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Aktives Presserecht – Argumente für Auskünfte


Oft verweigern Behörden Auskünfte auf Anfragen von Journalist*innen. Sie berufen sich dabei in der Regel auf angebliche Ausnahmen nach den jeweils gültigen Landespressegesetzen. Häufig ist Unwissen der Grund für die Auskunftsverweigerung und nicht böser Wille. Als Teil des Projektes „Fragen und Antworten - Auskunftsrechte kennen und nutzen“, einer Kooperation mit Netzwerk Recherche, stärkt die Entscheidungsdatenbank das Wissen rundum Auskunftsrechte und hilft besser argumentieren zu können. Journalist*innen können für ihre Recherchen wichtige Urteile, Bescheide und Beschlüsse kostenlos im Volltext eingesehen und durchsuchen.

Information

Aktenzeichen
BER OVG 6 S 4.13 2013 LPG
Datum
13. März 2013
Gericht
Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg
Gesetz
Berliner Pressegesetz
Berliner Pressegesetz

Beschluss: Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg am 13. März 2013

BER OVG 6 S 4.13 2013 LPG

Zieht ein Bezirksbürgermeister ihm dienstlich unterstellte Mitarbeiter seines Bezirksamtes zur Ausübung einer anzeige- bzw. genehmigungspflichtigen Nebentätigkeit heran, veranlasst er sie zu einem dienstlich relevanten Handeln. Die Kenntnis, die er hierdurch zwangsläufig von den betreffenden Nebentätigkeiten erhalten hat, hat er auch in seiner Funktion als Bezirksbürgermeister erhalten. Einem presserechtlichen Auskunftsanspruch kann in einem solchen Fall nicht entgegengehalten werden, diese Kenntnis sei die Privatangelegenheit des Bezirksbürgermeisters.

Bezirksbürgermeister - Nebentätigkeit von Beamten und Angstellten

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3/10/2014                                         OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 13. März 2013 - Az. OVG 6 S 4.13 die fr eie ju r istische Datenbank OVG Berlin-Brandenburg · Beschluss vom 13. März 2013 · Az. OVG 6 S 4.13 Gericht:             OVG Berlin-Brandenburg Datum:               1 3 . Mär z 2 01 3 Aktenzeichen:        OVG 6 S 4 .1 3 Typ:                 Beschlu ss Fundstelle:          openJu r 2 01 3 , 2 001 1 Verf ahrensgang:       VG 27 L 264.12 v or her Öffentliches Recht Presse- und Äußerungsrecht Verwaltungsrecht §§ 4 Abs. 2 , 4 Abs. 1 BlnPrG Zieht ein Bezirksbürgermeister ihm dienstlich unterstellte Mitarbeiter seines Bezirksamtes zur Ausübung einer anzeige- bzw. genehmigungspflichtigen Nebentätigkeit heran, veranlasst er sie zu einem dienstlich relevanten Handeln. Die Kenntnis, die er hierdurch zwangsläufig von den betreffenden Nebentätigkeiten erhalten hat, hat er auch in seiner Funktion als Bezirksbürgermeister erhalten. Einem presserechtlichen Auskunftsanspruch kann in einem solchen Fall nicht entgegengehalten werden, diese Kenntnis sei die Privatangelegenheit des Bezirksbürgermeisters. Tenor 2 Die Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Berlin vom 14. Januar 2013 wird zurückgewiesen. 3 Der Antragsgegner trägt die Kosten der Beschwerde. 4 Der Wert des Beschwerdegegenstandes wird auf 5.000 Euro festgesetzt. Gründe 5 Der Antragsteller ist Journalist und begehrt vom Antragsgegner, ihm folgende Auskünfte zu erteilen: 6 1. Wie viele Mitarbeiter des Bezirksamtes Neukölln (Beamte, Angestellte) waren außer Bezirksbürgermeister H... B... in Nebentätigkeit für die Erstellung von dessen Buch "Neukölln ist überall" beschäftigt? 7 2. Wurden die unter 1. genannten Nebentätigkeiten des Mitarbeiters oder der Mitarbeiter außerhalb der Arbeitszeit ausgeführt? 8 Das Verwaltungsgericht hat den Antragsgegner im Wege einstweiliger Anordnung verpflichtet, die von diesem verweigerten Auskünfte zu erteilen. 9 Die dagegen vom Antragsgegner erhobene Beschwerde ist zulässig, aber unbegründet. Der Antragsteller hat einen Auskunftsanspruch mit der für die Vorwegnahme der Hauptsache erforderlichen hohen Wahrscheinlichkeit glaubhaft gemacht. Die Anordnung ist auch zur Abwendung drohender Nachteile erforderlich. Das Beschwerdevorbringen rechtfertigt keine abweichende Wertung (vgl. § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO). 10 1. Das Verwaltungsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass sich der Auskunftsanspruch des Antragstellers aus § 4 Abs. 1 des Berliner Pressegesetzes 1- PrG Bln - ergibt. Nach dieser Vorschrift sind die Behörden verpflichtet, den Vertretern der Presse, die sich als solche ausweisen, zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgabe Auskünfte zu erteilen. http://openjur.de/u/617910.print                                                                                                            1/3
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3/10/2014 Auskünfte zu erteilen.            OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 13. März 2013 - Az. OVG 6 S 4.13 11 a) Die Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 PrG Bln liegen vor. Das ist zwischen den Beteiligten letztlich auch unstreitig. Das Verwaltungsgericht . hat insoweit zutreffend ausgeführt, dass der Antragsteller, ein Vertreter der Presse, die Auskünfte im Rahmen der Erfüllung der öffentlichen Aufgabe der Presse begehre. Ihm gehe es darum, in Angelegenheiten, an denen die Öffentlichkeit Anteil nehme, nämlich dem vom Neuköllner Bezirksbürgermeister B... als Privatmann veröffentlichen Buch "Neukölln ist überall", in welchem er anhand von Beispielen aus seinem Amtsbereich Fragen der Integration von Ausländern und Multikulturalität aus seiner Sicht thematisiert, sowie außerdem über Nebeneinkünfte von Politikern, Informationen zu erhalten und zu verbreiten und damit zur öffentlichen Diskussion dieser Themen beizutragen. 12 Dieser Auskunftsanspruch hat sich auch, anders als der Antragsgegner in seinem Schriftsatz vom 29. Januar 2013 behauptet, nicht (teilweise) erledigt, weil er die erbetenen Auskünfte erteilt habe, soweit er sich hierzu in der Lage sehe. Die erbetenen Auskünfte hat der Antragsgegner nach wie vor nicht erteilt. 13 b) Entgegen seinem Beschwerdevorbringen ist der Antragsgegner nicht nach § 4 Abs. 2 Nr. 4 PrG Bln berechtigt, die erbetenen Auskünfte zu verweigern Nach dieser Vorschrift können Auskünfte verweigert werden, soweit ein schutzwürdiges privates Interesse verletzt würde. 14 Der Antragsgegner meint, die erbetenen Auskünfte würden es ermöglichen, die betroffenen Mitarbeiter zu identifizieren. Über das Telefonverzeichnis des Bezirksamts seien Namen, Bearbeiterzeichen und Organisationszugehörigkeit abrufbar. Zudem würde es sich insoweit um Auskünfte aus der jeweiligen Personalakte des einzelnen Mitarbeiters handeln, die dessen Persönlichkeitsschutz unterlägen. Sofern es sich nicht um Dienstpflichtverletzungen handele, seien Honorarverträge eines Mitarbeiters im Rahmen einer Nebentätigkeit dessen ausschließliche Privatangelegenheit. 15 Diese Argumentation überzeugt angesichts der konkreten Fragestellung nicht. Der Antragsgegner schätzt diese vielmehr unzutreffend ein. Die Frage, "wie viele" Mitarbeiter des Bezirksamts für die Erstellung des fraglichen Buchs beschäftigt waren, zielt nicht auf die Angabe personenbezogener Daten, sondern auf eine rein zahlenmäßige und damit abstrakte Information. Selbst eine - hier nicht im Streit stehende - Aufschlüsselung nach einzelnen Tätigkeiten (Schreibarbeiten, Recherchen etc.) und dem zeitlichem Umfang, in dem sie erbracht wurden, ließe nicht erkennen, welche schutzwürdigen privaten Interessen mit diesen gleichfalls abstrakten Angaben verletzt werden könnten. Entgegen der Einschätzung des Antragsgegners verlangt der Antragsteller gerade nicht, die Funktionen und Ämter preiszugeben, die Bezirksamtsmitarbeiter bekleiden, die bei der Herstellung des Buches mitgewirkt haben. Nur aus solchen Angaben ließen sich Schlüsse auf die im Einzelnen vom Bezirksbürgermeister für die Erstellung seines Buches herangezogenen Personen ziehen. 16 Eine andere Sicht ist auch nicht im Hinblick auf den Vortrag des Antragsgegners gerechtfertigt, wonach sich aus den telefonischen Ausforschungen eines Kollegen des Antragstellers beim Bezirksamt schließen lasse, dass es der Zeitung, für die der Antragsteller tätig sei, tatsächlich um die Identifizierung der fraglichen Bezirksamtsmitarbeiter gehe. Selbst wenn der vom Antragsgegner gezogene Schluss gerechtfertigt sein sollte, ändert das nichts an dem Umstand, dass die hier streitgegenständlichen Auskünfte ohne Preisgabe personenbezogener Daten erteilt werden können. 17 c) Ebenso zu Unrecht wendet der Antragsgegner ein, die Erteilung der Auskünfte sei ihm rechtlich und tatsächlich nicht möglich. Er macht geltend, er könne sie nur mit unverhältnismäßigem Aufwand und nur durch weitere Nachforschungen ermitteln, indem er die Personalakten sämtlicher Mitarbeiter des Bezirksamts, etwa 1.500 Personen, durchsehe. Die zu erwartenden Informationen seien zudem unergiebig, weil sich den Anträgen auf Nebentätigkeitsgenehmigung bzw. den Nebentätigkeitsanzeigen häufig nicht entnehmen lasse, welche konkrete Tätigkeit in wessen Auftrag ausgeübt worden sei. 18 Auf den vom Antragsgegner geschilderten Aufwand kommt es indes für den hier geltend gemachten Auskunftsanspruch nicht an. Er verkennt, dass der Bürgermeister des Bezirks als Autor des in Rede stehenden Buches ohne weiteres über die entsprechenden Informationen verfügt und verpflichtet ist, sie dem Bezirksamt zur Verfügung zu stellen. Insbesondere kann er dem nicht entgegenhalten, dass es sich bei der Arbeit an dem Buch um eine Privatangelegenheit gehandelt habe. Zwar steht es dem Bezirksbürgermeister grundsätzlich frei, ob und gegebenenfalls welche Informationen aus seinem Privatleben und aus seinem privaten Umfeld er gegenüber dem Bezirk offenbart. Dieses Recht stößt allerdings dort an seine Grenzen, wo die fraglichen Vorgänge einen dienstlichen Charakter haben. So ist es hier. 19 Die Anzeige von Nebentätigkeiten sowie die Beantragung von Nebentätigkeitsgenehmigungen und deren Erteilunq sind - wie bereits das Verwaltungsgericht im Ausgangsbeschluss zutreffend festgestellt hat - zumindest nicht nur Privatangelegenheiten der entsprechenden Mitarbeiter des Bezirksamts und des Bezirksburgermeisters, sondern betreffen auch dienstliche Vorgänge des Bezirksamtes und werden unter anderem in den Personalakten der betreffenden Mitarbeiter erfasst. Von besonderer Bedeutung ist in diesem Zusammenhang, dass die fraglichen http://openjur.de/u/617910.print                                                                                                   2/3
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3/10/2014                                    OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 13. März 2013 - Az. OVG 6 S 4.13 betreffenden Mitarbeiter erfasst. Von besonderer Bedeutung ist in diesem Zusammenhang, dass die fraglichen Nebentätigkeiten und dementsprechend die Beantragung ihrer Genehmigung bzw. deren Anzeige von Bezirksbürgermeister B... veranlasst worden waren. Der Antragsgegner kann sich nicht darauf berufen, Herr B... habe hierbei als Privatmann gehandelt. Zieht ein Bezirksbürgermeister ihm dienstlich unterstellte Mitarbeiter seines Bezirksamtes zu anzeige- bzw. genehmigungspflichtigen Nebentätigkeiten heran, veranlasst er sie zu einem dienstlich relevanten Handeln. Die Kenntnis, die er hierdurch zwangsläufig von den betreffenden Nebentätigkeiten erhalten hat, hat er auch in seiner Funktion als Bezirksbürgermeister erhalten. Sie ist dienstlich relevant. Dies folgt nicht zuletzt auch daraus, dass das Bezirksamt, dessen herausgehobenes Mitglied nach § 39 des Bezirksverwaltungsgesetzes - BezVwG - der Bezirksbürgermeister ist, gemäß § 36 Abs. 1 Satz 1 Buchstabe i) BezVwG die Aufgaben der Dienstbehörde für die Beamten, Angestellten und Arbeiter des Bezirks wahrnimmt. Sollte eine der vom Bezirksbürgermeister veranlassten Nebentätigkeiten in einer mit den einschlägigen dienstlichen Vorschriften nicht vereinbaren Art und Weise ausgeübt worden sein, wäre er gehalten gewesen, hiergegen auf dem Dienstwege einzuschreiten. Er könnte sich dann nicht darauf berufen, von der DienstpflichtverJetzung nur als Privatmann, nicht aber in seiner Eigenschaft als Bezirksbürgermeister Kenntnis gehabt zu haben, Nicht auszuschließen ist in der gegebenen Situation auch ein Interessenkonflikt des Bezirksbürgermeisters in seiner Funktion als Privatperson und Amtsträger. 20 Der Bezirksbürgermeister ist schließlich gehalten, seine Kenntnisse dem Bezirksamt gegenüber zu offenbaren. Einer entsprechenden Aufforderung oder Anweisung hierzu durch den Regierenden Bürgermeister von Berlin als oberste Dienstbehörde und Dienstbehörde (§ 2 Abs. 1 Satz 1 des Bezirksamtsmitgliedergesetzes) bedarf es hierzu nicht. 21 2. Den für den Erlass der begehrten einstweiligen Anordnung gemäß § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO erforderlichen Anordnungsgrund hat das Verwaltungsgericht zu Recht und im Übrigen auch von dem Antragsgegner unbestritten darin erblickt, dass ein Abwarten des Ausgangs des Hauptsacheverfahrens den geltend gemachten Auskunftsanspruch möglicherweise faktisch leerlaufen ließe, weil das Informationsinteresse der Öffentlichkeit maßgeblich von der Aktualität der Berichterstattung abhänge, weshalb die Presse zur Erfüllung ihrer Aufgaben auf eine zeitnahe Informationsbeschaffung angewiesen sei. Da es dem Antragsteller darum gehe, über aktuelle, in der Öffentlichkeit viel diskutierte Themen, nämlich das erwähnte Buch sowie die Nebeneinkünfte von Politikern, zu berichten, benötige er die begehrten Auskünfte jetzt und nicht zu einem ungewissen Zeitpunkt in der Zukunft. Im Hinblick auf den verfassungsrechUich verbürgten Wert der Pressefreiheit und das Gebot der Gewährung effektiven Rechtsschutzes (Artikel 19 Abs. 4 Satz 1 GG) sei in diesem Fall die Vorwegnahme der Hauptsache in Kauf zu nehmen. 22 3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 1, § 52 Abs. 2 GKG. 23 Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 in Verbindung mit § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG). via RAe Schertz & Bergmann Permalink: http://openjur.de/u/617910.html http://openjur.de/u/617910.print                                                                                                3/3
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