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Aktenzeichen
4 K 1641 17
Datum
24. Juni 2019
Gericht
Verwaltungsgericht Bremen
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Verwaltungsgericht der Freien Hansestadt Bremen Az.: 4 K 1641/17 Im Namen des Volkes! Urteil In der Verwaltungsrechtssache Klägerin, gegen die Stadtgemeinde Bremen, vertreten durch den Senator für Umwelt, Bau und Verkehr, Contrescarpe 72, 28195 Bremen, Beklagte, beigeladen: - -2-
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-2- hat das Verwaltungsgericht der Freien Hansestadt Bremen - 4. Kammer - durch Richter Stahnke, Richter Ziemann und Richterin Justus sowie die ehrenamtlichen Richter Hawig und Steltenpohl aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 24. Juni 2019 für Recht erkannt: Die Klage wird abgewiesen. Die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen trägt die Klägerin. Der Klägerin bleibt nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aufgrund des Urteils gegen sie vollstreckbaren Betrags abzuwenden, wenn nicht die jeweilige Vollstreckungsgläubigerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet. Tatbestand Die Klägerin begehrt von der Beklagten Auskünfte und die Vorlage von Unterlagen und Verträgen im Zusammenhang mit einem von der Beigeladenen ab Herbst 2016 durchgeführten testweisen Angebot von WLAN in einem Teil der Busse und Straßenbahnen der Beigeladenen. Die Klägerin wurde im Jahr 2008 gegründet und hat sich auf die Errichtung von drahtlosen Netzwerken spezialisiert. Bisher wurden laut Eigenangaben der Klägerin WLAN-Installationen     im  öffentlichen  und    nicht-öffentlichen Sektor mit  einer Gesamtabdeckung von rund einer halben Million Quadratmetern realisiert. Die Beigeladene ist ein kommunales Verkehrsunternehmen mit Sitz in Bremen. Sie steht im Alleinbesitz der Bremer Verkehrs- und Beteiligungsgesellschaft mbH (BVBG), ehemals Bremer Verkehrsgesellschaft mbH, die wiederum eine einhundertprozentige Tochter der Freien Hansestadt Bremen (Stadtgemeinde) ist. Die Städte Bremen, Bremerhaven, Delmenhorst und Oldenburg sowie die Landkreise Ammerland, Diepholz, Oldenburg, Osterholz, Verden und Wesermarsch haben sich „zur gemeinsamen Wahrnehmung ihrer gesetzlich übertragenen Aufgaben im ÖPNV sowie zur weiteren Verbesserung des ÖPNV in der Region“ in dem „Zweckverband Verkehrsverbund     Bremen/Niedersachsen“     (ZVBN)    zusammengeschlossen;   weitere Kommunen      haben    sich  durch    Assoziierungsverträge     dem VBN-Verbundgebiet -3-
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-3- angeschlossen. Dieser Zweckverband ist nach § 4 Abs. 1 Satz 1 seiner Satzung Aufgabenträger und zuständige Behörde im Sinne der Verordnung (EWG) 1191/69 für den straßengebundenen ÖPNV. Die Beigeladene wurde durch Vertrag über einen öffentlichen Dienstleistungsauftrag im straßengebundenen ÖPNV auf dem Gebiet der Stadtgemeinde Bremen vom 09.06.2010 (ÖDLA) durch den ZVBN mit der Erbringung der dort näher bezeichneten Betriebs-, Infrastruktur- und Regelleistungen beauftragt. Am 08.03.2017 stellte die Klägerin über das Portal „www.fragdenstaat.de“ zwei Anfragen an den Senator für Umwelt, Bau und Verkehr der Beklagten. Mit der ersten Anfrage bat die Klägerin um die Beantwortung einzelner Fragen, das WLAN-Pilotprojekt in Bussen und Bahnen der Beigeladenen betreffend. Die Anfrage enthielt zudem u. a. auch den Zusatz: „Sollten Sie für diesen Antrag nicht zuständig sein, bitte ich Sie, ihn an die zuständige Behörde weiterzuleiten und mich darüber zu unterrichten.“ Mit der zweiten Anfrage erbat die Klägerin die Zusendung von „Verträgen[n] mit Lieferanten und Dienstleistern, die das WLAN-Projekt der Bremer Straßenbahn AG (BSAG) betreffen.“ Mit einer weiteren E-Mail beantragte die Klägerin am 08.03.2017 direkt bei dem Senator für Umwelt, Bau und Verkehr die Einsichtnahme „in die Akten zum WLAN-Projekt“ der Beigeladenen. Hierauf antwortete der Senator für Umwelt, Bau und Verkehr mit E-Mail vom selben Tage, dass „das WLAN-Projekt in der Verantwortung der BSAG“ liege und bat die Klägerin, sich an einen dortigen, näher benannten Ansprechpartner zu wenden. Die Klägerin mahnte die Beantwortung ihrer Anfragen jeweils mit E-Mails vom 11.04.2017 und vom 12.05.2017 an. Mit E-Mail vom 24.04.2017 und vom 12.05.2017 bat sie zudem die Landesbeauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit um Vermittlung. Eine weitere Beantwortung seitens der Beklagten bzw. eine Vermittlung durch die Landesbeauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit erfolgte in der Folge nicht. Die Klägerin hat am 12.06.2017 Klage erhoben. Die Klage sei als Untätigkeitsklage zulässig, da die Beklagte ihre Auskunftsersuche nicht in angemessener Zeit beschieden habe. Ziel ihrer Klage sei, dass sie ihre „Konkurrenzstellung innerhalb der Auftragsvergabe prüfen“ wolle. Der Beklagten obliege nach § 11 BremIFG eine -4-
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-4- Veröffentlichungspflicht, da es sich bei dem im ÖPNV bereitgestellten WLAN um einen Teil der kommunalen Daseinsvorsorge i.S.v. § 11 Abs. 4 BremIFG handele. Die Klägerin beantragt, die Beklagte zu verpflichten, die am 08.03.2017 über das Portal „www.fragdenstaat.de“ an den Senator für Umwelt, Bau und Verkehr gerichteten Anfragen zu beantworten. Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen. Der Klage fehle es bereits am Rechtsschutzbedürfnis. Der Senator für Umwelt, Bau und Verkehr habe mit E-Mail vom 08.03.2017 „reagiert“ und unter Verweis auf die Beigeladene auf seine Unzuständigkeit hingewiesen. Dies sei – trotz der formellen Mängel, die sich vorliegend jedoch nicht auf den Inhalt der Entscheidung ausgewirkt hätten – als ablehnender Verwaltungsakt zu qualifizieren, die Anfrage der Klägerin sei somit beschieden worden. Die Klage sei auch unbegründet. Die Klägerin begehehre weder amtliche Informationen i.S.v. § 1 Abs. 1 Satz 1 BremIFG noch habe sich die Beklagte     bei   dem     streitgegenständlichen   WLAN-Projekt   der   BSAG     i.S.v. § 1 Abs. 1 Satz 3 BremIFG zur Erfüllung öffentlicher Aufgaben bedient. Das WLAN- Projekt sei eigenverantwortlich von der Beigeladenen durchgeführt worden, um ihre marktwirtschaftliche Attraktivität zu fördern. Der Senator für Umwelt, Bau und Verkehr und der ZVBN seien dementsprechend auch nicht in das Vergabeverfahren einbezogen worden. Allein die Finanzierung sei über den ZVBN-Förderfonds, jedoch ohne Beteiligung der Beklagten, durchgeführt worden. Die bloße Beteiligung der Beklagten an dem ZVBN ändere hieran nichts. Daher existierten weder Akten hierüber bei der Beklagten, noch erfülle die Beigeladene hierdurch öffentliche Aufgaben. Die Beklagte bediene sich der Beigeladenen im Bereich der Daseinsvorsorge, soweit sie Leistungen des ÖPNV erbringe. Das Angebot von WLAN während der Fahrt sei von diesem eigentlichen Kerngeschäft jedoch zu trennen und nicht Gegenstand der Beauftragung. Daher könnten in diesem Zusammenhang auch keine Veröffentlichungspflichten nach § 11 BremIFG bestehen. Sofern die Klägerin im Kern Informationen über das (privatrechtliche) Vergabeverfahren erhalten wolle, sei eine auf das Informationsfreiheitsrecht gestützte Klage insgesamt nicht das richtige Instrument. Die Beigeladene beantragt, -5-
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-5- die Klage abzuweisen. Die Zurverfügungstellung öffentlichen WLANs im ÖPNV stelle keinen Teil der ÖPNV- Versorgung und somit keinen Bestandteil dieser öffentlichen Aufgabe dar. Die ÖPNV- Versorgung könne auch ohne das WLAN-Angebot sichergestellt werden und die Zurverfügungstellung führe auch nicht zu einem höheren Nutzeraufkommen. Sofern man in Hinblick auf den gesellschaftlichen Wandel die Versorgung der Bevölkerung mit drahtlosen Internetzugängen im öffentlichen Raum als selbständiges Element der Daseinsvorsorge ansehe, ändere dies vorliegend nichts, da hierzu jedenfalls nicht die Versorgung im ÖPNV selbst gehören könne. Selbst wenn man die Versorgung mit WLAN in ihren Verkehrsmitteln als öffentlich-rechtliche Verwaltungsaufgabe ansähe, stünde dem klägerischen Begehren § 6 BremIFG entgegen. Denn die begehrten Informationen beträfen    Betriebs-  und    Geschäftsgeheimnisse    ihres  Unternehmens     und   ihrer Vertragspartner. Die Klägerin habe ausdrücklich erklärt, an künftigen Ausschreibungen hinsichtlich WLAN interessiert zu sein und die Information über neue Vergaben erbeten. Die Klägerin stehe als Anbieterin von WLAN-Installationen im Wettbewerb; ihr Informationsinteresse sei darauf gerichtet, sich gegenüber dem Vertragspartner des Pilotprojekts einen Wettbewerbsvorteil zu verschaffen. Dieses Interesse überwiege nicht die Geheimhaltungsinteressen der Vertragspartner der Beigeladenen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten verwiesen. Entscheidungsgründe I. Die zulässige Klage ist unbegründet. Die Klägerin hat die Anträge vom 08.03.2017 nicht bei der zuständigen Behörde gestellt, sodass sich nunmehr auch die Klage gegen die falsche Beklagte richtet und daher unbegründet ist (zur Unbegründetheit und nicht bereits Unzulässigkeit einer solchen sog. fehlgerichteten Klage: BVerwG, Urteil vom 03. März 1989 – 8 C 98/85 –, Rn. 12, juris; Schoch/Schneider/Bier/Meissner/Schenk, 36. EL Februar 2019, VwGO § 78 Rn. 63; Fehling/Kastner/Störmer,       Verwaltungsrecht, VwGO       § 78 Rn. 3,      beck-online; BeckOK VwGO/Kintz, 49. Ed. 1.4.2019, VwGO § 78 Rn. 44; Eyermann/Happ, 15. Aufl. 2019, VwGO § 78 Rn. 3). Die Passivlegitimation nach § 78 Abs. 1 Nr. 1 VwGO ist ein Problem des materiellen Rechts; sie betrifft die Frage danach, wer nach den Vorschriften des einschlägigen materiellen Rechts zum maßgeblichen Zeitpunkt (Schluss der -6-
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-6- mündlichen Verhandlung) der Schuldner des geltend gemachten Anspruchs ist. Richtet sich die Klage im Fall des § 78 Abs. 1 Nr. 1 gegen den falschen Beklagten, so ist sie unbegründet, weil der Beklagte nicht der nach materiellem Recht Verpflichtete ist. Dass dieser Beklagte zudem auch nicht prozessführungsbefugt ist, ist allein eine Folge des materiellen Rechts. Die Frage nach der Prozessführungsbefugnis hat hier keine selbständige, eine gesonderte Bewertung als Sachurteilsvoraussetzung rechtfertigende Bedeutung (Eyermann/Happ, 15. Aufl. 2019, VwGO § 78 Rn. 1 ff.). Für die Beantwortung der Fragen der Klägerin zuständig ist nicht die Stadtgemeinde Bremen, sondern der ZVBN. Dies ergibt sich wie folgt: Anträge in Konstellationen wie der Vorliegenden, in welchen aufgrund des BremIFG nach § 1 Abs. 1 Satz 3 i. V. m. Satz 1 BremIFG der Zugang zu amtlichen Informationen einer juristischen Person des Privatrechts, derer sich eine Behörde zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben bedient, begehrt wird, sind gem. § 7 Abs. 2 Satz 2 BremIFG an die Behörde zu richten, die sich der juristischen Person des Privatrechts zur Erfüllung ihrer Aufgaben bedient. Dies ist vorliegend nicht die Stadtgemeinde Bremen, sondern der ZVBN, da letzterer der Aufgabenträger des öffentlichen Personennahverkehrs im Stadtgebiet (auch) der Stadtgemeinde Bremen ist und sich bei Erfüllung dieser öffentlichen Aufgabe der Beigeladenen i.S.v. § 7 Abs. 2 Satz 2 BremIFG bedient. Grundsätzlich obliegt zwar nach § 6 Abs. 1 Nr. 2 des Gesetzes über den öffentlichen Personennahverkehr       im  Land   Bremen     (BremÖPNVG)      die   Sicherstellung    einer ausreichenden Bedienung der Bevölkerung mit Verkehrsleistungen im öffentlichen Personennahverkehr mit Ausnahme des Schienenpersonenverkehrs der Stadtgemeinde Bremen      als   Selbstverwaltungsaufgabe.     Nach   §7     BremÖPNVG       können      die Aufgabenträger nach § 6 Absatz 1 Nummer 2 sich jedoch zur Wahrnehmung der ihnen nach dem BremÖPNVG obliegenden Aufgaben gemeinsam mit den entsprechenden niedersächsischen      Aufgabenträgern    in   der   Region    zu   einem    Zweckverband zusammenschließen, um die ihnen gesetzlich übertragenen Aufgaben im öffentlichen Personennahverkehr         gemeinsam        wahrzunehmen       und      den     öffentlichen Personennahverkehr weiter zu verbessern. Nach Absatz 2 der Vorschrift kann auf einen solchen Zweckverband u. a.        auch die Aufgabenträgerschaft übertragen werden. § 4 Abs. 1      der   Verbandssatzung      für   den   Zweckverband        Verkehrsverbund Bremen/Niedersachsen (ZVBN) in der geänderten Fassung vom 21.12.2001 sieht insofern vor, dass der ZVBN im Verbandsgebiet Aufgabenträger ist. Dementsprechend wurde     die    Beigeladene   auch   durch     den   Vertrag   über    einen   öffentlichen Dienstleistungsauftrag im straßengebundenen ÖPNV auf dem Gebiet der Stadtgemeinde -7-
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-7- Bremen vom 09.06.2010 (ÖDLA) durch den ZVBN mit der Erbringung der dort näher bezeichneten Betriebs-, Infrastruktur. und Regelleistungen beauftragt. Die Beklagte bzw. der Senator für Umwelt, Bau und Verkehr waren auch nicht verpflichtet, den Antrag der Klägerin an die nach § 7 Abs. 2 Satz 2 BremIFG zuständige Behörde weiterzuleiten bzw. die Anfrage der Klägerin über die E-Mail vom 08.03.2017 hinaus förmlich abzulehnen. Das BremIFG sieht – wie das IFG des Bundes und im Gegensatz zu anderen Ländergesetzen – keine derartigen unmittelbaren Pflichten der angegangenen       Behörde    im   Falle    der   Unzuständigkeit     vor.    Da   das   sonstige Informationszugangsrecht Bestimmungen, die die unzuständige öffentliche Stelle verpflichten, den Antrag an die zuständige Stelle weiterzuleiten und den Antragsteller hierüber zu unterrichten, im Gegensatz zum BremIFG kennt, während letzteres keine Verpflichtung der in Anspruch genommenen unzuständigen Behörde zur Weiterleitung des Informationszugangsbegehrens an die zuständige Stelle normiert, kann dieses Schweigen des Gesetzgebers nur so verstanden werden, dass derartige Pflichten nicht begründet werden sollten (so auch mit Nachweisen zu Pflichten nach den Informationsfreiheitsgesetzen anderer Bundesländer zum IFG des Bundes: Schoch IFG/Schoch, 2. Aufl. 2016, IFG § 7 Rn. 53, 54). II. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige     Vollstreckbarkeit     folgt      aus      § 167 VwGO         i. V. m. § 708 Nr. 11, § 709 Satz 2, § 711 ZPO. Rechtsmittelbelehrung Gegen dieses Urteil kann Zulassung der Berufung beantragt werden. Der Antrag ist innerhalb eines Monats nach Zustellung dieses Urteils zu stellen und muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung dieses Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Der Antrag ist beim Verwaltungsgericht der Freien Hansestadt Bremen, Am Wall 198, 28195 Bremen, (Tag-/Nachtbriefkasten Justizzentrum Am Wall im Eingangsbereich) einzureichen. Die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht der Freien Hansestadt Bremen, Am Wall 198, 28195 Bremen, einzureichen. Der Antrag muss von einem Rechtsanwalt oder einem sonst nach § 67 Abs. 4 VwGO zur Vertretung berechtigten Bevollmächtigten gestellt werden. -8-
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-8- Stahnke Ziemann Justus
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