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Aktenzeichen
MV OVG 2 M 66/12 2013 LPG
Datum
12. Februar 2013
Gericht
Oberverwaltungsgericht Mecklenburg-Vorpommern
Gesetz
Pressegesetz für das Land Mecklenburg-Vorpommern (Landespressegesetz - LPrG M-V)
Pressegesetz für das Land Mecklenburg-Vorpommern (Landespressegesetz - LPrG M-V)

Beschluss: Oberverwaltungsgericht Mecklenburg-Vorpommern am 12. Februar 2013

MV OVG 2 M 66/12 2013 LPG

1. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts is der Antragsgegner nicht berechtigt, die erbetene Auskunft nach § 4 Abs. 3 LPrG, insbesondere nach § 4 Abs. 3 Nr.3 (Geheimhaltung oder Datenschutz) zu verweigern. Es gibt verfassungsmässig legitimierte staatliche Aufgaben, deren Erfüllung der Natur der Sache nach Geheimhaltung erfordert. Das gilt insbesondere für Erkenntnisse und Arbeitsweisen der Sicherheitsbehörden, zu denen auch die Bundesämter für Verfassungsschutz gehören. Es ist nichts dafür ersichtlich, dass mit der Beantwortung der hier in Streit stehenden Frage jetzt noch die Erfüllung der Aufgaben sowie die Arbeitsweise der Sicherheitsbehörden gefährdet werden könnte. Dann steht dem Antragsgegner kein Weigerungsrecht zur Seite. 2. Hinsichtlich der Frage 2) (Höhe der Geldzahlungen) hat der Antragsteller keinen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht. Es kann hier nicht mit (weit) überwiegender Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden, dass mit der begehrten Auskunftserteilung der Schutz der Informationsquellen und/oder die Arbeitsweise der Sicherheitsbehörden gefährdet wird.

Geheimhaltung Einstweilige Anordnung: Geldzahlungen an V-Leute in der rechtsextremen Szene Höhe der Geldzahlungen

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OBERVERWALTUNGSGERICHT MECKLENBURG-VORPOMMERN Aktenzeichen : 2M 66/12 1 B 184/12 - VG Schwerin - BESCHLUSS ln dem Verwaltungsstreitverfahren B. , B-Straße, B-Stadt Proz.-Bev.: Rechtsanwälte Dr. C., C-Straße, C-Stadt - Antragsteller und Beschwerdeführer - gegen Ministerium für Inneres und Sport Mecklenburg-Vorpommern, Alexandrinenstraße 1, 19055 Schwerin Proz. -Bev.: Rechtsanwälte A. , A-Straße, A-Stadt - Antragsgegner und Beschwerdegegner- wegen
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- 2-                                2M 66/12 Film- und Presserecht hat der 2. Senat des Oberverwaltungsgerichts Mecklenburg-Vorpommern am 12.02.2013 durch den Vorsitzenden Richter am Oberverwaltungsgericht Tiedje , die Richterin am Oberverwaltungsgericht ter Veen und den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgericht Seppelt beschlossen: Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Verwaltungsgerichts Schwerin -1. Kammer- vom 11. April 2012 teilweise geändert: Der Antragsgegner wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, dem An- tragsteller darüber Auskunft zu erteilen, ob es seitens des Antragsgegners Erkennt- nisse darüber gibt, dass Geldzahlungen an sogenannte V-Leute in der rechtsextre- men Szene in Mecklenburg-Vorpommern oder Teile dieser Geldzahlungen in den Aufbau rechtsextremer Strukturen oder in rechtsextreme Propaganda geflossen sind. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen. Die Beteiligten tragen die Kosten des Verfahrens je zur Hälfte. Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 5.000,- Euro festgesetzt. Gründe: Mit angegriffenem Beschluss hat das Verwaltungsgericht es abgelehnt, den Antragsgeg- ner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, dem Antragsteller Auskunft zu erteilen, (1 .) ob es seitens des Antragsgegners Erkenntnisse darüber gibt, dass Geldzah- lungen an sog. V-Leute in der rechtsextremen Szene in Mecklenburg-Vorpommern oder Teile davon in den Aufbau rechtsextremer Strukturen oder in rechtsextreme Propaganda in Mecklenburg-Vorpommern geflossen sind und (2.) falls ja, um Geldzahlungen in wel- cher Höhe es sich hierbei handelt. Zur Begründung hat das Verwaltungsgericht im We-
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- 3-                                  2M 66/12 sentlichen auf die Ausführungen in dem dortigen Beschluss vom 06. März 2012 - 1 B 90/12 - Bezug genommen. Danach fehle es jedenfalls an dem erforderlichen Anord- nungsanspruch. Der Antragsgegner sei gemäß § 4 Abs. 3 Nr. 3 LPrG M-V berechtigt, die erbetene Auskunft zu verweigern, weil der begehrten AuskunftserteilunQ Vorschriften der Geheimhaltung entgegen stünden. Es sei schließlich auch nichts dafür ersichtlich , dass die fraglichen Vorgänge etwa nur deshalb als "geheim" bezeichnet worden seien , damit speziell Presseauskünfte vermieden werden könnten . Die dagegen gerichtete Beschwerde des Antragstellers hat teilweise Erfolg. Im Beschwerdeverfahren des vorläufigen Rechtsschutzes ist der Gegenstand der oberge- richtliehen Prüfung nach § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO darauf beschränkt, den angefochte- nen Beschluss des Verwaltungsgerichts anhand derjenigen Gründe zu überprüfen, die der Beschwerdeführer darlegt. Vor diesem Hintergrund verlangt das Darlegungserfordernis von dem Beschwerdeführer, dass die Beschwerdebegründung auf die rechtlichen oder tatsächlichen Erwägungen eingeht, auf die das Verwaltungsgericht seine Entscheidung gestützt hat. Die Beschwerdebegründung muss an die tragenden Erwägungen des Ver- waltungsgerichts anknüpfen und aufzeigen, weshalb sich diese aus der Sicht des Be- schwerdeführers nicht als tragfähig erweisen bzw. aus welchen rechtlichen oder tatsächli- chen Gründen der Ausgangsbeschluss unrichtig sein soll und geändert werden muss. Dies erfordert eine Prüfung, Sichtung und rechtliche Durchdringung des Streitstoffes und damit eine sachliche Auseinandersetuzung mit den Gründen des angefochtenen Be- schlusses. Der Beschwerdeführer muss sich insofern an der Begründungsstruktur der an- gegriffenen Entscheidung orientieren. Grundsätzlich reicht eine bloße Wiederholung des erstinstanzliehen Verbringens ohne Eingehen auf die jeweils tragenden Erwägungen des Verwaltungsgerichts ebenso wenig aus wie bloße pauschale oder formelhafte Rügen. Stützt das Verwaltungsgericht sein Ergebnis alternativ auf mehrere Begründungen, muss die Beschwerde alle Begründungen aufgreifen, sich mit diesen auseinandersetzen und sie in Zweifel ziehen . Geht die Beschwerdebegründung auf nur eine Erwägung nicht ein, die die angefochtene Entscheidung selbständig trägt bzw. lässt sie unangefochten, bleibt der Beschwerde schon aus diesem Grund der Erfolg versagt. Diese Anforderungen an die Beschwerdebegründung sind für einen Beschwerdeführer mit Blick auf den vor dem Ober- verwaltungsgericht geltenden Vertretungszwang auch zumutbar. 1. Das Beschwerdevorbringen rechtfertigt hinsichtlich des Antrages zu 1. ein für den An- tragsteller günstigeres Ergebnis.
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- 4-                                   2M 66/12 Nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO ist eine einstweilige Anordnung auch zur Regelung ei- nes vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen , um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern , nötig erscheint. Diese Voraussetzun- gen liegen vor, denn der Antragsteller hat hinsichtlich seines Antrages zu 1. sowohl einen Anordnungsanspruch als auch einen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht, § 123 abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs . 2 und § 294 ZPO. / Der Anordnungsanspruch ergibt sich aus § 4 Abs. 2 LPrG M-V, wonach die Behörden verpflichtet sind , den Vertretern der Presse die der Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgabe dienenden Auskünfte zu erteilen. Der Antragsteller gehört als ausgewiesener Vertreter der Presse zu den auskunftsberechtigten Personen und begehrt Auskunft über Fakten in Be- zug auf einen bestimmten Tatsachenkomplex, nämlich zu der Frage nach etwaigen Er- kenntnissen über Geldzahlungen an sogenannte V-Leute in der rechtsextremen Szene in Mecklenburg-Vorpommern bzw. danach, ob Erkenntnisse darüber vorliegen, dass Teile dieser Geldzahlungen in den Aufbau rechtsextremer Strukturen oder in rechtsextreme Propaganda geflossen sind. Das Auskunftsbegehren erfolgt auch zur Erfüllung der öffent- lichen Aufgabe der Presse, die darin liegt, dass sie in Angelegenheiten von öffentlichem Interesse Nachrichten beschafft und verbreitet, Stellung nimmt, Kritik übt oder in anderer Weise an der Meinungsbildung mitwirkt (vgl. Löffler/Burkhardt, § 4 LPG Rz. 78). Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts ist der Antragsgegner nicht berechtigt, die erbetene Auskunft nach § 4 Abs . 3 LPrG, insbesondere nach § 4 Abs. 3 Nr. 3 LPrG zu verweigern. Nach der letztgenannten Vorschrift können Auskünfte verweigert werden , so- weit Vorschriften über die Geheimhaltung oder den Datenschutz entgegenstehen. Ge- heimhaltungsvorschriften sind danach Vorschriften , die öffentliche Geheimnisse schützen sollen und eine auskunftsverpflichtete Behörde zumindest auch zum Adressaten haben (Löffler/Burkhardt, § 4 LPG Rz. 100). Von § 4 Abs . 3 Nr. 3 LPrG ebenfalls umfasst sind die sogenannten Verschlusssachen , das heißt Vorgänge , die auf Grund allgemeiner Ver- waltungsvorschritten als "geheim" bezeichnet worden sind. Dass darunter allerdings nicht ein Vorgang zu verstehen ist, der nur deswegen als geheim bezeichnet ist, damit speziell Presseauskünfte vermieden werden können , ist selbstverständlich (Löffler/Burkhardt, a.a.O.). Es gibt verfassungsmäßig legitimierte staatliche Aufgaben , deren Erfüllung der Natur der Sache nach Geheimhaltung erfordert (BVerwG, Urt. v. 21 .03.1986- 7 C 71/83 - zit. nach juris). Das gilt insbesondere für Erkenntnisse und Arbeitsweisen der Sicherheits- behörden, zu denen auch die Ämter für Verfassungsschutz gehören. Die Erfüllung ihrer Aufgaben würde erheblicherwert oder unmöglich gemacht, wenn die gewonnenen Er-
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- 5-                                 2M 66/12 kenntnisse auf Verlangen mitgeteilt werden müssten (OVG C-Stadt-Brandenburg, B. v. 11.11.2010- OVG 10 S 32.10-, OVG M-V, B. v. 20.11.2009- 12 P 4/09 -). So liegt der Fall hinsichtlich des mit dem Antrag zu 1. verfolgten Auskunftsbegehrens je- doch nicht. Das Vorbringen des Antragsgegners in seinem Schriftsatz vom 18. Juni 2012 mit Verweis auf seinen Schriftsatz vom 27. Februar 2012 sowie die darin genannten Pres- severöffentlichungen, ist so zu verstehen, dass eingeräumt wird, dass ihm unterstehende Sicherheitsbehörden Kontakte zu V-Leuten in der rechtsextremen Szene haben oder hat- ten . Diesem Verständnis ist der Antragsgegner auf die gerichtliche Verfügung vom 22. November 2012, in der auch auf die zahlreichen Meldungen im Zusammenhang mit der im Jahr 2012 geführten öffentlichen Diskussion um die Einrichtung eines zentralen V- Leute-Registers hingewiesen wurde, in seinem Schriftsatz vom 18. Dezember 2012 nicht entgegengetreten. Ebenfalls nicht entgegengetreten ist der Antragsgegner der in der ge- nannten Verfügung dargestellten Annahme, dass der Einsatz der V-Leute nicht kostenlos ist bzw. war. Berücksichtigt man ferner, dass das erste Auskunftsbegehren des An- tragstellers -vereinfacht ausgedrückt - mit "Ja" oder "Nein" beantwortet werden kann, ist nichts dafür ersichtlich, dass mit der Beantwortung der hier in Streit stehenden Frage jetzt noch die Erfüllung der Aufgaben sowie die Arbeitsweise der Sicherheitsbehörden gefähr- det werden könnte. Dann aber steht dem Antragsgegner kein Weigerungsrecht nach § 4 Abs . 3 Nr. 3 LPrG M-V zur Seite. Aus dem gleichen Grund kommen auch die übrigen Tat- bestände des§ 4 Abs. 3 LPrG M-V nicht in Betracht. Soweit dem Antragsteller danach ein Anspruch auf AuskunftserteilunQ zusteht, liegt auch ein Anordnungsgrund für den Erlass der begehrten einstweiligen Anordnung vor. Der An- tragsteller begehrt zwar eine Vorwegnahme der Hauptsache, die grundsätzlich dem We- sen und Zweck des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens widerspricht. Ein Abwarten auf den Ausgang eines noch anhängig zu machenden Hauptsacheverfahrens würde vorlie- gend jedoch den geltend gemachten Auskunftsanspruch auch mit Blick auf die aktuelle Berichterstattung über die vom Antragsteller angesprochenen Themen voraussichtlich faktisch leerlaufen lassen. 2. Hinsichtlich des Antrags zu 2. hat der Antragsteller hingegen keinen Anordnungsan- spruch glaubhaft gemacht. Insoweit ist der Antragsgegner berechtigt, die erbetenen Aus- künfte nach § 4 Abs. 3 Nr. 3 LPrG M-V zu verweigern . Unabhängig von der Frage, ob es dem Antragsgegner überhaupt tatsächlich möglich ist, anzugeben, in welcher Höhe an V- Leute gezahlte Beträge "in den Aufbau rechtsextremer Strukturen oder die rechtsextreme Propaganda geflossen" sind , kann unter Berücksichtigung der unter 1. gemachten Aus-
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- 6-                                 2M 66/12 führungen hier nicht mit (weit) überwiegender Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen wer- den, dass mit der begehrten AuskunftserteilunQ der Schutz der Informationsquellen und/oder die Arbeitsweise der Sicherheitsbehörden gefährdet wird. Die Frage, ob im Rahmen eines Beschwerdeverfahrens ein sogenanntes ln-Camera-Verfahren nach § 99 Abs. 2 VwGO durchzuführen ist (vgl. gerichtliches Schreiben vom 22. November 2012}, braucht hier nicht abschließend geklärt zu werden, da ein insofern notwendiger Antrag des Antragstellers nicht gestellt worden ist. Selbst dann, wenn sich die Berechtigung der Auskunftsverweigerung im Hauptsacheverfahren abschließend nur durch ein entspre- chendes ln-Camera-Verfahren nach§ 99 Abs. 2 VwGO geklärt werden könnte, wird damit entgegen der Auffassung des Antragstellers der presserechtliche Auskunftsanspruch ge- rade nisht vereitelt. Die Kostenentscheidung beruht auf§ 155 Abs. 1 VwGO; die Streitwertfestsetzung folgt aus den §§ 52 Abs. 2, 53 Abs. 2 GKG. Dieser Beschluss ist unanfechtbar, §§ 152 Abs. 1 VwGO, 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 GKG. Tiedje                              ter Veen                         Seppelt
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