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Aktenzeichen
NRW OVG 8 A 2593/10 2011 LPG_IFG
Datum
26. Oktober 2011
Gericht
Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
Gesetz
Pressegesetz für das Land Nordrhein-Westfalen (Landespressegesetz NRW)
Pressegesetz für das Land Nordrhein-Westfalen (Landespressegesetz NRW)

Urteil: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen am 26. Oktober 2011

NRW OVG 8 A 2593/10 2011 LPG_IFG

Die Regelung des § 4 Abs. 1 PresseG NRW bezweckt eine Privilegierung der Presse und ist schon aus diesem Grund nicht abschließend. Mit dieser Privilegierung wäre es nicht vereinbar, einen Informationszugang, der jedem Bürger offen steht, Pressevertretern vorzuenthalten. Es bleibt den Pressevertretern daher unbenommen, als "jedermann" einen Anspruch nach dem IFG geltend zu machen.

Vereinbarkeit von IFG und LPG

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5/21/2014                                                      Oberverwaltungsgericht NRW, 8 A 2593/10 Oberverwaltungsgericht NRW, 8 A 2593/10 Datum:                            26.10.2011 Gericht:                          Oberverwaltungsgericht NRW Spruchkörper:                     8. Senat Entscheidungsart:                 Urteil Aktenzeichen:                     8 A 2593/10 Tenor:                            Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Köln vom 30. September 2010 geändert. Die Beklagte wird unter Aufhebung des Beschei¬des des Bundesrechnungshofs vom 16. Oktober 2008 in der Gestalt seines Widerspruchsbe¬scheides vom 15. Januar 2009 verpflichtet, dem Kläger Kopien der jeweils abschließenden Prü¬fungsniederschrift (einschließlich Prüfungsver¬merk und Übersendungsschreiben) von der je¬weils letzten Prüfung folgender Organisationen G. -F. -Stiftung L. -B. -Stiftung I. -T. -Stiftung I1. -C. -Stiftung L1. Zentralstelle für Entwicklung F1. Zentralstelle für Entwicklung zu übersenden, soweit nicht im Einzelfall Ausschlussgründe nach § 3 Nr. 4, § 5 oder § 6 IFG entgegenstehen. Die Beklagte trägt die Kosten des erst- und zweitinstanzlichen Verfahrens. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des beizu¬treibenden Betrages abwenden, wenn nicht der Klä¬ger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet. Die Revision wird zugelassen. Tatbestand:                                                                                                      1 Der Kläger ist Wirtschaftsjournalist. Mit Schreiben vom 2. September 2008 beantragte er beim                     2 Bundesrechnungshof, ihm jeweils eine Kopie des Ergebnisberichts einschließlich eventueller http://www.justiz.nrw.de/nrwe/ovgs/ovg_nrw/j2011/8_A_2593_10urteil20111026.html                                      1/21
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5/21/2014                                                      Oberverwaltungsgericht NRW, 8 A 2593/10 Beanstandungen von der jeweils letzten Prüfung u.a. folgender Organisationen zu übersenden: - G.         -F.     -Stiftung                                                           3 - L.      -B.       -Stiftung                                                            4 - I. -T.        -Stiftung                                                                5 - I1.       -C. -Stiftung                                                                6 - L1.           Zentralstelle für Entwicklung                                            7 - F1.            Zentralstelle für Entwicklung                                           8 Die genannten Organisationen erhalten aus dem Haushalt des Bundesministeriums für                        9 wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) Zuwendungen für die Förderung entwicklungswichtiger Vorhaben. Mit Bescheid vom 16. Oktober 2008 lehnte der Bundesrechnungshof den Antrag des Klägers unter            10 Hinweis auf den Ausnahmetatbestand des § 3 Nr. 1e IFG ab. Den hiergegen erhobenen Widerspruch des Klägers wies der Bundesrechnungshof mit Widerspruchsbescheid vom 15. Januar 2009 zurück. Zur Begründung führte er aus: Im Bereich der Kirchen und der G.            -F. -Stiftung seien laufende Prüfungsverfahren noch nicht abgeschlossen; dem Informationsbegehren könne daher nach § 4 Abs. 1 IFG nicht entsprochen werden. Der Kläger habe auch keinen Anspruch auf Herausgabe der Prüfungserkenntnisse aus den bereits abgeschlossenen Verfahren, weil das Bekanntwerden der Informationen nachteilige Auswirkungen auf Angelegenheiten der externen Finanzkontrolle im Sinne des § 3 Nr. 1e IFG haben könne. Der Bundesrechnungshof sei bei seinen Prüfungen auf die Zusammenarbeit mit den geprüften Stellen angewiesen, da sonst die Ermittlung der prüfungsrelevanten Sachverhalte wesentlich erschwert oder unmöglich gemacht werde; die Bereitschaft der geprüften Stellen zur Zusammenarbeit werde sich wesentlich verringern, wenn sie sich nicht mehr auf die Vertraulichkeit der Prüfungsergebnisse verlassen könnten. Der Kläger hat am 9. Februar 2009 Klage erhoben. Er ist der Auffassung, dass das IFG auf den            11 Bundesrechnungshof anwendbar sei. Der Bundesrechnungshof unterfalle als oberste Bundesbehörde dem Behördenbegriff des § 1 Abs. 1 Satz 1 IFG. Er nehme auch bei der Überprüfung von Zuwendungsempfängern nicht etwa richterliche Aufgaben, sondern öffentlich- rechtliche Verwaltungsaufgaben wahr. Bei einem anderen Verständnis laufe § 3 Nr. 1e IFG weitgehend leer. Der Anspruch auf Informationszugang sei auch nicht durch § 3 Nr. 1e IFG ausgeschlossen. Angelegenheiten der externen Finanzkontrolle seien nicht betroffen, da das Subventionswesen keine finanzwirtschaftliche Aktivität der öffentlichen Hand darstelle. Darüber hinaus sei der Ausnahmetatbestand grundsätzlich eng auszulegen; es obliege der Behörde darzulegen, aus welchen Gründen ausnahmsweise der Informationszugang zu verwehren sei. Der Verweis des Bundesrechnungshofs auf die angebliche Vertraulichkeit der Informationen genüge diesen Anforderungen nicht, da damit keine konkrete Möglichkeit der Beeinträchtigung des Schutzgutes dargelegt werde. Im Übrigen sei es auch inhaltlich falsch, dass der Bundesrechnungshof auf die Mitwirkung der Zuwendungsempfänger angewiesen sei. Diese seien vielmehr verpflichtet, die zweckentsprechende Verwendung der Mittel nachzuweisen; würden die Nachweise nicht erbracht, so dürften Zuwendungen nicht erneut bewilligt bzw. könnten erbrachte Zuwendungen zurückgefordert werden. Ein besonderer Schutz der Vertraulichkeit der Informationen sei nicht anzuerkennen. Weder sei dieser gesetzlich geregelt noch ergebe er sich aus vertraglichen Vereinbarungen. Auch sonstige Gründe stünden dem Informationsanspruch nicht entgegen. Laufende Prüfungsverfahren hinderten nicht daran, zumindest die vorangegangenen Prüfungsergebnisse zur Verfügung zu stellen; zudem seien die Prüfungsberichte in diesem Fall nach Abschluss des Prüfungsverfahrens zu übersenden. Das Alter der Prüfungsberichte allein sei nicht geeignet, ein unzutreffendes Bild in der Öffentlichkeit hervorzurufen, und stelle damit ebenfalls keinen Grund für die Verweigerung der Information dar. Soweit Teile der Informationen dem Schutz http://www.justiz.nrw.de/nrwe/ovgs/ovg_nrw/j2011/8_A_2593_10urteil20111026.html                              2/21
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5/21/2014                                                      Oberverwaltungsgericht NRW, 8 A 2593/10 der §§ 5 und 6 IFG unterliegen sollten, habe die Beklagte zumindest denjenigen Teil der Informationen herauszugeben, der keine geheimhaltungsbedürftigen Daten enthalte. Der Anspruch auf Informationszugang werde schließlich auch nicht durch das Pressegesetz NRW verdrängt, da dieses keine bereichsspezifische Sonderregelung darstelle. Im Gegenteil könne der geltend gemachte Anspruch zusätzlich auf § 4 Abs. 1 Pressegesetz NRW gestützt werden. Der Kläger hat beantragt,                                                                                     12 die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides des Bundesrechnungshofs vom                    13 16. Oktober 2008 in der Gestalt seines Widerspruchsbescheides vom 15. Januar 2009 zu verpflichten, ihm Kopien der jeweils letzten Prüfungsniederschrift einschließlich etwaiger Beanstandungen von der jeweils letzten Prüfung folgender Organisationen G.        -F.     -Stiftung                                                           14 L.     -B.        -Stiftung                                                           15 I. -T.       -Stiftung                                                                16 I1.      -C. -Stiftung                                                                17 L1.          Zentralstelle für Entwicklung                                            18 F1.           Zentralstelle für Entwicklung                                           19 zu übersenden, soweit nicht im Einzelfall Ausschlussgründe nach § 3 Nr. 1 Buchstabe a, 20 § 5 oder § 6 IFG entgegenstehen. Die Beklagte hat beantragt,                                                                                   21 die Klage abzuweisen.                                                                      22 Zur Begründung hat sie vorgetragen, der Bundesrechnungshof sei keine Behörde im Sinne des                     23 Informationsfreiheitsgesetzes, weil er als unabhängiges Organ der Finanzkontrolle eine verfassungsrechtliche Sonderstellung zwischen den Staatsgewalten einnehme. Sonstige Bundesorgane und -einrichtungen, zu denen auch der Bundesrechnungshof zähle, seien nach dem IFG nur verpflichtet, soweit sie öffentlich-rechtliche Verwaltungsaufgaben wahrnähmen; dies treffe auf den Bundesrechnungshof nur im Rahmen seiner eigenen Verwaltung durch die Präsidialabteilung zu, nicht aber, soweit er seine verfassungsrechtlichen Aufgaben in richterlicher Unabhängigkeit wahrnehme. § 3 Nr. 1e IFG laufe bei diesem Verständnis nicht leer, da die Vorschrift den Informationszugang über den Umweg der verwaltenden Präsidialabteilung verhindere. Unabhängig davon sei der Informationsanspruch durch § 3 Nr. 1e IFG ausgeschlossen. Dieser Ausnahmetatbestand schütze nach der Gesetzesbegründung gerade Informationen, die der Bundesrechnungshof im Rahmen seiner Prüfungs- und Beratungstätigkeit erlange, also auch die vom Kläger begehrten Berichte. Die Zuwendungsgewährung durch das BMZ sei eine finanzwirtschaftliche Aktivität der öffentlichen Hand, die der externen Finanzkontrolle unterliege. Der Begriff der nachteiligen Auswirkungen sei weit zu verstehen; es genüge jeder in Betracht zu ziehende Nachteil. Die Herausgabe der vom Kläger begehrten Informationen könne derart nachteilige Auswirkungen haben. Die Zuwendungsempfänger unterlägen als staatsferne Einrichtungen der Prüfung durch den Bundesrechnungshof nur insoweit, als sie vom Bund Mittel erhielten; in den konkreten Prüfverfahren hätten sie alle erbetenen Informationen offengelegt und auch jenseits der Grenzen rechtlicher Verpflichtungen umfassende Angaben gemacht. Dem Bundesrechnungshof seien im Verlauf der Erhebungen Informationen zugänglich, die nicht für Dritte oder gar für die Öffentlichkeit bestimmt seien. Die Erhebungsstellen hätten darauf vertrauen können, dass die Informationen vertraulich behandelt würden. Bei künftigen Prüfungen werde der Zugang zu Informationen erheblich erschwert werden, wenn die Stellen eine Weitergabe an unbeteiligte Dritte und die Öffentlichkeit befürchten müssten. Zudem handele es sich bei den politischen Stiftungen und den kirchlichen Organisationen um Bereiche mit sensiblen Informationen, http://www.justiz.nrw.de/nrwe/ovgs/ovg_nrw/j2011/8_A_2593_10urteil20111026.html                                    3/21
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5/21/2014                                                      Oberverwaltungsgericht NRW, 8 A 2593/10 die einer hohen Schutzbedürftigkeit unterlägen. Selbst kleinste Verzerrungen in der Wiedergabe der Erkenntnisse würden die objektive und neutrale Feststellung von Mängeln durch die Beklagte sowie die Bemühungen bei deren Erörterung mit dem Ziel ihrer Behebung gefährden. Im Übrigen könne der begehrte Informationszugang auch unter folgenden Gesichtspunkten nachteilige Auswirkungen auf Belange der externen Finanzkontrolle haben: Die vorhandenen Prüfungsmitteilungen stammten aus den Jahren 2002 und 2004 und seien damit veraltet, was bei einer Veröffentlichung zu erheblichen Irritationen im politischen Bereich führen könne. Des Weiteren nähmen die Prüfungsmitteilungen auf Umstände Bezug, die dem Schutz der §§ 5 und 6 IFG unterlägen, so z.B. auf Gespräche, die im Rahmen der Erhebungen mit Auslandsmitarbeitern und mit Vertretern von Partnerorganisationen geführt worden seien, auf Geschäftsinterna der geprüften privaten Vereine, auf das Rechnungswesen der kirchlichen Zentralstellen und Unternehmensdaten beauftragter ausländischer Organisationen und Partner sowie auf eine Reihe sensibler personenbezogener Daten wie z.B. Einkommensverhältnisse und arbeitsvertragliche Regelungen einzelner Mitarbeiter. Im Übrigen sei das IFG auch deshalb nicht anwendbar, weil es als subsidiäre Regelung durch das speziellere PresseG NRW verdrängt werde. Mit Urteil vom 30. September 2010 hat das Verwaltungsgericht die Klage abgewiesen. Zur               24 Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, dass der Bundesrechnungshof im Rahmen seiner Prüfungstätigkeit weder als Behörde tätig werde noch öffentlich-rechtliche Verwaltungsaufgaben wahrnehme. Der Bundesrechnungshof nehme aufgrund der ihm durch die Verfassung und ergänzende Gesetze übertragenen Kontroll- und Beratungsaufgaben eine Sonderstellung ein, die in ihrem Wesenskern etwas anderes sei als die von der Exekutive zu erfüllenden Aufgaben der öffentlichen Verwaltung. Die abschließenden Prüfungsniederschriften seien Entscheidungen, die in richterlicher Unabhängigkeit getroffen würden; sie seien daher nicht als Verwaltungstätigkeit zu qualifizieren. Unabhängig davon sei auch der Ausschlussgrund des § 3 Nr. 1e IFG zu bejahen, da der Bundesrechnungshof plausibel dargelegt habe, dass die Herausgabe der Prüfungsberichte nachteilige Auswirkungen auf die externe Finanzkontrolle haben könne. Mit der vom Verwaltungsgericht zugelassenen Berufung verfolgt der Kläger sein Begehren weiter.       25 Er hält an seiner Auffassung fest, dass das IFG auf den Bundesrechnungshof anwendbar sei. § 1 BRHG bezeichne den Bundesrechnungshof als oberste Bundesbehörde; er selbst präsentiere sich auf seiner Website als Behörde. Der Bundesrechnungshof übe gerade keine richterliche Tätigkeit aus; er sei auch nicht mit der Judikative vergleichbar, weil er keine rechtskräftig bindenden Entscheidungen treffe. Das IFG solle laut Gesetzesbegründung einen umfassenden Anwendungsbereich haben und auch rein beratende Gremien erfassen. Bestätigt werde diese Auslegung durch den Ausnahmetatbestand des § 3 Nr. 1e IFG; dieser erfasse entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts nicht die Verwaltungsvorgänge der geprüften Zuwendungsgeber oder die vom Bundesrechnungshof erstellten Prüfungsniederschriften, sondern allein die an den Bundesrechnungshof übermittelten Informationen. Bestätigt werde dieses Verständnis ferner durch einen Vergleich mit den Regelungen der Bundesländer. Der Anspruch sei auch nicht durch § 3 Nr. 1e IFG ausgeschlossen. Der Bundesrechnungshof sei entgegen seiner Darstellung nicht auf eine Zusammenarbeit mit den Zuwendungsempfängern angewiesen. Diese seien vielmehr nach der Bundeshaushaltsordnung verpflichtet, dem Bundesrechnungshof sämtliche für die Prüfung erforderlichen Informationen und Dokumente zu verschaffen. Dieses Erhebungsrecht bestehe auch dann, wenn der Erhebungsbetroffene - hier als Zuwendungsempfänger - nicht Prüfungsadressat, sondern nur Prüfungsbetroffener sei. Die Auffassung der Beklagten widerspreche zudem den international anerkannten Regeln der International Organization of Supreme Audit Institutions (INTOSAI) als Dachorganisation der Obersten Rechnungskontrollbehörden, deren Mitglied die Beklagte sei. Der Bundesrechnungshof könne sich auch nicht auf andere Ausschlusstatbestände berufen. Es sei davon auszugehen, dass inzwischen alle Prüfungen abgeschlossen seien, so dass § 4 IFG nicht anwendbar sei. Auch § 3 Nr. 4 IFG sei nicht einschlägig. Das Beratungsgeheimnis werde nicht verletzt, da keine Einsichtnahme in Entwürfe, sondern in die Prüfungsergebnisse begehrt werde; im Übrigen stünden die richterlichen Privilegien den Prüfungsbeamten nicht zu, so dass ein Großteil der Tätigkeit des Bundesrechnungshofs von der Ausnahmevorschrift nicht erfasst werde. Schließlich sei nicht substantiiert vorgetragen, dass die Prüfberichte personenbezogene Daten im Sinne des § 5 IFG http://www.justiz.nrw.de/nrwe/ovgs/ovg_nrw/j2011/8_A_2593_10urteil20111026.html                           4/21
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5/21/2014                                                      Oberverwaltungsgericht NRW, 8 A 2593/10 oder Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse im Sinne des § 6 IFG enthielten; überdies könne dem Schutz dieser Daten durch Schwärzung der entsprechenden Passagen Rechnung getragen werden. Der Kläger beantragt,                                                                                      26 die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides des Bundesrechnungshofs vom                 27 16. Oktober 2008 in der Gestalt seines Widerspruchsbescheides vom 15. Januar 2009 zu verpflichten, dem Kläger Kopien der jeweils abschließenden Prüfungsniederschrift (einschließlich Prüfungsvermerk und Übersendungsschreiben) von der jeweils letzten Prüfung folgender Organisationen G.        -F.     -Stiftung                                                        28 L.     -B.        -Stiftung                                                        29 I. -T.       -Stiftung                                                             30 I1.      -C. -Stiftung                                                             31 L1.          Zentralstelle für Entwicklung                                         32 F1.           Zentralstelle für Entwicklung                                        33 zu übersenden, soweit nicht im Einzelfall Ausschlussgründe nach § 3 Nr. 4, § 5 oder § 6 34 IFG entgegenstehen. Die Beklagte beantragt,                                                                                    35 die Berufung zurückzuweisen,                                                            36 und führt in Ergänzung ihres erstinstanzlichen Vortrags aus: Die Bezeichnung des                           37 Bundesrechnungshofs als Behörde in § 1 BRHG sei unerheblich, da für die Auslegung des Informationsfreiheitsgesetzes der materielle Behördenbegriff des § 1 Abs. 4 VwVfG maßgeblich sei. Der Bundesrechnungshof sei keine Behörde in diesem Sinne, da er bei der Prüfungstätigkeit keine Gesetze vollziehe, sondern vielmehr deren Vollzug durch die Verwaltung prüfe. Seine Bewertungen und Empfehlungen seien weder bindend noch vollstreckbar. Das Prüfungsverfahren sei kein Verwaltungsverfahren, da es weder auf den Erlass von Verwaltungsakten noch auf den Abschluss öffentlich-rechtlicher Verträge gerichtet sei. Der Bundesrechnungshof unterscheide sich auch aufgrund der Stellung seiner Mitglieder von der Exekutive, da diese richterliche Unabhängigkeit besäßen und er nach dem Vorbild der Gerichte in Spruchkörpern organisiert sei; der Präsident werde in einem aufwändigen Verfahren gewählt, an dem Exekutive und Legislative beteiligt seien. Am ehesten sei der Bundesrechnungshof mit den Bundesgerichten vergleichbar. Dies rechtfertige es, von einer verfassungsrechtlichen Sonderstellung des Bundesrechnungshofs zu sprechen. Der Ausnahmetatbestand des § 3 Nr. 1e IFG werde durch dieses Verständnis nicht überflüssig. Er schütze einerseits Informationen, die in der Präsidialabteilung vorhanden seien, und andererseits die geprüften Stellen des Bundes, in deren Akten sich sowohl die Prüfungsberichte des Bundesrechnungshofs als auch der Schriftverkehr mit den geprüften Stellen befinde. Diese Auffassung werde bestätigt durch die Informationsfreiheitsgesetze der Länder. Diese stellten - mit unterschiedlicher Regelungstechnik und unterschiedlichem Wortlaut - klar, dass die Prüfungs- und Beratungstätigkeit der Landesrechnungshöfe nicht in deren Anwendungsbereich falle. Die vom Kläger angeführten internationalen Prüfungsstandards der INTOSAI seien nicht verbindlich, sondern sprächen lediglich Empfehlungen aus; der Bundesrechnungshof habe zudem eine abweichende Meinung hierzu vertreten. Dem liege die Erwägung zugrunde, dass bei einer Veröffentlichung von Prüfungsergebnissen die sachliche Erörterung der Feststellungen und Empfehlungen in den tagespolitischen Streit gerate. Dadurch werde sich das Hauptinteresse der geprüften Stellen auf die Rechtfertigung ihrer bisherigen Verwaltungspraxis verlagern, was den Belangen der externen Finanzkontrolle schade. Die vertrauliche, enge Zusammenarbeit mit dem http://www.justiz.nrw.de/nrwe/ovgs/ovg_nrw/j2011/8_A_2593_10urteil20111026.html                                  5/21
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5/21/2014                                                      Oberverwaltungsgericht NRW, 8 A 2593/10 Rechnungsprüfungsausschuss stelle demgegenüber das wirksamere Mittel dar. Der Informationszugang sei im Übrigen auch gemäß § 3 Nr. 4 IFG i.V.m. § 43 DRiG abzulehnen, da der Bundesrechnungshof berechtigt und verpflichtet sei, das Beratungsgeheimnis seiner Mitglieder zu wahren. Soweit die Prüfungsniederschriften Anmerkungen, Bewertungen oder Änderungen von Mitgliedern des Rechnungshofs enthielten und daher Rückschlüsse auf die Willensbildung des Kollegiums erlaubten, seien sie geschützt. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und die            38 beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Bundesrechnungshofs Bezug genommen. Entscheidungsgründe:                                                                                     39 Die Berufung des Klägers ist zulässig und begründet.                                                     40 Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Unrecht abgewiesen. Der ablehnende Bescheid vom                  41 16. Oktober 2008 in der Form des Widerspruchsbescheides vom 15. Januar 2009 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten. Dem Kläger steht der geltend gemachte Anspruch auf Übersendung der Prüfungsniederschriften des Bundesrechnungshofs in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang zu (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO). Der Anspruch ergibt sich aus § 1 Abs. 1 Satz 1 des Gesetzes zur Regelung des Zugangs zu                  42 Informationen des Bundes - Informationsfreiheitsgesetz (IFG) - vom 5. September 2005. Nach dieser Norm besteht gegenüber den Behörden des Bundes ein Anspruch auf Zugang zu amtlichen Informationen. Der Bundesrechnungshof ist eine Behörde im Sinne dieser Norm (I.). Der Anspruch des Klägers auf Informationszugang wird weder durch § 3 Nr. 1e IFG (II.) noch - grundsätzlich durch § 3 Nr. 4 IFG (III.) noch durch die Subsidiaritätsklausel des § 1 Abs. 3 IFG i.V.m. § 4 Abs. 1 des Pressegesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen (PresseG NRW) vom 24. Mai 1966 (GV. NRW. 1966, 340), zuletzt geändert durch Gesetz vom 18. November 2008 (GV. NRW. S. 706), ausgeschlossen (IV.). I. Der Bundesrechnungshof ist eine Behörde im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 1 IFG. Diese Norm                43 erfasst alle Stellen des Bundes, die öffentlich-rechtliche Verwaltungsaufgaben wahrnehmen (1). Ausgenommen vom Anwendungsbereich des Informationsfreiheitsgesetzes sind lediglich Tätigkeiten der Gesetzgebung und der Rechtsprechung, nicht aber auch "sonstige unabhängige Tätigkeiten" (2). Der Bundesrechnungshof nimmt öffentlich-rechtliche Verwaltungsaufgaben wahr (3). 1. Behörde im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 1 IFG ist jede Stelle, die öffentlich-rechtliche                 44 Verwaltungsaufgaben wahrnimmt. Dies ergibt sich aus dem für das Informationsfreiheitsgesetz maßgeblichen Behördenbegriff (a). Aus § 1 Abs. 1 Satz 2 IFG ergibt sich mangels eigenständigen Regelungsgehalts nichts Abweichendes (b). Der somit maßgebliche Begriff der öffentlich- rechtlichen Verwaltungsaufgaben ist in Abgrenzung zu Gesetzgebung und Rechtsprechung zu bestimmen (c). a) Der Begriff der Behörde ist im IFG nicht definiert; er entspricht jedoch nach der                     45 Gesetzesbegründung dem materiell-funktionalen Behördenbegriff des § 1 Abs. 4 VwVfG. Entwurf eines Gesetzes zur Regelung des Zugangs zu Informationen des Bundes           46 (Informationsfreiheitsgesetz - IFG), Deutscher Bundestag, Drucksache 15/4493, S. 7; OVG NRW, Urteil vom 2. November 2010 - 8 A 475/10 -, ZLR 2011, 113 (zur Behördeneigenschaft der Lebensmittelkommission). Danach ist Behörde jede Stelle, die Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrnimmt. Dem                  47 Informationsfreiheitsgesetz liegt mithin ein weites funktionales Behördenverständnis zugrunde; auch Maßnahmen der Legislativorgane und der Gerichte werden erfasst, soweit sie als Verwaltungstätigkeit zu qualifizieren sind. Vgl. nur Schoch, Informationsfreiheitsgesetz, Kommentar, 2009, § 1 Rn. 78, und Rossi, 48 http://www.justiz.nrw.de/nrwe/ovgs/ovg_nrw/j2011/8_A_2593_10urteil20111026.html                               6/21
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5/21/2014                                                      Oberverwaltungsgericht NRW, 8 A 2593/10 Informationsfreiheitsgesetz, Handkommentar, 2006, § 1 Rn. 35. Ausgehend von § 1 Abs. 4 VwVfG sind Behörden ohne Rücksicht auf die konkrete Bezeichnung                  49 alle vom Wechsel der in ihnen tätigen Personen unabhängigen, mit hinreichender organisatorischer Selbständigkeit ausgestatteten Einrichtungen, denen Aufgaben der öffentlichen Verwaltung und entsprechende Zuständigkeiten zur eigenverantwortlichen Wahrnehmung übertragen sind. Vgl. Kopp/Ramsauer, VwVfG, 12. Auflage 2011, § 1 Rn. 51; Schmitz, in:                  50 Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 7. Auflage 2008, § 1 Rn. 241. Die Anknüpfung an § 1 Abs. 4 VwVfG bedeutet dagegen nicht, dass das                                       51 Verwaltungsverfahrensgesetz auch im Übrigen anwendbar sein muss; der Rückgriff erfolgt allein zur Begriffsbestimmung. Schoch, a.a.O., § 1 Rn. 79; vgl. auch Sitsen, Das Informationsfreiheitsgesetz des      52 Bundes, 2009, S. 99 f. Insbesondere ist nicht erforderlich, dass die Tätigkeit der Behörde gemäß § 9 VwVfG auf den               53 Erlass eines Verwaltungsaktes oder den Abschluss eines öffentlich-rechtlichen Vertrages gerichtet ist. Es genügt vielmehr schlicht-hoheitliches Verwaltungshandeln; dieses muss nicht gezielt auf den Rechtsverkehr einwirken, sondern es genügt eine faktische Bedeutung. OVG NRW, Urteil vom 2. November 2010 8 A 475/10 - , a.a.O., m.w.N.                     54 b) Etwas anderes folgt auch nicht aus § 1 Abs. 1 Satz 2 IFG. Nach dieser Norm gilt das                    55 Informationsfreiheitsgesetz auch für sonstige Bundesorgane und -einrichtungen, soweit sie öffentlich-rechtliche Verwaltungsaufgaben wahrnehmen. Die Vorschrift enthält aufgrund des weiten materiell-funktionalen Behördenbegriffs des § 1 Abs. 1 Satz 1 IFG keinen eigenen Regelungsgehalt, weil dieser Begriff "sonstige Organe und Einrichtungen des Bundes", denen organisationsrechtlich keine Behördenqualität zukommt, mit umfasst. Folglich hat § 1 Abs. 1 Satz 2 IFG gegenüber Satz 1 lediglich klarstellende Funktion; er verdeutlicht, dass auch Bundestag, Bundesrat, Bundesverfassungsgericht, Bundesgerichte und Bundesbank in den Anwendungsbereich einbezogen sind, soweit dort öffentlich-rechtliche Verwaltungsaufgaben wahrgenommen werden. BT-Drucksache 15/4493, S. 7 f.; Schoch, a.a.O., § 1 Rn. 90; Rossi, a.a.O., § 1 Rn. 35; 56 Berger/ Roth/Scheel, Informationsfreiheitsgesetz, 2006, § 1 Rn. 55. Hierfür spricht auch, dass der Begriff der "öffentlich-rechtlichen Verwaltungsaufgaben" in § 1 Abs. 1     57 Satz 2 IFG nicht anders zu verstehen ist als der für den materiell-funktionalen Behördenbegriff maßgebliche Begriff der "Aufgabe der öffentlichen Verwaltung" in § 1 Abs. 4 VwVfG. Insbesondere ist die Wahrnehmung von Verwaltungsaufgaben nicht auf die "innere" Verwaltung - die im Bereich des Bundesrechnungshofs durch die Präsidialabteilung erfolgt - beschränkt. c) Was als Aufgabe der öffentlichen Verwaltung anzusehen ist, bestimmt sich in Abgrenzung zu den          58 übrigen Staatsgewalten. Eine Aufgabe der öffentlichen Verwaltung liegt vor, wenn materiell Verwaltungstätigkeit ausgeübt          59 wird. Der materielle Verwaltungsbegriff knüpft an die ausgeübte Funktion bzw. den verfolgten Zweck der Tätigkeit an, unabhängig davon, wer sie ausübt. Als Verwaltung ist demnach das Handeln staatlicher Organe einzustufen, das nicht als Gesetzgebung oder Rechtsprechung anzusehen ist. OVG NRW, Urteil vom 7. Oktober 2010 8 A 875/09 -, juris, Rn. 37, m.w.N. (zu § 2        60 Abs. 1 IFG NRW); Ehlers, in: Erichsen/Ehlers, Allgemeines Verwaltungsrecht, 14. Auflage 2010, § 1 Rn. 7, 11; Schmitz, in: Stelkens/Bonk/Sachs, a.a.O., § 1 Rn. 253 m.w.N. Lediglich in Zweifelsfällen kann ergänzend auf positive Merkmale der Verwaltung zurückzugreifen           61 http://www.justiz.nrw.de/nrwe/ovgs/ovg_nrw/j2011/8_A_2593_10urteil20111026.html                                 7/21
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5/21/2014                                                      Oberverwaltungsgericht NRW, 8 A 2593/10 sein, wobei als Definition z.B. die eigenverantwortliche Erledigung der Aufgaben des Staates durch Maßnahmen in rechtlicher Bindung nach vorgegebener Zwecksetzung genannt wird. Ehlers, in: Erichsen/Ehlers, a.a.O., § 1 Rn. 11, unter Verweis (Fn. 18) auf Stern, Das   62 Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Band II, 1980, § 41, S. 738. Ob aus dem materiellen Begriff der Verwaltung bestimmte Tätigkeiten (z.B. Regierungstätigkeit,              63 militärische Kommandogewalt) von vornherein ausgenommen sind, Schmitz, in: Stelkens/Bonk/Sachs, a.a.O., § 1 Rn. 167; Ehlers, in: Erichsen/Ehlers,      64 a.a.O., § 1 Rn. 9, kann nicht generell-abstrakt bestimmt werden. Maßgeblich ist vielmehr die gesetzliche                       65 Bestimmung, die auf das Vorliegen einer Verwaltungstätigkeit im materiellen Sinne abstellt. Die Frage, ob inhaltlich Verwaltungstätigkeit vorliegt, ist daher im Rahmen der Auslegung des jeweiligen Gesetzes eigenständig zu bestimmen. So auch Ehlers, in: Erichsen/Ehlers, a.a.O., § 1 Rn. 12.                                 66 Aus diesem Grund kann auch die Frage, ob staatliche Einrichtungen und ihre einzelnen Tätigkeiten            67 immer einer der drei Staatsfunktionen zuzuordnen sind oder ob - worauf sich der Bundesrechnungshof hier beruft - auch Einrichtungen der "vierten Gewalt" oder "sui generis" anzuerkennen sind, vgl. ausführlich und m.w.N. zum Bundesrechnungshof Stern, a.a.O., § 34, S. 446 ff.;      68 ablehnend Brockmeyer, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Hopfauf, GG, 12. Auflage 2011, Art. 114 Rn. 8; Groß, VerwArch 2004, 194, 196 ff., nicht isoliert, sondern nur als einer von vielen Aspekten im Rahmen der Auslegung des § 1 Abs. 1            69 Satz 1 IFG berücksichtigt werden. Ausschlaggebend ist dabei nicht die verfassungsrechtliche Einordnung des Bundesrechnungshofs, sondern einerseits die Frage, ob neben Stellen mit rechtsprechender und gesetzgeberischer Funktion noch weitere staatliche Stellen von vorneherein dem Anwendungsbereich des Informationsfreiheitsgesetzes entzogen sind (dazu nachfolgend I 2), sowie andererseits die Frage, ob die konkrete Tätigkeit einer staatlichen Stelle mit rechtsprechender oder gesetzgeberischer Tätigkeit gleichzustellen ist und aus diesem Grund vom Anwendungsbereich des Informationsfreiheitsgesetzes ausgenommen ist (dazu unten I 3). 2. Ausgenommen vom Anwendungsbereich des Informationsfreiheitsgesetzes sind lediglich                       70 staatliche Stellen, die Funktionen der Rechtsprechung und der Gesetzgebung wahrnehmen. Weitere Ausnahmen sieht das Informationsfreiheitsgesetz nicht vor. Insbesondere sind - entgegen der Gesetzesbegründung - "sonstige unabhängige Tätigkeiten" nicht generell vom Anwendungsbereich des Informationsfreiheitsgesetzes ausgenommen, weil eine solche Ausnahme weder mit dem Wortlaut des § 1 Abs. 1 IFG (a), noch mit der Genese der Vorschrift (b), noch mit der Systematik (c) und auch nicht mit Sinn und Zweck des Informationsfreiheitsgesetzes (d) in Einklang steht. a) Aus dem Wortlaut des § 1 Abs. 1 IFG ergeben sich keine Anhaltspunkte dafür, dass "sonstige               71 unabhängige Tätigkeiten" - also Verwaltungsaufgaben, bezüglich derer eine fachliche Weisungsfreiheit eingeräumt ist - aus dem Anwendungsbereich des Informationsfreiheitsgesetzes ausgenommen sein sollen. Zwar wird in der Gesetzesbegründung zum Informationsfreiheitsgesetz ausgeführt, dass neben                  72 parlamentarischen Angelegenheiten und Rechtsprechung auch "sonstige unabhängige Tätigkeiten" vom Informationszugang ausgenommen bleiben sollen. BT-Drucks. 15/4493, S. 8. Dieses Verständnis wird in der Literatur vielfach              73 übernommen, vgl. z.B. Berger/Roth/Scheel, a.a.O., § 1 Rn. 63; Schoch, a.a.O., § 1 Rn. 90, 106 f. http://www.justiz.nrw.de/nrwe/ovgs/ovg_nrw/j2011/8_A_2593_10urteil20111026.html                                   8/21
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5/21/2014                                                      Oberverwaltungsgericht NRW, 8 A 2593/10 Maßgebend für die Auslegung einer Gesetzesvorschrift ist jedoch vor allem der in dieser zum             74 Ausdruck kommende objektivierte Wille des Gesetzgebers, so wie er sich aus dem Wortlaut der Gesetzesbestimmung und dem Sinnzusammenhang ergibt. Die Entstehungsgeschichte einer Vorschrift hat für ihre Auslegung nur insoweit Bedeutung, als sie die Richtigkeit eines nach dem Wortlaut der Gesetzesbestimmung und ihrem Sinnzusammenhang ermittelten Auslegungsergebnisses bestätigt oder Zweifel behebt, die auf dem angegebenen Weg allein nicht ausgeräumt werden können. BVerfG, Urteil vom 21. Mai 1952 2 BvH 2/52 -, BVerfGE 1, 299 = juris, Rn. 56; Urteil 75 vom 17. Mai 1960 2 BvL 11/59, 2 BvL 11/60 -, BVerfGE 11, 126 = juris, Rn. 19. Die Gesetzesbegründung lässt schon nicht hinreichend erkennen, was unter "unabhängigen                  76 Tätigkeiten" zu verstehen sein soll. Sie nennt aus dem exekutiven Bereich allein die Bundesbank als Beispiel für eine unabhängige Einrichtung; auch als Beispiel für "sonstige unabhängige Tätigkeiten" werden allein die geld- und währungspolitischen Beratungen der Deutschen Bundesbank vor Beginn der Wirtschafts- und Währungsunion aufgeführt. BT-Drucks. 15/4493, S. 8                                                             77 Unabhängigkeit im Sinne einer Weisungsfreiheit ist im Bereich der Verwaltung z.B. auch dem              78 Bundespersonalausschuss (§§ 119 Abs. 2, 121 Nr. 1 BBG), dem Bundesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit (§ 22 Abs. 4 Satz 2 BDSG - allerdings mit Einschränkung in S. 3) und den Vergabekammern beim Bundeskartellamt (§ 105 Abs. 1, 4 GWB) eingeräumt. Dass u.a. alle diese Verwaltungsaufgaben aus dem Anwendungsbereich des Informationsfreiheitsgesetz ausgenommen sein sollen, lässt sich § 1 Abs. 1 Sätze 1 und 2 IFG nicht entnehmen. Deren Wortlaut ist vielmehr weit gefasst und umfasst alle Verwaltungsaufgaben unabhängig von einer hierfür eingeräumten Weisungsfreiheit oder -gebundenheit. b) Die Genese der Norm spricht ebenfalls dagegen, alle "sonstigen unabhängigen Tätigkeiten"             79 dem Anwendungsbereich des Informationsfreiheitsgesetzes zu entziehen. Ausweislich der Gesetzesbegründung hat der Gesetzgeber vor Erlass des Gesetzes die bereits bestehenden Informationsgesetze der Länder ausgewertet. BT-Drucksache 15/4493, S. 7.                                                         80 In den Informationsgesetzen von Brandenburg, Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen                 81 werden die Landesrechnungshöfe ausdrücklich genannt und in unterschiedlicher Weise vom Informationszugang ausgenommen. § 3 Abs. 3 Nr. 3 des Informationsfreiheitsgesetzes für das Land Schleswig-Holstein vom 9. Februar 2000 bestimmt, dass der Landesrechnungshof keine Behörde im Sinne dieser Vorschrift ist, soweit er in richterlicher Unabhängigkeit tätig wird. Gemäß § 2 Abs. 2 Satz 2 des Informationsfreiheitsgesetzes Nordrhein-Westfalen vom 27. November 2001 und gemäß § 2 Abs. 2 Satz 1 des Akteneinsichts- und Informationszugangsgesetzes Brandenburg vom 10. März 1998 i.V.m. § 1 Abs. 3 Nr. 1 des Landesorganisationsgesetzes Brandenburg vom 24. Mai 2004 gilt der Informationsanspruch für den jeweiligen Landesrechnungshof nur, soweit er Verwaltungsaufgaben wahrnimmt. Im Berliner Informationsfreiheitsgesetz wird der Rechnungshof nicht gesondert erwähnt. Vgl. zum Überblick über alle Landesregelungen Reus/Mühlhausen, NVwZ-Extra 2010,      82 Heft 10, S. 2 f. Trotz Kenntnis dieser Landesgesetze hat der Bundesgesetzgeber weder den Bundesrechnungshof              83 noch die "sonstigen unabhängigen Tätigkeiten" ausdrücklich vom Anwendungsbereich des Informationsfreiheitsgesetzes ausgenommen. Das spricht dafür, dass der Anwendungsbereich nicht eingeschränkt werden sollte. c) Entscheidend für die Auslegung des § 1 Abs. 1 IFG ist jedoch unter systematischen                    84 Gesichtspunkten die Existenz des Ausnahmetatbestandes des § 3 Nr. 1e IFG. Dieser Ausnahmetatbestand ist aufgrund der Erwähnung der "externen Finanzkontrolle" auf den http://www.justiz.nrw.de/nrwe/ovgs/ovg_nrw/j2011/8_A_2593_10urteil20111026.html                              9/21
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5/21/2014                                                      Oberverwaltungsgericht NRW, 8 A 2593/10 Bundesrechnungshof zugeschnitten. Nach der Gesetzesbegründung zum Informationsfreiheitsgesetz erfasst der Begriff der externen Finanzkontrolle die Prüfung der finanzwirtschaftlichen Aktivitäten der öffentlichen Hand durch von der geprüften Verwaltung unabhängige Einrichtungen; diese Kontrolle nimmt im Zuständigkeitsbereich des Bundes allein der Bundesrechnungshof wahr. § 3 Nr. 1e IFG umfasst Informationen, die der Bundesrechnungshof (einschließlich der ihn unterstützenden Prüfungsämter) im Rahmen seiner Prüfungs- und Beratungstätigkeit erlangt. BT-Drucks. 15/4493, S. 10.                                                               85 Der Gesetzgeber hat mit den Ausnahmetatbeständen des § 3 IFG keine umfassenden                              86 Bereichsausnahmen für ganze Behörden normiert; lediglich für den Bereich des Bundesnachrichtendienstes hat er in § 3 Nr. 8 IFG eine Bereichsausnahme geschaffen. BVerwG, Urteil vom 24. Mai 2011 7 C 6.10 -, NVwZ 2011, 1012 = juris, Rn. 13 (zu § 3 87 Nr. 1d IFG); HessVGH, Beschluss vom 2. März 2010 6 A 1684/08 -, NVwZ 2010, 1036 = juris, Rn. 15; Jastrow/Schlatmann, Informationsfreiheitsgesetz, 2006, § 3 Rn. 5; Schoch, a.a.O., Vorb §§ 3 bis 6 Rn. 35. Für die Tatbestände des § 3 Nr. 1 IFG ergibt sich dies insbesondere daraus, dass sie jeweils                88 voraussetzen, dass das Bekanntwerden der Information nachteilige Auswirkungen auf das jeweilige Schutzgut hat. Für den auf eine Einzelfallbeurteilung ausgerichteten Ausnahmetatbestand des § 3 Nr. 1e IFG                 89 verbliebe kein nennenswerter Anwendungsbereich, wenn "sonstige unabhängige Tätigkeiten" und damit u.a. auch die gesamte Prüftätigkeit des Bundesrechnungshofs aus dem Anwendungsbereich des Informationsfreiheitsgesetzes ausgenommen wären. Entgegen der Auffassung der Beklagten lässt sich dem nicht entgegenhalten, dass § 3 Nr. 1e IFG              90 auf die für die interne Verwaltung zuständige Präsidialabteilung des Bundesrechnungshofs (vgl. § 2 Abs. 2 Satz 3 BRHG) sowie die in den Akten der geprüften Behörden befindlichen Prüfungsmitteilungen Anwendung finde. Ein solches Verständnis ist mit dem Wortlaut des § 3 Nr. 1e IFG nicht zu vereinbaren. Denn diese Bestimmung ist gerade auf die externe Finanzkontrolle und damit auf die Prüfungs- und Beratungstätigkeit des Bundesrechnungshofs zugeschnitten. Vgl. BT-Drucks. 15/4493, S. 10.                                                          91 d) Sinn und Zweck des Informationsfreiheitsgesetzes sprechen ebenfalls für einen weiten                     92 Anwendungsbereich. Der Zugang zu Informationen und die Transparenz behördlicher Entscheidungen sind eine wichtige Voraussetzung für die effektive Wahrnehmung von Bürgerrechten. Das Informationsfreiheitsgesetz dient daher vor allem der demokratischen Meinungs- und Willensbildung in der modernen Informationsgesellschaft. Durch die Informationszugangsrechte soll die Kontrolle staatlichen Handelns verbessert und die Akzeptanz staatlichen Handelns gestärkt werden. Das Informationsfreiheitsgesetz ermöglicht daher in Abkehr von den bisherigen Grundsätzen des Aktengeheimnisses und der Vertraulichkeit der Verwaltung einen Informationszugang ohne Voraussetzungen. Die demokratischen Beteiligungsrechte werden zudem durch eine Umkehrung des Regel-Ausnahme-Verhältnisses gestärkt, weil die Behörde das Vorliegen von Ausnahmen zum Zugang darlegen muss. BT-Drucks. 15/4493, S. 6, unter I und II.; vgl. auch BVerwG, Beschluss vom 9. November 93 2010 7 B 43.10 -, NVwZ 2011, 235 f. = juris, Rn. 9; HessVGH, Beschluss vom 2. März 2010 6 A 1684/08 -, NVwZ 2010, 1036 = juris, Rn. 17, Vor diesem Hintergrund ist davon auszugehen, dass Ausnahmen vom Anwendungsbereich des                       94 Informationsfreiheitsgesetzes nur dann anzuerkennen sind, wenn diese ausdrücklich vorgesehen sind. Dies trifft auf die "sonstigen unabhängigen Tätigkeiten" gerade nicht zu. 3. Der Bundesrechnungshof nimmt öffentlich-rechtliche Verwaltungsaufgaben im Sinne des § 1                  95 http://www.justiz.nrw.de/nrwe/ovgs/ovg_nrw/j2011/8_A_2593_10urteil20111026.html                                  10/21
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