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Information
- Aktenzeichen
- 2 K 126.18
- ECLI
ECLI:DE:VGBE:2020:1207.2K126.18.00
- Datum
- 7. Dezember 2020
- Gericht
- Verwaltungsgericht Berlin
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 v.H. des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 v.H. des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Der Kläger begehrt Zugang zu Unterlagen eines Förderprogramms.
Er beantragte mit E-Mail vom 20. Mai 2018 beim Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (in der Folge: BMFSFJ), ihm auf Grundlage des Informationsfreiheitsgesetzes eine Liste sämtlicher Organisationen und Personen, die das BMFSFJ anlässlich einer möglichen oder erfolgten Förderung im Programm „Demokratie leben!“ seit 2004 zur Überprüfung an das Bundesamt für Verfassungsschutz weitergeleitet hat. Das BMFSFJ lehnte den Antrag mit Bescheid vom 7. Juni 2018 ab und führte zur Begründung aus, es habe keine solche Liste von Organisationen und Personen zur Überprüfung an das Bundesamt für Verfassungsschutz (in der Folge: BfV) übersandt. Ein Informationszugang sei somit nicht möglich. Den dagegen gerichteten Widerspruch des Klägers vom 7. Juni 2018 wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 22. Juni 2018 zurück. Das Bekanntwerden der Information könne die öffentliche Sicherheit gefährden. Eine Herausgabe der Liste über Organisationen und Personen, die durch Sicherheitsbehörden überprüft wurden, eröffne im Wege des Umkehrschlusses eine Bestimmung der nicht überprüften Organisationen und damit einen Rückschluss auf die der Überprüfung insgesamt zugrunde liegenden Kriterien. Die Kenntnis dieser Kriterien wiederum verschaffe einen Einblick in die Methoden, die zur Erkenntnisgewinnung angewandt werden. Damit sei eine Sicherstellung der organisatorischen Vorkehrungen, die zur effektiven Aufgabenerledigung in der betroffenen Sicherheitsbehörde eingerichtet worden sind, nicht mehr gewährleistet.
Mit der am 24. Juli 2018 erhobenen Klage verfolgt der Kläger sein Begehren weiter. Zur Begründung trägt er vor: Die Beklagte habe nicht konkret vorgetragen, dass die Offenlegung der Namen der überprüften Projektträger die öffentliche Sicherheit gefährden kann. Das von ihr geschaffene abstrakte Bedrohungsszenario mit ungeahnten Auswirkungen auf die Terrorismusbekämpfung in Deutschland sei abwegig. Schließlich lege die Beklagte nicht dar, weshalb durch das Leerlaufen des Bundesprogramms „Demokratie leben!“ die aufgabenmäßige Funktionsfähigkeit des BMFSFJ beeinträchtigt wäre.
Der Kläger beantragt zuletzt,
die Beklagte zu verpflichten, ihm unter Aufhebung des Bescheides des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend vom 7. Juni 2018 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. Juni 2018 die Namen der 51 Projektträger, die auf Veranlassung des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend in den Jahren 2015 bis 2018 anlässlich einer möglichen oder erfolgten Förderung im Bundesprogramm „Demokratie leben!“ des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend auf mögliche verfassungsschutzrelevante Erkenntnisse durch das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat bzw. das Bundesamt für Verfassungsschutz überprüft wurden, in Form einer Liste zur Verfügung zu stellen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie verteidigt ihre Bescheide vom 7. und 22. Juni 2018 und führt ergänzend aus, in den Jahren 2015 bis 2018 seien insgesamt 51 Projektträger anlassbezogen einer Überprüfung auf mögliche verfassungsschutzrelevante Erkenntnisse unterzogen worden. Es habe sich bei diesen ausschließlich um juristische Personen des Privatrechts gehandelt. Das BMFSFJ habe entsprechende Anfragen unmittelbar an das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat (in der Folge: BMI) gerichtet, wenn sich aufgrund der Auswertung frei zugänglicher Erkenntnisquellen die Notwendigkeit einer weiteren Prüfung ergab. Das BMI habe die Anfrage entweder selbst beantwortet oder an das BfV weitergegeben. Die von der Überprüfung betroffenen Projektträger seien hierüber nicht informiert worden. Das Offenlegen der Namen der 51 Projektträger würde die Funktionsfähigkeit des BMFSFJ beeinträchtigen. Es bestehe die Gefahr, dass die betroffenen und auch andere Projektträger in Zukunft keine Fördermittel mehr beantragen, weil sie befürchten, dass sie mit extremistischen Tätigkeiten in Verbindung gebracht werden. Außerdem sei vorhersehbar, dass den Projektträgern im Bereich der Extremismusprävention das Erreichen ihrer Zielgruppe erschwert werde. Das aufgelegte Förderprogramm würde damit letztlich leerlaufen.
Mit Beschluss vom 27. Oktober 2020 hat die Kammer den Rechtsstreit dem Berichterstatter als Einzelrichter zur Entscheidung übertragen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und den Verwaltungsvorgang der Beklagten verwiesen, die vorgelegen haben und Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Die als Verpflichtungsklage statthafte Klage ist zulässig (dazu I), aber unbegründet (dazu II).
I. Der Zulässigkeit der Klage steht insbesondere nicht entgegen, dass der Kläger im behördlichen Verfahren (und auch mit dem ursprünglich angekündigten Klageantrag) die Auskunft über die Namen der Organisationen und Personen begehrt hat, die das BMFSFJ zur Überprüfung an das BfV weitergeleitet hat. Die Beklagte hat hierzu im Klageverfahren erstmalig erklärt, dass sie entsprechende Anfragen ausschließlich an das BMI gerichtet habe, das diese im Einzelfall auch an das BfV weitergeleitet habe. Insoweit fehlt es nicht an einer vorherigen Antragstellung. Denn der Zugangsantrag des Klägers, der über diese Information vorgerichtlich nicht verfügte, ist auslegungsbedürftig und -fähig. Dabei ist auf den objektivierten Empfängerhorizont (§§133, 157 BGB) abzustellen (vgl. Urteil der Kammer vom 19. Juli 2018 – VG 2 K 348.16 – juris Rn. 27). Dem Begehren des Klägers ist eindeutig zu entnehmen, dass es ihm um die Überprüfung von (möglichen) Zuwendungsempfängern im Rahmen des Programms „Demokratie leben!“ durch Sicherheitsbehörden ging, die bereits Gegenstand von parlamentarischen Anfragen und Presseberichten gewesen ist. Der Kläger hat seinen Antrag in der mündlichen Verhandlung entsprechend präzisiert.
II. Der Bescheid der Beklagten vom 7. Juni 2018 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. Juni 2018 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Er hat keinen Anspruch auf Zugang zu der Liste der auf verfassungsschutzrelevante Erkenntnisse überprüften 51 Projektträger, §113 Abs.5 Satz1 VwGO.
-
Rechtsgrundlage für das Begehren des Klägers ist §1 Abs.1 Satz1 des Informationsfreiheitsgesetzes des Bundes (IFG). Nach §1 Abs.1 Satz1 IFG hat jeder nach Maßgabe dieses Gesetzes gegenüber den Behörden des Bundes einen Anspruch auf Zugang zu amtlichen Informationen. Diese Voraussetzungen liegen vor. Der Kläger ist als natürliche Person „jeder“ und damit anspruchsberechtigt. Das BMFSFJ ist eine Behörde des Bundes. Bei der von dem Kläger begehrten Liste handelt es sich um eine amtliche Information im Sinne des §2 Nr.1 Satz1 IFG, denn sie dient amtlichen Zwecken des Bundesministeriums.
-
Die Beklagte beruft sich jedoch mit Erfolg auf den Ausschlussgrund des §3 Nr.2 IFG. Der von der Beklagten geltend gemachte Ausschlussgrund ist gegeben, sofern das Bekanntwerden der Information die öffentliche Sicherheit gefährden kann. Die öffentliche Sicherheit im Sinne des §3 Nr.2 IFG umfasst ausweislich der Gesetzesbegründung die Unversehrtheit der Rechtsordnung und der grundlegenden Einrichtungen und Veranstaltungen des Staates sowie von Gesundheit, Ehre, Freiheit, Eigentum und sonstigen Rechtsgütern der Bürger (vgl. BT-Drs. 15/4493 S.10). Zu diesen Schutzgütern gehört auch die Funktionsfähigkeit der staatlichen Einrichtungen. Dabei geht es um die Erfüllung der einer staatlichen Einrichtung jeweils zugewiesenen Aufgabe, die ihrerseits von geordneten verwaltungsinternen Abläufen abhängt (BVerwG, Urteil vom 20. Oktober 2016 – BVerwG 7 C 20.15 – juris Rn. 13; OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 18. Mai 2017 – OVG 12 B 17.15 – juris Rn. 31).
Eine Gefährdung liegt vor, wenn aufgrund einer auf konkreten Tatsachen beruhenden prognostischen Bewertung mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist, dass das Bekanntwerden der Information das Schutzgut beeinträchtigt. Die Feststellung der konkreten Möglichkeit nachteiliger Auswirkungen setzt voraus, dass die informationspflichtige Stelle Tatsachen darlegt, aus denen sich im jeweiligen Fall eine Beeinträchtigung des Schutzgutes ergeben kann. Diese Einschätzung kann insbesondere bei Vorgängen, die eine typisierende Betrachtungsweise ermöglichen, auch auf allgemeinen Erfahrungswerten beruhen. Das Vorliegen des Ablehnungsgrundes hängt dabei nicht von der Person des konkreten Antragstellers ab; maßgeblich ist, ob das Bekanntwerden der Information objektiv geeignet ist, sich nachteilig auf das Schutzgut auszuwirken. In Anwendung dieses Maßstabs ist eine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit nicht erst dann zu bejahen, wenn die informationspflichtige Stelle ihrer Funktion voraussichtlich überhaupt nicht mehr gerecht werden könnte, sondern schon dann, wenn die effektive Aufgabenerledigung gestört und die Arbeit der betroffenen Bediensteten beeinträchtigt werden kann. Bereits ein derartiger Geschehensablauf ist geeignet, sich nachteilig auf die Funktionsfähigkeit der Beklagten auszuwirken (BVerwG, a.a.O., juris Rn. 18 m.w.N.; OVG Berlin-Brandenburg, a.a.O., juris Rn. 32).
Nach diesen Maßgaben hat die Beklagte hinreichend dargelegt, dass die Bekanntgabe der Namen der 51 überprüften Projektträger die effektive Aufgabenerledigung des BMFSFJ stören kann. Sie hat angesichts der von der ihr vorgelegten Presseberichterstattung zu einem bekannt gewordenen Fall einer Überprüfung von Mitarbeitern in einer hessischen Beratungsstelle gegen salafistische Radikalisierung durch das Landesamt für Verfassungsschutz in Hessen nachvollziehbar dargetan, dass das Bekanntwerden der Namen der überprüften juristischen Personen eine nicht von der Hand zu weisende Gefahr der Stigmatisierung der Projektträger in sich birgt, die insbesondere im wichtigen Bereich der Extremismusprävention dazu führen kann, dass dem Projektträger Zugang zu den Sozialisierungsorten und Kontakten verschlossen wird oder bleibt. Die Beklagte hat durch Vorlage einer gemeinsamen Pressemitteilung des ...und des V... vom 17. Mai 2018, mit der die Verbände die sofortige Einstellung der geheimdienstlichen Überprüfung der Demokratieprojekte fordern, darüber hinaus nachvollziehbar aufgezeigt, dass die Projektträger im Bundesprogramm „Demokratie leben!“ insbesondere im Bereich der Radikalisierungsprävention in besonderer Weise sensibel auf Verdächtigungen reagieren, extremistische Orientierungen oder Handlungen zu fördern. Beide Verbände werden bzw. wurden vom BMFSFJ gefördert; zu ihren Mitgliedern gehören nach Mitteilung der Beklagten ebenfalls geförderte Projektträger. Die hieraus von der Beklagten gezogene Schlussfolgerung, die Bekanntgabe der Namen würde die vertrauensvolle Zusammenarbeit mit den Projektträgern zumindest stören und dazu führen können, dass diese und auch andere Projektträger in Zukunft keine Fördermittel mehr beantragen und das aufgelegte Förderprogramm damit letztlich leerlaufen würde, ist in Anbetracht ihrer vorgetragenen Erfahrungen im Zusammenhang mit der wieder abgeschafften Demokratieerklärung (sog. Extremismusklausel) nicht zu beanstanden. Die Beklagte hat – belegt durch ein Ablehnungsschreiben des Bundesamts für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben an einen Oberbürgermeister zur Teilnahme am Bundesprogramm „TOLERANZ FÖRDERN – KOMPETENZ STÄRKEN“ – ausgeführt, dass Verbände und Projektträger offensichtlich schon die Tatsache, dass eine Überprüfung im Einzelfall erfolgen kann, als Provokation empfinden, weil sie damit allein aufgrund ihrer Tätigkeit in eine extremistische Ecke gerückt werden.
Weitergehende Darlegungen der Beklagten bedurfte es – entgegen der Ansicht des Klägers – nicht. Etwas anderes folgt auch nicht aus der von der Beklagten vorgelegten Liste von Zuwendungsempfängern, die der Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage (BT-Drs. 19/1760) als Anlage beigefügt war und aus der der Kläger den Schluss zieht, dass die Förderprogramme trotz Geltung der sog. Extremismusklausel erfolgreich abgeschlossen werden konnten. Das Gericht hat hierbei berücksichtigt, dass an die Wahrscheinlichkeit der Beeinträchtigung umso geringere Anforderungen zu stellen sind, je größer und folgenschwerer die möglicherweise eintretende Beeinträchtigung ist. Dies wiederum bemisst sich insbesondere nach dem Gewicht des öffentlichen Interesses an einem ungestörten Ablauf der in Frage stehenden behördlichen Aufgabe (vgl. zu §3 Nr.3 lit. b) IFG: OVG Münster, Urteil vom 10. Oktober 2017 – 15 A 530/16 – juris Rn. 48). Die Beklagte weist zu Recht darauf hin, dass ein erhebliches öffentliches Interesse an der Umsetzung von Präventionsmaßnahmen insbesondere in Bezug auf rechtsextremistische und islamistische Aktivitäten in der Bundesrepublik besteht, die eine wichtige Ergänzung zu sicherheitsbehördlichen Instrumenten darstellen. Ein ganz wesentlicher Teil der Arbeit basiert dabei auf den Zugängen zu Milieus, die die staatliche Ordnung nicht nur in Frage stellen, sondern gefährden. Ausreichend ist insoweit schon die – wie sich aus dem Vorstehenden ergibt – nicht abwegige Möglichkeit, dass durch die Veröffentlichung der Namen der Projektträger der Verlust dieser Zugänge droht. Hieran ändert auch der vom Kläger in der mündlichen Verhandlung betonte Umstand nichts, dass ein transparenteres Vorgehen der Beklagten hinsichtlich der Überprüfung auf mögliche verfassungsschutzrelevante Erkenntnisse zu einer größeren Akzeptanz bei den geförderten Projektträgern führen könnte. Er ist auch nicht geeignet, die durch eine Presseberichterstattung hervorgerufene Stigmatisierungswirkung zu beseitigen.
Die Kostenentscheidung beruht auf §154 Abs.1 VwGO. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit wegen der Kosten folgt aus §167 VwGO i. V. m. §§708 Nr.11, 711 ZPO.
Tatbestand
Der Kläger begehrt Zugang zu Unterlagen eines Förderprogramms.
Er beantragte mit E-Mail vom 20. Mai 2018 beim Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (in der Folge: BMFSFJ), ihm auf Grundlage des Informationsfreiheitsgesetzes eine Liste sämtlicher Organisationen und Personen, die das BMFSFJ anlässlich einer möglichen oder erfolgten Förderung im Programm „Demokratie leben!“ seit 2004 zur Überprüfung an das Bundesamt für Verfassungsschutz weitergeleitet hat. Das BMFSFJ lehnte den Antrag mit Bescheid vom 7. Juni 2018 ab und führte zur Begründung aus, es habe keine solche Liste von Organisationen und Personen zur Überprüfung an das Bundesamt für Verfassungsschutz (in der Folge: BfV) übersandt. Ein Informationszugang sei somit nicht möglich. Den dagegen gerichteten Widerspruch des Klägers vom 7. Juni 2018 wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 22. Juni 2018 zurück. Das Bekanntwerden der Information könne die öffentliche Sicherheit gefährden. Eine Herausgabe der Liste über Organisationen und Personen, die durch Sicherheitsbehörden überprüft wurden, eröffne im Wege des Umkehrschlusses eine Bestimmung der nicht überprüften Organisationen und damit einen Rückschluss auf die der Überprüfung insgesamt zugrunde liegenden Kriterien. Die Kenntnis dieser Kriterien wiederum verschaffe einen Einblick in die Methoden, die zur Erkenntnisgewinnung angewandt werden. Damit sei eine Sicherstellung der organisatorischen Vorkehrungen, die zur effektiven Aufgabenerledigung in der betroffenen Sicherheitsbehörde eingerichtet worden sind, nicht mehr gewährleistet.
Mit der am 24. Juli 2018 erhobenen Klage verfolgt der Kläger sein Begehren weiter. Zur Begründung trägt er vor: Die Beklagte habe nicht konkret vorgetragen, dass die Offenlegung der Namen der überprüften Projektträger die öffentliche Sicherheit gefährden kann. Das von ihr geschaffene abstrakte Bedrohungsszenario mit ungeahnten Auswirkungen auf die Terrorismusbekämpfung in Deutschland sei abwegig. Schließlich lege die Beklagte nicht dar, weshalb durch das Leerlaufen des Bundesprogramms „Demokratie leben!“ die aufgabenmäßige Funktionsfähigkeit des BMFSFJ beeinträchtigt wäre.
Der Kläger beantragt zuletzt,
die Beklagte zu verpflichten, ihm unter Aufhebung des Bescheides des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend vom 7. Juni 2018 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. Juni 2018 die Namen der 51 Projektträger, die auf Veranlassung des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend in den Jahren 2015 bis 2018 anlässlich einer möglichen oder erfolgten Förderung im Bundesprogramm „Demokratie leben!“ des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend auf mögliche verfassungsschutzrelevante Erkenntnisse durch das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat bzw. das Bundesamt für Verfassungsschutz überprüft wurden, in Form einer Liste zur Verfügung zu stellen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie verteidigt ihre Bescheide vom 7. und 22. Juni 2018 und führt ergänzend aus, in den Jahren 2015 bis 2018 seien insgesamt 51 Projektträger anlassbezogen einer Überprüfung auf mögliche verfassungsschutzrelevante Erkenntnisse unterzogen worden. Es habe sich bei diesen ausschließlich um juristische Personen des Privatrechts gehandelt. Das BMFSFJ habe entsprechende Anfragen unmittelbar an das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat (in der Folge: BMI) gerichtet, wenn sich aufgrund der Auswertung frei zugänglicher Erkenntnisquellen die Notwendigkeit einer weiteren Prüfung ergab. Das BMI habe die Anfrage entweder selbst beantwortet oder an das BfV weitergegeben. Die von der Überprüfung betroffenen Projektträger seien hierüber nicht informiert worden. Das Offenlegen der Namen der 51 Projektträger würde die Funktionsfähigkeit des BMFSFJ beeinträchtigen. Es bestehe die Gefahr, dass die betroffenen und auch andere Projektträger in Zukunft keine Fördermittel mehr beantragen, weil sie befürchten, dass sie mit extremistischen Tätigkeiten in Verbindung gebracht werden. Außerdem sei vorhersehbar, dass den Projektträgern im Bereich der Extremismusprävention das Erreichen ihrer Zielgruppe erschwert werde. Das aufgelegte Förderprogramm würde damit letztlich leerlaufen.
Mit Beschluss vom 27. Oktober 2020 hat die Kammer den Rechtsstreit dem Berichterstatter als Einzelrichter zur Entscheidung übertragen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und den Verwaltungsvorgang der Beklagten verwiesen, die vorgelegen haben und Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Die als Verpflichtungsklage statthafte Klage ist zulässig (dazu I), aber unbegründet (dazu II).
I. Der Zulässigkeit der Klage steht insbesondere nicht entgegen, dass der Kläger im behördlichen Verfahren (und auch mit dem ursprünglich angekündigten Klageantrag) die Auskunft über die Namen der Organisationen und Personen begehrt hat, die das BMFSFJ zur Überprüfung an das BfV weitergeleitet hat. Die Beklagte hat hierzu im Klageverfahren erstmalig erklärt, dass sie entsprechende Anfragen ausschließlich an das BMI gerichtet habe, das diese im Einzelfall auch an das BfV weitergeleitet habe. Insoweit fehlt es nicht an einer vorherigen Antragstellung. Denn der Zugangsantrag des Klägers, der über diese Information vorgerichtlich nicht verfügte, ist auslegungsbedürftig und -fähig. Dabei ist auf den objektivierten Empfängerhorizont (§§133, 157 BGB) abzustellen (vgl. Urteil der Kammer vom 19. Juli 2018 – VG 2 K 348.16 – juris Rn. 27). Dem Begehren des Klägers ist eindeutig zu entnehmen, dass es ihm um die Überprüfung von (möglichen) Zuwendungsempfängern im Rahmen des Programms „Demokratie leben!“ durch Sicherheitsbehörden ging, die bereits Gegenstand von parlamentarischen Anfragen und Presseberichten gewesen ist. Der Kläger hat seinen Antrag in der mündlichen Verhandlung entsprechend präzisiert.
II. Der Bescheid der Beklagten vom 7. Juni 2018 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. Juni 2018 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Er hat keinen Anspruch auf Zugang zu der Liste der auf verfassungsschutzrelevante Erkenntnisse überprüften 51 Projektträger, §113 Abs.5 Satz1 VwGO.
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Rechtsgrundlage für das Begehren des Klägers ist §1 Abs.1 Satz1 des Informationsfreiheitsgesetzes des Bundes (IFG). Nach §1 Abs.1 Satz1 IFG hat jeder nach Maßgabe dieses Gesetzes gegenüber den Behörden des Bundes einen Anspruch auf Zugang zu amtlichen Informationen. Diese Voraussetzungen liegen vor. Der Kläger ist als natürliche Person „jeder“ und damit anspruchsberechtigt. Das BMFSFJ ist eine Behörde des Bundes. Bei der von dem Kläger begehrten Liste handelt es sich um eine amtliche Information im Sinne des §2 Nr.1 Satz1 IFG, denn sie dient amtlichen Zwecken des Bundesministeriums.
-
Die Beklagte beruft sich jedoch mit Erfolg auf den Ausschlussgrund des §3 Nr.2 IFG. Der von der Beklagten geltend gemachte Ausschlussgrund ist gegeben, sofern das Bekanntwerden der Information die öffentliche Sicherheit gefährden kann. Die öffentliche Sicherheit im Sinne des §3 Nr.2 IFG umfasst ausweislich der Gesetzesbegründung die Unversehrtheit der Rechtsordnung und der grundlegenden Einrichtungen und Veranstaltungen des Staates sowie von Gesundheit, Ehre, Freiheit, Eigentum und sonstigen Rechtsgütern der Bürger (vgl. BT-Drs. 15/4493 S.10). Zu diesen Schutzgütern gehört auch die Funktionsfähigkeit der staatlichen Einrichtungen. Dabei geht es um die Erfüllung der einer staatlichen Einrichtung jeweils zugewiesenen Aufgabe, die ihrerseits von geordneten verwaltungsinternen Abläufen abhängt (BVerwG, Urteil vom 20. Oktober 2016 – BVerwG 7 C 20.15 – juris Rn. 13; OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 18. Mai 2017 – OVG 12 B 17.15 – juris Rn. 31).
Eine Gefährdung liegt vor, wenn aufgrund einer auf konkreten Tatsachen beruhenden prognostischen Bewertung mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist, dass das Bekanntwerden der Information das Schutzgut beeinträchtigt. Die Feststellung der konkreten Möglichkeit nachteiliger Auswirkungen setzt voraus, dass die informationspflichtige Stelle Tatsachen darlegt, aus denen sich im jeweiligen Fall eine Beeinträchtigung des Schutzgutes ergeben kann. Diese Einschätzung kann insbesondere bei Vorgängen, die eine typisierende Betrachtungsweise ermöglichen, auch auf allgemeinen Erfahrungswerten beruhen. Das Vorliegen des Ablehnungsgrundes hängt dabei nicht von der Person des konkreten Antragstellers ab; maßgeblich ist, ob das Bekanntwerden der Information objektiv geeignet ist, sich nachteilig auf das Schutzgut auszuwirken. In Anwendung dieses Maßstabs ist eine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit nicht erst dann zu bejahen, wenn die informationspflichtige Stelle ihrer Funktion voraussichtlich überhaupt nicht mehr gerecht werden könnte, sondern schon dann, wenn die effektive Aufgabenerledigung gestört und die Arbeit der betroffenen Bediensteten beeinträchtigt werden kann. Bereits ein derartiger Geschehensablauf ist geeignet, sich nachteilig auf die Funktionsfähigkeit der Beklagten auszuwirken (BVerwG, a.a.O., juris Rn. 18 m.w.N.; OVG Berlin-Brandenburg, a.a.O., juris Rn. 32).
Nach diesen Maßgaben hat die Beklagte hinreichend dargelegt, dass die Bekanntgabe der Namen der 51 überprüften Projektträger die effektive Aufgabenerledigung des BMFSFJ stören kann. Sie hat angesichts der von der ihr vorgelegten Presseberichterstattung zu einem bekannt gewordenen Fall einer Überprüfung von Mitarbeitern in einer hessischen Beratungsstelle gegen salafistische Radikalisierung durch das Landesamt für Verfassungsschutz in Hessen nachvollziehbar dargetan, dass das Bekanntwerden der Namen der überprüften juristischen Personen eine nicht von der Hand zu weisende Gefahr der Stigmatisierung der Projektträger in sich birgt, die insbesondere im wichtigen Bereich der Extremismusprävention dazu führen kann, dass dem Projektträger Zugang zu den Sozialisierungsorten und Kontakten verschlossen wird oder bleibt. Die Beklagte hat durch Vorlage einer gemeinsamen Pressemitteilung des ...und des V... vom 17. Mai 2018, mit der die Verbände die sofortige Einstellung der geheimdienstlichen Überprüfung der Demokratieprojekte fordern, darüber hinaus nachvollziehbar aufgezeigt, dass die Projektträger im Bundesprogramm „Demokratie leben!“ insbesondere im Bereich der Radikalisierungsprävention in besonderer Weise sensibel auf Verdächtigungen reagieren, extremistische Orientierungen oder Handlungen zu fördern. Beide Verbände werden bzw. wurden vom BMFSFJ gefördert; zu ihren Mitgliedern gehören nach Mitteilung der Beklagten ebenfalls geförderte Projektträger. Die hieraus von der Beklagten gezogene Schlussfolgerung, die Bekanntgabe der Namen würde die vertrauensvolle Zusammenarbeit mit den Projektträgern zumindest stören und dazu führen können, dass diese und auch andere Projektträger in Zukunft keine Fördermittel mehr beantragen und das aufgelegte Förderprogramm damit letztlich leerlaufen würde, ist in Anbetracht ihrer vorgetragenen Erfahrungen im Zusammenhang mit der wieder abgeschafften Demokratieerklärung (sog. Extremismusklausel) nicht zu beanstanden. Die Beklagte hat – belegt durch ein Ablehnungsschreiben des Bundesamts für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben an einen Oberbürgermeister zur Teilnahme am Bundesprogramm „TOLERANZ FÖRDERN – KOMPETENZ STÄRKEN“ – ausgeführt, dass Verbände und Projektträger offensichtlich schon die Tatsache, dass eine Überprüfung im Einzelfall erfolgen kann, als Provokation empfinden, weil sie damit allein aufgrund ihrer Tätigkeit in eine extremistische Ecke gerückt werden.
Weitergehende Darlegungen der Beklagten bedurfte es – entgegen der Ansicht des Klägers – nicht. Etwas anderes folgt auch nicht aus der von der Beklagten vorgelegten Liste von Zuwendungsempfängern, die der Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage (BT-Drs. 19/1760) als Anlage beigefügt war und aus der der Kläger den Schluss zieht, dass die Förderprogramme trotz Geltung der sog. Extremismusklausel erfolgreich abgeschlossen werden konnten. Das Gericht hat hierbei berücksichtigt, dass an die Wahrscheinlichkeit der Beeinträchtigung umso geringere Anforderungen zu stellen sind, je größer und folgenschwerer die möglicherweise eintretende Beeinträchtigung ist. Dies wiederum bemisst sich insbesondere nach dem Gewicht des öffentlichen Interesses an einem ungestörten Ablauf der in Frage stehenden behördlichen Aufgabe (vgl. zu §3 Nr.3 lit. b) IFG: OVG Münster, Urteil vom 10. Oktober 2017 – 15 A 530/16 – juris Rn. 48). Die Beklagte weist zu Recht darauf hin, dass ein erhebliches öffentliches Interesse an der Umsetzung von Präventionsmaßnahmen insbesondere in Bezug auf rechtsextremistische und islamistische Aktivitäten in der Bundesrepublik besteht, die eine wichtige Ergänzung zu sicherheitsbehördlichen Instrumenten darstellen. Ein ganz wesentlicher Teil der Arbeit basiert dabei auf den Zugängen zu Milieus, die die staatliche Ordnung nicht nur in Frage stellen, sondern gefährden. Ausreichend ist insoweit schon die – wie sich aus dem Vorstehenden ergibt – nicht abwegige Möglichkeit, dass durch die Veröffentlichung der Namen der Projektträger der Verlust dieser Zugänge droht. Hieran ändert auch der vom Kläger in der mündlichen Verhandlung betonte Umstand nichts, dass ein transparenteres Vorgehen der Beklagten hinsichtlich der Überprüfung auf mögliche verfassungsschutzrelevante Erkenntnisse zu einer größeren Akzeptanz bei den geförderten Projektträgern führen könnte. Er ist auch nicht geeignet, die durch eine Presseberichterstattung hervorgerufene Stigmatisierungswirkung zu beseitigen.
Die Kostenentscheidung beruht auf §154 Abs.1 VwGO. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit wegen der Kosten folgt aus §167 VwGO i. V. m. §§708 Nr.11, 711 ZPO.
Entscheidungsgründe
Die als Verpflichtungsklage statthafte Klage ist zulässig (dazu I), aber unbegründet (dazu II).
I. Der Zulässigkeit der Klage steht insbesondere nicht entgegen, dass der Kläger im behördlichen Verfahren (und auch mit dem ursprünglich angekündigten Klageantrag) die Auskunft über die Namen der Organisationen und Personen begehrt hat, die das BMFSFJ zur Überprüfung an das BfV weitergeleitet hat. Die Beklagte hat hierzu im Klageverfahren erstmalig erklärt, dass sie entsprechende Anfragen ausschließlich an das BMI gerichtet habe, das diese im Einzelfall auch an das BfV weitergeleitet habe. Insoweit fehlt es nicht an einer vorherigen Antragstellung. Denn der Zugangsantrag des Klägers, der über diese Information vorgerichtlich nicht verfügte, ist auslegungsbedürftig und -fähig. Dabei ist auf den objektivierten Empfängerhorizont (§§133, 157 BGB) abzustellen (vgl. Urteil der Kammer vom 19. Juli 2018 – VG 2 K 348.16 – juris Rn. 27). Dem Begehren des Klägers ist eindeutig zu entnehmen, dass es ihm um die Überprüfung von (möglichen) Zuwendungsempfängern im Rahmen des Programms „Demokratie leben!“ durch Sicherheitsbehörden ging, die bereits Gegenstand von parlamentarischen Anfragen und Presseberichten gewesen ist. Der Kläger hat seinen Antrag in der mündlichen Verhandlung entsprechend präzisiert.
II. Der Bescheid der Beklagten vom 7. Juni 2018 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. Juni 2018 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Er hat keinen Anspruch auf Zugang zu der Liste der auf verfassungsschutzrelevante Erkenntnisse überprüften 51 Projektträger, §113 Abs.5 Satz1 VwGO.
-
Rechtsgrundlage für das Begehren des Klägers ist §1 Abs.1 Satz1 des Informationsfreiheitsgesetzes des Bundes (IFG). Nach §1 Abs.1 Satz1 IFG hat jeder nach Maßgabe dieses Gesetzes gegenüber den Behörden des Bundes einen Anspruch auf Zugang zu amtlichen Informationen. Diese Voraussetzungen liegen vor. Der Kläger ist als natürliche Person „jeder“ und damit anspruchsberechtigt. Das BMFSFJ ist eine Behörde des Bundes. Bei der von dem Kläger begehrten Liste handelt es sich um eine amtliche Information im Sinne des §2 Nr.1 Satz1 IFG, denn sie dient amtlichen Zwecken des Bundesministeriums.
-
Die Beklagte beruft sich jedoch mit Erfolg auf den Ausschlussgrund des §3 Nr.2 IFG. Der von der Beklagten geltend gemachte Ausschlussgrund ist gegeben, sofern das Bekanntwerden der Information die öffentliche Sicherheit gefährden kann. Die öffentliche Sicherheit im Sinne des §3 Nr.2 IFG umfasst ausweislich der Gesetzesbegründung die Unversehrtheit der Rechtsordnung und der grundlegenden Einrichtungen und Veranstaltungen des Staates sowie von Gesundheit, Ehre, Freiheit, Eigentum und sonstigen Rechtsgütern der Bürger (vgl. BT-Drs. 15/4493 S.10). Zu diesen Schutzgütern gehört auch die Funktionsfähigkeit der staatlichen Einrichtungen. Dabei geht es um die Erfüllung der einer staatlichen Einrichtung jeweils zugewiesenen Aufgabe, die ihrerseits von geordneten verwaltungsinternen Abläufen abhängt (BVerwG, Urteil vom 20. Oktober 2016 – BVerwG 7 C 20.15 – juris Rn. 13; OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 18. Mai 2017 – OVG 12 B 17.15 – juris Rn. 31).
Eine Gefährdung liegt vor, wenn aufgrund einer auf konkreten Tatsachen beruhenden prognostischen Bewertung mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist, dass das Bekanntwerden der Information das Schutzgut beeinträchtigt. Die Feststellung der konkreten Möglichkeit nachteiliger Auswirkungen setzt voraus, dass die informationspflichtige Stelle Tatsachen darlegt, aus denen sich im jeweiligen Fall eine Beeinträchtigung des Schutzgutes ergeben kann. Diese Einschätzung kann insbesondere bei Vorgängen, die eine typisierende Betrachtungsweise ermöglichen, auch auf allgemeinen Erfahrungswerten beruhen. Das Vorliegen des Ablehnungsgrundes hängt dabei nicht von der Person des konkreten Antragstellers ab; maßgeblich ist, ob das Bekanntwerden der Information objektiv geeignet ist, sich nachteilig auf das Schutzgut auszuwirken. In Anwendung dieses Maßstabs ist eine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit nicht erst dann zu bejahen, wenn die informationspflichtige Stelle ihrer Funktion voraussichtlich überhaupt nicht mehr gerecht werden könnte, sondern schon dann, wenn die effektive Aufgabenerledigung gestört und die Arbeit der betroffenen Bediensteten beeinträchtigt werden kann. Bereits ein derartiger Geschehensablauf ist geeignet, sich nachteilig auf die Funktionsfähigkeit der Beklagten auszuwirken (BVerwG, a.a.O., juris Rn. 18 m.w.N.; OVG Berlin-Brandenburg, a.a.O., juris Rn. 32).
Nach diesen Maßgaben hat die Beklagte hinreichend dargelegt, dass die Bekanntgabe der Namen der 51 überprüften Projektträger die effektive Aufgabenerledigung des BMFSFJ stören kann. Sie hat angesichts der von der ihr vorgelegten Presseberichterstattung zu einem bekannt gewordenen Fall einer Überprüfung von Mitarbeitern in einer hessischen Beratungsstelle gegen salafistische Radikalisierung durch das Landesamt für Verfassungsschutz in Hessen nachvollziehbar dargetan, dass das Bekanntwerden der Namen der überprüften juristischen Personen eine nicht von der Hand zu weisende Gefahr der Stigmatisierung der Projektträger in sich birgt, die insbesondere im wichtigen Bereich der Extremismusprävention dazu führen kann, dass dem Projektträger Zugang zu den Sozialisierungsorten und Kontakten verschlossen wird oder bleibt. Die Beklagte hat durch Vorlage einer gemeinsamen Pressemitteilung des ...und des V... vom 17. Mai 2018, mit der die Verbände die sofortige Einstellung der geheimdienstlichen Überprüfung der Demokratieprojekte fordern, darüber hinaus nachvollziehbar aufgezeigt, dass die Projektträger im Bundesprogramm „Demokratie leben!“ insbesondere im Bereich der Radikalisierungsprävention in besonderer Weise sensibel auf Verdächtigungen reagieren, extremistische Orientierungen oder Handlungen zu fördern. Beide Verbände werden bzw. wurden vom BMFSFJ gefördert; zu ihren Mitgliedern gehören nach Mitteilung der Beklagten ebenfalls geförderte Projektträger. Die hieraus von der Beklagten gezogene Schlussfolgerung, die Bekanntgabe der Namen würde die vertrauensvolle Zusammenarbeit mit den Projektträgern zumindest stören und dazu führen können, dass diese und auch andere Projektträger in Zukunft keine Fördermittel mehr beantragen und das aufgelegte Förderprogramm damit letztlich leerlaufen würde, ist in Anbetracht ihrer vorgetragenen Erfahrungen im Zusammenhang mit der wieder abgeschafften Demokratieerklärung (sog. Extremismusklausel) nicht zu beanstanden. Die Beklagte hat – belegt durch ein Ablehnungsschreiben des Bundesamts für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben an einen Oberbürgermeister zur Teilnahme am Bundesprogramm „TOLERANZ FÖRDERN – KOMPETENZ STÄRKEN“ – ausgeführt, dass Verbände und Projektträger offensichtlich schon die Tatsache, dass eine Überprüfung im Einzelfall erfolgen kann, als Provokation empfinden, weil sie damit allein aufgrund ihrer Tätigkeit in eine extremistische Ecke gerückt werden.
Weitergehende Darlegungen der Beklagten bedurfte es – entgegen der Ansicht des Klägers – nicht. Etwas anderes folgt auch nicht aus der von der Beklagten vorgelegten Liste von Zuwendungsempfängern, die der Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage (BT-Drs. 19/1760) als Anlage beigefügt war und aus der der Kläger den Schluss zieht, dass die Förderprogramme trotz Geltung der sog. Extremismusklausel erfolgreich abgeschlossen werden konnten. Das Gericht hat hierbei berücksichtigt, dass an die Wahrscheinlichkeit der Beeinträchtigung umso geringere Anforderungen zu stellen sind, je größer und folgenschwerer die möglicherweise eintretende Beeinträchtigung ist. Dies wiederum bemisst sich insbesondere nach dem Gewicht des öffentlichen Interesses an einem ungestörten Ablauf der in Frage stehenden behördlichen Aufgabe (vgl. zu §3 Nr.3 lit. b) IFG: OVG Münster, Urteil vom 10. Oktober 2017 – 15 A 530/16 – juris Rn. 48). Die Beklagte weist zu Recht darauf hin, dass ein erhebliches öffentliches Interesse an der Umsetzung von Präventionsmaßnahmen insbesondere in Bezug auf rechtsextremistische und islamistische Aktivitäten in der Bundesrepublik besteht, die eine wichtige Ergänzung zu sicherheitsbehördlichen Instrumenten darstellen. Ein ganz wesentlicher Teil der Arbeit basiert dabei auf den Zugängen zu Milieus, die die staatliche Ordnung nicht nur in Frage stellen, sondern gefährden. Ausreichend ist insoweit schon die – wie sich aus dem Vorstehenden ergibt – nicht abwegige Möglichkeit, dass durch die Veröffentlichung der Namen der Projektträger der Verlust dieser Zugänge droht. Hieran ändert auch der vom Kläger in der mündlichen Verhandlung betonte Umstand nichts, dass ein transparenteres Vorgehen der Beklagten hinsichtlich der Überprüfung auf mögliche verfassungsschutzrelevante Erkenntnisse zu einer größeren Akzeptanz bei den geförderten Projektträgern führen könnte. Er ist auch nicht geeignet, die durch eine Presseberichterstattung hervorgerufene Stigmatisierungswirkung zu beseitigen.
Die Kostenentscheidung beruht auf §154 Abs.1 VwGO. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit wegen der Kosten folgt aus §167 VwGO i. V. m. §§708 Nr.11, 711 ZPO.
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