang mit der sogenetnnten "Parteispen- den-Affäre" wegen des Verdetchts der SteuerverkUrzun~ oder der Beihilfe zur Steuerverklirzung ? 2.) Was ist konkret Gegenstand dieser Ermittlungsverfahren und welches sind die bisheri0en ErMittlungser- gebnisse ? und ihn im Falle der Anklageerhebung oder eines AntraqsdaufAErlaß eines Strafbefehls uner en 5scniuJ~ der Erm_l t.t.J.ungen zu unterrichten." Der Betroffene rügt mit näherer Begründung eine Verletzunq des § 4 Abs. 1 LPG NR\·{ und meint, der Antragsgegner sehe sich zu Unrecht durch § 3o der Abgabenordnung an der Erteilung der er- betenen Auskunft gehindert; ihm, dem Antragsteller, stehe ein nach § 4 Abs. 1 LPG NRW durchsetzbarer Informationsanspruch auch in Hinblick auf steuerstrafrechtliche Ermittlungsverfahren zu. I I. Der Antrag ist zulässin. 1 .)  Der Rechtswen nach§§ 23 ff EGGVG ist gegeben. Der eine Auskunft an die Presse ablehnende Bescheid einer Beh5rde ist ein (grundsätzlich im Verwaltungsnerichtsverfahren) an- fechtbarer Verwaltunasakt (Scheer, Deutsches Presserecl1t, Ko.rr,r;entar 1966 mit :Jachtrag 1967, § 4 nds. PresseG AnD. EI - unter Hinweis auf BGHZ 14, 223; NJH 1955, 97;         Löffle~     n,FJ 1064,
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- 5 - 228o.) Die Auskunft der Staatsanwaltschaft an             di~  Presse über ein Ermittlungsverfahren fällt unter die "sonstigen Haßnahroen, die von den Justizbehörden zur Regelung einzelner AngeleGenheiten auf dem Gebiet der Strafrechtspflec_1e getroffen werden"            (§ 23 Abs. 1 EGGVG). Der Rechtsstreit um solche Pressemitteilunryen bz"Vr. ·ihre Verweige- rung gehört deshalb zur Zuständinkeit der ordentlichen Gerichte; er ist im Verfahren nach §§ 23 ff EGGVG auszutrarren (VGH flannheir,, NJ~v  1 97 3,   21 4) . 2.) Dem Antra'}steller als Rundfunk-Redakteur steht der presse- rechtliche Auskunftsanspruch nach § 4 Abs. 1 LPG Nm'l ebenfalls zu (vgl. Scheer, a.a.o., § 4 Einleitung II); der Antraq ist auch fristgerecht gestellt. 3.) Letztlich begegnet die Zulässigkeit des Antrags auch insov1eit keinen durchgreifenden Bedenken, als nicht nur eine gegen- t.värti~e   AuskunftserteilunC) erstrebt wird, sondern der Antraq- steller auch für die Zukunft Auskunft über den Abschluß der Er- mittlungen im Falle von Anklageerhebung oder Strafbefehlsanträgen begehrt.      Z~-var  kann in dern Verfahren nach §§ 23 ff EGGVG grundsätz- lich nur die gerichtliche Nachprüfung bereit~ getroffener oder un- terlassener !1aßnahnen, nicht aber die Nachprüfung denkbarer künf- tiger llaßnahrnen begehrt werden (vql. OLG Stuttgart, Beschluß von 18. 1. 1971 - 2 VAs 153/7o; Senatsbeschluß von 12. 6. 198o- 1 VAs 42/8o -). Es mag irn vorliegenden Fall auch zweifelhaft erscheinen, ob nit der l1itteilung des         ,~tragsgegners,    an der jetziqen Auffas- sung auch irn Falle einer Ankla0eerhebung oder eines Antrags auf Erlaß eines Strafbefehls festzuhaltcn, bereits eine endC]Ultige ab- lehnende Entscheic1un<J getroffen ocler leeHerlieh eine kiinftj_rye Ent- scheiclun~     bestif'1!Tlten Inhalts· in Aussic!1 t gestellt ,.,orden ist. Auch im letzteren Falle nüAte hei den besonderen Urstfi.nden des Falles schon deshalb der l\ntra0 auf <Jerichtl:i.che Entscheidung fiir zuläs- sig erachtet werden, weil          andern~alls   das  verfassunqsrgßi~e   Recht auf effektiven Rechtsschutz leer laufen wUrde (V<il. BGH in NJl1 1977 1692 r.1,"YT,N.).
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,                                              - 6 - I I I. Der Antrag führt zu einer.. auf § 4 Abs. 1 LPG Nm17 beruhenden ·ver- pflichtungsausspruch i.S. des § 28 Abs. 2 Satz 2 EGGVG. Dem steht im Ergebnis wegen § 3o Abs. 4 Nr. 5 der Abgabenordnung auch nicht § 4 Abs. 2 Nr.    2 LPG NRW    ent~egen. 1.) i,iach § 4 Abs. 1 LPG NRH sind die Behörden - auch die Justiz- behörden, vgl. die Richtlinien für die Zusammenarbeit mit der Presse, AV Jl-1 vom 1. 7. 1974, JHBl.        NR~v Seite 157, § 2, § 3 Abs. 3/RV Jt-1 vom 14. 1. 1964 (1274- III A. 2) Abschnitt 2,31; gern. Runderlaß des Justizministers und des Finanzministers von 3o. 9. 1968 (1274- III A. 6),         ~THBl.  NRH 1974 Seite 161; VGII Mannheim R.a.o. - verpflichtet, den Vertretern der Presse -darunter fällt auch Hörfunk und Fernsehen, vgl. Scheer, a.a.o., § 4 Einleitung II, sowie Richtlinien für die zusCl.l"\P1enarbeit, HVJ:'1 vom 14. 1. 1964, und geneinsarH:r Runderlaß a.a.o. -die der Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgabe dienenden Auskünfte zu erteilen. Der gesetzqeberische Grund für diese Bestirn.rnun<T wird allgemein darin gesehen, daß die Presse ihrer öffentlichen Aufgabe nach § 3 LPG NRW zur Bildunn der öffentlichen           r~inung nur dann gerecht werden kann, wenn sie über alle           Vorg~nge  in öffentlichen Leben, hier insbesondere im Staatsleben, ausrei- chend unterrichtet wird. Nach ständi<Jer Rechtsprechung des Bun- desverfassungsgerichts ist nicht nur das Grundrecht der frei- heitlichen   tleinun~stlußeruno,    sondern auch das Grundrecht der Pressefreiheit für die freiheitliche Denokratie ''schlechthin konstituierend", weil die Presse zur politischen           ~·leimmgshil­ dung entscheidend beitrfigt (BVerfGE 1o, 118, 121). Soll der Bür<Jer politische Entscheidnn<:en treffen, muß er tmfassend in- forrüert sein, aber auch rUe i'·1einunnen kennen und gegenseitig abwägen können, die andere sich gebildet haben. Die Presse hält diese   stfindi~e Diskussion in Gang; sie beschafft die In- formationen, ninr:1t selbst dazu Stellunq und v1irkt darüt als orientierende Kraft in der öffentlichen Auseinandersetzuna (BVerfGI~ 2o, 162, 174, 175). Der Staat ist - unahhfinnin von subjektiven Berechtiqungen        Einzel~er   - verpflichtet, in seiner
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- 7 - Rechtsordnung überall, wo der Geltuns-sbereich einer Norm die Presse bertihrt, den Postulat ihrer Freiheit Rechnung zu tragen. Nicht nur die freie Gründunq von Presseorqanen und der freie Zugang zu den Presseberufen, sondern auch Auskunftspflichten der öffentlichen Behörden sind prinzipielle Folqerungen daraus (BVerfGE 2o, 162, 175, 176). 2.) Der Antras-steller begehrt voM Antragsgegner Auskünfte in einem anhängigen Steuerstrafverfahren. Ein Anspruch auf Auskunftserteilung nach § 4 Abs. 1 LPG besteht nicht, soweit Vorschriften tiber die GeheiMhaltung entgegenstehen, § 4 Abs. 2 Nr. 2 LPG. Diese Vorschrift steht, wie noch näher auszufUhren sein wird, entgegen der Ansicht der Staatsanwaltschaft           de~   An- spruch des Antragstellers nicht grundsätzlich und          ~it  der Folge entgegen, daß die begehrte Auskunft ganz verweigert werden kbnn- te. Fast die gesaMte einschlägic:re Literatur subsui':1111iert unter die AusnahMevorschrift des § 4 Abs, 2 Nr. 2 LPG nicht das Steuerge- heimnis. Vielmehr werden unter der in § 4 Abs, 2 Nr. 2 LPG nor- mierten Einschränkung allqernein nur Vorgtlnge verstanden, die die Behörde selbst iM Einzelfall für geheirnhaltungspflichtig erklärt hat oder die unter die entsprechenden Vorschriften des Strafgesetzbuchs (§§ 93 ff,      353 b unct c)   fallen. So führt Scheer das Steuers-eheimnis nicht unter den Vorschriften über die Ge- heirnhaltunc:r auf  (vgl. a.a.o, Seite 2o5), wohl aber als schutz- würdiges privates Interesse im Sinne des § 4 Abs, 2 Nr.            3 LPG (vs- 1. Seite 2o7) • Löff ler-Ricker (Handbuch des Presserechts 1 1978, 2o. Kapitel Rdz.      7) neinen, "un Geheinhaltunqsvorschrif- ten in Sinne dieser BestirtT'lung handelt es sich insbesondere bei den Staats- und Dienstgeheimnisse betreffenden Nornen der §§ 93 ff,    353 b und 353 c StGB und Vorschriften der Geschäfts- ordnunc:r des Deutschen Bundestages (vnl. § 21 a GeschO BT). Ge- heimh~ltungsvorschriften      ~Bnnen auch durch allqeneine Verwal- tungsvorschriften     (z. B, durch die C}Llalifizierun<]· hestiruc.ter Voro~nge   als "'i.Terschlußsachen") beqründet ,,.,erden." Löffler-
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----------------------------------------------- •                                             -  8 - Ricker erwähnen das     Steuergehei~nis    nicht hier, sondern -   ~rie Scheer - bei der KoTili":'\entierung des § 4 Abs. 2 Nr.  3 LPG. Nach ihnen dürften der Presse, da ein berechtigtes Interesse an Auskünft~n   über private Angelegenheiten einzelner Bürger selten vorliege, umgekehrt der Persönlichkeitsschutz im privaten Be- reich von besonderem Gewicht sei und somit die Interessenab- wägung hier meist eine      Auskunftsverweiqerun~r  rechtfertige 1 keine Auskünfte aus Steuer-, Straf-, Scheidungsakten o.ä. einzelner Bürger zu geben sein (Löffler-Ricker, 2o. Kapitel Rdz. 11 und 12). Die Presse könne nur insoweit aufklärende In- formation verlangen, wenn "dort verl"lerkte Tatsachen unmittel- bare Bedeutung für einen die öffentliche        Meinun~ bewe0enden Vor- gang haben"    (Löffler-Ricker a.a.O.). In seinem Korrrrnentar zum Presserecht, 2. Aufl., 1968, vertritt dagegen Löffler die           (durch obige Ausführungen aufgeqebene ?) Meinung, das        Steuergehei~nis gehöre zu den absoluten Geheimhaltungsvorschriften.         "Wo eine klare Verpflichtung der Behörde zur Geheimhaltung besteht, muß sie die Auskunft verwei0ern, nicht selten zum Schutz des Persön- lichkeitsrechts des BUrgers (zutreffend Sarstedt im Studienkreis für Presserecht und Pressefreiheit ZV 1964 Seite 2o96). Zu die- sen absoluten Schweigegeboten, die schlechthin -\ohne Abwägungs- möglichkeit mit dem Rechtsgut der Pressefreiheit - eine Auskunfts- erteilung verbieten, gehören die BestimmunC}en über die        ~vahrunq des Steuergeheimnisses, die Schweiqepflicht der im Kreditwesen tätigen Personen, die Wahrung des Beratungs- und        Abstir~unqs­ geheinnisses, des ärztlichen und anwaltliehen Berufs0eheinnisses, bei den Kirchen die Wahrunq des       Beicht~eheinnisses.••  (Löffler a.a.o. Rdz. 4o zu § 4 LPG). Felix (NcJ\v 1978, 2134) P1eint, bislang sei § 3o AO 1977 offen- bar als Geheimhaltungsvorschrift des Presserechts nicht er- kannt worden. Er sieht deshalb eine Kollision zwischen Presse- Inforl"lationsrecht und Steuergeheimnis, die nach Artikel 31 GG zu lösen sei.    11 Bundesrecht, also die Abgabenordnung 1977, bricht Landesrecht. Es ist eine typische lJornen-Kollision ge- geben'' (Feli:< a.a.o. Seite 2135).
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- 9 - Schamberg (NJN 1979, 526) ist Felix entgegengetreten und verneint die von diesem gesehene Kollision, da § 3o Abs. 4 Nr. 1 in Ver- bindung mit Abs. 2 Nr. 1 b AO selbst die Durchbrechung des Steuergeheimnisses anordne, soweit die Offenbarung der dienst- lich erlangten Kenntnisse der Durchführung eines Steuerstraf- verfahrans diene. Für Steuerstrafverfahren     h~tten die Vorschrif- ten der StPO und des GVG Geltung, sobald vom Besteuerungsverfah- ren zum Strafverfahren übergegangen werde. Ein Sonderstrafprozeßrecl für Steuerstraftaten gebe es also nicht, insbesondere kein Steuer- straftatengeheimnis (Schamberg a.a.o. Seite 527). Der Senat teil.t die vonf      ) vertretene Heinung, <'laß das Steuer- geheimnis als Geheimhaltunnsvorschrift in Sinne des Presserechts anzusehen ist. Dem liegen folgende, sich aus dem Zweck des Steuer- geheinnisses ergebende Erwäqungen    ~ugrunde: Das Steuergeheimnis ist das Gegenstück zu den '.·Jei tgehenden J'._us- kunfts- und Offenlegungsverpflichtungen der Steuerpflichtigen, die selbst strafbare und gegen die guten Sitten verstoßende Hand- lungen dem   Finanz~1t offenbaren müssen, soweit diese steuerlich relevant sind. Es soll den Steuerpflichti0en davor schlitzen, daß Verhältnisse, die er in J:rftillung steuerlicher Auskunfts- oder Offenbarunnsverpflichtungen der Finanzverwaltung offenhart hat, außerhalb des Besteuerungsverfahrens bekanntwerden oder zu anderen als steuerliChen Zwecken ausgewertet werden (Koch, Ab0abenordnung 1977, 2. Aufl. 1979, § 3o Rdz. 2). Neben diesen privaten Schutzinteresse dient das Steuergeheimnis aber auch dem Interesse des Fiskus an einer vollständigen und richtinen Erfassung der Steuerquellen. Denn durch das     Steuerge~einnis soll der Steuerpflichtine veranlaßt werden, seine steuerlichen Verhältnisse den F inanzant qenenilber rikkhal tlos zu of fenba- ren  (Klei~,  Abgabenordnun0, 2. Aufl. § 3o Anr. 1). Es dient mithin der in öffentlichen Interesse lieqenclen Sicherun0 des Steueraufkormens, inden es die Bereitschaft des SteueriJflichti- gen zur  wahrheitsne~~ßen  Auskunft fördert.
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-    10 - Der Senat verkennt nicht, daß dem Steuergeheinnis zwar nicht wie z.B. dem Brief- oder Postseheimnis nach Artikel 10 GG ein ver- fassungsnMßiger Schutz zuerkannt wird. Dies bedeutet jedoch keirie Minderbewertung, sondern   erkl~rt  sich offenbar daraus, daß das In- teresse am Schutz des Steuergeheimnisses nicht von derart allqef.:l.ei- ner und ausnahrnslos jeden Bürger berührender Bedeutung ist, daß seine GewMhrleistung in Staatsgrundgesetz erfolgen mtißte         (Kühn- Kutter, Abgabenordnung 1977, 13. Aufl., § 3o Anin. 1). Schon§ 22 der Reichsabgabenordnung versuchte die grundrechtsähnliche Bedeu- tung des Steuergeheimnisses durch die Formulierung:         "Das Steuer- geheimnis ist unverletzlich  11 zu dokumentieren. Die Ersetzung die- ses lvortlauts durch den bloßen Gesetzesbefehl, daß Amtsträger das Steuergeheimnis zu wahren haben, sollte keinesfalls eine Herab- setzung des dem SteuergeheiMnis zuzuordnenden Stellenwerts kenn- zeichnen, sondern lediglich den eklatanten Widerspruch zwischen der verkündeten "Unverletzlichkeit" und den gesetzlich nornierten Durchbrechungstatbeständen   ausr~umen      (Kühn-Kutter a,a,O.). Unter Berücksichtigung dieser    Erw~gungen      und in Hinblick auf den näher dargelegten gesetzgeberischen Sinn und Zweck des Steuer- geheimnisses ist der Senat der Auffassung, daß das Steuergeheimnis, insbesondere wegen des bedeutenden objektiven         ~ffentlichen  Inter- esses, den in § 4 A.bs. 2 Nr. 2 LPG   N'i'l  ant;esprochenen Geheinhal tungs· vorschriften zuzuordnen ist. IV. Ist sornit grundsNtzlich davon auszugehen, daß ein Anspruch auf Auskunftserteilun0 in Steuerstrafsachen wegen § 4 Abs. 2 Nr.  2 LPG NRH nicht besteht, so nuß doch in vorlie<Jenden Fall das Steuergeheirrmis des § 3o AO in einem bestirnr1ten Umfang zu- rücktreten, Heil insoweit Hegen § 3o J'\bs. 4 Nr. 5 AO der Anspruch des Antra.gstellers aus § 4 l\.bs. 1 LPG NH Vorranq crenießt. 1 ,) GenNR § 3o Abs. 1 AO haben Ar1tstr2ner das Steuerqeheinnis zu v1ahren. Ein Amtsträaer verletzt das SteuercreheiP".nis 1 wenn er Verhältnisse eines anderen, die ihn in einen Strafver-
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