Informationsfreiheit gebündelt, verschlagwortet und digitalisiert.

Die Entscheidungsdatenbank setzt Rechtssprechung in den Fokus und ermöglicht fundierte Recherchen zu aktuellen und vergangenen Urteilen und Entscheidungen rundum Informationsfreiheit.

Aktives Presserecht – Argumente für Auskünfte


Oft verweigern Behörden Auskünfte auf Anfragen von Journalist*innen. Sie berufen sich dabei in der Regel auf angebliche Ausnahmen nach den jeweils gültigen Landespressegesetzen. Häufig ist Unwissen der Grund für die Auskunftsverweigerung und nicht böser Wille. Als Teil des Projektes „Fragen und Antworten - Auskunftsrechte kennen und nutzen“, einer Kooperation mit Netzwerk Recherche, stärkt die Entscheidungsdatenbank das Wissen rundum Auskunftsrechte und hilft besser argumentieren zu können. Journalist*innen können für ihre Recherchen wichtige Urteile, Bescheide und Beschlüsse kostenlos im Volltext eingesehen und durchsuchen.

Information

Aktenzeichen
BER OVG 6 S 27.13 2013 LPG
Datum
8. August 2013
Gericht
Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg
Gesetz
Berliner Pressegesetz
Berliner Pressegesetz

Beschluss: Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg am 8. August 2013

BER OVG 6 S 27.13 2013 LPG

Hat ein Mitarbeiter Kenntnis von dienstlichen Vorgängen, die Gegenstand eines presserechtlichen Auskunftsbegehrens sind, kann die Behörde sich gegenüber dem Auskunftsverlangen nicht darauf berufen, dass ihr die begehrten Informationen nicht vorliegen.

Bezirksbürgermeister - Nebentätigkeit von Beamten und Angstellten

/ 3
PDF herunterladen
3/10/2014                                       OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 8. August 2013 - Az. OVG 6 S 27.13 die fr eie ju r istische Datenbank OVG Berlin-Brandenburg · Beschluss vom 8. August 2013 · Az. OVG 6 S 27.13 Gericht:              OVG Berlin-Brandenburg Datum:                8. Au gu st 2 01 3 Aktenzeichen:         OVG 6 S 2 7 .1 3 Typ:                  Beschlu ss Fundstelle:           openJu r 2 01 3 , 3 3 51 3 Verf ahrensgang: Hat ein Mitarbeiter Kenntnis von dienstlichen Vorgängen, die Gegenstand eines presserechtlichen Auskunftsbegehrens sind, kann die Behörde sich gegenüber dem Auskunftsverlangen nicht darauf berufen, dass ihr die begehrten Informationen nicht vorliegen. Tenor 2 Der Beschluss des Verwaltungsgerichts Berlin vom 4. Juni 2013 wird mit Ausnahme der Feststellung, dass sich der Antrag zu 3. erledigt hat, und der Streitwertfestsetzung geändert. 3 Dem Antragsgegner wird im Wege der einstweiligen Anordnung aufgegeben, dem Antragsteller Auskunft darüber zu geben, 4 1. wann die von Herrn Bezirksbürgermeister Heinz Buschkowsky für die Herstellung seines Buches „Neukölln ist überall“ beschäftigten vier Mitarbeiter des Bezirksamtes Neukölln dem Bezirksamt ihre Nebentätigkeit angezeigt haben und 5 2. welche der vier Mitarbeiter, die Herr Bezirksbürgermeister Heinz Buschkowsky für die Herstellung seines Buches in Nebentätigkeit beschäftigt hat, Beamte und welche Angestellte waren. 6 Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens beider Rechtszüge. 7 Der Wert des Beschwerdegegenstandes wird auf 5.000,00 Euro festgesetzt. Gründe 8 I. 9 Der Antragsteller ist Journalist und hat in mehreren Artikeln über die Entstehung des vom Bezirksbürgermeister des Bezirkes Neukölln von Berlin verfassten Buches „Neukölln ist überall“ berichtet. Vom Antragsgegner erbetene Auskünfte dazu, wann die in Nebentätigkeit für die Herstellung dieses Buches beschäftigten vier Mitarbeiter des Bezirksamtes ihre Nebentätigkeit angezeigt haben und welche von ihnen Beamte bzw. Angestellte sind, hat dieser nicht erteilt. Das Verwaltungsgericht hat mit Beschluss vom 4. Juni 2013 die auf Erteilung dieser Auskünfte gerichteten Anträge des Antragstellers abgelehnt. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Der Bezirksbürgermeister habe sich geweigert, die Namen der vier Mitarbeiter preiszugeben, weshalb dem Antragsgegner die begehrten Auskünfte tatsächlich nicht möglich seien. Eigene Nachforschungen in den Personalakten von Bezirksbediensteten seien nicht geeignet, den betroffenen Personenkreis sicher einzugrenzen, denn es sei nicht ersichtlich, ob lediglich im engeren dienstlichen Mitarbeiterkreis des Bezirksbürgermeisters zu suchen sei und ob die Mitarbeit an dem Buch überhaupt dienstlich angezeigt worden sei. Zudem erfasse der presserechtliche Auskunftsanspruch nur die Mitteilung von der Behörde bekannten Tatsachen, nicht jedoch die http://openjur.de/u/642023.print                                                                                             1/3
1

3/10/2014                                   OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 8. August 2013 - Az. OVG 6 S 27.13 presserechtliche Auskunftsanspruch nur die Mitteilung von der Behörde bekannten Tatsachen, nicht jedoch die Ermittlung ihr unbekannter Umstände, hier die Identität der Mitarbeiter als Voraussetzung für die Informationserteilung. Selbst wenn der Bezirksbürgermeister rechtlich gehalten sei, dem Antragsgegner seine diesbezüglichen Kenntnisse zu offenbaren, sei letzterer im Rahmen des presserechtlichen Auskunftsanspruchs nicht verpflichtet, dies zu erzwingen. 10 II. 11 Die zulässige Beschwerde des Antragstellers gegen die Ablehnung der o. g. Anträge in dem Beschluss des Verwaltungsgerichts ist begründet. Unter Zugrundelegung des für die Prüfung des Oberverwaltungsgerichts allein maßgeblichen Beschwerdevorbringens (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO) ist der erstinstanzliche Beschluss insoweit zu ändern. Der Antragsteller hat sowohl einen Anordnungsanspruch als auch einen hier wegen des Aktualitätsbezugs der Presse offenkundigen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht (§ 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO). 12 1. Gemäß § 4 Abs. 1 des Berliner Pressegesetzes – PrG Bln – sind die Behörden verpflichtet, den sich als solchen ausweisenden Vertretern der Presse zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgabe Auskünfte zu erteilen. Der Antragsteller ist unstreitig Pressevertreter im Sinne dieser Vorschrift. Er begehrt die hier strittigen Auskünfte auch zur Erfüllung der öffentlichen Aufgabe der Presse, indem er einen Beitrag zur Diskussion um die Entstehung des Buches leistet und hierbei der Frage nachgeht, ob es Unregelmäßigkeiten bei der Anzeige der Nebentätigkeiten der an der Erstellung des Buches beteiligten Bezirksamtsmitarbeiter und deren Behandlung durch den Antragsgegner gegeben hat. 13 Dem kann der Antragsgegner nicht mit Erfolg entgegenhalten, es bestehe kein entsprechendes Informationsinteresse der Öffentlichkeit. Einem solchen Interesse widerspricht es nicht, dass die Nebentätigkeiten abgeschlossen sind und nachträglich eine nach Auffassung der Senatsinnenverwaltung für Beamte erforderliche Nebentätigkeitsgenehmigung nicht mehr erteilt werden kann. Allein der Umstand, dass zumindest nach Auffassung der Senatsinnenverwaltung Rechtsfehler bei der Behandlung der Nebentätigkeitsanzeigen von Beamten, die an dem Buch mitgearbeitet haben, begangen wurden, kann eine für die Öffentlichkeit relevante Information darstellen. Soweit der Antragsgegner erstinstanzlich vorgetragen hat, es gebe keinen Anhaltspunkt für den vom Antragsteller ohne jede tatsächliche Grundlage in die Welt gesetzte Verdächtigung, dass Mitarbeiter während der Dienstzeit für das Buch herangezogen worden seien, steht dies einem Interesse an den hier begehrten Auskünften schon deshalb nicht entgegen, weil die Fragen, wann die Nebentätigkeiten angezeigt wurden und welchen Status die betroffenen Mitarbeiter aufweisen, mit dieser Verdächtigung nicht in einem inneren Zusammenhang stehen. 14 2. Das Auskunftsbegehren ist entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts auch nicht auf dem Antragsgegner nicht vorliegende Informationen gerichtet. Diese können vielmehr unschwer den Personalakten der Mitarbeiter, die an dem Buch mitgewirkt haben, entnommen werden. Um welche Mitarbeiter es sich handelt, ist jedenfalls dem Bezirksbürgermeister bekannt. Diese Informationen stellen kein „privates“ Wissen des Bezirksbürgermeisters dar, das dieser lediglich im Zusammenhang mit seiner Autorentätigkeit erlangt hat. Wie der Senat bereits in seinem Beschluss vom 13. März 2013 im Verfahren OVG 6 S 4.13 ausgeführt hat, handelt es sich vielmehr um Informationen, die dienstliche Vorgänge des Bezirksamtes erfassen und die der Bezirksbürgermeister zumindest auch in seiner amtlichen Funktion erhalten hat, denn er hat die betreffenden, ihm dienstlich unterstellten Mitarbeiter zu einer anzeige- oder genehmigungspflichtigen Nebentätigkeit, also zu einem dienstlich relevanten Handeln veranlasst. Der Bezirksbürgermeister ist auch verpflichtet, seine Kenntnisse dem Antragsgegner zu offenbaren. Eine spezielle Rechtsgrundlage für diese Verpflichtung ist nicht erforderlich, ein Beamter ist vielmehr bereits auf Grund seiner allgemeinen Dienstleistungs- und Treuepflicht dazu verpflichtet, den Dienstherrn über dienstlich erlangte, für diesen relevante Informationen in Kenntnis zu setzen. Der Antragsgegner kann sich nicht mit Erfolg darauf berufen, dass ihm wegen der Weigerung des Bezirksbürgermeisters, intern die Namen der betroffenen Mitarbeiter preiszugeben, die Erteilung der geforderten Auskunft objektiv unmöglich sei. Es ist nicht absehbar, ob der Bezirksbürgermeister, sofern der Antragsgegner gerichtlich zur Erteilung der Auskunft verpflichtet wird und diese Verpflichtung ggf. in einem Vollstreckungsverfahren durchgesetzt werden soll, seine Auffassung nicht überdenkt, um Schaden von seinem Bezirk abzuwenden. Außerdem könnte sich auch die Senatsinnenverwaltung angesichts der dann geänderten Sachlage zu einem Einschreiten gegen den Bezirksbürgermeister veranlasst sehen. Dass dem Bezirksbürgermeister, der, wie der Antragsgegner selbst vorträgt, nicht zur Anzeige der Nebentätigkeiten seiner Mitarbeiter verpflichtet war, mit der Preisgabe der Namen eine Selbstbezichtigungspflicht auferlegt wird, ist nicht ersichtlich. 15 3. Der Antragsgegner ist ferner nicht gemäß § 4 Abs. 2 PrG Bln berechtigt, die begehrten Auskünfte zu verweigern. Der Erteilung der Auskünfte steht weder eine Vorschrift über die Geheimhaltung (Nr. 1 der Regelung) noch ein schutzwürdiges privates Interesse (Nr. 4 der Regelung) entgegen. Es kann dahingestellt sein, ob die erstinstanzlich vom Antragsgegner angeführte Vorschrift des § 88 Abs. 2 Satz 1 des Landesbeamtengesetzes Berlin eine Vorschrift über die Geheimhaltung i.S.d. § 4 Abs. 2 Nr. 1 PrG Bln darstellt. Diese Regelung, der zufolge Auskünfte aus den Personalakten nur mit Einwilligung des betroffenen Beamten erteilt werden dürfen, es http://openjur.de/u/642023.print                                                                                                   2/3
2

3/10/2014                                   OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 8. August 2013 - Az. OVG 6 S 27.13 zufolge Auskünfte aus den Personalakten nur mit Einwilligung des betroffenen Beamten erteilt werden dürfen, es sei denn, dass die Abwehr einer erheblichen Gemeinwohlbeeinträchtigung oder der Schutz berechtigter, höherrangiger Interessen die Auskunftserteilung zwingend erfordert, dient jedenfalls dem Persönlichkeitsschutz, greift also nur ein, wenn Auskünfte aus den Personalakten von namentlich genannten oder identifizierbaren Beamten in Rede stehen. Auch schutzwürdige private Interessen der von der begehrten Auskunft betroffenen Beamten und Angestellten stehen der Auskunftserteilung nur dann entgegen, wenn die Betroffenen identifizierbar sind. Die begehrten Informationen lassen allerdings weder eine Identifizierung der als Mitarbeiter an dem Buch tätig gewesenen Beamten und Angestellten noch eine nennenswerte Einschränkung des in Betracht kommenden Personenkreises zu. Die Mitteilung des Zeitpunkts der jeweiligen Nebentätigkeitsanzeige ermöglicht eine Identifizierung offensichtlich nicht. Dasselbe gilt, soweit der Antragsteller wissen möchte, welche der Mitarbeiter Beamte und welche Angestellte sind. Wie der Antragsgegner im Verfahren OVG 6 S 4.13 mitgeteilt hat, verfügt das Bezirksamt Neukölln über ca. 1.500 Beschäftigte, in dem Dienstbereich, für den der Bürgermeister tätig ist, sind allein 400 Mitarbeiter tätig. Dass die an dem Buch beteiligten Personen aus dem unmittelbaren dienstlichen Umkreis des Bezirksbürgermeisters stammen, ist den begehrten Informationen nicht zu entnehmen, stellt vielmehr lediglich eine Mutmaßung des Antragsgegners dar, da diesem, wie er vorträgt, nicht positiv bekannt ist, wer die Mitarbeiter aus dem Bezirksamt waren. 16 4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 1, § 52 Abs. 2 GKG. 17 Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG). Permalink: http://openjur.de/u/642023.html http://openjur.de/u/642023.print                                                                                                 3/3
3

Das Projekt „Fragen und Antworten - Auskunftsrechte kennen und nutzen“ wird gefördert von: